Der Wechsel von Einzelhändlern in die Immobilienbranche ist keine Seltenheit. Zuletzt hat es wieder ein paar prominente Fälle gegeben: Olaf Hornig (Tally Weijl) geht zu storescouts, Thomas ...
Der Wechsel von Einzelhändlern in die Immobilienbranche ist keine Seltenheit. Zuletzt hat es wieder ein paar prominente Fälle gegeben: Olaf Hornig (Tally Weijl) geht zu storescouts, Thomas Mauritz (H&M) zu Jones Lang LaSalle (JLL) und Marc Wittke (Gina Tricot) zu Development Partner. Außer ihrem Netzwerk und ihrem Handelswissen bringen diese Männer noch etwas sehr Wertvolles mit: Sie kennen viele Städte.
Die Expansion von H&M zu einem der größten Modefilialisten in Deutschland ist eng mit dem Namen von Marc Wittke verbunden. Als Wittke 1988 als Mitarbeiter in der Expansion anfing, hatte H&M 15 Läden, als er das Unternehmen 2008 als Mitglied der Geschäftsleitung wieder verließ, waren es über 300. Vom 1. April an arbeitet Wittke, der danach noch bei s.Oliver, Douglas und Gina Tricot angestellt war, auf der anderen, der Immobilienseite. Director beim Projektentwickler Development Partner in Düsseldorf, das ist seine neue Position. "Ich soll die Akquisition und die Vermietung verstärken. Development Partner hofft, dass ich Kreativität und Ideen für die Entwicklung einbringe und auf Dinge komme, auf die vielleicht bisher keiner gekommen ist", sagt er über seine neue Aufgabe. "Die Akquisition war schon immer meine größte Leidenschaft."
Seitenwechsler sind in der Branche keine Seltenheit, denn Mitarbeiter mit Erfahrung im Verkauf oder in der Expansion werden in der Einzelhandelsimmobilienbranche hoch geschätzt. Bekannt ist, dass viele Größen der Centerwirtschaft aus dem Handel kommen. HBB-Geschäftsführer Harald Ortner war früher bei Rewe, GWB-Gründer Norbert Herrmann hat eine Asko- bzw. Metro-Vergangenheit, mfi-Vorstand Marcus Hüttermann kam von Douglas, Helmut Koprian begann als Schuhverkäufer in einem Warenhaus. Erik Strömberg, der mit seiner Firma Expansionspartner die Hofstatt in München vermietet, machte früher Läden für Zara klar, und Günter Rudloff, Geschäftsführender Gesellschafter von Comfort Hamburg, war in seinem ersten Leben Top-Manager bei Peek & Cloppenburg. Auch einige Mitglieder aus der ehemaligen Karstadt-Immobilien-Mannschaft arbeiten heute bei Maklern oder Entwicklern (siehe "Die Karstadt-Entwickler: Eine große Familie", IZ 46/09).
Strömberg war bei Zara, Rudloff bei Peek & Cloppenburg
Aus Sicht von Wittke ist der Sprung von der Handels- in die Immobilienwelt gar nicht so groß, wie er scheint, zumindest, wenn der ehemalige Einzelhändler zuvor in der Expansion gearbeitet hat. "Die Leute innerhalb der Immobilienbranche, die sich mit Einzelhandelsimmobilien beschäftigen, und die Leute, die sich bei Einzelhändlern mit Immobilien beschäftigen, sind sich sehr nahe." Ja, man könne sogar sagen, dass die Immobilienleute den Vertrieblern im Einzelhandel immer etwas "suspekt" seien. Denn während der Vertrieb in einem Einzelhandelsunternehmen eher eine "nach innen bezogene Tätigkeit" sei, "gehen die Immobilienleute raus und treffen Leute". Die Expansionisten und Immobilienmanager des Einzelhandels und die Einzelhandelsspezialisten innerhalb der Immobilienbranche bildeten einen "kleinen, überschaubaren Markt", in dem ein reger personeller Austausch herrsche. "Ich schätze, dass fast die Hälfte der Immobilienmanager im Einzelhandel vorher auf der anderen Seite waren", sagt Wittke. (Ein Beispiel dafür aus jüngerer Zeit: Marko Schönebeck ging von JLL zu Hunkemöller.)
"Einen Makler interessiert bei einem Haus die Verfügbarkeit, ein Händler macht sich eher Gedanken über die Lage"
Wittke trug sich sogar schon früher mit dem Gedanken, ins Immobilienfach zu wechseln. Als dann aber 2010 das Angebot kam, für Gina Tricot das Deutschland-Geschäft aufzubauen, überlegte er es sich noch einmal anders. Jetzt, da er endgültig in der Immobilienbranche angekommen ist, empfindet er das als "natürlichen Weg". Der 47-Jährige, über den ein Kollege sagt, er habe "mit das exzellenteste Handelswissen von allen im Markt", kennt die Schlüsselfiguren der Szene aus jahrzehntelanger Erfahrung. Manchmal kann er schon am Tonfall oder an einem Nebensatz erkennen, wie ernst es einer Person mit einem Standort ist oder nicht. "In einem Geschäft, in dem man so viel Vorleistung bringen muss, damit ein Projekt zustande kommt, ist diese persönliche Einschätzung unheimlich wichtig."
Thomas Mauritz, achtzehneinhalb Jahre bei H&M, wechselte im Sommer 2012 zu JLL in eine neu geschaffene Abteilung, die internationale Filialisten bei ihrem Markteintritt in Deutschland beraten soll. "Irgendwann hat man in einem Handelsunternehmen alles gemacht und sucht eine neue Herausforderung", sagt er. Finanzielle Gründe hätten bei seinem Wechsel nur eine "sekundäre Rolle" gespielt, auch wenn er einräumt, dass die "Möglichkeit, über die Provision am Erfolg zu partizipieren, ein Sahnehäubchen ist".
Hornig: "Die Seiten gewechselt? So sehe ich das nicht."
Sieht Mauritz Probleme, weil er als Händler immer auf eine niedrige Miete aus ist, während er als Makler eher nach einem möglichst hoch dotierten Abschluss streben muss? "Nein, ich sehe mich als Moderator. In erster Linie geht es darum, dass die Partner überhaupt zum Abschluss kommen, weil es sonst gar keine Provision gibt."
Ähnlich äußert sich Olaf Hornig, langjähriger Expansionsleiter von Tally Weijl, der im September 2012 zum Makler storescouts wechselte. "Die Seiten gewechselt? So sehe ich das nicht. Ich stehe mittendrin und habe gar keine Seite." Seine Aufgabe sei es, "Chancen zu ermöglichen", d.h. Mieter und Vermieter zusammenzubringen. Wie Mauritz hatte Hornig das Gefühl, es sei Zeit, der Routine zu entkommen und etwas zu wagen. "Ich wollte mich neu orientieren", sagt er. "Als Mieter sieht man immer nur sein eigenes Konzept, als Makler ist mein Horizont weiter. Für mich ist das eine Bereicherung." storescouts hat eine Vorliebe für ehemalige Handelsleute: In dem zehnköpfigen Maklerteam sammeln sich Erfahrungen von Pimkie, Yves Rocher, TK Maxx, Strauss, Snipes und Gerry Weber.
"Ich habe mit dem Eigentümer von Forever 21 über seine Ware gesprochen. Da war das Eis gebrochen."
Günter Rudloff sagt auch nach zwölf Jahren im Maklergeschäft: "Ich bin Händler." Er pflegt seine alten Kontakte und ist nach wie vor Mitglied im Verband der Mittel- und Großbetriebe. Der Hamburger Comfort-Chef hatte es bis zum Mitglied der Geschäftsleitung bei Peek & Cloppenburg gebracht, als ihn der Wunsch packte, Neuland zu betreten. Was ihm seinerzeit den Wechsel erleichterte, war die Erkenntnis, "dass im Immobilienbereich zu wenig Einzelhandelswissen vorhanden ist". Damit meint er nicht nur das Wissen über den Handel im engeren Sinne, sondern auch über Entscheidungsstrukturen. "Ich weiß, welche Kräfte in einem Handelsunternehmen wirken. Oft ist es ja so, dass der Expansionsmitarbeiter von einem Standort begeistert ist, aber der Vertriebler da gar nicht hinwill."
Außer ihrem Netzwerk bringen ehemalige Mitarbeiter von großen Filialisten noch etwas anderes Wertvolles mit: eine breite Kenntnis der deutschen Städtelandschaft. Firmen wie H&M haben schon 50.000-Einwohner-Städte hoch- und runteranalysiert, als die meisten überregionalen Makler sich nur mit den so genannten Metropolen abgeben wollten. Dieses Wissen bringen Männer wie Mauritz, Wittke oder Hornig zu ihren neuen Arbeitgebern mit. In der jetzigen Marktphase, wo Handel und Immobilienwirtschaft verstärkt nach Chancen in Klein- und Mittelstädten suchen (z.B durch die Verwertung ehemaliger Hertie-Immobilien), ist das ein unschätzbarer Vorteil.