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Hybride Arbeitsmodelle werden notwendig

Die Straßenweisheit unterstellt dem Homeoffice süßes Nichtstun.

Die Straßenweisheit unterstellt dem Homeoffice süßes Nichtstun.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheberin: Monika Leykam

Karriere 08.10.2020
Das Homeoffice ist auf dem Vormarsch. Bei Panasonic und Siemens wird der Flächenbedarf trotzdem kaum schrumpfen, prophezeien die Verantwortlichen. Ein Arbeitsforscher rät derweil davon ... 

Das Homeoffice ist auf dem Vormarsch. Bei Panasonic und Siemens wird der Flächenbedarf trotzdem kaum schrumpfen, prophezeien die Verantwortlichen. Ein Arbeitsforscher rät derweil davon ab, jeden arbeiten zu lassen, wo er will.

"Man könnte fast von einem Siegeszug des Homeoffice sprechen", fasst Stefan Rief die Ergebnisse seiner eigenen Umfrage in einem Webinar von Heuer Dialog zusammen. Der Leiter des Forschungsbereichs Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung beim Fraunhofer-Institut hat rund 2.100 Beschäftigte quer durch alle Branchen zwischen Mai und Mitte Juli zu ihren Erfahrungen und Wünschen mit Blick auf Heimarbeit und die künftige Verteilung der Arbeitszeit aufs klassische Büro und andere Arbeitsorte bzw. -formen befragt.

41:15 - was im Handball eine Klatsche wäre, ist es auch bei einer Befragung: 41% der Befragten ohne Betreuungsaufgaben können besser zuhause arbeiten - nur 15% sind zuhause weniger produktiv. Ohne Betreuungsaufgaben, das ist für Rief "die Referenzgröße für New Normal, wenn daheim keine Kinderbetreuung anfällt".

Die Frage, was genau zuhause besser funktioniert als im Büro, lässt sich leicht mit einem Wort zusammenfassen: alles. Also nicht nur - was ohnehin zu vermuten stand - konzentriertes Arbeiten und Telefonieren, sondern auch kreative Tätigkeiten. Selbst bei der Arbeit mit sensiblen bzw. personenbezogenen Daten geben die von Fraunhofer Befragten dem heimischen Arbeitsplatz den Vorzug.

Angesichts dieses eindeutigen Votums ist es keine Überraschung, dass die Beschäftigten auch nach Corona viel öfter als vorher daheim werkeln wollen. Vor der Pandemie, referiert Forscher Rief, arbeiteten die Befragten im Schnitt 2,5 Tage pro Monat von zuhause. "Wenn sie nach der Pandemie frei entscheiden könnten, würden sie das durchschnittlich an 7,2 Tagen tun." Übersetzt ist das ungefähr ein Drittel der gesamten Arbeitszeit (36%).

Riefs Conclusio: "Die Nutzung von Homeoffice wird dauerhaft hoch bleiben, in Mitteleuropa wird das so sein." Der Forscher verknüpft diese Prognose mit einer Warnung: "Jede Organisation muss ein hybrides Arbeitsmodell entwickeln, sonst gewöhnen sich die Leute an Dinge, die auf Dauer nicht gesund sind. Nicht jeder sollte machen dürfen, was er will. Freiheit in der Ortswahl führt zu Einschränkungen in der Erreichbarkeit." Work-, Informations- und Kreativitätsflow litten, wenn alle dauerhaft zuhause blieben.

Für Büroimmobilienentwickler, -investoren, -makler etc. hat der Wissenschaftler noch eine mehr oder minder frohe Botschaft parat: "Die steigende Nutzung von Homeoffice lässt sich nicht eins zu eins auf eine Flächenreduktion übertragen - aber auch die verbleibende Reduktion wird spürbar sein."

Zu den Schwergewichten unter den Büronutzern gehört Siemens. Etwa die Hälfte des 7,6 Mio. m² großen Flachbestands entfällt auf Büros. In diesen arbeiten, verteilt auf 125 Standorte in 43 Ländern, um die 140.000 Menschen. Einen Tag die Woche dürfen die Siemensianer schon seit zehn Jahren von zuhause - oder wo auch immer sie wollen - ihrer Arbeit nachgehen.

Künftig sollen sie das an zwei bis drei Tagen die Woche tun dürfen. Um diesen Wandel zu gestalten, hat Siemens ein New-Work-Projekt aufgesetzt. "Das ist kein Flächeneinsparprogramm, sondern ein Mindset-Wandel", stellte Tanja Severin, Managing Director, Siemens Real Estate Consulting, klar. Manch ein Kollege hat es aber offenbar genau so verstanden: "Einzelne Siemens-Einheiten wollten 10% Fläche abgeben", um ihre eigene Bilanz aufzupolieren, verriet Severin. Nicht genutzte Flächen zurückgeben "geht nicht von heute auf morgen. Da muss auch der Betriebsrat zustimmen." Und Mietverträge haben ja auch immer eine gewisse Laufzeit. Severins Fazit unter Vorbehalt: "Es kommt sicher zu einem Flächenwandel, aber wahnsinnig viel Fläche werden wir nicht auf den Markt werfen." Wirklich belastbare Aussagen behielt sie sich für den Moment vor, wenn das New-Work-Konzept steht.

Siemens und Panasonic sehen keinen großen Büroflächenabbau

Auch Panasonic hat eine Arbeitsgruppe aufgesetzt, die sich damit beschäftigt, wie die Arbeitswelt von morgen aussieht. Ein paar Ideen hat Maximilian Czekalla schon. Er ist Department Head General Affairs Europe bei Panasonic und damit auch Leiter Real Estate Management: "Nicht mehr der Open Space, nicht mehr viele Mitarbeiter in Reihe am Schreibtisch." Künftig werde es mehr in Richtung Funktionalflächen gehen, die sich je nach Tätigkeit ausdifferenzieren: mehr Flächen für konzentriertes Arbeiten, mehr kollaborative Meeting-Points.

Auch das Homeoffice, zuvor bei Panasonic auf zwei Tage pro Monat begrenzt, wird künftig eine wichtigere Säule im New-Work-Mix sein. Aktuell verzeichnet das Unternehmen an den Standorten hierzulande eine Anwesenheitsquote von bis zu 35%.

"Wir Corporates, wir Führungskräfte werden viel lernen müssen"

"Wenn die Krise überwunden ist, wird die Anwesenheit deutlich bei über 50% sein, aber nicht wie früher bei über 80%", erwartet Czekalla. "Es ist realistisch, dass wir weniger Fläche brauchen werden als früher - aber ob das so viel weniger sein wird, ist die Gretchenfrage." Sicher ist sich Czekalla in einem Punkt: "Es wird ein Umbruch sein, bei dem wir Corporates, wir Führungskräfte viel werden lernen müssen. Wir werden besser performanceorientiert führen müssen."

Harald Thomeczek