Karriere-News

Bauunternehmer Thomas Reimann erhält Bundesverdienstkreuz

Köpfe 13.04.2022
Janina Stadel

Wie Bauunternehmen für den lokalen Nachwuchs sichtbar werden

Mit Praxistagen holt Alea Schüler auf die Baustelle.

Mit Praxistagen holt Alea Schüler auf die Baustelle.

Urheber: www.thegoodplace.digital

Karriere 07.04.2022
Die Nähe zum Wohnort spielt bei Jugendlichen eine wichtige Rolle bei der Wahl einer Lehrstelle. Ausbildungsbetriebe aus der Baubranche müssen sich deshalb als lokale Arbeitgeber ... 

Die Nähe zum Wohnort spielt bei Jugendlichen eine wichtige Rolle bei der Wahl einer Lehrstelle. Ausbildungsbetriebe aus der Baubranche müssen sich deshalb als lokale Arbeitgeber präsentieren. Möglichkeiten dafür bieten Praktikumsangebote und das Internet.

Mehr als 200 Praktikumsanfragen hat das Bad Vilbeler Hoch- und Industriebauunternehmen Alea in den letzten drei Jahren von Schülern und Studenten erhalten. 25 von ihnen haben seitdem einen Platz bekommen und konnten für zwei bis vier Wochen auf einer Baustelle dabei sein. "Das Interesse an der Branche ist also da. Es muss nur geweckt werden", schlussfolgert CEO Thomas M. Reimann. Die meisten Bewerbungen seien Folgen von Baustellenführungen, sogenannten Praxistagen, gewesen. Reimann bietet sie regelmäßig an. Dazu werden in Kooperation mit einer Realschule Schülergruppen ab der Klassenstufe 8 auf eine Baustelle in ihrer Region eingeladen. Dort sollen die Jugendlichen v.a. sehen, welche Karrierechancen die Branche ohne ein vorheriges Studium bietet.

Fragerunden vor Ort sollen Vorurteile abbauen

Dass sie das vor Ort von den Vorarbeitern und Polieren erfahren, sei wichtig, denn nur die wenigsten werden zuhause dazu ermutigt, sich bei der Berufswahl auf dem Bau umzuschauen. "Viele Eltern haben ein veraltetes Bild von der Branche und assoziieren die Baustelle mit schlechtem Wetter, Dreck und harter körperlicher Arbeit", fasst Reimann die Vorurteile zusammen. "Dabei hat sich in den letzten 15 bis 20 Jahren viel geändert." Neben modernen hydraulischen Geräten nennt er Fortschritte durch Digitalisierung als konkrete Beispiele: "Wo früher Steine zurechtgeschlagen werden mussten, werden heute Pläne erstellt, die eine passgenaue Zulieferung ermöglichen." So haben sich Berufsbilder am Bau entwickelt, die viele gar nicht kennen. Besonders groß sei das Interesse der Schüler z.B. an Vermessungstechniken mit Drohnen.

Zu den Arbeitsbedingungen in der Baubranche stellen die Jugendlichen meist die gleichen Fragen. "Vor allem die Themen geregelte Arbeitszeiten und mögliche Gehälter von Vorarbeitern und Polieren kommen bei den Praxistagen immer wieder auf", berichtet der CEO. Für die Mitarbeiter seien das gute Gelegenheiten, sich und ihren Alltag vorzustellen. "Es haben schon einige Schüler gemerkt, dass man bei uns auch ohne Hochschulabschluss mit Mitte 30 ein Gehalt bekommen kann, das mit dem eines gleichaltrigen Bauingenieurs vergleichbar ist. Dieser Punkt hat schon bei dem ein oder anderen dazu geführt, seine Studienpläne zu überdenken", sagt Reimann.

Bis zu 2.000 Euro kostet ein Praxistag das Unternehmen. Die Organisation im Vorfeld erfordere neben Absprachen mit Lehrern auch Vorbereitungen auf der Baustelle, etwa aus Sicherheitsgründen. Je nach Lage der Baustelle müssen zudem Busse organisiert werden. Außerdem werden die Schülerbesuche für spätere Social-Media-Posts professionell in Videos festgehalten. Unterstützung für die fachlichen und inhaltlichen Beiträge bekommt Reimann vom Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure Hessen Frankfurt. Dass der Aufwand sich für die Besetzung der Lehrstellen lohnt verdeutlicht der CEO mit Zahlen: "Früher hatten wir pro Jahrgang maximal einen Azubi, aktuell haben wir fünf im Betrieb."

Als eins der Geheimnisse der Praxistage sieht Reimann die regionale Verbindung zwischen Schule und Baustelle. "Die Schüler können die Fortschritte auch nach dem Besuch noch im Alltag sehen", so werde ein Bewusstsein für die Bautätigkeiten vor Ort geschaffen. "Wir bekommen auch mit, dass sich Schüler aus verschiedenen Besuchsgruppen im Nachhinein noch über die Baustellen austauschen", ergänzt er.

Dass ein lokaler Bezug für Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz eine wichtige Rolle spielt, zeigt eine Umfrage von Soka-Bau und F.A.Z. Business Media Research. Von 1.500 befragten Auszubildenden gaben 75% an, gezielt eine Stelle in Wohnortnähe gesucht zu haben. Fast jeder zweite fand seinen Ausbildungsplatz über persönliche Kontakte, 39% hatten schon vor Ausbildungsstart eine Verbindung zum Betrieb. Die am meisten genutzte Informationsquelle bei der Ausbildungsplatzsuche war bei 69% das Internet, 23% hoben soziale Medien besonders hervor.

Richard Kraus, Berater für digitale Marketingstrategien zur Fachkräftegewinnung, rät Handwerksbetrieben und Bauunternehmen deshalb, Kanäle wie Facebook und Instagram stärker zu nutzen, um Stellen zu besetzen. Er empfiehlt kurze "gehirngerechte" Posts, die über einen längeren Zeitraum hinweg an die passende Altersgruppe in einem begrenzten Radius ausgespielt werden. "Nur durch Regelmäßigkeit erhöht sich die Sichtbarkeit der Branche und die der Unternehmen als Arbeitgeber." Zudem empfiehlt er, eigene Karriereseiten zu verlinken, statt auf dem Webauftritt den Fokus auf Projekte zu legen, die in der Regel eher der Kundengewinnung dienen. Ein Online-Fragebogen als unkompliziertes Bewerbungsverfahren könne zudem Hürden bei der Kontaktaufnahme abbauen und ermögliche ein schnelles Kennenlernen von Kandidat oder Kandidatin und Betrieb.

Janina Stadel

Es muss ja nicht gleich ein Studium sein

Vermessungsingenieure demonstrieren beim Praxistag auf der Alea-Baustelle in Bad Vilbel die Arbeit per Drohne.

Vermessungsingenieure demonstrieren beim Praxistag auf der Alea-Baustelle in Bad Vilbel die Arbeit per Drohne.

Karriere 16.01.2020
Bauarbeiter oder Polier gehören selten zu den Berufen, die Eltern ihren Kindern wünschen. An diesem Punkt müsse die Bauwirtschaft ansetzen und über die attraktiven Jobchancen ... 

Bauarbeiter oder Polier gehören selten zu den Berufen, die Eltern ihren Kindern wünschen. An diesem Punkt müsse die Bauwirtschaft ansetzen und über die attraktiven Jobchancen aufklären, sagt Thomas M. Reimann, CEO des Bauunternehmens Alea. In Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Baumeister bringt er Schüler auf die Baustelle. Da geht es um Handfestes: Werkzeuge, Karriere und Geld.

In der Grundschule fängt es oft schon an. Eltern arbeiten an der Karriere ihrer Kinder. Ihr Ziel: Der Nachwuchs soll später mit einem Abschluss "Summa cum laude" ins Berufsleben starten. Nur so würden ihm ein hohes Gehalt, Anerkennung und ein sorgenfreies Leben ermöglicht, meinen sie.

Die Realität sieht allerdings genauso oft anders aus. Im Ingenieurstudiengang gebe es mancherorts im zweiten Semester eine Abbrecherquote von 50%, berichtet Thomas M. Reimann, CEO des Bad Vilbeler Bauunternehmens Alea Hoch- und Industriebau. Viele Studierende fühlten sich angesichts der hohen Anforderungen im Fach Mathematik überfordert und kehrten der Baubranche den Rücken. "Dabei sind viele prädestiniert für den Bau", ist Reimann überzeugt. Nur die Form des Studiums sei dann eben nichts für sie.

Der Alea-Chef will nun über die verschiedenen Berufsbilder am Bau aufklären - sowohl junge Leute als auch Eltern und Lehrkräfte. Und das nicht nur bei Berufsinformationsabenden an den Schulen. "Die laufen doch immer alle gleich ab", sagt er und denkt an Power-Point-Präsentationen und Theorie. Reimann will eher das nutzen, was den Bau ausmacht: Anpacken unter freiem Himmel.

Seit Herbst vergangenen Jahres lädt er in Zusammenarbeit mit der Initiative Zukunft Fachkraft des Bunds Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure Hessen Frankfurt, zu dessen Vorstand Reimann gehört, Schülergruppen in der beruflichen Orientierungsphase auf eine seiner Baustellen ein. Dabei lässt er sich nicht lumpen, Schüler aus Hanau hat er per Shuttle-Service nach Bad Vilbel gebracht. Insgesamt haben bisher 50 Schüler an der Baustellenaktion teilgenommen. In einer drei- bis vierstündigen Führung geben ihnen Vertreter verschiedener Gewerke Einblicke in ihren Alltag. Da kann dann auch mal eine zierliche Schülerin Steine mauern - dank der Unterstützung mit hydraulischem Hebewerkzeug ist das kein Hexenwerk. Poliere berichten über die Abläufe und Anforderungen, Betonbauer und Facharbeiter präsentieren ihre Arbeit.

Der Polier erklärt, die Drohne steigt auf

Um die Bandbreite der Berufe noch vielfältiger werden zu lassen, will Reimann künftig verstärkt mit Partnern zusammenarbeiten. Den Anfang hat er mit dem Vermessungsbüro TPI aus Dreieich gemacht. Sie präsentierten den Schülern ihre Arbeit mit einer Drohne. Der Einsatz moderner Technik gilt für Reimann als ein Schlüssel, um junge Leute von der Arbeit am Bau zu überzeugen.

Der Aktionstag auf der Baustelle endet traditionell mit einem gemeinsamen Essen von Schülern und Arbeitern, bei dem Alea-Chef Reimann höchstpersönlich z.B. Eintopf mit Würstchen verteilt.

Fünf weitere Klassen aus dem Rhein-Main-Gebiet haben sich bereits angekündigt, in den nächsten drei Monaten rechnet Reimann mit etwa 120 Schülern auf seinen Baustellen. Koordiniert wird die Aktion von Erich Schleßmann, ehemaliger schulfachlicher Dezernent im Staatlichen Schulamt in Hanau. Der Ruheständler ist ehrenamtlich aktiv, hält den Kontakt zum Kultusministerium, koordiniert Termine und pflegt sein Netzwerk, um die Initiative Zukunft Fachkraft mit Leben zu füllen.

Ein Netzwerk soll es auch sein, das künftig die Schulaktionstage finanziell mittragen soll. Dafür sucht Reimann weitere Partner. "Ein Tag kostet etwa 3.000 bis 3.500 Euro", schätzt er. Der größte Kostentreiber sind dabei die Filmaufnahmen des Medienpartners 100places. In den Clips, die auch auf YouTube abrufbar sind, erzählen die Jugendlichen von ihren Erfahrungen, die sie auf der Baustelle gesammelt haben. Ein Schüler sagt z.B. sinngemäß: "Ich wollte eigentlich studieren, doch jetzt glaube ich, eine Ausbildung ist eher etwas für mich." Ein wichtiger Aha-Moment für junge Leute in der Entscheidungsphase, wohin sie ihre berufliche Reise führen soll, könnte auch die Information sein, wie die Verdienstaussichten auf der Baustelle sind. Reimann vergleicht dazu gerne ein Bauingenieurstudium und den Werdegang bis zum Werkpolier. Bis der Student erst nach etwa sieben Jahren als Berufseinsteiger ein Bruttogehalt von etwa 3.500 bis 3.800 Euro verdiene, habe der Azubi schon Geld auf die Seite legen können. In den ersten Jahren bekomme er monatlich etwa 1.000 Euro, anschließend rund 3.000 Euro brutto. Nach fünf bis sechs Jahren und einer Weiterbildung zum Werkpolier stehen laut Reimann 4.000 bis 4.300 Euro brutto auf dem Gehaltsscheck - Tendenz nach oben. Denn die Perspektiven in der Bauwirtschaft seien gut, bis 2040 rechnet Reimann mit nachhaltigen Bauaktivitäten. Das Fazit des Frankfurter Bauunternehmers: "Der Verdienst in der Bauwirtschaft kann höher sein als nach einem Bauingenieurstudium."

Das Engagement Reimanns und Schleßmanns trägt bereits erste Früchte. Alea liegen drei Anfragen für ein Praktikum und zwei Anfragen für eine Ausbildung vor. Die Eltern will Reimann künftig stärker mit ins Boot nehmen. Sie sollen zum Beispiel in einer Broschüre über die Attraktivität von Berufen am Bau informiert werden.

Handwerkstag fordert Werkunterricht

Der Hessische Handwerkstag (HHT) will das Unterrichtsfach Werken und Technik in die Klassenzimmer zurückbringen. "Den Werkunterricht nicht mehr haben zu wollen, war ein schulpolitischer Fehler", sagt HHT-Präsident Bernd Ehinger. So gingen nicht nur Fähigkeiten verloren, die ein jeder im Alltag brauche. "Ich bin davon überzeugt, so ein Unterrichtsfach trägt dazu bei, dass Schüler später auch die Idee einer Ausbildung im Handwerk entwickeln." Das neue Fach soll in allen Schulformen in der Sekundarstufe I und II eingeführt und Lehrkräfte entsprechend aus- und weitergebildet werden. Zudem seien Investitionen in Werkräume, Materialien und Werkzeuge nötig.

Die Resolution kann online unter www.handwerk-hessen.de abgerufen werden. Anke Pipke

Anke Pipke