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Mädels, auf zum Bau!

Alina Pelzer (vorne links) ist die erste Frau, die bei Schneider Bau einen Bauberuf erlernt. Die anderen Frauen sind eine angehende Bauzeichnerin (hockend) und eine Ausbilderin. Hintere Reihe, ganz links: Personalleiter Partenheimer.

Alina Pelzer (vorne links) ist die erste Frau, die bei Schneider Bau einen Bauberuf erlernt. Die anderen Frauen sind eine angehende Bauzeichnerin (hockend) und eine Ausbilderin. Hintere Reihe, ganz links: Personalleiter Partenheimer.

Quelle: Schneider Bau

Karriere 16.11.2017
Baufirmen klagen über Probleme bei der Besetzung von (Lehr-) Stellen. Die Frauenanteile unter gewerblichen Arbeitnehmern, Angestellten und Azubis haben sich in den letzten zehn Jahren ... 

Baufirmen klagen über Probleme bei der Besetzung von (Lehr-) Stellen. Die Frauenanteile unter gewerblichen Arbeitnehmern, Angestellten und Azubis haben sich in den letzten zehn Jahren trotzdem kaum merklich erhöht. Schneider Bau aus Merxheim gilt als eines der wenigen Unternehmen, die sich besonders um weibliche (Nachwuchs-) Fachkräfte bemühen.

Der Mittelständler aus Rheinland-Pfalz hat es mit einem Best-Practice-Beispiel in die aktuelle Handlungsempfehlung "Potentiale von Frauen für die Bauwirtschaft besser erschließen und nutzen" der Forschungseinrichtung RKW Kompetenzzentrum geschafft. Die Antwort von Martin Partenheimer, Personal- und Marketingleiter von Schneider Bau, auf die Frage, wie das Familienunternehmen das angestellt hat, ist so simpel wie ernüchternd: "Wir schließen Frauen als Bewerber nicht aus." Das fängt für ihn schon bei der Bildsprache in Anzeigen oder auf Messeständen an: "Wir bilden nicht nur männliche Personen ab. Man muss schon zeigen, dass man offen für Frauen ist."

Rund 220 Menschen beschäftigt Schneider Bau. Diese verteilen sich ziemlich genau je hälftig auf den gewerblichen Bereich und auf Angestellte. Von den Angestellten sind ca. 40% Frauen. Diese sind nicht nur als Büro- oder Immobilienkauffrauen bei Schneider Bau tätig. Auch in technischen Berufen - Bauzeichnerin, Architektin, Projektentwicklerin oder Bauingenieurin - sind sie anzutreffen. Vier von aktuell fünf dualen Studenten des Bauingenieurwesens, die Schneider Bau selbst ausbildet, sind Frauen. Bauzeichnerinnen und solche, die es werden wollen, gibt es aktuell sieben an der Zahl bei Schneider Bau.

Nun sind Frauen in technischen Jobs keine Seltenheit mehr. Von den Bauzeichner-Azubis, die seit diesem Jahr in die Lehre gehen, ist z.B. fast jeder zweite eine Frau. "Sicher ist Schneider Bau von den Zahlen her kein besonders herausragendes Beispiel", so Tanja Leis, eine der beiden Autorinnen der Handlungsempfehlung. "Schneider Bau fördert jedoch den Fachkräfte-Nachwuchs - und hier besonders Frauen - und entwickelt diesen weiter: durch die Übernahme anspruchsvollerer Aufgaben, in verantwortungsvollere Positionen."

Ein gutes Beispiel für diese Förderung findet sich in der Handlungsempfehlung: Natascha Spreitzer (23). Spreitzer hat nach der Realschule eine Ausbildung zur Bauzeichnerin bei Schneider Bau gemacht und bildet sich jetzt berufsbegleitend zur Bautechnikerin weiter. "Sie ist eine aufstrebende junge Frau, die ihren Karriereweg zielstrebig verfolgt. Hier wird sie vom Unternehmen besonders unterstützt - Stichwort: Work-Life-Balance. Ihr werden als Berufspendlerin zwei Heimarbeitstage ermöglicht, und auf ihre berufsbegleitende Qualifizierung wird besonders Rücksicht genommen. Es ist ein sehr gutes Beispiel, wie Karriere auf dem Bau ohne Studium möglich sein kann", findet Leis.

Direkt auf den Baustellen trifft man Frauen kaum an: Ungefähr nur jeder hundertste gewerbliche Arbeitnehmer bzw. Azubi in der deutschen Bauwirtschaft ist eine Frau. Auch bei Schneider Bau findet man keine einzige Vertreterin des vermeintlich schwachen Geschlechts unter den gewerblichen Arbeitnehmern. Immerhin: Seit einigen Monaten erlernt Alina Pelzer dort das Maurerhandwerk. Sie ist damit die erste Auszubildende in der Geschichte der Baufirma, die dort einen Handwerkerberuf erlernt. Dabei hat die junge Frau Abi und will später Architektur oder Bauingenieurwesen studieren. "Ich will meinen Berufswunsch auf jeden Fall verwirklichen. Aber vorher will ich das Handwerk von der Pike auf lernen, um später zu wissen, wovon ich spreche", sagt Pelzer.

Unterrepräsentiert sind Frauen in der deutschen Baubranche nicht nur direkt auf dem Bau: Laut der Studie "Frauen im Top-Management im deutschen Mittelstand" (März 2017) von EY ist der Frauenanteil in der obersten Führungsebene mit 14% auf dem Bau so gering wie in fast keiner anderen Branche. Und die Frage "Ist es für Sie schwierig, genügend qualifizierte Frauen für Ihr Unternehmen zu gewinnen?", beantworten in der Bauwirtschaft mehr Unternehmen mit "Ja" (39%) als in jeder anderen Branche.

"Viele Bauunternehmen vernachlässigen 50% des Bewerberpotenzials", glaubt Partenheimer. Wohl auch deshalb hat so manches Unternehmen Schwierigkeiten, Lehrstellen zu besetzen, wie der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie unlängst konstatierte. Dies habe nicht nur daran gelegen, dass keine geeigneten Bewerbungen eingingen - mitunter habe sich niemand auf einen freien Ausbildungsplatz beworben.

Manche Unternehmen greifen daher auf eher ungewöhnliche Mittel zurück. So hat sich Herzog-Bau aus dem thüringischen Tüttleben das Programm zur "Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen aus Europa" des Bundesarbeitsministeriums zunutze gemacht. Die Firma gewann im Rahmen dieses Programms eine 26-jährige Bulgarin für eine Ausbildung zur Stahl- und Betonbauerin.

Auch Stellen für studierte und erfahrene Köpfe sind kein Selbstläufer: "Eine Anzeige für einen Abrechner im Tiefbau ist seit fünf Monaten online: Bislang haben wir keine einzige qualifizierte Bewerbung erhalten", erzählt Partenheimer. "Es dauert lange, Stellen gut zu besetzen. Und unsere Leute werden immer wieder auf einen Wechsel angesprochen." Schneider Bau fahre daher "eine bedürfnisorientierte Personalpolitik": "Eine junge Mutter z.B., die aus der Elternzeit zurückgekommen ist und noch nicht weiß, wie viele Stunden sie schafft, arbeitet jetzt in einem Stundenmodell."

Harald Thomeczek