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Silvertip Capital plant Einkaufstour mit Lambros Reppas

Silvertip hat sein deutsches Büro im Frankfurter Taunusturm.

Silvertip hat sein deutsches Büro im Frankfurter Taunusturm.

Quelle: imago, Urheber: Reiner Zensen

Köpfe 28.06.2022
Mit Ex-Corestate-Manager Lambros Reppas will der junge Investment- und Asset-Manager Silvertip Capital seine Wachstumsziele verwirklichen. Neben klassischen Mietwohnungen stehen Micro und ... 

Mit Ex-Corestate-Manager Lambros Reppas will der junge Investment- und Asset-Manager Silvertip Capital seine Wachstumsziele verwirklichen. Neben klassischen Mietwohnungen stehen Micro und Senior Living sowie Hotels und Serviced Apartements auf der Einkaufsliste.

Reppas war dreieinhalb Jahre bei Corestate Capital. Er firmierte dort als Managing Director und European Head of Asset Management Micro Living & Residential, baute ein europäisches Asset-Management-Team im Segment Living auf, steuerte die Aktivitäten in diesem Bereich und betreute für institutionelle und semi-professionelle Investoren Portfolios im Wert von über 3 Mrd. Euro. Außerdem war er Mitglied des Senior Leadership Teams und des Operating Committee von Corestate. Kürzlich verabschiedete sich Reppas von dem börsennotierten Investment- und Debt-Manager, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Jetzt ist auch klar, zu welchen.

Der größte Kunde „will mit uns in den nächsten zwei Jahren auf 2 Mrd. bis 3 Mrd. Euro wachsen“

Silvertip ist ein junges Unternehmen: Managing Partner Claudius Westerhaus gründete die Firma gemeinsam mit einem weiteren Gesellschafter Ende 2020, als ein globaler Vermögensverwalter den Investment- und Asset-Manager mit der Betreuung eines damals frisch erworbenen, ca. 800 Mio. Euro schweren Wohnungsportfolios in Deutschland beauftragte. Insgesamt managt Silvertip für internationale Investoren aktuell Wohnportfolios über rund 1 Mrd. Euro. Der größte Kunde „will mit uns in den nächsten zwei Jahren auf 2 Mrd. bis 3 Mrd. Euro wachsen“, verrät Reppas.

„Wir kaufen Bestände, die wir stabilisieren können“

Der vorhandene Bestand von Silvertip sind Mietwohnungen der Risikoklassen Core plus und Value add. Vorzustellen hat man sich darunter günstigeren Mietwohnungsbau für die breite Masse. „Wir kaufen Bestände, die wir stabilisieren, aufmieten und modernisieren können“, sagt Reppas. Vor Leerständen hat Silvertip also keine Angst. Ebensowenig wie vor der europäischen Nachhaltigkeitsregulierung: Besagter Großkunde, der zu den größten Vermögensverwaltern der Welt gehört und gerade selbst eine eigene ESG-Agenda aufsetzt, erwartet Entsprechendes für das von Silvertip gemanagte Wohnungsportfolio: „Ziel ist, eine ESG-Strategie für das gesamte Portfolio aufzustellen und umzusetzen“, erklärt Reppas.

Mietwohnungen in Polen und den Niederlanden hat Silvertip auch auf dem Zettel

Kaufen, stabilisieren und modernisieren wollen Westerhaus und Reppas nicht nur bundesweit, sondern auch in Österreich und der Schweiz ebenso wie in den Niederlanden und Polen. Wachsen will Silvertip zudem in den Segmenten Micro und Senior Living sowie im Bereich Hospitality, also mit Hotels und Serviced Apartements. Damit diese Ziele wahr werden können, soll Silvertip noch in diesem Jahr personell deutlich wachsen.

Vor seiner Zeit bei Corestate machte Reppas Station bei Axa Investment Managers, der Inovalis Group, SVP Global und Hoist Finance. Dort wirkte er im Asset- und Portfoliomanagement und fädelte Transaktionen in Milliardenhöhe für unterschiedliche Mandate ein. Als Executive-Search-Berater für die Silvertip Capital Group war bei Reppas' Verpflichtung exklusiv der Frankfurter Personalberater Valdivia Consulting im Einsatz. Silvertip-Gründer Westerhaus arbeitete bei HIG Capital, Heitman und der Gagfah, bevor er sich selbstständig machte. Silvertip hat Büros in London und Frankfurt.

Harald Thomeczek

Ein Kumpel als Chef

Ist Thomas Zinnöcker neu in einem Unternehmen, frühstückt er mit seinen Mitarbeitern, um sie "ungefiltert" kennenzulernen. Dabei tritt er betont unprätentiös auf.

Ist Thomas Zinnöcker neu in einem Unternehmen, frühstückt er mit seinen Mitarbeitern, um sie "ungefiltert" kennenzulernen. Dabei tritt er betont unprätentiös auf.

Bild: Alexander Sell

Karriere 08.12.2016
Zu seinem Einstand hat er in der Zentrale eine Currywurst für alle springen lassen. Alle zwei, drei Wochen trifft er sich mit Mitarbeitern zum Frühstück. Thomas Zinnöcker, der seit ... 

Zu seinem Einstand hat er in der Zentrale eine Currywurst für alle springen lassen. Alle zwei, drei Wochen trifft er sich mit Mitarbeitern zum Frühstück. Thomas Zinnöcker, der seit einem Dreivierteljahr den Energiedienstleister ista führt, lässt nichts unversucht, seinen Leuten näher zu kommen. Denn Zinnöcker, der sich selbst als Spezialist für Transformationen versteht, soll ista fit für die digitale Zukunft machen. Was muss ein Mensch mitbringen, der einen Wandlungsprozess erfolgreich gestalten will?

Die junge Controllerin filetiert ihr Marmeladenbrot umständlich mit Messer und Gabel und führt sich Häppchen für Häppchen zum Mund. Ihr Chef dagegen, breitschultrig und rund 1,90 Meter groß, faltet sein Nutellabrot mit seiner tellergroßen Hand einfach zusammen und beißt kräftig hinein. Der Mann heißt Thomas Zinnöcker.

Zinnöcker ist seit März 2016 CEO des Essener Messdienstleisters ista und soll das Unternehmen und die Mannschaft in eine digitale Zukunft führen. Das traditionelle Kerngeschäft von ista - die Erfassung und Abrechnung von Heiz- und Wasserverbräuchen - ist zwar bis auf weiteres eine sichere Bank. Doch Wohnungswirtschaft und Energieversorger wagen sich in angestammte Reviere der Messdienstleister vor.

Neugeschäft verspricht man sich bei ista vor allem von der digitalen Vernetzung der Haustechnik im energieeffizienten Mehrfamilienhaus (Stichwort: Smart Home/Building). Doch auch die Konkurrenz schläft nicht: Internetkonzerne wie die Datenkrake Google strecken ihre Tentakel in diesen Zukunftsmarkt aus.

Hinzu kommt: ista gehört mehrheitlich dem Finanzinvestor CVC. Und der bastelt angeblich bereits am Ausstieg. Das sind die Vorzeichen, unter denen Thomas Zinnöcker ista - immerhin ein Konzern, der 2015 mit mehr als 5.000 Mitarbeitern in zwei Dutzend Ländern über 800 Mio. Euro umgesetzt hat - auf die digitale Transformation vorbereiten soll.

Zum Frühstück trägt Zinnöcker weder Krawatte noch Sakko. Im weißen Hemd, den obersten Knopf offen, mit roten Manschettenknöpfen, Dreitagebart und einer sportlichen Uhr am Handgelenk wirkt er ziemlich unprätentiös. Um nicht zu sagen: geradezu cool. Die Stimmung in dem eher schmucklosen Konferenzraum ist gut. "Raus jetzt mit euren Fragen!", sagt Zinnöcker - zwar nicht wörtlich, aber so kommt es rüber, als er die acht aus den verschiedensten Abteilungen stammenden Kollegen auffordert, ihn zu löchern. Und von diesem Angebot wird reichlich Gebrauch gemacht.

Wie schnell wird der Finanzinvestor CVC von Bord gehen? Und wie steht es bis dahin um seine Investitionsbereitschaft? Wie viel Zeit haben wir noch, um uns auf die Herausforderungen der Digitalisierung einzustellen? Führt der Weg in neue Hände womöglich unter ein gemeinsames Dach mit Wettbewerber Techem?

Wenn der Chief Executive Officer von ista antwortet, sagt er oft "wir" oder "du", ohne damit einen bestimmten Mitarbeiter zu meinen: "Hardware und Service musst du integriert entwickeln." Der 55-Jährige ist das Kind eines Kumpels aus dem Ruhrpott. Er sagt: "Die in der Zentrale denken: Die da drauß‘n machen, wat se woll‘n", wenn er vom traditionell spannungsgeladenen Verhältnis einer Konzernzentrale zu ihren operativen Niederlassungen spricht. "Da hamm wir nix zu kamell‘n", verteidigt er an anderer Stelle die Entscheidungsbefugnis der Marktseite.

Die Controllerin neben ihm stupst er ab und an an der Schulter, wenn er mit ihr spricht. Bei anderen würde dies als Grenzüberschreitung empfunden werden, bei ihm nicht. "Er hat einfach eine verdammt freundliche Art, bringt viel Empathie für seine Mitmenschen auf und hat keine Berührungsängste, vor niemandem", erzählt jemand, der ihn aus der gemeinsamen Zeit bei der Gagfah kennt. "Er ist ein Menschenfänger."

Je länger das Frühstücksgespräch dauert, desto offener und mutiger wird die Runde. Ein junger Mann aus dem Einkauf bringt beim Frühstück seinen Wunsch nach einem digitalen Tool an, das die Bearbeitung von Lieferantenanfragen beschleunigen würde. Ein Produktentwickler schlägt vor, im Intranet gute Ideen zu posten und solche Vorschläge zu prämieren, die dem Unternehmen einen "Benefit" bringen. Der Vorschlag des Produktentwicklers kommt bei seinem Chef gut an: "Die Idee nehme ich mit", sagt der CEO. In das Gesicht des Mitarbeiters, der die ganze Zeit ernst und konzentriert gewirkt hat, malt sich jetzt ein stolzes, breites Lächeln.

Dem Wunsch des Einkäufers erteilt Zinnöcker jedoch eine Absage: Sein Anliegen liege "auf der Prioritätenliste ganz hinten", im Vordergrund stehe "die Absicherung des operativen Geschäfts". "Ja, wenn ich Wünsch-dir-was spielen könnte ..."

Als die Personalerin fragt, wie Zinnöcker die Führungskultur bei ista bewertet, erzählt Zinnöcker eine Geschichte: "Als ich zum ersten Mal in meinem Leben Führungsverantwortung übernahm, war ich der Jüngste und gleich der Chef von vier Abteilungen mit 55 Leuten. Ich wollte damals der beste Chef aller Zeiten werden. Doch nach einem halben Jahr war ich jeden Tag von sechs bis 22 Uhr im Büro, und meine Mitarbeiter waren alle schlecht drauf."

Mit seinem "Sachbearbeiterethos" habe er seine Leute bis zum Umfallen kontrolliert. Sie sollten ihre Arbeit so erledigen, wie er es an ihrer Stelle getan hätte. "Du versuchst, aus deinen Leuten 55 kleine Zinnöckers zu machen", sagte der ältere Herr, der Zinnöcker auf diese Position gehievt hatte, zu ihm. Zinnöcker wehrte sich zuerst gegen diese Einsicht, "aber der alte Mann hatte Recht".

Seine Reaktion: Er ließ seine Leute fortan an der langen Leine laufen - bis er einmal eine Präsentation vor einem eigens dafür angereisten Vorgesetzten halten musste. Er hatte dem Mitarbeiter, der die Folien zusammengestellt hatte, blind vertraut und ihn bewusst nicht kontrolliert. Erst als der Tageslichtprojektor anging, merkte er, dass sich der Kollege einen dicken Schnitzer erlaubt hatte. Der Vorgesetzte schäumte.

Zinnöcker hatte gelernt: "Eine gute Führungskraft sagt den anderen nicht, was sie zu tun haben, sondern bringt sie dazu, ihm zu vertrauen und zu folgen. Viele Führungskräfte nehmen sich jedoch zu wenig Zeit für die Kommunikation mit ihren Mitarbeitern." Erst auf dieser Basis, so lässt sich dieser Satz fortschreiben, kann der Chef sinnvoll Entscheidungen treffen. Zumal bei Firmen im Übergang.

"Sie müssen sich Gedanken machen, wer alles von einer Entscheidung betroffen ist, und Sie müssen Ihre Entscheidungen immer gut begründen, damit die Betroffenen sie verstehen können. Das erhöht die Umsetzungswahrscheinlichkeit", sagt Zinnöcker. Und zitiert, sichtlich von den nun folgenden Zahlen fasziniert, eine Studie: 69% der Mitarbeiter in einem Unternehmen stünden Entscheidungen der Unternehmensleitung zunächst gleichgültig gegenüber. Weitere 13% seien immer dafür, die restlichen 18% dagegen. "Diese 18% musst du kriegen!" Denn sie sind der Hebel, mit dem die Entscheider auch die große unentschiedene Mehrheit auf ihre Seite ziehen können.

Damit das gelingt, müssen Mitarbeiter Vertrauen zu denen, die sie führen, aufbauen. Vertrauen setzt jedoch Nähe voraus. Zinnöcker schafft scheinbar spielend Nähe - aus der er dann fast unbemerkt Druck aufbaut, etwa, indem er Geschichten erzählt, aus denen der Zuhörer selbst seine Schlüsse ziehen möge.

Seine Erkenntnisse zu Führung und Motivation fielen Zinnöcker nicht in den Schoß. Sein Berufsweg als Führungskraft begann Anfang der 1990er Jahre bei AEG. 1995 wurde er bei Krantz TKT erstmals in seiner Karriere Geschäftsführer: "Mit 34 Jahren hatte ich Verantwortung für rund 1.400 Mitarbeiter und 700 Millionen D-Mark Umsatz." Drei Jahre später wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung. Seine Mission: "einen Anlagenbauer für Klimatechnik in einen integrierten Gebäudetechnikdienstleister transformieren".

Im Jahr 2002 wechselte Zinnöcker als Geschäftsführer zu DeTe Immobilien mit 6.500 Mitarbeitern. Seine Aufgabe in diesen zweieinhalb Jahren: "ein Ergebnisverbesserungsprogramm in Höhe von 70 Mio. Euro einführen und umsetzen".

2005 zog es Zinnöcker in die Wohnungswirtschaft, zur GSW. Er baute ein bräsiges, defizitäres Unternehmen der öffentlichen Hand in eine gewinnorientierte Gesellschaft um und führte die GSW 2011 im zweiten Anlauf an die Börse und Schritt für Schritt aus Private-Equity-Hand heraus. Zum Jahreswechsel 2013/2014 übernahm die Deutsche Wohnen die GSW. Zinnöcker hatte ein Dreivierteljahr vorher bei der Gagfah angeheuert.

Der Finanzinvestor Fortress hielt zu diesem Zeitpunkt noch rund 60% an der Gagfah, bereitete jedoch bereits seinen Komplettausstieg vor. Zinnöcker machte aus einem finanztechnisch geführten wieder ein wohnungswirtschaftlich geführtes Unternehmen. Der Aktienkurs der Gagfah, vor Zinnöckers Zeit auf bis zu 4,50 Euro abgeschmiert, vervielfachte sich in seiner Amtszeit. Die Deutsche Annington bot schließlich umgerechnet 18 Euro pro Gagfah-Papier.

Zinnöcker wurde Vizechef der Annington, heute Vonovia. Kaum war die technische Integration der Gagfah bewerkstelligt - und die feindliche Übernahme der Deutsche Wohnen gescheitert -, ließ Zinnöcker seinen Vertrag auflösen und ging zu ista. Dabei wusste er damals noch nicht einmal, von wem die Messgeräte an den Heizkörpern in seiner eigenen Wohnung stammen.

Um sich im Austausch mit seinen Leuten das nötige Fachwissen anzueignen und bestehende Prozesse im Unternehmen, aber auch Wünsche, Vorbehalte und Ideen seiner Mitarbeiter kennen- und verstehenzulernen - und sie auf die bevorstehende Reise vorzubereiten -, sammelt er nun bei jeder sich bietenden Gelegenheit Informationen. Oder er schafft solche Gelegenheiten kurzerhand selbst.

Ab und an geht er mit einem ausgewählten Mitarbeiter unter vier Augen einen Kaffee trinken. Im Neubau der Zentrale wird er künftig nicht etwa im höchsten Stockwerk über der Belegschaft thronen, sondern mittendrin sitzen. Wer nicht in Essen, sondern in einer der mehr als ein Dutzend deutschen Niederlassungen oder im Ausland für ista arbeitet, kann Zinnöcker via Intranet erreichen. Fragen und Antworten werden für alle Mitarbeiter sichtbar veröffentlicht. Oder Zinnöcker kommt gleich selbst auf eine Stippvisite vorbei.

Und alle zwei, drei Wochen frühstückt er mit einer guten Hand voll Mitarbeitern aus der Zentrale. Schon bei der GSW und der Gagfah hat er das in seiner Anfangszeit so gemacht. "Ich will die Mitarbeiter ungefiltert kennenlernen. Und das geht am besten bei einem gemeinsamen Frühstück", sagt er.

Am Nachmittag steht ein Strategie-Meeting mit dem Marketing- und Business-Development-Chef und einem leitenden Mitarbeiter aus derselben Abteilung im Terminkalender. Das Thema: der Aufbau eines Produktmanagements. Auch hier streut Zinnöcker immer wieder Fragen ein und lockt sein Gegenüber aus der Reserve: "Was habt ihr denn für Meinungen?" - "Würdet ihr denn sagen, alle haben den gleichen Blick auf das Thema?" - "Was sollen wir in welcher Reihenfolge tun?"

Die beiden Fachkräfte laufen im Fachgespräch mit ihrem neuen Chef zur Höchstform auf. Geraten die Business Developer aber ins Fachsimpeln oder droht der Gedankenaustausch auf der Stelle zu treten, grätscht Zinnöcker dazwischen: "Hier waren wir uns schon einig." Oder: "Das hatten wir eben schon."

Zinnöcker muss nun schnell hinüber ins Atlantic Hotel Essen. Ein Mann von der Statur eines Thomas Zinnöcker kann nicht eilen, eher schlendert er, aber auf eine sehr zielstrebige Weise. Man muss an die Fortbewegungsweise eines Bären denken, eines sehr zielstrebigen Bären. Die Belegschaft der Zentrale wird im Veranstaltungssaal eines Hotels unweit des Hauptquartiers in die Ergebnisse eines "strategischen Reviews" eingeweiht. Knapp 300 Menschen versammeln sich im Saal, sie wirken sehr konzentriert.

Der CEO beginnt seine Ansprache mit Lockerungsübungen. Wie bei solchen Großtreffen üblich, bleiben zunächst einige Plätze in den vorderen Reihen leer, während es sich hinten ballt. Doch wer sich in den hinteren Reihen verschanzt hat, soll wissen, dass sich hier keiner verstecken kann: "Ich spreche Sie direkt an - vor allem die, die hinten sitzen, is' klar...". Den Zweck der Veranstaltung erklärt er der versammelten Mannschaft zunächst so: "Damit Sie sehen: Der Junge hat nicht nur im sechsten Stock gesessen." Hier steht einer genau wie du.

Als es ans Eingemachte geht, betont Zinnöcker, das Geschäftsmodell von ista sei "stabil und intakt". Um nach einer kurzen Pause ein Wörtchen anzufügen: "noch". Sicher, das Kerngeschäft mit u.a. der Erfassung und Abrechnung von Heizkosten sei immer noch ein sicheres Standbein. Viel besser gehe es kaum! Doch, fragt der CEO, hat das nicht auch für große Technologieunternehmen mit einst marktführender Stellung wie Agfa, Philips oder Nokia gegolten - bevor sie von Innovationen (dem Smartphone, der digitalen Fotografie) überrollt wurden, weil sie die Wucht, mit der diese Erfindungen einschlugen, unterschätzten? Oder selbst etwas erfanden (die MP3-Technologie), das ihr Kerngeschäft zu kannibalisieren drohte, und das sie darum kleinzuhalten versuchten bzw. verkauften? "So dürfen wir nicht werden." Die kleine Geschichte, dass im Chefbüro des selbsternannten Digitalisierungs-Champions wochenlang kein WLAN verfügbar war, wird da zu mehr als nur einer unterhaltsamen Anekdote.

Damit ista nicht das gleiche Schicksal blüht, das "Dinosauriern" wie Agfa, Nokia oder Philips widerfahren ist, versucht Zinnöcker den Möglichkeitssinn seiner Leute zu wecken: "Wir müssen keine Apps für Mieter entwickeln, sondern Komplettlösungen für gesamte Liegenschaften. Die Wohnungswirtschaft ist unser Partner, wir brauchen aber auch neue Partner, z.B. Start-ups oder andere intelligente Firmen." An neuen Lösungen wolle man in einem "Future Lab" tüfteln.

Die Mitarbeiter hören Zinnöcker genau zu und machen ausgiebig von der Möglichkeit Gebrauch, Fragen zu stellen. Ob und, wenn ja, welche Auswirkungen der Brexit auf die Geschäfte von ista in Großbritannien, aber auch in anderen Ländern haben könnte? Ob der britische Eigentümer nach dem Brexit-Entscheid größere Eile bei seinem Ausstieg an den Tag legen werde?

Nicht von oben herab Ziele vorgeben, sondern quasi aus der Mitte heraus, sodass sich die Mitarbeiter ernst genommen fühlen und die Veränderungen mittragen, das sei Zinnöckers Führungsstil, erklärt der ehemalige Weggefährte aus Gagfah-Zeiten. "Er nimmt sein Gegenüber immer ernst und respektiert abweichende Meinungen - auch wenn er sie nicht immer teilt und aus fachlichen Gründen auf seiner Position beharrt."

Fragt man den langjährigen Wegbegleiter, wie es Zinnöcker gelungen ist, die Gagfah-Mannschaft wieder aufzurichten, fällt ihm sofort dies ein: "Als Fortress den ersten Schritt raus aus der Gagfah gemacht hatte, erzählte er uns folgende Geschichte: Vater und Sohn gehen in den Zirkus.

Der Sohn sieht einen angepflockten Elefanten, der gar nicht erst den Versuch unternimmt, den Pflock auszureißen - obwohl er dazu ja die Kraft hätte. Der Sohn versteht das nicht. Der Vater erklärt ihm: Der Elefant hatte in seiner Kindheit gelernt, dass er zu schwach war, um sich zu befreien - und unterließ auch als ausgewachsenes Tier jeden weiteren Versuch. Und viele hatten verstanden: Es war Zeit, den Pflock, an dem wir festhingen, rauszuziehen."

Thomas Zinnöcker: nicht der Dompteur, der die Meute bändigt, sondern der Tierflüsterer, der Elefanten in die Freiheit führt? Eines muss man dem Mann lassen: Geschichten erzählen kann er.

Harald Thomeczek