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Morasch: "Wir arbeiten noch wie in der Steinzeit!"

Köpfe 05.01.2006
Hundsgewöhnliche Bürogebäude bringen Ludwig Morasch in Wallung. "Wir arbeiten noch wie in der Steinzeit", sagt der Mann, der sich Trendforscher schimpft und mit ausgefallenen ... 

Hundsgewöhnliche Bürogebäude bringen Ludwig Morasch in Wallung. "Wir arbeiten noch wie in der Steinzeit", sagt der Mann, der sich Trendforscher schimpft und mit ausgefallenen Immobilienkonzepten sein Geld verdient. Hühner-Arbeitsställe nennt er die 08/15-Bauten, in denen Menschen an Schreibtischen etwas leisten sollen. Ein Unding, wie der gebürtige Oberösterreicher glaubt. Besser sei es, in Bürogebäuden auch Platz für Wohnen, Relaxen, Sport und Wellness vorzusehen. Das steigere die Produktivität der Beschäftigten - und mache die Immobilie zukunftssicherer. Die Betrachtungsweise eines Fantasten in Zeiten, die von drögen Flächen- und Kostenoptimierern dominiert sind?

Mitnichten. Einen prominenten Interessenten an seinen Konzepten hat Morasch etwa im Düsseldorfer Sireo-Niederlassungsleiter Stefan Apfelbaum gefunden. Dessen Kerngeschäft ist das Asset Management für die Immobilien der Deutschen Telekom - ein begrenztes Vergnügen in Zeiten hoher Büroflächenleerstände, die einen wie Morasch nicht überraschen. Dessen Mission ist die Aufklärung über die Erfolgschancen des zuvor noch nicht Gedachten. "Ich habe die Banken schon 1999 vor Investitionen in Bürotürme gewarnt und für innovative Konzepte gepredigt." Vergebens, denn damals reichte der Rausch der New-Economy-Gläubigen bis in die Topetagen von Großbanken. Wie der Trendforscher ist Apfelbaum überzeugt: "Das Nur-Büro ist tot." Entscheidend seien ein Mehrwert gegenüber anderen Objekten und eine Antwort auf die Frage: "Wie werden wir in Zukunft arbeiten?"

"Das Nur-Büro ist tot"

Büros werden demnächst nur noch gebraucht, um zu kommunizieren, glaubt Apfelbaum. Der Anteil der Kommunikationsflächen werde also wachsen. Es sei ein Irrtum zu glauben, in den nächsten Jahren würden all die leer stehenden Büros in Deutschland wieder gebraucht. Das Gegenteil werde der Fall sein: "In 20 Jahren werden wir Millionen Quadratmeter mehr Leerstand haben als heute." Dieser Satz hätte auch von Ideengeber Morasch sein können, an dem Apfelbaum das Aufbrechen von eingefahrenen Denkstrukturen schätzt.

Was will der Mann von der Sireo Real Estate Asset Management also tun, um mit seinen leer stehenden Telekom-Immobilien zu Rande zu kommen? Er hat die Leitung des Projekts Aldus übernommen. Dahinter verbirgt sich die Umsetzung der Morasch-Idee, Bürokonzepte mit diversen anderen Nutzungen zu kombinieren. Damit soll die klassische räumliche Trennung zwischen der isoliert betrachteten Arbeitswelt und der Erfüllung anderweitiger Bedürfnisse aufgelöst werden. So sei denkbar, in einem bisherigen Nur-Bürohaus neben den eigentlichen Arbeitsräumen Relaxing-Zonen einzurichten (Morasch: "Da müssen es die Mitarbeiter ertragen zu sehen, dass der Chef zwischendurch mal schläft, um danach wieder produktiver weiterzuarbeiten."), einen Bügelservice unterzubringen, für die Kinderbetreuung zu sorgen (und die Arbeitsplätze damit unabhängig von der Rollenverteilung gleichermaßen männer- und frauenfreundlich zu machen), Raucherbereiche zu schaffen, die nicht nach Verbannungsort, sondern nach Oase zum Genießen aussehen (und gegebenenfalls von einem Zigarettenhersteller gesponsert werden), oder für ein Garagenambiente zu sorgen, das dem Beschäftigten nicht das Gefühl gibt, bloß schnell wegzuwollen. Ganz nebenbei sieht das Aldus-Konzept die Möglichkeit vor, Synergieeffekte zu erzielen, eine Vokabel, die wirtschaftlich denkende Menschen lieben. Ein gemeinsamer Empfangsbereich für diverse Mieter ist so eine Synergie-Idee, ein gemeinsamer Postservice oder auch die Nutzung von (die meiste Zeit leer stehenden) Konferenzräumen durch verschiedene Unternehmen.

Damit nicht genug: Vorbei ist die Zeit, in der der Zehn-Jahres-Standard-Mietvertrag allein selig machend war. In einem Bürohaus mit Mehrwertmodulen von Kinderunterbringung bis zu Wohlfühlkantinen sind nach Überzeugung Apfelbaums allenfalls Mietverträge über drei bis fünf Jahre möglich - und die auch nicht mal für alle Nutzer. Die kürzeren Mietvertragslaufzeiten seien mit höheren Mietsätzen verbunden, frei nach dem Motto: "Flexibilität kostet."

Gradmesser Wow-Effekt

Die schöne neue Welt der ersten Aldus-Projekte wird nach den Sireo-Plänen bereits 2006 verwirklicht. Im Februar soll ein innovatives Garagenkonzept in Hamburg vorgestellt werden, und ebenfalls noch dieses Jahr ist ein größeres Morasch-Modul-Projekt in Düsseldorf geplant. Details verraten die Beteiligten noch nicht. Wer Trends erforscht, sie entdeckt und setzt, der will auch den Zeitpunkt der Inszenierung selbst bestimmen. So soll es sein.

Das Bürothema ist nur eines von vielen in dem reich bestückten Ideenkoffer, mit dem der 53-jährige Trendforscher auf der ganzen Welt unterwegs ist - immer auf der Suche nach neuen Entwicklungen und Möglichkeiten für Geschäfte. Einer seiner jüngsten Treffer ist ein Patent für ein Kühlsystem zur besseren Nutzung der vier geplanten Stadien in der 2 Mrd. EUR teuren Dubai Sports City. Die Kühlung soll den Sportbetrieb in den nicht überdachten Arenen auch während der Sommermonate bei Tagestemperaturen von 40 bis 50 Grad ermöglichen. Die Dubai Sports City ist ganz nach dem Geschmack eines Perfektionisten wie Morasch. Da stehen bei Sportschulprojekten mit Stars wie Tiger Woods, Andre Agassi und Pete Sampras die ganz Großen des internationalen Sportbusiness Pate. Allerdings geht der Bauboom am Persischen Golf selbst dem Trendsetter aus Seefeld in Oberösterreich etwas zu schnell. Dass sich für die vielen im Bau befindlichen Bürotürme genug Mieter finden, bezweifelt er.

Das größte Steckenpferd Moraschs, der den Anspruch hat, dass die Leute "Wow!" sagen ("Wow-Effekt"), wenn sie eines seiner Projekte sehen, heißt Infotainment. Damit meint er das in Freizeit- und Unterhaltungsprogramme verpackte Platzieren von Produkten - also eine Form der Verkaufsförderung ohne Zwischenhandel. So etwas lässt sich nach seinen Vorstellungen in Erlebnisrestaurants umsetzen, die es in den USA bereits in großer Zahl gibt, in themenspezifischen Freizeitparks à la Iglu-Welt, in denen extreme Klimaverhältnisse simuliert werden (Sponsoring durch z.B. Hersteller von Zelten und Schlafsäcken), oder beispielsweise in der von ihm konzipierten World of Living des Fertighausproduzenten Weberhaus in Rheinau-Linx. Dort präsentiert der Gastgeber in einem 75.000 m2 großen Park Wohnkulturen von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Für Kinder gibt es Erlebnisspielplätze mit Baumhäusern und Erdhöhlen, einen Traumraum, und ganz nebenbei präsentiert Weberhaus zwölf seiner Häusertypen - vom Passivhaus über das DaVinci-Haus bis zur Villa Diamant. 100.000 Gäste besuchen den 2000 eröffneten Park alljährlich.

Seniorenwelt City Park Living

Ein weniger erfolgreiches Beispiel aus dem Ideenkoffer Moraschs ist das Playcastle Tirol in seinem alten Heimatort Seefeld. Geplant war ursprünglich ein Freizeitpark zur Selbstdarstellung der Spielwaren-Industrie mitsamt Anfassbühne für den virtuellen Handel via Internet. Fast 14 Mio. EUR steckte der örtliche Hotelier Hannes Seyrling in das Projekt. Die Eröffnung erfolgte 1999, der Konkurs 2000. Statt der erwarteten 220.000 Besucher im ersten Jahr kamen nicht mal 100.000. Das Playcastle gehört nun der Grundverwertung GmbH, einer Tochter der finanzierenden Hypo Tirol Bank. Alle Verkaufsbemühungen waren bisher vergebens.

Morasch begründet das Scheitern des Projektes damit, dass sein Konzept gar nicht umgesetzt worden sei. Eine Plattform für die Spielwarenindustrie sei nicht geschaffen worden. Stattdessen habe man einzig auf das Schloss als Touristenattraktion gesetzt. Mit Infotainment habe das nichts mehr zu tun gehabt. An seine einstige Konzeption Playcastle glaubt er noch immer.

Was hat der Mann, der 20 Jahre seines Lebens in den USA verbrachte, noch im Köcher? Bürohäuser, die in Tagungshotels umgewandelt werden, zum Beispiel. Während bei herkömmlichen Hotels die Funktion Schlafen im Mittelpunkt steht, setzt Morasch die Prioritäten bei Tagungs- und Kongresshäusern anders. Dort würden perfekte Arbeitsbedingungen erwartet, beim Hotelzimmer tue es ein Entrée wie im Büro mit Nebenraum, in dem geschlafen wird.

Anderes Thema: City Park Living. Darunter versteht Morasch "eine völlig neue Wohnwelt für Senioren". In dieser befinden sich jedoch nicht nur Wohnungen für Ältere, sondern auch alle Einrichtungen für den täglichen Bedarf - im Idealfall um einen zentralen Marktplatz gruppiert. Zudem gehörten ein Kindergarten und Studentenwohnungen in solch eine Siedlung. Die Studenten könnten den Senioren Dienstleistungen anbieten und damit Geld verdienen. "Die neue Generation der Alten will nicht nur Alte sehen", sagt Morasch. Die Kosten für ein solches Projekt mit Platz für 1.000 Menschen beziffert er auf 200 Mio. EUR. Als Ort der Umsetzung hat er Deutschland auserkoren. Jetzt muss nur noch jemand "wow" sagen. (bb)

IZ