Karriere-News

Angebote für Väter sind nur selten Teil des Employer Brandings

Eltern-Kind-Büros werden von Vätern und Müttern gleichermaßen genutzt.

Eltern-Kind-Büros werden von Vätern und Müttern gleichermaßen genutzt.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: standret

Karriere 28.09.2023
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht nur Müttern wichtig. Doch Unternehmen, die sich Familienfreundlichkeit auf die Fahne schreiben, nehmen bei ihren Initiativen oft nur ... 

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht nur Müttern wichtig. Doch Unternehmen, die sich Familienfreundlichkeit auf die Fahne schreiben, nehmen bei ihren Initiativen oft nur Frauen in den Blick. Dabei beziehen auch Väter ihre familiäre Situation in die Karriereplanung mit ein. Entsprechende Angebote durch den Arbeitgeber können sie als Mitarbeiter binden, oder sogar als Bewerber anlocken.

Unternehmen rühmen sich gerne mit einer tollen Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ganz unabhängig von der Branche. Der Eindruck der Belegschaft ist oft ein anderer. Dass es hier Nachholbedarf gibt, nehmen nicht nur junge Mütter, sondern auch Väter wahr. In einer repräsentativen Umfrage von Prognos und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gaben 63 Prozent der Unternehmen an, sehr väterfreundlich zu sein – die Einschätzung der angestellten Väter selbst liegt mit 38 Prozent deutlich darunter. Auch Andreas Seltmann schätzt die Lage eher negativ ein. Er ist Experte für Väterfreundlichkeit beim Dienstleister und Think-Tank berufundfamilie. Die GmbH begleitet Unternehmen bei der Umsetzung einer nachhaltigen familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik. Zusätzlich vergibt der Dienstleister ein Zertifikat für familienfreundliche Unternehmen.

Aus vielen Gesprächen mit Klienten weiß Seltmann: Viele Arbeitgeber haben Väterfreundlichkeit noch gar nicht auf dem Schirm. "Auch HR-Abteilungen und Unternehmer gehen davon aus, dass eher Mütter den Großteil der Elternzeit stemmen und in Teilzeit arbeiten", sagt Seltmann. Das ist auch tatsächlich noch so: In den meisten Familien herrscht jene traditionelle Aufgabenteilung – oft aus finanziellen Gründen.

So arbeiten zum Beispiel nur 7,4 Prozent der Väter in Deutschland in Teilzeit. Bei den Müttern sind es 67,8 Prozent, zeigt eine Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung mit Daten aus dem Mikrozensus 2021.

Damit sich das ändert, sind nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch Unternehmen gefragt – die müssen der Belegschaft nämlich zeigen: Wir unterstützen euch, wenn ihr für die Familie da sein wollt. Dass diese Unterstützung längst nicht selbstverständlich ist, hat Marco Herzog am eigenen Leib gespürt. Der 44-Jährige stieß auf verwunderte Blicke, als er bei seinem alten Arbeitgeber vor neun Jahren den Antrag auf Elternzeit eingereicht hat. "Da wurden noch Fragen gestellt wie: Muss das jetzt sein? Aber ja, es musste und ich habe mich durchgesetzt." Bei der Geburt seines zweiten Kindes lief es besser.

Kurz nach seinem Wechsel zur Immobilienberatung JLL wurde sein heute sechsjähriger Sohn geboren."Diesmal war der Elternzeitantrag gar kein Problem", erinnert sich Herzog. Nach der Elternzeit steigt seine Frau wieder in Teilzeit ein, er arbeitet weiterhin Vollzeit – bis zum Jahr 2019. Als eine Oma der Kinder verstirbt, entschließt sich das Paar, kürzer zu treten. Sie hatte das Elternpaar stark unterstützt. Kurz vor dem Entschluss hatte er intern die Abteilung gewechselt, ist nun in der Rechnungsstellung. Sorgen hatte Herzog keine vor dem Gespräch mit seinem Chef. Der ist nämlich selbst Vater und stimmt sofort zu. "Wir haben uns direkt hingesetzt und geplant, wie ich dann meine Aufgaben weitermache und ob ich etwas abgeben muss." Letztlich musste nichts verteilt werden, weil er noch so neu in der Abteilung war. Es ging dann mehr darum, wann er arbeitet und wie er sich diese einteilt. Seitdem arbeiten Herzog und seine Frau beide 30 Stunden die Woche.

Aus Sicht des 44-Jährigen ist eine offene Kultur, wie er sie bei JLL erlebt, entscheidend, um Müttern und Vätern eine gute Arbeitsumgebung zu bieten. Allgemein hat Herzog den Eindruck, dass die Immobilienbranche recht familienfreundlich aufgestellt ist. "Ich habe zwar keine große Stichprobe, aber aus meiner Erfahrung und der meiner Bekannten und Kollegen kann ich sagen: Das läuft schon ganz gut." Für die Zukunft wünsche er sich noch, dass Arbeitgeber im Allgemeinen Väter stärker ermuntern, Teilzeit oder eine längere Elternzeit zu nehmen – wenn sie es möchten. "So kämen vielleicht noch mehr auf den Gedanken, auch diejenigen, die sich vor der Frage nach Teilzeit scheuen", sagt Herzog.

So ein Engagement befürwortet auch Experte Seltmann. "Es geht letztlich immer um Elternfreundlichkeit. Mütter und Väter sollten nicht unterschiedlich behandelt werden. Auf individuell andere Bedürfnisse sollten Arbeitgeber trotzdem gehen."

Allgemeine Unterstützung können Arbeitgeber zum Beispiel schon einfach über flexible Arbeitszeiten und eine freie Wahl der Büro- und Homeofficetage bieten. So macht das auch Gundlach Bau. Zusätzlich ist eine vom Immobilieninvestor initiierte Kita ans Büro angeschlossen. Die Mitarbeiter können ihre Kinder dort vor der Arbeit zur Betreuung abgeben. Wenn es mal nicht anders geht, gibt es auch ein Eltern-Kind-Büro, in dem Mitarbeiter ihren Aufgaben nachgehen, während sie ein Auge auf ihre Kinder haben, denen dort Spielzeug zur Verfügung steht. Solche Verbesserungen kommen allen Eltern zugute.

Manchmal haben Väter aber eben doch andere Fragen oder Herausforderungen als Mütter. Oder sie wollen sich lieber mit anderen Vätern austauschen, weil sie denken, dort besser verstanden zu werden. Dann kommen Väternetzwerke ins Spiel. "In solchen Gruppen können Väter innerhalb der Belegschaft Gedanken austauschen und Initiativen anstreben", erklärt Seltmann. Von allen Initiativen, die es bei Arbeitgebern gibt, geht das Väternetzwerk oft als letztes an den Start, weiß der berufundfamilie-Experte. "Wenn es keine Enthusiasten gibt, die den aktiven Austausch suchen und verfestigen, klappt das nicht", erklärt er.

Personaler müssen aber nicht auf die Initiative der angestellten Väter warten. Sie können auch selbst aktiv werden. Seltmann empfiehlt, zunächst eine Infoveranstaltung anzubieten. Auf dieser könnten zum Beispiel Gastredner über Väterfreundlichkeit sprechen. Die Vorteile einer solchen Veranstaltung: HR sieht, wie viele Mitarbeiter wirklich Interesse an dem Thema haben. Und sie können im Nachgang die Besucher auf die Gründung eines Väternetzwerkes ansprechen und dessen Entstehung begleiten.

Bei JLL gibt es ein solches organisiertes Netzwerk nicht. Herzog vermisst es aber auch nicht. Stattdessen bindet JLL den PME-Familienservice ein. Der Dienstleister steht Arbeitgebern unterstützend zur Seite, der Service richtet sich aber explizit an die Arbeitnehmerschaft. PME steht zum Beispiel Mitarbeitenden zur Seite, wenn sie Konflikte am Arbeitsplatz, Sicht- oder Partnerschaftsprobleme haben.

Familienfreundlichkeit ist oft ausschlaggebend bei der Jobwahl

Den Gesprächen der Väter im Netzwerk sollten dann aber auch Taten folgen. Seltmann hat sich zum Beispiel vor kurzem mit dem Väternetzwerk eines großen Unternehmens an den Tisch gesetzt. Ein Problem: Am Standort gibt es zwar eine Kita für die Kinder der Mitarbeitenden. Aber die öffnet erst um halb neun. Und dann schaffen es die Väter oft nicht, rechtzeitig im ersten Meeting des Tages zu sein, oder es muss doch wieder die Mutter zur Kita fahren. Seltmann vermittelte zwischen Vorstand und dem Netzwerk. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Seit dem Gespräch gilt die interne Policy, dass kein Meeting vor neun Uhr angesetzt werden darf, damit alle die Chance haben, dabei zu sein – und zwar ohne Stress. Auch kleine Veränderungen können also Großes bewirken.

Wer Väter aber nachhaltig zu längeren Elternzeiten motivieren will, der muss nicht nur tiefer in die Trickkiste, sondern vor allem tiefer in die Kasse greifen. "Egal wie elternfreundlich Arbeitgeber sind, am Ende sind es oft die unterschiedlichen Gehälter, die Paare zur Entscheidung führen: Mama bleibt länger zu Hause. Papa geht arbeiten", sagt Seltmann. Dieses Dilemma wurde auch in der jüngst politisch und medial hochgekochten Elterngelddebatte wieder gewälzt. Eine Lösung für Arbeitgeber kann darin bestehen, frischgebackenen Müttern und Vätern ein paar Monate Elternzeit zum vollen Gehalt zu ermöglichen. "Denn nur wenn Paare keine Geldsorgen haben, können sie wirklich frei über die Aufteilung der Elternzeit entscheiden", sagt Seltmann. Zusätzlich solle jedes Unternehmen auf Gleichbezahlung von Mann und Frau achten.

Angebote wie die Elternzeit zum vollen Gehalt können den Ausschlag geben – zum Beispiel bei der Suche nach Fachkräften. Laut Prognos-Studie denken 40 Prozent der befragten Väter darüber nach, den Arbeitgeber zu wechseln, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Zehn Prozent haben den Job laut eigener Angabe deswegen schon gewechselt. Statt viel Geld in andere Benefits zu investieren, könnte in einem Entgegenkommen hier also womöglich ein Hebel liegen, um Beschäftigte zu binden.

Die Autorin: Jennifer Garic ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Immobilien Zeitung

Markus Menzinger

Markus Menzinger gründete 1999 das Unternehmen Office Group.

Markus Menzinger gründete 1999 das Unternehmen Office Group.

Quelle: Office Group GmbH

Karriere 28.09.2023
Der Unternehmer Markus Menzinger ist in München aufgewachsen und wohnt dort bis heute zusammen mit seiner Frau. Der dreifache Vater ist gelernter Schreiner und wechselte nach seinem ... 

Der Unternehmer Markus Menzinger ist in München aufgewachsen und wohnt dort bis heute zusammen mit seiner Frau. Der dreifache Vater ist gelernter Schreiner und wechselte nach seinem Berufseinstieg zunächst in die Möbelbranche. 1999 gründete er in seiner Heimatstadt den Generalübernehmer Office Group. Das Unternehmen, das der 57-Jährige bis heute zusammen mit Volker Tibbe als geschäftsführender Gesellschafter leitet, entwirft vor allem für Vermieter Büro- und Arbeitswelten. Wenn Menzinger für berufliche Arbeiten Ruhe braucht, zieht er sich ins Homeoffice zurück. Auch privat schätzt er es gelegentlich, Zeit für sich alleine zu haben.

Wo wohnen Sie zurzeit?

Zur Miete in einer Etagenwohnung. Mitten in München in der Nähe zum Odeonsplatz auf circa 160 Quadratmetern mit wunderschönem Fischgrätenparkett, großem Südbalkon und großzügiger Küche. Alles ist sehr lichtdurchflutet.

Was ist Ihr Lieblingsplatz in der Wohnung?

Die Küche, weil ich dort beim Arbeiten im Homeoffice alles um mich herum habe.

Wie muss das perfekte Haus oder die perfekte Wohnung aussehen?

Ein Bauernhaus, das modern ausgebaut ist. Das heißt, es braucht viel Holz, aber kombiniert mit sehr modernen Sanitäreinrichtungen.

Wann, wo und womit haben Sie als Erwachsener zum ersten Mal Geld verdient?

Als Lehrling.

Wie und wo möchten Sie im Alter wohnen?

In den Bergen.

Haben Sie bei einer Immobilie schon einmal selbst mit Hand angelegt?

In der Zeit als Schreiner haben wir ganze Wohnhäuser renoviert.

Wie haben Sie den Weg in die Immobilienbranche gefunden?

Ich war bei einem Büromöbelhändler angestellt und in der Zeit habe ich durch den Freundeskreis einen Makler kennengelernt. Ich habe dann für ihn geplant und er hat mir die Welt der Vermietung gezeigt. Die Synergie war perfekt.

Was braucht man Ihrer Einschätzung nach, um es in Ihrem Job zu etwas zu bringen?

Leidenschaft und eine klare Haltung.

Gibt es innerhalb der Immobilienbranche etwas, was Sie stört?

Dass innerhalb der Branche zwischen Architekten, Projektentwicklern, Baufirmen, Mietern, Beratern und anderen zu wenig Austausch auf der Suche nach neuen Lösungen stattfindet.

Und was finden Sie besonders gut?

Dass ich es ständig mit Menschen und Architektur zu tun habe. Und die positive Wirkung der Arbeit, nämlich gut gemachte Räume.

Sie würden jungen Leuten raten, den Weg in die Immobilienwirtschaft einzuschlagen, weil ...

... die Branche eine unglaubliche große Vielfalt an Möglichkeiten eröffnet, sein "Ding" zu finden.

Baulöwe, Miethai, Heuschrecke: Leute, die mit Immobilien Geld verdienen (wollen), haben nicht immer den besten Ruf. Zu Recht?

Na ja, je nach Blickwinkel können einzelne Personen das so sehen. Ich bin jedoch der Meinung, dass jeder Mensch selbst dafür verantwortlich ist, mit wem er sich umgibt.

Wie feiern Sie Ihre Erfolge?

Unterschiedlich, mal im Team, aber auch mal nur mit meinem Partner.

Haben Sie eine Lieblingsimmobilie?

Ein Bauernhaus.

Und welches Gebäude in Deutschland würden Sie gerne abreißen und warum?

Alle diese Wohnbunker ohne Seele.

Homeoffice, Büro oder mobil in der Bahn? Wo arbeiten Sie am häufigsten, wo am liebsten und warum?

Homeoffice, weil ich dort am meisten Ruhe habe.

Wo oder wie können Sie sich besonders gut entspannen oder abschalten?

Wenn ich ganz für mich alleine bin. Dann ist es fast egal, wo ich bin, ob beim Wandern, im Auto, im Hotel oder zu Hause. Ich muss dazu sagen, dass ich sehr gerne alleine bin und mir diese Art der Auszeit auch nehme.

Nennen Sie einen Ihrer Lieblingssongs?

"Run" von Leona Lewis.

Wenn Sie an Ihren letzten Urlaub denken, denken Sie an was?

An viel Ruhe, ein schönes Hotel, gutes Essen, leckeren Wein und gute Gespräche mit meiner Frau.

Wie gehen Sie am liebsten aus und in welcher konkreten Location kann man Sie öfter mal antreffen?

Ich mag gute Restaurants mit geschmackvoller Einrichtung und guter Atmosphäre. Zum Beispiel das Lokal "Seerose" in München.

Verraten Sie uns auch noch Ihr Lieblingsgericht?

Kaiserschmarrn.

#/ZZ#

Die Fragen stellte Janina Stadel.

Janina Stadel

Hochschulen bereiten Studenten auf den Umgang mit KI-Tools vor

Auf dem Campus kommt künstliche Intelligenz schon regelmäßig zum Einsatz.

Auf dem Campus kommt künstliche Intelligenz schon regelmäßig zum Einsatz.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Monkey Business

Karriere 28.09.2023
Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch – auch in der Immobilienwirtschaft. Die Einsatzgebiete sind noch begrenzt, aber der Hochschulnachwuchs lotet bereits einige Möglichkeiten ... 

Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch – auch in der Immobilienwirtschaft. Die Einsatzgebiete sind noch begrenzt, aber der Hochschulnachwuchs lotet bereits einige Möglichkeiten aus. In vielen Studiengängen gehört der Umgang mit der neuen Technik bereits zum Alltag. So sollen Studierende schon während ihrer Ausbildung die Möglichkeiten und Grenzen von KI-Tools im Berufsalltag kennenlernen.

Besonders große Bauprojekte sind heute schon hoch digital. Ob in der Planung, im Bauprozess oder in der Abnahme: Es läuft nichts mehr ohne entsprechende Software, digitale Protokolle, dem Internet of Things und Co. Nun könnte mit KI-Chatbots wie ChatGPT in der Immobilienwirtschaft die nächste Ausbaustufe starten. An den Hochschulen werden Studenten schon während ihrer Ausbiludng auf den Umgang mit der künstlichen Intelligenz vorbereitet.

An der Universität Wuppetal hat die wissenschaftliche Mitarbeiterin Ariane Deghan am Lehrstuhl "Konstruieren und Entwerfen"bereits in diesem Sommersemester ein KI-Projekt mit Bachelor- und Masterstudierenden geführt. Die Masterstudenten sollten mit KI-Werkzeugen einen architektonischen Entwurf erarbeiten. Die Bachelor-Studenten sollten alles händisch machen. Die Frage war: Kann KI den Menschen im kreativen Prozess der Architektur ersetzen? Die Antwort: Eher nein. "KI ist gut darin, Inhalte zu finden, zu strukturieren und neu zusammenzufügen", sagt Deghan. "Aber wir möchten neues Wissen schaffen und nicht Bestehendes wiederholen." ChatGPT und Co. sind also bisher eher für Fleißarbeit zu gebrauchen. Oder wie Deghan es ausdrückt: "Es fühlt sich an wie ein Kollege, der nie müde wird, mit mir über das Thema, an dem ich sitze, zu sprechen und mich dabei zu unterstützen, die vielen losen Gedankenstränge zu sortieren."

Die Wissenschaftlerin erhofft sich besonders bei einfacheren Projekten in Zukunft KI-Unterstützung – zum Beispiel bei Gewerbeimmobilien und Reihenhäusern. "Bereits jetzt gibt es Programme, die mit einem Klick dem Entwerfenden eine Vielzahl an funktionierenden Grundrissvarianten anbieten", sagt Deghan. "Die Aufgabe des Menschen ist es dann auszuwählen, anzupassen und vielleicht mit den Ergebnissen anderer spezialisierter KIs zu verbinden." Dieses Wissen vermitteln Deghan und ihr Team den Studierenden aktuell und ermutigen sie KI-Anwendungen auszutesten – Verbote gibt es keine: "Warum sollten wir vollkommen aussichtslos versuchen etwas zu verbieten, was es ja bereits gibt und was ganz offensichtlich hilfreich ist?", sagt Deghan. "Ich schaue sehr optimistisch auf diese neuen Möglichkeiten und appelliere an die Studierenden diese auch zu nutzen."

Die Grenzen der KI kennen die Studierenden aber auch. Denn in Seminararbeiten geht es dem Lehrstuhl nicht um das Zusammenfassen oder Wiederholen bestehenden Wissens, sondern darum neue Wege zu beschreiten. "Da kann ChatGPT punktuell assistieren, mehr aber nicht", sagt Deghan.

Verena Rock sieht das ähnlich. Sie ist Direktorin des Instituts für Immobilienwirtschaft und -management (IIWM) und Professorin für Immobilieninvestment und –portfoliomanagement an der Technischen Hochschule Aschaffenburg. Auch bei Rock nutzen die Studierenden im Unterricht bereits ChatGPT und werden an KI herangeführt. Einsatzmöglichkeiten für KI gibt es aus ihrer Sicht besonders bei Markt- und Standortanalysen, sowie in der Immobilienbewertung und bei Cashflow-Analysen. Ihre Studierenden dürfen KI auch bei Seminararbeiten verwenden, müssen aber eine ehrenwörtliche Erklärung abgeben, also bescheinigen, dass sie wissenschaftliche korrekt vorgegangen sind.

Besonders weit sind die Ideen und Experimente an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Holzminden. Dort unterrichtet Jan Christian Schlüter als Professor am Lehrstuhl für Real Estate Economics und Estate Management. Die Hochschule betreibt die sogenannte "HAWKI", eine Internetseite, auf der Studierenden und Mitarbeiter kostenlos eine ChatGPT-ähnliche KI nutzen und Erfahrung sammeln. Schlüter ermuntert seine Studentenschaft sogar dazu, solche Hilfsmittel auch für Seminararbeiten zu nutzen. "Da die Studierenden von mir individuelle Datensätze erhalten und an aktuellen wissenschaftlichen oder praktischen Fragestellungen arbeiten, eignet sich ChatGPT zur Unterstützung der Studierenden aber eben nicht zum kompletten Erstellen der eigenen Arbeitsleistung." Der Professor mahnt seine Studierenden auch zu Vorsicht bei der Literaturrecherche. Da ist die KI noch keine Hilfe. Zu oft erfindet sie Inhalte oder Quellen.

Abseits der Ausbildung und Wissenschaft sieht Schlüter auch auf dem aktuellen KI-Entwicklungsstand schon einige Möglichkeiten – und zwar besonders im Bereich Sensorik. Die Anzahl kleiner und günstiger Sensoren in Neubauten nimmt stetig zu. Sie sammeln Verbrauchsdaten oder erkennen frühzeitig Veränderungen oder Schäden in der Bausubstanz oder an Rohren und Leitungen. Das führt zu großen Datenmengen. "Die können nur noch durch KI auswertbar und nutzbar gemacht werden", sagt Schlüter.

Um diese praktischen Anwendungsfälle mit der Theorie der Studierenden zu verbinden, arbeitet die Hochschule an einem KI-Hub im Bereich Immobilien. Dieser soll den notwendigen Wissenstransfer zwischen Hochschule, Unternehmen und Industrie gewährleisten, Ausgründungen fördern und Spin-offs von Unternehmen beflügeln.

Während die meisten Hochschulen also vor allem KI-Potenzial im Bereich Planung und Datenmanagement sehen, sieht Marcel Weissinger noch eine andere Einsatzmöglichkeit. Weissinger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Studiengangsmanager am Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart und kann sich KI als Chatroboter auf Baustellen gut vorstellen. Dabei soll die KI nicht etwa den Bauarbeitern, Architekten oder Planern Rede und Antwort stehen, sondern den Anwohnerinnen und Anwohnern. "Häufig fehlt hier das Verständnis, wie intensiv die Planunterlagen geprüft wurden, wodurch manchmal Zweifel an der Standsicherheit der Baugrube oder Konstruktion entstehen", berichtet Weissinger.

Die KI könnte je nach Baustelle und Projekt mit eigenen Daten angereichert werden und so noch genauere Angaben. Der Wissenschaftler selbst nutzt ChatGPT aktuell besonders dazu, Feedback zu angestrebten Vorgehensweisen einzuholen, lässt die KI eine Priorisierung der nächsten Schritte vornehmen oder fragt, ob gesetzte Zeitrahmen realistisch sind.

Damit auch die Studierenden am Institut auf diese Zukunft gut vorbereitet sind, hat die Universität Stuttgart einen eigenen Kurs zum Thema geschaffen. In diesem können sich die Studierenden intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, Videos schauen und Nachfragen stellen. Darüber hinaus sind KI-Anwendungen wie ChatGPT laut Weissinger in fortgeschrittenen Vorlesungen zum Thema digitale Werkzeuge und Ansätze bereits Bestandteil.

Die Autorin: Jennifer Garic ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Jennifer Garic

"Der Bestand läuft irgendwann leer"

Robert Feiger.

Robert Feiger.

Quelle Imago, Urheber: Funke Foto Service

Karriere 28.09.2023
Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG Bau, blickt mit Sorge auf die Auftragslage im Hochbau und warnt vor dem "Gastro-Effekt", sollte die von der Baukrise geschüttelte Branche Stellen ... 

Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG Bau, blickt mit Sorge auf die Auftragslage im Hochbau und warnt vor dem "Gastro-Effekt", sollte die von der Baukrise geschüttelte Branche Stellen abbauen. Von der Politik erwartet der Gewerkschaftschef deutliche finanzielle Weichenstellungen. Nicht viel geringer ist allerdings auch seine Erwartungshaltung gegenüber den Arbeitgebern bei den im kommenden Jahr anstehenden Tarifverhandlungen am Bau.

Immobilien Zeitung: Herr Feiger, die Baubranche verzeichnet starke Einbrüche bei den Auftragseingängen, zahlreiche Projektentwickler sind in die Insolvenz gerutscht. Wie schätzen Sie kurz- und mittelfristig die Lage auf dem Arbeitsmarkt für die baunahen Branchen ein?

Robert Feiger: In der Tat befindet sich die Bauwirtschaft gerade in einer zunehmend schwierigen wirtschaftlichen Lage, aber die ist differenziert zu sehen. Durch die hohen Baupreise und die hohen Zinsen können sich viele Menschen keine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus mehr leisten und auch Wohnungsunternehmen stellen ihre Neubauprojekte vermehrt zurück. Vor allem deshalb fehlt es im Hochbau an neuen Aufträgen. Noch stehen Aufträge in den Büchern, aber der Bestand läuft auch irgendwann leer. Ganz anders sieht es jedoch bei Infrastrukturprojekten aus: Straßen, Schienen, Brücken und anderes mehr müssen erneuert und gebaut werden. Da kann das Arbeitsvolumen derzeit gar nicht bewältigt werden, da ist noch viel Luft nach oben.

IZ: Sehen Sie Bewegungen bei den Beschäftigungszahlen?

Feiger: Im August ist die Zahl der Arbeitslosen im Bauhauptgewerbe gegenüber dem Vorjahr nur moderat gestiegen. Dieser Trend könnte sich im ungünstigsten Fall weiter verstärken. Dennoch rechnen wir nicht mit einer sehr hohen Arbeitslosigkeit in der Baubranche. Denn wir haben schon seit langem einen demografisch bedingten Fachkräftemangel zu verzeichnen, der durch die aktuellen Entwicklungen auch nicht verschwinden wird.

"Noch stehen Aufträge in den Büchern"

IZ: Besteht also nicht die Gefahr, dass langfristig wieder Arbeitskräfte fehlen werden, wenn jetzt aufgrund der wirtschaftlichen Situation in den Betrieben gespart und abgebaut wird?

Feiger: Wir warnen schon seit langem davor, viele Arbeitsplätze einfach abzubauen. Denn sonst erleben wir auch in der Baubranche den sogenannten "Gastro-Effekt". In der Gastronomie sind die Beschäftigten irgendwann gegangen und nicht wieder zurückgekommen, weil sie in anderen Branchen bessere Arbeitsbedingungen vorgefunden haben. Das könnte auch in unserer Branche passieren. Deshalb erstens: keine Entlassungen im großen Stil, und zweitens müssen die Arbeitsbedingungen möglichst so gestaltet werden, dass die Bauarbeiter:innen ihren Beruf gerne ausüben und dabei auch möglichst lange gesund bleiben.

IZ: Würden Sie sich von der Politik mehr Engagement zur Unterstützung der Branchen wünschen, um die Auftragseinbrüche abzufedern?

Feiger: Auf jeden Fall muss das Engagement deutlich intensiviert werden. Wir brauchen beispielsweise ein Sondervermögen in Höhe von 50 Mrd. Euro, um genügend Sozialwohnungen bis zum Jahr 2025 zu bauen. Und weitere 22 Mrd. Euro sind noch in dieser Legislaturperiode notwendig, um auch Wohnungen zu erstellen, die für Menschen mit mittleren Einkommen bezahlbar sind. Auch plädieren wir schon seit langem für eine echte Wiederbelebung der Wohngemeinnützigkeit, wie sie übrigens auch im Koalitionsvertrag der Ampelregierung zu finden ist. Der Staat sollte auch seine Anteile bei Wohnbaugesellschaften so erhöhen, dass er sie weg von Profitinteressen und hin zu einer sozialen Ausrichtung lenken kann.

IZ: Und was noch?

Feiger: Es sind Maßnahmen gefragt, die helfen, kostengünstigeres Bauen zu ermöglichen. Beispielsweise die avisierten Sonderabschreibungsmöglichkeiten, bei denen aber leider keine Mietpreisbegrenzungen vorgesehen sind. Einen Beitrag leistet auch die verstärkte Förderung des Umbaus bestehender Immobilien. Es muss auf jeden Fall etwas geschehen, bevor der Hochbau ganz zum Erliegen kommt. Alles, was jetzt nicht finanziell auf den Weg gebracht wird, wird später doppelt so teuer.

IZ: Auch abgesehen von der aktuellen wirtschaftlichen Situation lastet ein großer Veränderungsdruck auf der Baubranche – alleine aufgrund der gewachsenen energetischen Anforderungen an die Gebäude. Reicht die aktuelle Weiterbildungsförderung aus?

Feiger: An der Stelle würden wir uns noch viel mehr wünschen. Der energetische Ausbau ist komplex und verlangt viel neues Know-how. Doch leider gibt es derzeit meist nur "kostengünstige Schnellschulungen" der Hersteller. Darin wird aber nur die Montage einzelner Produkte erklärt, aber nicht die notwendigen, umfassenderen Kenntnisse zu Thermik und Bauphysik, Brandschutz oder Entlüftung. Wenn dann noch unqualifizierte und nichttarifgebundene Firmen am Werk sind, gibt es schnell Pfusch am Bau. Das schadet wiederum dem Ruf in der Branche. Deshalb muss es tarifvertragliche Regelungen zur Weiterbildung und eine Stärkung der beruflichen Ausbildung unter Beteiligung der Gewerkschaften geben. Und wir dürfen bei alldem die vielen kleineren Unternehmen nicht vergessen, die das alleine gar nicht stemmen können.

IZ: Nächstes Jahr steht die nächste Tarifrunde im Bau an. Mit welchen Erwartungen werden Sie in die Verhandlungen gehen und welche Rolle wird die aktuelle wirtschaftliche Situation dabei spielen?

Feiger: Wir gehen mit den Erwartungen in die Verhandlungen, wie wir sie immer haben. Das Leben ist in nahezu allen Belangen für die Menschen deutlich teurer geworden, und dass muss sich bei Lohn und Gehalt auch niederschlagen. Unsere Formel lautet deshalb Inflationsausgleich plus X. Unsere letzten Tarifverhandlungen liegen schon zwei Jahre zurück, in der Zeit haben die Mieten, die Energiekosten, die Lebensmittelpreise und vieles andere mehr ziemlich angezogen. Zudem ist mir nicht bekannt, dass in der Boomphase am Bau die ausgehandelten Tariferhöhungen schwindelerregend hoch waren.

IZ: Herr Feiger, vielen Dank für Ihre Antworten.

Das Interview führte Robin Göckes.

Robin Göckes