Karriere-News

Quadratmeter für Yetties und BoBos

Köpfe 15.03.2001
Wer Käufer und Mieter für Wohn- und Gewerbeimmobilien gewinnen will, der muß seine Zielgruppen kennen. Was interessiert meine potentiellen Kunden? Welche Sprache sprechen sie? Welchem (Sub-) ... 

Wer Käufer und Mieter für Wohn- und Gewerbeimmobilien gewinnen will, der muß seine Zielgruppen kennen. Was interessiert meine potentiellen Kunden? Welche Sprache sprechen sie? Welchem (Sub-) Kulturkreis gehören sie an? Womit kann ich sie begeistern? In dieser und in der nächsten Ausgabe stellen wir drei neue soziokulturelle Gruppen vor, die besonders für die Immobilienvermarktung von Interesse sind: zunächst die "Yetties" und "BoBos", in der nächsten Ausgabe die "Empty Nesters".

Young, entrepreneurial, tech-based oder kurz "Yettie" - das ist eine Sorte Mensch, die sich in Großstädten weltweit immer mehr verbreitet. Jung, unternehmerisch und technologisch orientiert sind diese Nachfahren der 80er-Jahre-Spezies der Yuppies. Sie arbeiten in Multimediafirmen und Agenturen, sie haben Geld, arbeiten viel, und sie kultivieren einen Lifestyle, der sie zu einer sehr begehrten Zielgruppe für Werbung jeglicher Art macht. Kulttaugliche Konsumprodukte, technische Spielereien, lässige Designerkleidung, Trendsportarten - das sind die Attribute, mit denen sich Yetties umgeben. Die Konsumgüterindustrie hat sich mit Produkten wie dem Design-Computer und dem "Milchriegel im Handy-Format" auf diesen Typus Mensch bereits eingestellt. Die Immobilienwerbung allerdings tut sich mit der Spezies Yettie noch ein wenig schwer. Erst sehr langsam beginnen Bauträger und Makler, diese Gruppe gezielt anzusprechen.

Daß sich die Beschäftigung mit Yetties indes lohnt, zeigen ein paar Zahlen. So arbeiteten allein in Hamburg 1999 rund 60.000 Beschäftigte in etwa 9.000 Medienunternehmen - und die Branche wächst kontinuierlich weiter. Die Zielgruppe "Yettie" ist für die Immobilienbranche allerdings noch nicht so recht erschlossen. Gewerbeimmobilien werden immer mehr speziell für New-Media-Unternehmen angeboten, die adäquaten Wohnimmobilien für die in ihnen Beschäftigten finden sich in der Werbung sehr selten.

Fehler Nr. 1: Keine Zielgruppenorientierung

Der größte Fehler der meisten Werbenden in der Immobilienbranche ist mangelnde Zielgruppenorientierung. Wer in seiner Werbung niemanden ausschließen will und deswegen die Zielgruppe nicht definiert, der redet an allen vorbei. Daher ist der erste Schritt einer Werbekampagne immer, den Adressaten zu kennen beziehungsweise kennenzulernen. Im Falle der Yetties bedeutet dieses Kennenlernen, sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Welche Interessen haben Yetties? Welche Sprache sprechen sie? Welche Bildwelten eignen sich?

Yetties finden sich fast ausnahmslos in Großstädten. Abseits der Metropolen wird sich also auch keine Immobilie an einen Yettie vermieten oder verkaufen lassen. Sie verbringen sehr viel Zeit bei der Arbeit - sowohl in der Agentur als auch zu Hause, sie lesen technische Fachzeitschriften und kaufen CDs und Bücher via Internet.

Groß, modern und offen

Groß, modern, offen - so sollte sie aussehen, die passende Wohnung für einen Yettie: mit viel Platz für das Hightech-Fahrrad im Flur und die Snowboard-Sammlung im Wohnzimmer. Mit Hilfe solcher Klischees kommt man seiner Zielgruppe auf die Spur - Überhöhungen sind dabei oft sehr hilfreich. Umgekehrt werden Sie einem Yettie niemals ein Reihenhaus anbieten können. Das wäre ähnlich erfolgreich wie die Einladung von Senioren zur Loveparade.

Bloß nicht "gemütlich"

Wie nun muß Immobilienwerbung für Yetties aussehen? Eines sollte die Optik in keinem Falle sein: "gemütlich". Besser wirkt die aufgeräumte Ästhetik von Werbemitteln der Automobilindustrie. Audi und BMW machen es beispielsweise vor. Wie übersetzt man die automobile Bildersprache in die immobile Werbewelt? Stichwort "cool": kühlere Farben (wie grau), ungewöhnliche Bilder aus der technisch bestimmten Arbeitswelt, moderne Schriftschnitte, die passende Ansprache (z.B. "Neue Domain gefällig?") und Rekurs auf bekannte Medienphänomene.

Der BoBo braucht Kultur

Eine weitere Zielgruppe, die erst allmählich für die Werbung entdeckt wird, das sind die "BoBos", die Bohemian Bourgeois. Wie die Yetties finden sich die BoBos vornehmlich in Großstädten. Anders als ihre "szenigen" Nachbarn sind diese Zeitgenossen allerdings nicht auf technische Spielereien, Vermischung von Arbeit und Privatleben und trendigen Sport aus, sondern auf kulturelle Veranstaltungen, Hintergrundinformation zu aktuellen Themen und geselliges Beisammensein bei einem Glas Rotwein. Der relativ hohe Qualitätsanspruch, den BoBos an Produkte und auch Immobilien stellen, äußert sich nicht so sehr im zur Schau gestellten Luxus als vielmehr im konservativen Rekurs auf "wahre Werte". Die sanierte Altbauwohnung ist ein typisches Domizil für eine/n BoBo. Auch die Einrichtung basiert eher auf restaurierten Massivholz-Möbeln als auf Stahl- und Glas-Objekten.

Ein BoBo trägt eher den altehrwürdigen Burberry Trenchcoat als eine Prada-Jacke, weiß im Café zwischen allen verschiedenen Variationen eines Milchkaffees zu unterscheiden und besitzt selbstverständlich einen herkömmlichen Plattenspieler und hat LPs aus Vinyl im Regal.

Meist aus der Medienbranche

Nicht selten arbeiten BoBos - wie auch Yetties - in der Medienbranche. Aber auch Lehrer, Mediziner und Juristen lassen sich dazuzählen. BoBos verfügen in der Regel über einen relativ hohen Bildungsstand, haben oft ein Studium absolviert und lehnen Statussymbole - wie beispielsweise schicke Autos - bewußt ab.

Natur spielt für BoBos eine deutlich wichtigere Rolle als etwa für Yetties. Sowohl Ernährung (viele Vegetarier) als auch die Auswahl der Urlaubsziele (Bildungs- und Trekkingurlaub) spiegeln dies wider. "Alternativ" einerseits, aber ohne Anschluß an eine alternative Bewegung steht der BoBo als Individualist zwischen verschiedenen Welten: hier der althergebrachte bildungsbürgerliche Anspruch, dort die progressive Lebenshaltung einer multikulturellen Umwelt, hier wertkonservativ, dort "grün".

Proust statt Tech-Talk

Wie spricht man diese Art Mensch gezielt an? Im Gegensatz zum Yettie darf's hier durchaus ein wenig "gemütlich" zugehen. Wärmere Farben, Naturtöne sind erlaubt. Die Ansprache kann sich auf ein relativ hohes Bildungsniveau der Adressaten verlassen. Ein Proust-Zitat als Einstieg in einen Flyer eignet sich für BoBos deutlich besser als Tech-Talk.

Wenn man solche Dinge über seine Zielgruppe weiß, kann man für Immobilien in passenden Lagen und mit passender Ausstattung (für BoBos z.B. im "alternativen" Stadtviertel mit Holzfußböden) die Klientel direkt und gezielt ansprechen. Und die direkte Ansprache weniger potentieller Kunden ist wesentlich effektiver als die diffuse Ansprache aller möglichen Adressaten.

Ab und zu mal "Viva" schauen

Für Werbetreibende ist es absolut unerläßlich, immer ein Auge auf soziokulturelle Trends zu haben. Quellen zur Beobachtung dieser Trends gibt es unzählige. Von Zeitschriften ("Wallpaper", "Cosmopolitan", "Max", "Werben & Verkaufen", "Men's Health", "Tomorrow" etc.) über Internetauftritte von Agenturen bis hin zum Musikfernsehen (MTV, Viva, VH1) reicht die Palette der "Info-Pools", die man anzapfen kann.

Lebensstil und Lebensraum ergänzen sich lückenlos. Daher ist es gerade bei der Vermarktung von Immobilien ratsam, möglichst treffende Informationen über potentielle Käufer und Mieter zur Verfügung zu haben und so das zentrale Argument zielgenau formulieren zu können. Besonders für die immer wichtiger werdenden Events, die Verkaufsveranstaltungen, sind Kenntnisse der Vorlieben und Bedürfnisse der Zielgruppe vonnöten. Der Poetry Slam oder die Fotoausstellung wird den BoBo ebenso an den Point of Sale locken wie der Computerspiel-Wettbewerb den Yettie. Wer sich auf seine potentiellen Kunden, Mieter, Käufer einstellt, wird zwangsläufig etwas über sie lernen. Und Wissen verkauft gut. (tp)

wird fortgesetzt

Die Autoren: Kulturwissenschaftler Kirk Lütten, Dipl.-Designerin Jutta Miethe und Dipl.-Kaufmann Nikolas Curtius (v. l.) sind Inhaber der Curtius.Lütten Werbeagentur in Hamburg (www.curtius-luetten.de). Das Spezialgebiet der Agentur mit ihren 16 festen Mitarbeitern ist die lang- und kurzfristig effektive Verkaufs- und Vermietungsförderung von Immobilien aller Art. Das Instrumentarium reicht von Anzeigen über Flyer, Broschüren, Bauschilder, PR und Events bis zum kompletten Internetauftritt. Kunden sind u.a. HPE Hanseatische Wohnbau, Degi, HEW Contract, Aug. Prien, Bayerische Hausbau und Grossmann & Berger.

Kirk Lütten,Jutta Miethe und Nikolas Curtius