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Digitalisierung soll drohende Personalnot lindern

Ein Meeting per Online-Konferenz ist nur ein Schritt in die digitalisierte Welt der Wohnungswirtschaft. Die NH in Frankfurt sieht noch viele weitere Ansatzpunkte.

Ein Meeting per Online-Konferenz ist nur ein Schritt in die digitalisierte Welt der Wohnungswirtschaft. Die NH in Frankfurt sieht noch viele weitere Ansatzpunkte.

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Karriere 07.06.2018
In zehn bis 15 Jahren ist etwa die Hälfte der heutigen Belegschaft der Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt in Rente. Das Wohnungsunternehmen aus Frankfurt setzt auf die Effekte der ... 

In zehn bis 15 Jahren ist etwa die Hälfte der heutigen Belegschaft der Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt in Rente. Das Wohnungsunternehmen aus Frankfurt setzt auf die Effekte der Digitalisierung, um den Abgang von 350 Mitarbeitern aufzufangen. Es gibt allerdings Zweifel, ob das klappt.

Der demografische Wandel stellt die Wohnungswirtschaft immer wieder vor große Herausforderungen. Nicht nur die Kundenstruktur ändert sich, auch die eigene Belegschaft. Bei der Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt (NH) heißt das konkret: In zehn bis 15 Jahren ist etwa die Hälfte der heutigen Mitarbeiter des Frankfurter Wohnungsunternehmens in Rente. "Die geburtenstarken Jahrgänge gehen Schlag auf Schlag", sagt Thomas Hain, leitender Geschäftsführer der Unternehmensgruppe. Die Abgänge summierten sich auf 350 Personen. Hain ist jetzt schon bewusst: "Wir werden nicht alle Stellen nachbesetzen können." Es werde schlichtweg nicht so viel qualifiziertes Personal auf Jobsuche geben. Gleichzeitig will die NH aber die Qualität ihrer Dienstleistungen halten - ohne die Aufgaben der ehemaligen Kollegen einfach den verbleibenden Mitarbeitern aufzudrücken.

Die Lösung sieht Hain in der Digitalisierung und der Automatisierung standardisierter Prozesse. Die Anfänge sind bereits gemacht: Die Archivierung laufe digital, Besprechungsprotokolle werden nur noch auf einem großen Monitor neben dem Besprechungstisch angezeigt und direkt in der Datei bearbeitet. Und höchste Priorität hat aktuell die Digitalisierung der Stammdaten der Kunden.

Derzeit analysiert die NH außerdem weitere Prozessabläufe, um sinnvolle Ansatzpunkte für eine Automatisierung zu identifizieren.Vor allem im Rechnungswesen sehen die Frankfurter ein großes Potenzial. Anbieten würde sich z.B. auch die Telefonzentrale, in der nach aktuellem Stand 1.700 Anrufe pro Tag eingehen. Irgendwann wird ein Computer einfache Anfragen beantworten können. Weniger von der Automatisierung betroffen sein wird die Mieterbetreuung. "Das ist und bleibt ein Face-to-Face-Geschäft", sagt Hain.

Wann die NH welchen Prozess digitalisiert, kann sie jetzt noch nicht sagen. "Im ersten Schritt wird es die Tools geben, die die Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit unterstützen", erklärt Hain. Erst danach käme ggf. der Schritt, dass Maschinen Menschen ersetzen. "Das wird nicht ad hoc passieren."

Im Detail müsse anschließend jede einzelne Wohnungsgesellschaft oder -genossenschaft für sich schauen, welches digitale Tool für sie Sinn macht, betont zudem Klaus Leuchtmann, Kanzler der EBZ Business School. Ein Anbieter in einem stark nachgefragten Markt könnte zwar z.B. einen digitalen Assistenten zur Vorauswahl aus der Schar hunderter Bewerber um eine Wohnung nutzen. Die entscheidende Frage werde aber sein, welche Parameter er da ansetzt. Nach welchen Kriterien wird ausgesiebt? Die Antwort fällt je nach Ausrichtung des Unternehmens unterschiedlich aus.

Durch die Digitalisierung ausgelöste, betriebsbedingte Kündigungen schließt die NH aus, Veränderungen im Arbeitsumfeld und im Aufgabengebiet der Mitarbeiter sind aber zwangsläufig zu erwarten. Wenn standardisierte Prozesse von alleine laufen, setzt das eine weitreichende Reaktionskette in Gang. "Es bleibt mehr Zeit für komplexere Aufgaben", sagt Peter Schirra, Bereichsleiter HR, IT und Recht. Dabei hat er vor allem die projektbezogene Zusammenarbeit der Mitarbeiter im Sinn. Das hat im nächsten Schritt einen Umbau der Büros zur Folge. Der eigene Schreibtisch wird seltener genutzt, der Konferenztisch, Besprechungsinseln und Rückzugsräume dafür umso mehr. Das wiederum bedeutet, dass das mobile Arbeiten mit entsprechenden Geräten verstärkt in den Fokus rückt. Und das hat Auswirkungen auf das Anforderungsprofil neuer und alter Mitarbeiter. Gehörten bislang Kenntnisse in Word, Excel und u.U. noch PowerPoint zum Grundlagenwissen, ist künftig auch der kompetente Umgang mit Konferenztechniken wie Skype, weiteren im Büro nützlichen Apps und mobilen Geräten Standard. "Die überfachlichen Kompetenzen werden an Bedeutung gewinnen", pflichtet Leuchtmann bei. Die Zunahme an Komplexität und Geschwindigkeit, in der Aufgaben erfasst und erledigt werden müssen, mache eine höhere Qualifikation der Mitarbeiter zwingend notwendig. Die NH will ihre bestehende Belegschaft mit kleinen Workshops und E-Learning-Angeboten an die neuen Anforderungen heranführen. "Und auch die Ausbildungsinhalte werden sich der Digitalisierung entsprechend anpassen müssen", sagt Hain.

Ob die Rechnung der NH allerdings aufgeht, die nahende Personalnot mit Effekten der Digitalisierung aufzufangen, ist alles andere als sicher. Leuchtmann bezeichnet das als "Blick in die Glaskugel". Klar, es sei denkbar, z.B. die komplette Betriebskostenabrechnung automatisiert abzubilden. Doch man müsse auch die Entwicklungen in anderen Unternehmensbereichen berücksichtigen. Ein Beispiel sei die zu erwartende Veränderung im Kundenverhalten. Die Ansprüche der Bewohner werden steigen, prophezeit Leuchtmann. Die Internet-Dienstleister prägten schon jetzt die Erwartungshaltung im Alltag. E-Mails sollen innerhalb weniger Stunden beantwortet, Bestellungen am gleichen, spätestens am nächsten Tag geliefert werden, alle Bearbeitungsschritte online nachvollziehbar sein. Ein Teil davon ist digital abbildbar, aber nicht alles. In der Summe werde der Betreuungsaufwand für die Mieter vermutlich steigen, sagt Leuchtmann. Er geht in diesem Segment von einem erhöhten Personalbedarf aus.

Hinzu kommen Leuchtmanns Vision zufolge neue Aufgaben für das Unternehmen. Sei es z.B. die Analyse der durch die Digitalisierung verfügbaren Daten zu den Kunden und Immobilien oder seien es weitere Geschäftsfelder, die sich Wohnungsunternehmen erschließen - z.B. Stromversorgung oder E-Mobilität. Diese Aufgaben müssen auch von zusätzlichen Mitarbeitern erledigt werden, die anders qualifiziert sind als die aktuellen.

Leuchtmann glaubt, dass der momentane Umbauprozess der Wohnungswirtschaft etwa ein Jahrzehnt lang dauern wird. Die Frage, ob am Ende mehr oder weniger Personal eingesetzt werden muss, bleibt allerdings offen.

Anke Pipke

Keine Azubis, kein Nachwuchs

So sehen Immobilienkauffrauen aus. Abgelichtet am EBZ Berufskolleg.

So sehen Immobilienkauffrauen aus. Abgelichtet am EBZ Berufskolleg.

Quelle: EBZ

Karriere 08.02.2018
Für Immobilienunternehmen wird es schwerer, Mitarbeiter zu finden. Wer selbst für Nachwuchs sorgt, ist klar im Vorteil. Laut einer Befragung des EBZ - Europäisches Bildungszentrum der ... 

Für Immobilienunternehmen wird es schwerer, Mitarbeiter zu finden. Wer selbst für Nachwuchs sorgt, ist klar im Vorteil. Laut einer Befragung des EBZ - Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft haben die Teilbranchen, in denen eher wenig ausgebildet wird, die größten Personalsorgen. Vor allem bei den Verwaltern klafft die Schere auseinander. Der zusätzliche Personalbedarf ist groß: Im Schnitt wollen die Unternehmen ihren Mitarbeiterbestand in den nächsten fünf Jahren um knapp 10% ausbauen.

Rund 5.100 Unternehmen hat InWIS Forschung & Beratung für die Marktstudie Aus-, Fort- und Weiterbildung des EBZ im zweiten Halbjahr 2017 angeschrieben. Geantwortet haben 335 Unternehmen. Nun ja. Von den Unternehmen, die es schafften, auf die gestellten Fragen zu antworten, stellen die Wohnungsgenossenschaften die relative Mehrheit (knapp 37%); ungefähr jedes vierte Unternehmen (rund 24%) ist eine Wohnungsgesellschaft, und gut jedes fünfte (rund 22%) eine Haus-/Wohnungsverwaltung. Wohn- und Gewerbeimmobilienmakler machen 9% der Teilnehmer aus, und Bauträger bzw. Projektentwickler zusammen ca. 5%. Der Rest sind Dienstleister, insbesondere Facility-Manager. Vier von zehn Unternehmen sitzen in Nordrhein-Westfalen, die anderen rund 60% verteilen sich bunt über den Rest der Republik.

Zur Sache: Mehr als die Hälfte (54,9%) der Teilnehmer beantwortete die Frage "Ist es für Sie bzw. Ihr Unternehmen bislang schwierig, qualifizierte MitarbeiterInnen zu finden?" mit Ja. Bei der letztmaligen Umfrage vor zwei Jahren war der Anteil, der bei der gleichen Frage Ja sagte, noch deutlich kleiner: damals waren es nur 45,5%. Und 2013 - die EBZ-Umfrage wird alle zwei Jahre durchgeführt - hatten es erst 39% als schwierig empfunden, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

Die Unternehmen, die dieses Mal mit von der Partie waren, beschäftigen im Schnitt 38 Mitarbeiter. Die Bandbreite reicht von einigen wenigen Köpfen bis zu hunderten von Mitarbeitern. So unterschiedlich wie die Mitarbeiterstärke ist auch der zusätzliche Personalbedarf der befragten Firmen. Im Schnitt rechnen sie mit einem Mitarbeiterzuwachs von 9,3% in den nächsten fünf Jahren. In absoluten Zahlen: Die Zahl der Beschäftigten soll in diesem Zeitraum von 38 auf 41 Köpfe steigen.

"Fast 10% mehr Personal in fünf Jahren: Bundesweit hochgerechnet ist das eine Riesensumme", sagt EBZ-Vorstandschef Klaus Leuchtmann. Ein wichtiger Treiber des Mehrbedarfs sind die gestiegenen Kundenerwartungen: Diesen Grund führen in der aktuellen Umfrage 55% der Immobilienunternehmen an. Bei der Befragung vor sechs Jahren sagten nur 31%, dass sie mehr Leute einstellen müssen, weil die Ansprüche der Kunden gewachsen seien.

Das erwartete Wachstum der Mitarbeiterzahl gestaltet sich in den einzelnen Teilbranchen bzw. Unternehmensgrößenklassen sehr unterschiedlich, die prognostizierte Wachstumsrate reicht von fast null bis zu mehr als 32%. Im Einzelnen: Die Wohnungsgesellschaften beschäftigen heute im Schnitt 82 Menschen, in fünf Jahren sollen es 88 sein (plus 7%). Vor allem die größeren Wohnungsunternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern haben Personalbedarf: In dieser Gruppe sind im Schnitt knapp 150 Menschen pro Unternehmen angestellt. In den kommenden fünf Jahren soll die Mitarbeiterzahl auf 160 wachsen. Die Wohnungsgesellschaften mit weniger als 20 Beschäftigten rechnen dagegen nicht mit einer steigenden Mitarbeiterzahl. Die Wohnungsgenossenschaften, die heute durchschnittlich 24 Köpfe zählen, gehen von einem Zuwachs von 4% (auf 25 Mitarbeiter) aus.

Richtig großen Personalbedarf haben aber die anderen Teilbranchen, allen voran die Bauträger und Projektentwickler. Diese sehen ihre Belegschaft binnen fünf Jahren von heute durchschnittlich 36 auf 47 Mitarbeiter anschwellen - ein Anstieg von fast einem Drittel. Haus- und Wohnungsverwalter sowie Makler benötigen durchschnittlich 16% mehr Leute. Sie wollen ihr Personal von 15 auf 18 Köpfe bzw. von zwölf auf 14 Mitarbeiter aufstocken. Auch die Dienstleister, die unter Sonstiges firmieren (FM-Anbieter usw.), haben gehörigen Appetit auf frische Kräfte: Ihre Belegschaften sollen von durchschnittlich 95 auf 113 Mitarbeiter zulegen, was einem Plus von 19% entspräche.

Die größten Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, haben die Haus- und Wohnungsverwalter. Von ihnen geben fast drei Viertel (73%) Schwierigkeiten an. Auch unter den Dienstleistern im Topf Sonstiges tun sich überproportional viele - nämlich 67% - mit der Gewinnung gut ausgebildeter Mitarbeiter schwer. Interessant ist, dass diese beiden Gruppen mit am wenigsten selbst ausbilden. Im Schnitt ziehen 69% aller 335 Unternehmen, die an der Umfrage teilnahmen, eigenen Nachwuchs groß. Unter den Verwaltern liegt der entsprechende Anteil nur bei 57%, und bei den sonstigen Dienstleistern kümmert sich sogar nur jeder Zweite um die Aufzucht von Nachwuchskräften. Zum Vergleich: Die großen bzw. größeren Wohnungsgesellschaften bzw. -genossenschaften bilden (fast) alle selbst aus - mitunter sogar über Bedarf und geben Immobilienkaufleute an den Markt ab.

"In der Wohnungswirtschaft ist die Situation noch vergleichsweise entspannt. Dramatisch ist der Personalmangel in der Haus- und WEG-Verwaltung", sagt Leuchtmann. "Der große Bedarf müsste sich eigentlich auf der Ausbildungsseite niederschlagen - tut er aber nicht. Vor allem kleinere Haus- und Wohnungsverwalter bilden zu wenig aus. Dabei könnte das jedes Unternehmen mit fünf Mitarbeitern", ist sich Leuchtmann sicher. So könnten gerade viele kleinere Immobilienverwalter das Problem lösen, dass sie sich aufgrund überschaubarer Vergütungssätze keine Tarifverträge leisten können - und deshalb keine ausgebildeten Immobilienkaufleute abbekommen, sondern sich mit Quereinsteigern begnügen müssen. "Die Mitarbeiter müssten ein Drittel bis ein Viertel mehr verdienen", schätzt Leuchtmann, "damit die Unternehmen nicht nur Seiteneinsteiger anlocken." Die Not der Verwalter zeige sich beim EBZ in gut gebuchten Fortbildungsprogammen für Seiteneinsteiger.

Harald Thomeczek