"Werte sind unsichtbarer Luxus"
Daniel Salzhuber ist Gründer des Beratungsunternehmens Elle Consulting. Quelle: Yo’ Elle Consulting GmbH
ESG. Mit ihrem Unternehmen Yo’Elle Consulting bietet Daniela Salzhuber Controlling- und Analyseleistungen und entwickelt mit ihren Kunden Langzeitstrategien für Wertschöpfung. Zum 11. Firmenjubiläum setzte sie sich bei einem Workshop mit dem Thema Werte auseinander. Ihrer Einladung sind Immobilienprofis aus verschiedenen Sparten der Branche gefolgt. Ihr Ziel: Erfahrungen aus der Projektbearbeitung mit unterschiedlichen Teams abgleichen.
Immobilien Zeitung: Sie haben Branchenakteure aus ganz Deutschland zu einem Workshop zum Thema Werte an einen Tisch gebracht. Wer war alles dabei?
Daniela Salzhuber: Insgesamt sind 16 Immobilienprofis aus ganz Deutschland zusammengekommen. Unter ihnen waren Finanzierungsexperten wie zum Beispiel von der DZ Hyp oder der Berlin Hyp, aber auch Vertreter von Bauunternehmen wie Strabag und der Hochschule Fresenius. Zudem sind auch CEOs gekommen wie Matthias Herter von der Wohnungsgesellschaft Meravis und Timo Tschammler von Twain Towers.
IZ: Was war ihre Motivation? Welche konkreten Lösungen wollten sie für ihre Arbeit mitnehmen?
Salzhuber: Der Wert der Assetklasse Immobilien wandelt sich und somit auch die Möglichkeiten für eine langfristige Wertschöpfung. Die Teilnehmer wollten sich mit anderen Entscheidern aus der Branche austauschen und sehen, mit welcher Haltung sie dem aktuellen Markt begegnen. Dabei ging es ihnen um einen Austausch von Perspektiven und nicht zuletzt auch darum, sich ihre eigenen Positionen bewusst machen.
IZ: Welche Impulse gab es für die Auseinandersetzung mit dem Thema?
Salzhuber: Grundlage für die Gespräche war eine Sammlung von Zitaten von Philosophen und Wirtschaftsgrößen. Diese galt es zu hinterfragen. Aussagen wurden miteinander verglichen und mit der eigenen Lebenswelt abgestimmt. Gegensätzlichkeiten wurden trotz Emotionen erstaunlich tolerant diskutiert und Sichtweisen bis in den späten Abend hinein ausgetauscht. Das geht gemeinsam viel schneller, als wenn wir alle im Homeoffice allein vor uns hin brüten.
IZ: Man denkt immer, den Immobilienprofis geht es nur ums Geld. Welche Werte waren es, die die Teilnehmer im Workshop wirklich umgetrieben haben?
Salzhuber: Natürlich ging es in den Gesprächen auch ums Geld und um ein gutes Überleben jedes Einzelnen und der Unternehmen. Das Ausloten zwischen Sicherheitsdenken und Mut, "out of the Box" zu agieren, lockte fast alle in der Runde aus der Reserve. Es ergab sich hieraus schnell ein Spannungsfeld zwischen Bedürfnissen, Erwartungen und Sehnsucht nach Wandel. Dabei zeigte sich, dass jede Form von Veränderung Leistungsbereitschaft voraussetzt.
IZ: Wie können kapitalistische Werte und zwischenmenschliche Werte auf einen Nenner gebracht werden?
Salzhuber: Auch im Kapitalismus zählen Freiheit, Wachstum, Kreativität und Verantwortung, auch wenn es dabei um Wettbewerb, Marktwirtschaft und Gewinnmaximierung geht. Werte sind kostenfrei, ein unsichtbarer Luxus. Es gibt keine Gebühr, kein Honorar, keine Steuern für sie und dennoch sind sie Grundlage für Entscheidungen. Sie schaffen Identifikation mit einem Projekt oder einer Aufgabe und somit mit dem eigenen Job und dem Arbeitgeber – und gerade die junge Generation sucht nach einem Sinn in ihrem beruflichen Tun.
IZ: Spielten auch Alters- und Generationenunterschiede bei der Diskussion eine Rolle?
Salzhuber: Die Unterschiede zu überwinden stellt einen entscheidenden Teil der Zukunft und unseres Erfolgs dar. Nicht umsonst gibt es neben dem klassischen Coaching seit einigen Jahren Reverse Mentoring. Es braucht gegenseitige Wertschätzung. Aus eigener Erfahrung als Dozentin und aus der Zusammenarbeit mit jungen Leuten kann ich dazu alle nur ermutigen. Eine Frage für die ältere Generation könnte sein: Wie wären wir, wenn wir in unserer Laufbahn niemals durch eine Krise gegangen wären?
IZ: Wer muss Werte innerhalb eines Unternehmens vorleben?
Salzhuber: Alle sind gefragt. Heutzutage haben viele Unternehmen ein Leitbild mit Kernsätzen, die für alle Mitarbeiter im Unternehmen verständlich sind und bestenfalls gemeinsam mit allen aufgestellt wurden. Transportiert werden müssen die Werte und die damit verbundene Kultur von Führungskräften. Sie haben eine Vorbildfunktion. Doch gelebt werden müssen sie von jedem einzelnen Mitarbeiter.
IZ: Sind Werte zeitlos? Und wann sollten die eigenen einmal überdacht werden?
Salzhuber: Zitate aus der Antike sind noch immer sehr beliebt. Gelegentlich frage ich mich, ob die Menschen sich immer wieder denselben Themen stellen müssen. Somit, glaube ich, sind Werte auf jeden Fall zeitlos. Jede Zeit fordert diese auf ihre Art und Weise ein und bringt uns alle immer wieder auf den Kern. Jeder ist frei, sich so oft über Werte Gedanken zu machen, wie er will. Jeder in seinem Rahmen. Überhaupt nicht über Werte nachzudenken kommt, glaube ich, kaum vor. Viele Menschen bemerken vielleicht nicht, dass sie es tun.
IZ: Welche Anregungen von außen können Werte innerhalb eines Unternehmens beeinflussen?
Salzhuber: Als Wirtschaftsbetriebe sind Projektentwickler, Dienstleister oder Generalunternehmer dazu angehalten, effizient zu wirtschaften, um das Fortbestehen eines Unternehmens für alle Mitarbeiter zu sichern. ESG ist für mich eine neue Begrifflichkeit für einen alten Wertekanon, der dringend wieder gelebt werden sollte. Die Nachkriegsgeneration hat das automatisch gelebt. Wir brauchen möglicherweise diese formalen Vorgaben als Erinnerung, um den Wert von Ressourcen wiederzuentdecken.
IZ: Gibt es typisch deutsche Werte?
Salzhuber: Typisch deutsche Werte gibt es viele. Sicherlich gehören hochkarätige Ingenieurskunst, Innovationsstärke sowie Zuverlässigkeit dazu. Zu viel Regulatorik engt den Handlungsspielraum deutlich ein. Deshalb müssen wir Zeit für Inspiration und Nachdenken finden. Nur so entstehen trotz Einschränkungen von außen neue Lösungen.
IZ: Wie wichtig sind verdeutlichte Werte für die Mitarbeitergewinnung?
Salzhuber: Werte im gegenseitigen Miteinander zu vermitteln halte ich für einen Schlüssel zum Erfolg. Im Bewerbungsgespräch lassen sich Werte erläutern und konkrete Beispiele aufzeigen. Als Unternehmensleitung kann man den Mitarbeiter vor allem spüren lassen, dass man an ihn glaubt.
IZ: Es gibt viele unterschiedliche Sparten innerhalb der Branche. Wie können ihre Werte und Interessen zusammenpassen?
Salzhuber: Letztendlich haben wir alle das gleiche Interesse. Nämlich über Immobilienprojekte für uns ein schönes Leben und eine ökonomische Grundlage zu schaffen. Wir hängen alle miteinander zusammen. Es macht wenig Sinn, das gemeinsame Organigramm des Immobilienlebenszyklus zu zerpflücken. Wir bemerken bereits jetzt schon alle, dass die Insolvenzen bei den Projektentwicklern nicht nur Auswirkungen auf Planungsbüros und ausführende Firmen nach sich ziehen. Genauso funktioniert es auch in die andere Richtung. Wachstum kann nur gemeinsam gelingen.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janina Stadel.