Die Wirtschaft braucht mehr Gründerinnen
Gründerinnen und Gründer sind der Motor der Immobilienwirtschaft.
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Die Wirtschaft braucht innovative Geschäftsideen, die Impulse und Lösungsansätze liefern, um ihr Fortbestehen und Wachstum zu sichern. Und Menschen, die sich zutrauen, sie umzusetzen: Gründer:innen. In der Immobilienbranche sind Frauen als Unternehmensgründer unterrepräsentiert – und damit auch ihre Perspektiven.
Die Databyte-Analyse deckt sich mit den Erfahrungen, die Christine van Tübbergen in ihrem Netzwerk macht. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann als Unternehmerin das Maklerhaus Immo-VT, begleitet als Mentorin zudem junge Frauen auf dem Weg in die Selbstständigkeit in unterschiedlichen Branchen. Die größte Zurückhaltung von Gründerinnen nimmt sie in der Immobilienwirtschaft wahr und erkennt hinter dem zögerlichen Verhalten häufig ein starkes Sicherheitsbedürfnis. "Frauen sehen bei großen Vorhaben wie einer Gründung immer zuerst das Risiko, Männer hingegen die Chance", bemerkt sie in Gesprächen mit Branchenakteuren in spe immer wieder.
Dabei bringe doch eine Kombination aus beiden Mentalitäten eine Firma voran. "Männer bringen im Anfangseifer viel Mut mit, Frauen durchdenken alles sehr genau. Diese Herangehensweisen ergänzen sich gut", sagt van Tübbergen.
Der GEM zeigt, dass durch den geringen Anteil von Gründerinnen Nachteile für den Gesamtmarkt entstehen. Die Studienautoren argumentieren aus betriebswirtschaftlicher Sicht damit, dass Ideen von Frauen es nicht zur Umsetzung schaffen und ihre Perspektiven dadurch nicht gesehen werden können. Aus volkswirtschaftlicher Sicht gingen zudem Fachkräfte als Ressource verloren, wenn Frauen nicht in die leitenden Positionen kommen, in denen sie gebraucht werden.
"Chefposten sollten immer mit den Besten besetzt werden", findet Alexandra Czerner. Bei ihrem Karrierestart als Architektin in einem großen Büro stellte sie fest, dass rund 50% ihrer Kollegen weiblich waren, "aber ein Aufstieg in die Partnerriege war für sie aussichtslos", erinnert sie sich. Dabei hatten viele ihrer Kolleginnen gute Ideen, wie Städte durch Gebäude lebens- und wohnenswerter gestaltet werden können. "Die meisten männlichen Vorgesetzten hielten aber an bewährten Konzepten fest, für die das Büro seit Jahren stand." Dabei habe sie von männlichen Kollegen immer wieder zu hören bekommen, "Gefühle und Wohlbefinden kann man nicht bauen". Aber das stimme nicht: "Man braucht nur Empathie und Mut, etwas Neues auszuprobieren. Letzteres fehlt vielen Frauen leider zu oft im richtigen Moment."
Weil sie ihre eigenen Visionen umsetzen wollte, startete Czerner in den 1990er Jahren in die Selbstständigkeit und legte den Grundstein für das heutige Büro Czerner Göttsch Architekten. Das leitet sie nach einigen Jahren der Wachstumsphase inzwischen zusammen mit einem Partner. "Doch der Anfang war eine harte Zeit. Bis zu 80 Stunden pro Woche habe ich gearbeitet, am Zeichentisch in meiner Küche", erinnert sie sich.
In genau dieser Bereitschaft, sich auf lange Arbeitstage einzulassen, liegt für Czerner der Schlüssel zum Aufbau eines erfolgreichen Unternehmens. Nur so könnten sich Gründer einen Bekanntheitsgrad erarbeiten, der zu Aufträgen verhilft.
Der GEM zeigt, dass nur 40% der Frauen eine Gründung direkt in Vollzeit angehen, bei den Männern sind es hingegen 65%. Gleichzeitig gründen Frauen wesentlich häufiger im Alleingang, während Männer sich zu Gründerteams zusammenschließen und ihren potenziellen Arbeitseinsatz so vergrößern. Dabei ist es in den meisten Fällen nicht das fehlende Engagement, das die Gründerinnen zeitlich ausbremst, sondern der Wunsch nach finanzieller Sicherheit. Durch eine parallellaufende Festanstellung wollen sie sich vor geringem und schwankenden Einkommen in der Anfangszeit schützen und sicherstellen, dass genügend Startkapital vorhanden ist.
Das trifft auf die Immobilienbranche besonders zu. Denn wer in Gebäude investiert, muss schon zu Beginn einen hohen finanziellen Einsatz erbringen. Mehr als die Hälfte der Gründer:innen holen sich dafür Unterstützung, Frauen meistens von Businessangels. Zwar sammeln Männer nicht wesentlich häufiger Startkapital ein als Frauen, doch laut dem Deutschen Start-up-Monitor 2023 im Durchschnitt rund neunmal höhere Beträge.
Schnell an genug Geld für technische Ausstattung, Büromieten oder erste Mitarbeitergehälter zu kommen, sei in Deutschland in den vergangenen Jahren zunehmend schwerer geworden, weiß Birgit Rahn-Werner. Sie hat mit ihrer Indevise Group schon in mehrere Start-ups investiert und achtet vor allem auf plausible Businesspläne. Doch nicht nur die nackten Zahlen für eine mögliche Skalierung sind für sie entscheidend, um den Erfolg einer Geschäftsidee vorauszusagen. "Ich schaue mir die Gründer genau an und achte auf heterogene Teams hinter den Geschäftsideen", betont sie. Gerade beim Start brauche es sowohl einen Business-Orientierten als auch einen Innovationstreiber.
Die Vielfalt der Gründerpersönlichkeiten und ihre Herangehensweisen spielen somit eine wichtige Rolle, um Investoren und spätere Kunden zu überzeugen. Also genau das, was ein Mix aus Männern und Frauen bieten kann. Der Background kann dabei gern unterschiedlich sein. "Es kommen Leute mit Start-up-Ideen in die Branche, die erst einmal gar nichts mit Immobilien zu tun haben. Diese Ideen können aber für den Markt weiterentwickelt, und passend auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten werden", beschreibt Rahn-Werner ihre Erfahrungen.
Die Offenheit, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, beobachtet die Investorin bei jungen Gründern egal welchen Geschlechts. "Sie bringen Mut mit, wenn sie für ihre Ideen brennen, und sind bereit, diese weiterzudenken", sagt sie. Tatsächlich zeigen die GEM-Ergebnisse, dass der Anteil von Jungunternehmern, die sich direkt nach dem Hochschulabschluss selbstständig machen, zunimmt. 15% aller deutschen Gründer waren im vergangenen Jahr zwischen 18 und 24 Jahre alt und hatten die Familienplanung noch vor sich. Die Altersgruppe bildete den größten Anteil der Gründer.
Nicht zuletzt, so Rahn-Werner, helfe die Vielzahl an hochspezialisierten Studiengängen der jungen Generation, sich auf die Aufgaben und Widrigkeiten des Unternehmerseins vorzubereiten. Fast jeder zweite Gründer mit akademischem Abschluss greift bei konkreten Gründungsvorhaben auf spezielle Hilfsangebote von Hochschulen zurück. Gegenüber dem Deutschen Start-up-Monitor gaben rund drei Viertel von ihnen an, von der Unterstützung profitiert zu haben. Wer aus einer Unternehmerfamilie stammt, holt sich Hilfe hingegen meist im direkten Umfeld. Dabei prägt in Deutschland das unternehmerische Handeln von Eltern und Großeltern mehr Gründer als im internationalen Vergleich, was die GEM-Autoren auf die Vielzahl an mittelständischen Unternehmen hierzulande zurückführen.
Die häufigsten Motivationen zur Selbstständigkeit entstehen jedoch weder an den Hochschulen noch im familiären Kreis. Bei den Meisten ist es das Bestreben nach Unabhängigkeit, das sie antreibt. Während Männer deshalb oft vom Wunsch nach einem finanz- und wachstumsstarken Unternehmen beflügelt werden, konzentrieren sich viele Gründerinnen auf ihre Freiheiten als eigene Chefin. Dazu gehören neben den Inhalten ihrer Arbeit, die sie selbst anhand ihrer Werte festlegen und weiterentwickeln möchten, auch selbstbestimmte Arbeitszeiten, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten sollen.