Karriere-News

Ihre gewählten Filter:

EuGH kippt verbindliche Honorarsätze der HOAI

Den Europäischen Gerichtshof haben die Argumente Deutschlands nicht überzeugt.

Den Europäischen Gerichtshof haben die Argumente Deutschlands nicht überzeugt.

Quelle: Fotolia.com, Urheber: Florian Bauer

Karriere 04.07.2019
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das bindende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu Fall gebracht. ... 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das bindende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu Fall gebracht.

Nach dem heute Morgen verkündeten Urteil verstößt Deutschland mit den verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie, nach der in einem freien europäischen Binnenmarkt Wettbewerb grundsätzlich auch über den Preis möglich sein soll. Der Argumentation Deutschlands, der feste Preisrahmen der HOAI sei unerlässlichlich für die Bauqualität und den Verbraucherschutz, folgten die Richter nicht. Sie hielten vielmehr dagegen: In allen anderen EU-Mitgliedsstaaten würden auch ohne verbindliche Honorarsätze qualitätsvolle Architektur- und Ingenieurleistungen erbracht.

Deutschland hat nun voraussichtlich bis zu einem Jahr Zeit, auf die Entscheidung des EuGH zu reagieren. Die Bundesarchitektenkammer forderte umgehend, "die Leistungsbilder und Honorarsätze der HOAI mit Zustimmung der Bundesländer zumindest als abgeprüften Referenzrahmen zu erhalten".

Erfolgsaussichten für Aufstockungsklagen gesunken

Unmittelbare Konsequenzen dürfte das EuGH-Urteil aber schon jetzt entfalten: Zum einen sind die Erfolgsaussichten für sogenannte Aufstockungsklagen gesunken. Es kommt immer wieder vor, dass z.B. ein Architekt, der mit seinem Auftraggeber zunächst vertraglich ein Pauschalhonorar unterhalb des HOAI-Mindestsatzes vereinbart hat, im Nachhinein ebendiesen Mindestsatz einzuklagen versucht. Bisher standen die Chancen gut, mit einer solchen Aufstockungsklage erfolgreich zu sein.

Eine zweite direkte Folge des heutigen Urteils: Ein Angebot in einem Vergabeverfahren der öffentlichen Hand auszuschließen, weil es die Mindestsätze der HOAI unterschreitet - oder, was aber seltener vorkommen dürfte - die Höchstsätze überschreitet, dürfte ab heute daher nicht mehr zulässig sein. Darauf weist u.a. die Kanzlei Kapellmann und Partner hin.

Die Entscheidung des EuGH kommt nicht überraschend: Bereits der für den Fall zuständige Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen im Februar 2019 moniert, dass das bindende Preisrecht der HOAI Architekten und Ingenieure in unzulässiger Weise daran hindere, sich über niedrige Preise im Markt zu etablieren.

Interessant ist, dass die europäischen Richter Mindestsätze für Planungsleistungen mit Blick auf den deutschen Markt mit vielen kleinen und mittelgroßen Marktteilnehmern nicht grundsätzlich für das falsche Mittel halten, eine hohe Bauqualität sicherzustellen. Die deutsche Regelung sei jedoch inkohärent: Denn in Deutschland könnten Planungsleistungen nicht nur von Architekten und Ingenieuren, sondern auch von Dienstleistern erbracht werden, die keine entsprechende fachliche Eignung nachweisen müssen. Daraus schließen die Richter: Mindestsätze seien nicht geeignet, eine hohe Planungsqualität zu erreichen, wenn für die Erbringer dieser Leistungen, die ebendiesen Mindestsätzen unterliegen, nicht selbst auch Mindestanforderungen gälten.

Harald Thomeczek

Haftstrafe für Regensburger Bauunternehmer Tretzel gefordert

Köpfe 07.05.2019
Der Regensburger Bauunternehmer Volker Tretzel soll wegen Bestechung, Vorteilsgewährung und Verstößen gegen das Parteiengesetz für viereinhalb Jahre hinter Gitter. ... 

Der Regensburger Bauunternehmer Volker Tretzel soll wegen Bestechung, Vorteilsgewährung und Verstößen gegen das Parteiengesetz für viereinhalb Jahre hinter Gitter.

Mit den Plädoyers der Staatsanwälte neigt sich der nun schon seit sieben Monaten laufende Mammutprozess gegen einen mutmaßlich korrupten Oberbürgermeister und einen der Bestechung verdächtigen Bauunternehmer dem Ende entgegen.

Die Staatsanwaltschaft Regensburg fordert in dem Korruptionsprozess gegen den Bauunternehmer Volker Tretzel und den suspendierten Oberbürgermeister der Stadt, Joachim Wolbergs, jeweils Haftstrafen von vier Jahren und sechs Monaten.

"Korruptive Dauerbeziehung"

Nach gut 50 Verhandlungstagen sehen die Ankläger bestätigt, dass sich beide mit "hoher krimineller Energie" der Bestechlichkeit in zwei besonders schweren Fällen, mehreren Fällen von Vorteilsannahme und -gewährung sowie Verstößen gegen das Parteiengesetz schuldig gemacht haben. Die beiden Angeklagten hätten über Jahre eine "korruptive Dauerbeziehung" gehabt.

Insbesondere wird Tretzel vorgeworfen, er habe über seine Mitarbeiter Spenden in sechsstelliger Höhe gestückelt an den von Wolbergs geleiteten SPD-Ortsverein überwiesen. Das wäre ein Verstoß gegen das Parteispendengesetz. Außerdem soll der Bauunternehmer ein Ferienhaus zum Sonderpreis renoviert und großzügige Rabatte bei Wohnungskäufen von Wolbergs und seinen Angehörigen gewährt haben. Als Gegenleistung soll Tretzel lukrative Grundstücke und mehr Baurecht bekommen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft Wolbergs u.a. vor, sich bei der Ausschreibung des Areals der Nibelungenkaserne einseitig für Tretzel eingesetzt zu haben. Das sei korrupt, so Staatsanwältin Christine Ernstberger.

Vorwurf des fehlenden Unrechtsbewusstseins

Tretzel sei dabei der "Spiritus Rector", der führende Kopf, eines korruptiven Systems in der Stadt gewesen, das über Jahre aufrechterhalten wurde. Er habe den Oberbürgermeister in Abhängigkeit gehalten, um sich Vorteile zu verschaffen. So habe er auch bei der finanziellen Rettung des Fußballvereins Jahn Regensburg Gegenleistungen erwartet. Den Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft fehlendes Unrechtsbewusstsein vor. In abgehörten Telefonaten versicherten sich Wolbergs und Tretzel gegenseitig immer wieder, dass sie nichts Illegales tun würden.

Jetzt sind die Verteidiger am Zug

Nun haben die Verteidiger die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Sie haben immer wieder betont, ihre Mandanten hätten nichts Unrechtes getan und darauf verwiesen, dass bei einer Verurteilung das Spenden an Parteien unmöglich gemacht würden. Ein Urteil könnte es Ende Juni geben.

Für Wolbergs ist das Thema damit noch nicht erledigt. Er muss sich nach dem Ende des Verfahrens erneut vor Gericht verantworten. Denn auch bei zwei weiteren Regensburger Bauträgern vermutet die Staatsanwaltschaft Korruption.

Alexander Heintze

Anklage gegen Tiggemann

Köpfe 26.10.2017
Düsseldorf. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Untreue gegen den früheren Chef des Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB), Ferdinand Tiggemann, erhoben. ... 

Düsseldorf. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Untreue gegen den früheren Chef des Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB), Ferdinand Tiggemann, erhoben.

Rund sieben Jahre dauerten die Ermittlungen wegen des Verdachts der schweren Untreue. Wie eine Sprecherin des Düsseldorfer Landgerichts bestätigte, sei nun die Anklage gegen den Ex-Chef des landeseigenen Immobilienunternehmens seitens der Staatsanwaltschaft eingegangen.

Konkret geht es um den Bau des neuen Landesarchivs in Duisburg. Dabei soll der BLB auf Anweisung Tiggemanns die Grundstücke zum Bau des Projekts für 30 Mio. Euro gekauft haben, obwohl sie laut einem Gutachten nur 21,8 Mio. Euro wert waren. Er habe keine Nachverhandlungen geführt und auf Rücktrittsrechte verzichtet. Später sind die Kosten für das Vorhaben komplett aus dem Ruder gelaufen: Statt der geplanten 30 Mio. Euro hat der Bau rund 200 Mio. Euro verschlungen.

Tiggemann befindet sich bereits wegen des Verdachts der Korruption bei anderen landeseigenen Bauprojekten in Untersuchungshaft. Zudem wurde er im Februar wegen Bestechlichkeit und Untreue zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt, wobei dieses Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Tiggemann wurde damals noch im Gerichtssaal verhaftet.

Thorsten Karl

Ständige Erreichbarkeit kann der Arbeitgeber nicht verlangen

Müssen Angestellte ständig erreichbar sein? Die Antwort lautet nein, denn sie haben ein Anrecht auf Pausen und Ruhezeiten. Sind sie krank, sind sie auch nicht verpflichtet, den Anruf des Chefs auf dem Firmenhandy entgegenzunehmen.

Müssen Angestellte ständig erreichbar sein? Die Antwort lautet nein, denn sie haben ein Anrecht auf Pausen und Ruhezeiten. Sind sie krank, sind sie auch nicht verpflichtet, den Anruf des Chefs auf dem Firmenhandy entgegenzunehmen.

Bild: BilderBox.com

Karriere 19.03.2015
Gute Erreichbarkeit - in der Immobilienbranche ist das einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren. Für Angestellte heißt das freilich nicht, dass sie an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden täglich ... 

Gute Erreichbarkeit - in der Immobilienbranche ist das einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren. Für Angestellte heißt das freilich nicht, dass sie an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden täglich verfügbar sein müssen, weder für den Chef noch für die Kunden. Christina Mitsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Thümmel Schütze & Partner, Berlin, erklärt, ob zum Beispiel abendliche Telefonate zur Arbeitszeit gehören.

Immobilien Zeitung: Das Bundesverwaltungsgericht hat im vergangenen Jahr die Sonn- und Feiertagsarbeit unter anderem in Videotheken und Callcentern verboten. Ist es Angestellten in der Immobilienbranche rechtlich noch erlaubt, am Wochenende und an Feiertagen zu arbeiten?

Christina Mitsch: Der Samstag ist unproblematisch, er gilt als Werktag im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Sonn- und Feiertagsarbeit hingegen ist in Deutschland grundsätzlich verboten. Neben den gesetzlichen Ausnahmen u.a. für das Rettungswesen dürfen jedoch die Landesregierungen Verbotsausnahmen in solchen Bereichen zulassen, in denen eine "Beschäftigung zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist". Auf dem Prüfstand des Bundesverwaltungsgerichts stand die hessische Bedarfsgewerbeverordnung, die das Gericht in Teilen für nichtig erklärte. Nicht beanstandet hat das Gericht die in der Verordnung vorgesehene Ausnahme für das Immobiliengewerbe, die "für die Begleitung und Beratung von Kunden bei Besichtigung von Häusern und Wohnungen" gilt. Damit dürften auch inhaltlich entsprechende Regelungen in den Bedarfsgewerbeverordnungen der meisten Bundesländer in Zukunft Bestand haben.

IZ: Was müssen Arbeitgeber auch bei zulässiger Wochenend- und Feiertagsarbeit beachten?

Mitsch: Von der Ausnahme zur Sonn- und Feiertagsarbeit in der Immobilienbranche erfasst werden nur die Einsätze von Arbeitnehmern bei Objektbesichtigungen, nicht aber sonstige Tätigkeiten wie etwa in der Buchhaltung. Je nach Bundesland erlauben die Bedarfsgewerbeverordnungen, dass die Begleitung und Beratung an Sonn- und Feiertagen zwischen vier und sechs Stunden umfassen darf. Ausdrücklich in den Verordnungen benannte Feiertage wie Ostern, Karfreitag oder Weihnachten sind zudem von der Ausnahmeregelung ausgenommen. Generell ist auch bei erlaubter Wochenend- und Feiertagsarbeit zu beachten, dass die nach dem Arbeitszeitgesetz vorgegebene Höchstarbeitszeit sowie das mit den Mitarbeitern (tarif-)vertraglich Vereinbarte, etwa zur Anzahl der Wochenstunden sowie zur Anordnung von Überstunden, eingehalten werden. Ist vertraglich nichts Anderweitiges geregelt, kann der Chef im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit kraft Direktionsrecht bestimmen, wann die Arbeit täglich beginnt und endet und wie sie auf die Wochentage verteilt wird. Dabei hat er zwingend auch die Interessen seines Mitarbeiters angemessen zu berücksichtigen.

IZ: Gehört die Teilnahme an Messen zur Arbeitszeit? Was ist mit den Fahrten dorthin?

Mitsch: Die Stunden, die ein Mitarbeiter im Auftrag des Arbeitgebers auf Messen verbringt, gehören grundsätzlich zur Arbeitszeit. Das gilt auch, wenn er die ganze Zeit am Stand steht und kein einziger Kunde kommt. Für die Anreise ist unter anderem maßgeblich, wie der Weg zurücklegt wird. Ordnet der Chef zum Beispiel an, dass der Dienstwagen benutzt werden muss, wird die Fahrt wohl als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu werten sein. Auch wenn dies vom Bundesarbeitsgericht noch nicht ausdrücklich entschieden wurde. Das Gleiche gilt, wenn dem Mitarbeiter die Wahl des Verkehrsmittels zwar freisteht, aber erwartet wird, dass er unterwegs etwa im Flieger oder Zug arbeitet. Kann es sich der Angestellte aber aussuchen, ob er während der Zugreise schläft oder döst, zählt die Fahrtzeit nicht zur Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Von Bedeutung ist dies für die Einhaltung der täglich zulässigen Höchstarbeitszeit, die bei der Berücksichtigung gesetzlicher Ausgleichszeiten bei zehn Stunden pro Tag liegt. Manchmal dürften die Arbeitnehmer schon nicht mehr von der Messe nach Hause fahren, weil sie den Dienstwagen benutzen müssen und schon zehn Stunden gearbeitet haben.

IZ: Zählen am Abend oder am Wochenende geführte dienstliche Telefonate ebenfalls zur Arbeitszeit?

Mitsch: Wenn der Arbeitgeber verlangt, dass sich der Angestellte während einer vereinbarten Telefonbereitschaft außerhalb der üblichen Arbeitszeit an einem bestimmten Ort aufhalten muss - z.B. im Maklerbüro oder zuhause -, handelt es sich um sogenannten Bereitschaftsdienst, der in vollem Umfang zur Arbeitszeit zählt. Ist es dem Mitarbeiter freigestellt, wo er sich in der Bereitschaftszeit aufhält, ist dies rechtlich Rufbereitschaft, die so lange keine Arbeitszeit darstellt, bis kein konkreter Arbeitseinsatz erfolgt. Die Rufbereitschaft ist - beispielweise mit einer Pauschale - grundsätzlich angemessen zu vergüten, wenn dies auch in geringerer Höhe erfolgen kann als die Arbeitszeit. Sobald allerdings ein Anruf kommt oder Mails beantwortet werden, handelt es sich um voll vergütungspflichtige Arbeitszeit.

IZ: Darf der Chef verlangen, dass der Mitarbeiter sein Privattelefon oder seinen privaten E-Mail-Account für dienstliche Zwecke zur Verfügung stellt?

Mitsch: Nein, ohne Einverständnis des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber eine solche Nutzung der privaten technischen Ausstattung des Arbeitnehmers, egal ob Privathandy, -telefon oder privaten E-Mail-Account, nicht einfordern. Wünscht der Arbeitgeber die mobile Erreichbarkeit seines Mitarbeiters, so muss er notfalls ein Firmenhandy und/oder einen Firmen-PC mit entsprechender E-Mail-Erreichbarkeit zur Verfügung stellen.

IZ: Muss man immer rangehen, wenn der Chef auf dem Firmenhandy anruft?

Mitsch: Ja, wenn der Anruf innerhalb der üblichen Arbeitszeit eingeht. Will der Arbeitgeber außerhalb dieser Zeiten telefonieren, ist der Mitarbeiter nicht verpflichtet abzunehmen - es sei denn, es war anders vereinbart. Ist der Arbeitnehmer krank, dann muss er grundsätzlich keine Anrufe oder Mails beantworten.

IZ: Frau Mitsch, danke für das Gespräch.

Das Interview führte Julia Frisch, Journalistin aus Berlin.

Nicht immer auf Empfang

Ob im Büro, Biergarten oder auf der Toilette: Dank Handy, Tablet und Co. sind Firmenmitarbeiter überall erreichbar. Manche Angestellte "schalten" tatsächlich auf dauerhaften Stand-by-Modus - auch wenn sie rein rechtlich gar nicht dazu verpflichtet sind und auch nicht dazu verdonnert werden können. "Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten Tag sollst du ruhen", heißt es im Alten Testament. Doch viele Arbeitnehmer finden weder an einem Sonntag noch am Abend richtig Ruhe vor beruflicher Mail-Korrespondenz. Selbst im Urlaub schaffen es manche nicht, die Finger vom Handy oder Computer zu lassen. Vor zwei Jahren vereinbarte deswegen der Autohersteller Daimler (recht medienwirksam) mit dem Betriebsrat, dass die Mitarbeiter während der Urlaubszeit alle eingehenden Mails löschen lassen können. Die Angestellten sollen sich während der Ferien erholen und nicht arbeiten, lautete die Begründung des Konzerns. Ähnliches, allerdings im kleineren Format, wagte im vergangenen Jahr der Immobilienkonzern Corpus Sireo: Über das Osterwochenende wurde die Push-Funktion des E-Mail-Servers abgeschaltet, "um ein Zeichen zu setzen", so Bernd Wieberneit, Chief Administrative Officer bei Corpus Sireo und verantwortlich für Human Resources und Legal Affairs. "Von Karfreitag bis Ostersonntag wurden keine E-Mails zugestellt. Geschadet hat dies keinesfalls", sagt Wieberneit. Für dieses Jahr ist eine solche Aktion allerdings noch nicht vorgesehen. Der Konzern "ermutigt" nach eigenen Angaben seine Mitarbeiter zu einer gesunden Work-Life-Balance. "Die Erreichbarkeit nach Ende der Kernarbeitszeit wird per se nicht erwartet", betont Wieberneit. Letztlich entscheide aber jeder Mitarbeiter selbst, ob er nach Feierabend noch E-Mails liest und hierauf reagiert. Ähnlich handhaben andere Unternehmen in der Immobilienbranche das Problem der ständigen Erreichbarkeit. Bei Dr. Lübke & Kelber etwa ist man sich bewusst, dass die digitalen Möglichkeiten die Erwartungshaltung erhöht haben, "wann man eine Reaktion auf eine Anfrage erhalten möchte". Innerhalb der regulären Arbeitszeit sollen die Mitarbeiter möglichst am gleichen Tag antworten. Ansonsten "überlassen wir es den Mitarbeitern generell eigenverantwortlich, ob sie ihre Mails auch am Abend oder Wochenende lesen und beantworten möchten", sagt Prokuristin Sabine Erlemann. Um die Bedeutung einer gesunden Work-Life-Balance wissen auch die Verantwortlichen bei JLL. Die Mehrheit der Mitarbeiter besitzt ein Firmenhandy. Gerade deshalb "legen wir aber großen Wert darauf, dass sich keinesfalls eine grundsätzliche Erwartungshaltung durchsetzt, die eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit vorsehen könnte", sagt Izabela Danner, Head of Human Resources bei JLL. In der Tat ist es manchmal die unterschwellige Erwartungshaltung des Chefs, die dazu führt, dass Arbeitnehmer abends oder am Wochenende nicht abschalten können. Freilich gibt es auch übereifrige Mitarbeiter, die von sich aus ständig die beruflichen Mails checken. Was solche Angestellten für Arbeitgeber bedeuten, erklärt Christina Mitsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Thümmel Schütze & Partner in Berlin: "Wenn der Arbeitgeber nicht weiß, dass sein Mitarbeiter am Sonntagabend nach dem Kinobesuch die Mails kontrolliert, um seine Freundin von seiner beruflichen Unersetzlichkeit zu überzeugen, und hat er ihm dies auch nicht vorgegeben, dann fällt das nicht unter Arbeitszeit. Hat er aber Kenntnis vom Eifer, weil er zum Beispiel in "cc" gesetzt wird, und duldet er dies nachhaltig oder erwartet es nach einiger Zeit sogar, dann gehört das Mail-Checken zur Arbeitszeit mit der Folge, dass eine Vergütung gezahlt werden muss." Die Autorin: Julia Frisch ist Journalistin in Berlin.

Julia Frisch

Mehr Rechte für Geschäftsführer

Geschäftsführer sind nicht nur für das Unternehmen zeichnungsberechtigt, sondern sind auch für ihre eigene Absicherung verantwortlich. Die neuere Rechtsprechung gesteht ihnen jedoch auch einige Arbeitnehmerrechte zu.

Geschäftsführer sind nicht nur für das Unternehmen zeichnungsberechtigt, sondern sind auch für ihre eigene Absicherung verantwortlich. Die neuere Rechtsprechung gesteht ihnen jedoch auch einige Arbeitnehmerrechte zu.

Bild: iStockphoto.com/kaisersosa67

Karriere 09.08.2012
Wer den Aufstieg vom Angestellten zum Geschäftsführer geschafft hat, der ist oben angekommen. Der vergrößerte Gestaltungsspielraum spiegelt sich nicht nur in der Verantwortung für das ... 

Wer den Aufstieg vom Angestellten zum Geschäftsführer geschafft hat, der ist oben angekommen. Der vergrößerte Gestaltungsspielraum spiegelt sich nicht nur in der Verantwortung für das Unternehmen, sondern auch in der eigenen Absicherung wider. Denn der Schutz, der bislang durch Arbeitsgesetze gesichert war, fällt weg. Nun gilt es eigenständig zu verhandeln. Doch erste Gerichtsurteile gestehen auch angestellten Geschäftsführern wieder einige Arbeitnehmerrechte zu, erläutert Sonja Riedemann, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Osborne Clarke.

Immobilien Zeitung: Frau Riedemann, für Geschäftsführer gilt wie für Vorstände von Aktiengesellschaften und Leitungen anderer Unternehmensformen kein Kündigungsschutz. Worauf sollten Geschäftsführer bei der eigenen Absicherung achten, bevor sie ihr Arbeitsverhältnis verhandeln?

Sonja Riedemann: Wer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingeht, sollte auf längere Kündigungsfristen als die üblichen drei Monate bestehen. Dafür bieten sich mehrere Varianten an. Denkbar sind Verträge mit Kündigungsfristen von zwölf Monaten - und dies nur zum Jahresende. Es kann auch verabredet werden, dass der Vertrag in den ersten zwei Jahren gar nicht kündbar ist, oder beides zusammen.

IZ: Was raten Sie Neu-Geschäftsführern mit befristeten Verträgen?

Riedemann: Ein befristeter Vertrag beispielsweise über drei Jahre kann vor Ablauf dieser Zeit nicht gekündigt werden. Das gilt für beide Seiten. Kommt es zum Zerwürfnis, muss das Unternehmen die noch ausstehenden Gehälter bis zum Vertragsende weiterhin zahlen.

Keine Arbeitnehmerrechte

IZ: Es sei denn, es kommt zur fristlosen Kündigung.

Riedemann: Ja, genau. Doch für eine fristlose Kündigung muss ein sehr schwerwiegendes Fehlverhalten nachgewiesen werden, was oftmals nicht vorliegt oder nur schwer nachweisbar ist.

IZ: Worin unterscheidet sich arbeitsrechtlich die Position des Prokuristen von der des Geschäftsführers?

Riedemann: Während der Prokurist noch Arbeitnehmer ist, hat der Geschäftsführer keine Arbeitnehmerrechte mehr: Geschäftsführer erhalten daher auch keinen Arbeitsvertrag, sondern juristisch einen Dienstvertrag, egal ob dieser "Anstellungsvertrag" oder anders genannt wird. Dennoch zeigt die aktuelle Rechtsprechung, dass Arbeitnehmerschutzrechte auch Geschäftsführern mitunter zugebilligt werden.

IZ: Inwiefern?

Riedemann: Der Europäische Gerichtshof hat vor kurzem einer Geschäftsführerin in Lettland, die aufgrund ihrer Schwangerschaft ihre Position verloren hatte, Mutterschutzrechte zugesprochen. In Deutschland verklagte ein Geschäftsführer seinen Arbeitgeber aufgrund von Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Bis vor kurzem hätte keiner gedacht, dass das AGG auch auf Geschäftsführer anwendbar ist. Doch der Mann bekam vom Bundesgerichtshof Recht - und den Ersatz des Verdienstausfalls zugesprochen. Das sind neue Entwicklungen, die sicherlich keine Einzelfälle bleiben werden. Hier müssen Unternehmen also künftig aufpassen und ihre Verträge entsprechend gestalten.

Klauseln mitunter ungültig

IZ: Und für die Geschäftsführer lohnt es sich genau hinzuschauen!

Riedemann: Ja, zumal es eine weitere Entwicklung gibt. Die Verständlichkeit von Arbeits- oder Geschäftsführerverträgen muss inzwischen den gleichen Anforderungen genügen, die dem Verbraucher zum Beispiel die Verständlichkeit des Kleingedruckten, also der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, garantieren soll.

IZ: Was bedeutet das in der Praxis?
"Ein Geschäftsführer kann mit dem Diskriminierungsargument sogar gegen seine Entlassung klagen und bekommt Schadenersatz."

Riedemann: Ist ein Vertrag leicht missverständlich formuliert oder enthält er viele Knebelklauseln wie zum Beispiel "Alle Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten", können die entsprechenden Passagen ungültig sein. Das gilt auch für Verträge von Geschäftsführern, die nicht gleichzeitig Gesellschafter des Unternehmens sind, also so genannte Fremd-Geschäftsführer. Das ist ein weiterer Bereich, in dem die Rechtsprechung immer arbeitnehmerähnlicher wird.

Immer häufiger Mischformen

IZ: Immer häufiger gründen Unternehmen für einzelne Geschäftsfelder eigenständige GmbHs, für die Geschäftsführer eingestellt werden müssen. In der Praxis werden dafür nicht selten Angestellte auf der Ebene der Bereichs- oder Abteilungsleitung oder Fachkräfte der Muttergesellschaft gewählt, die dann in Personalunion für eine einzelne Tochtergesellschaft, beispielsweise für einen Fonds, als Geschäftsführer agieren. Was gilt für diese Personen. Sind sie Angestellte oder Geschäftsführer?

Riedemann: Das kommt auf den Einzelfall an. Es kann Teil des Arbeitnehmervertrags ein, dass eine Geschäftsführerposition bei einer Tochtergesellschaft vorgesehen ist. Agiert der Angestellte als Geschäftsführer jedoch nicht frei, sondern ebenfalls weisungsbefugt, dann ist die Tätigkeit als Angestelltenverhältnis einzustufen - und entbindet die Person im Zweifelsfall von Haftungsrisiken. So selten diese "extremen Ausnahmefälle" laut Rechtsprechung zurzeit sind, so sehr vermute ich, dass diese neue Unklarheit für Arbeitnehmer-Geschäftsführer sich künftig weiter ausbreiten wird.

IZ: Frau Riedemann, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sonja Smalian.

Sonja Smalian