„Viele unterschätzen den Schaden durch Schwarzarbeit“
Steffen Szeidl.
Urheber: Tom Maurer
Verantwortung. Das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) und der Verein EMB-Wertemanagment Bau erkennen gegenseitig ihre Compliance- und Wertemanagementsysteme an. Warum Sensibilität für Themen wie Schwarzarbeit am Bau gerade jetzt gefragt ist, erklärt Steffen Szeidl, ICG-Vorstand und CEO von Drees & Sommer.
Steffen Szeidl: Schwarzarbeit ist unterschiedlich strukturiert. Der eine Teil ist der Typ Freund Fliesenleger, der mal schnell am Wochenende das Bad des Nachbarn fliest. Viele unterschätzen hier sicher, welchen enormen volkswirtschaftlichen Schaden auch das verursacht. Bei dem anderen Teil handelt es sich um organisierte Schwarzarbeit, strafbare und kriminelle Handlungen auf Großbaustellen. In einem System mit Subunternehmern und multinationalen Firmen ist es schwierig, alles zu überblicken – viele Unternehmen verpflichten sich zum Einhalten von Standards, auch international. Aber bedeutet das auch, dass sie einhalten, was in Deutschland gilt? Ich bin überzeugt, dass Selbstverpflichtungen sinnvoll sind – als ein Baustein, und um zu sensibilisieren und Handlungsfelder aufzuzeigen.
IZ: Wie funktioniert denn die ICG-Selbstverpflichtung?
Szeidl: Wir haben einen Ethik-Kodex definiert. Die Unternehmen, die ihn unterzeichnen und ihm damit zustimmen, müssen ein internes Kontrollsystem implementieren. Im Nachgang kommen externe Audits hinzu mit der Option einer Zertifizierung. Letztere funktionieren wie eine Art TÜV. Indem wir nun die Systeme der Bauunternehmerseite, also EMB, und unser ICG-System kompatibel machen, erhöhen wir die Transparenz.
IZ: Wie messen Sie den Erfolg?
Szeidl: Den Erfolg hier quantitativ unmittelbar zu bemessen ist natürlich schwierig.
IZ: Woran bemerken Sie, dass Firmen für das Thema sensibilisierter erscheinen?
Szeidl: Alle ICG-Mitglieder haben sich zum Einhalten unseres Kodex verpflichtet, und es werden mehr. Auf Großbaustellen werden Arbeitszeiten inzwischen in der Regel mit Drehkreuzen und Protokollen überwacht. Weil gleichzeitig staatliche Kontrollen zunehmen, droht Rechtsbrechern ein Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Das sind schon prozessuale Veränderungen. Unternehmen können sich schlechte Führung auf der Baustelle nicht mehr leisten.
IZ: Gerade auf Großbaustellen arbeiten Unternehmer oft mit Subunternehmern zusammen. Sie sind selbst im operativen Geschäft tätig. Wie merken Sie denn, dass Ihr Kooperationspartner mauschelt?
Szeidl: Ich würde nicht gleich vom negativsten Fall ausgehen und zunächst von der Vertrauensseite ansetzen. Ich bin zertifiziert, mein Vertragspartner ist es womöglich auch. Das schafft schon einmal eine Basis. Ansonsten kann ich auf der Baustelle nicht mit den Arbeitenden sprechen: Wo wohnt ihr denn? Kann ich eure Lohnauszüge sehen? Abgesehen davon, dass ein solches Vorgehen nicht erlaubt ist, wäre es vom Aufwand nicht machbar und bringt leider dann wenig, wenn zum Beispiel Arbeitende offiziell ihr Gehalt bekommen und es dann hintenrum teilweise zurückzahlen müssen. Komplette Kontrolle bleibt schwierig.
IZ: Beim Thema Subunternehmer spielen Lieferketten eine Rolle und damit entsprechende Gesetzgebungen auf EU- und nationaler Ebene. Noch so ein heikler Punkt. Viele Betriebe beschweren sich über den bürokratischen Aufwand. Wie sehen Sie das?
Szeidl: Ich sehe das differenzierter. Lieferkettenkontrolle bedeutet ja auch Transparenz. Und egal wie, der Druck von EU-Seite ist da und wird zunehmen. Wenn man jetzt aktiv wird – zum Beispiel mit einer Zertifizierung –, liefert man positive Beispiele und hebt sich von den schwarzen Schafen ab, die es zweifelsohne gibt. Schon allein die Berichterstattungspflichten über die Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD fordert Entsprechendes ein.
IZ: Wer kontrolliert denn, ob Unternehmen diese gesetzlichen Verpflichtungen einhalten?
Szeidl: Wirtschaftsprüfern kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Was das Lieferkettengesetz angeht, ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die Kontrollinstanz, und ich sehe auch in der Vorschrift eine Chance, dass Unternehmen einen anonymen Beschwerdekanal einrichten müssen.
IZ: Sie sprachen davon, dass die unstrukturierte "Nachbarschaftshilfe" auch einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht. Wo setzen Sie hier den Hebel an, um Verbesserungen zu erreichen?
Szeidl: Jeder weiß, dass Schwarzarbeit im Privaten genauso verboten ist wie im Geschäftlichen. Und dennoch gibt es sie. Im Gespräch sind immer wieder Gutscheinmodelle, die Anreize bieten sollen, dass der Privathaushalt als offizieller Arbeitgeber agiert.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Kristina Pezzei.