Karriere-News

Mit Spezialisten das Baubudget einhalten

Neben Training on the Job gibt es bei Turner & Townsend auch theoretischen Input.

Neben Training on the Job gibt es bei Turner & Townsend auch theoretischen Input.

Quelle: Turner & Townsend

Karriere 01.12.2022
Der angelsächsische Baudienstleister Turner & Townsend braucht dringend Cost-Manager in seinen deutschen Niederlassungen – ein Berufsbild, das es hierzulande in der ... 

Der angelsächsische Baudienstleister Turner & Townsend braucht dringend Cost-Manager in seinen deutschen Niederlassungen – ein Berufsbild, das es hierzulande in der Hochschulausbildung nicht gibt. Deshalb setzen die Engländer auf eine eigene Qualifikation und bilden die gefragten Spezialisten in Deutschland selbst zu Baukalkulatoren aus.

Kosten sind ein maßgeblicher Treiber in der Bauindustrie. Bei Projektvolumen in Millionenhöhe können schon wenige Prozentpunkte einen großen Unterschied machen. In der deutschen Bauwirtschaft haben häufig Architekten und Ingenieure die Kosten im Blick – zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit: der Planung von Gebäuden und der Baubegleitung. Wie es anders gehen könnte, zeigen Baufirmen im angelsächsischen Raum. Dort gibt es den Beruf "Quantity Surveyor", auch "Cost-Manager" genannt, zu Deutsch Baukalkulator oder Kostenmanager. Sie schätzen die Kosten von Projekten, kalkulieren Budgets und sorgen dafür, dass diese eingehalten werden. Genau solche Leute braucht die Beratungsfirma Turner & Townsend. Doch in Deutschland ist diese Qualifikation Mangelware – deshalb setzen die Berater auf eine eigene Ausbildung.

Ausbildung nach angelsächsischem Vorbild

Ein gelernter Kostenmanager ist Kirk Smith: Der Kanadier arbeitet seit 2010 für Turner & Townsend und verantwortet seit November 2021 das Kostenmanagement in Deutschland und Österreich. Sein Arbeitgeber berät Konzerne wie Google, Shell und Adidas etwa im Kosten- und Projektmanagement sowie in der Vertriebs- und Beschaffungsstrategie. Weltweit zählt das Unternehmen mehr als 9.000 Mitarbeiter, in den deutschen Büros in Berlin, Hamburg, Frankfurt und München sind es knapp 300. Im Jahr 2022 hat Turner & Townsend hierzulande knapp 30 Mio. Euro umgesetzt.

50 der 300 Mitarbeiter in Deutschland sind Kostenmanager. Die Hälfte von ihnen kommt aus dem Ausland – und wurde speziell für diese Aufgabe ausgebildet. Der Rest stammt aus Deutschland und muss einiges aufholen: "Ingenieure und Architekten lernen hierzulande Kosten zu schätzen und sie anhand bestimmter Planungsmeilensteine zu berechnen", erklärt Smith. Was sie meist nicht wissen: wie sie bereits zu Projektbeginn eine Budgethöhe festlegen und Maßnahmen veranlassen, damit das Budget eingehalten wird. Hinzu kommt: Ingenieure stecken oft so tief in der Planung, dass sie die Kosten erst am Ende der Planungsphase schätzen. "Das führt dann mitunter dazu, dass sie umplanen müssen, wenn sie das Budget überschreiten – und das kostet zusätzlich Zeit und Geld."

Kostenmanager hingegen steuern Projekte auf einen Zielwert hin und wissen, an welchen Stellschrauben sie drehen können, um das Budget einzuhalten. Dazu gehört unter anderem die Beschaffungsstrategie, die je nach Risikoaffinität und Marktbeschaffenheit unterschiedlich ausfällt. Deshalb werden die Cost-Manager im angelsächsischen Raum speziell ausgebildet, es gibt sogar eigene Studiengänge dafür. Turner & Townsend versucht, dieses Modell auf seine deutschen Mitarbeiter zu übertragen. Smith hat deshalb eine Ausbildung geschaffen, die eine hybride Lösung vorsieht: Die Lehrinhalte der angelsächsischen Cost-Manager werden auf deutsche Ingenieure angepasst. Im Juli 2022 ist der erste Jahrgang mit 15 angehenden Kostenmanagern gestartet. Sie lernen innerhalb von drei Jahren, wie sie die Lebenszykluskosten in die Kalkulation einbeziehen, Beschaffungsstrategien auswählen und während des gesamten Projekts im Budget bleiben, ohne Anforderungen des Kunden zu verändern.

Aufklärungsbedarf auf allen Kanälen

"Wir haben so viele Auftragsanfragen, dass wir in den kommenden Jahren ca. 100 Kostenmanager beschäftigen könnten", berichtet Smith. Realistisch sind 25 bis 30 weitere, denn die Ausbildung besteht zu einem Fünftel aus Mentoring: Den angehenden Baukalkulatoren steht ein erfahrender Mitarbeiter zur Seite, der in derselben Niederlassung arbeiten sollte. 70% der Ausbildung besteht aus Training on the Job, den restlichen Teil bilden Sitzungen mit Theorie-Input. Ziel der Ausbildung ist, alle auf den gleichen Stand zu bringen – denn für die angehenden Kostenmanager nimmt Smith sowohl erfahrene Ingenieure als auch Hochschulabsolventen und Quereinsteiger auf.

Um genügend Kostenmanager zu finden, nutzt Turner & Townsend sämtliche Recruiting-Kanäle. Smith bewirbt seine Einstiegsrollen ins spezialisierte Kostenmanagement unter anderem auf Hochschulmessen, erklärt im Gespräch den vielen unbekannten Beruf und versucht, Interesse zu wecken. Außerdem hält er Vorlesungen an Hochschulen und bietet Inhouse-Veranstaltungen für Studenten an, deren Fachrichtung eine gute Grundlage für die weitere Ausbildung darstellt.

Auf seiner Website hat das Unternehmen eine Beschreibung der Serviceleistung Cost-Management hinterlegt. In Karrierenetzwerken spricht Turner & Townsend Kandidaten mit geeigneten Kenntnissen und Erfahrungen direkt an. "Mitarbeiterempfehlungen spielen ebenfalls eine große Rolle", sagt Smith. "Oftmals werden wir auch von anderen Projektbeteiligten angesprochen, die sich aufgrund unserer Kostenmanagementleistungen für diesen Bereich interessieren." Er schaut bei der Auswahl der Kandidaten weniger auf die Qualifikation als auf die Kompetenzen: "Sie müssen gut in Mathematik sein und Prognosen aufstellen können. Diese Fähigkeiten testet Smith in Interviews, etwa indem er fragt, wie die Person mit einer bestimmten Situation umgehen würde.

Turner & Townsend bezahlt seine Nachwuchs-Kostenmanager genauso wie die erfahrenen Kollegen. Aktuell befindet sich das Unternehmen in Gesprächen mit der Technischen Universität München, um die Lehrinhalte in die deutsche universitäre Ausbildung zu integrieren. Das Interesse aus dem Markt sei da: Sowohl der Nachwuchs signalisiere Begeisterung – vor allem, weil Turner & Townsend weltweite Karrieremöglichkeiten eröffnet. Aber auch die Baubranche schaut genau hin. "Einige unserer Kostenmanager sind auf die Kundenseite gewechselt", erzählt Smith. Er sieht das eher als Gewinn: "Dann sitzt da jemand, den wir sehr gut kennen, und wir haben direkt einen Fuß in der Tür."

Die Autorin: Anna Friedrich ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Anna Friedrich