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Das Frauenquötchen

Diesen sieben Vorstandsfrauen bei börsennotierten Unternehmen der Immobilienwirtschaft im Dax, MDax und SDax stehen nach Recherchen der Immobilien Zeitung 73 männliche Kollegen gegenüber.

Diesen sieben Vorstandsfrauen bei börsennotierten Unternehmen der Immobilienwirtschaft im Dax, MDax und SDax stehen nach Recherchen der Immobilien Zeitung 73 männliche Kollegen gegenüber.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: kovalto1

Karriere 03.12.2020
Die Frauenquote für Vorstände kommt. Allerdings gilt die Mindestbeteiligung über alle Branchen hinweg nur für rund 70 Unternehmen. In der Immobilienbranche sind Hochtief und die ... 

Die Frauenquote für Vorstände kommt. Allerdings gilt die Mindestbeteiligung über alle Branchen hinweg nur für rund 70 Unternehmen. In der Immobilienbranche sind Hochtief und die W&V-Gruppe mit Wüstenrot betroffen. Die Chefetage von Deutsche Wohnen, immerhin im DAX notiert, hingegen darf frauenfrei bleiben.

Es war eine schwere Geburt, und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spielte den Geburtshelfer, als er sich vor wenigen Wochen überraschend für die Frauenquote in Vorständen aussprach. Der Widerstand in der Union, allen voran von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), war gebrochen. Es war auch an der Zeit. Seit fünf Jahren verpflichtet der Gesetzgeber im Führungspositionengesetz (FüPoG) rund 3.500 Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmt sind, dazu, sich selbst Ziele für Frauenanteile in ihren Führungsgremien zu setzen. Etwas mehr als 100 voll bestimmte Börsenunternehmen unterliegen seit 2015 einer fixen Geschlechterquote von 30% für die Aufsichtsräte. Trotzdem hat sich seither in den Vorständen herzlich wenig in Richtung Geschlechterparität getan. Dass der Quote für die Aufsichtsräte jetzt die Quote für die Vorstände folgt, ist darum keine Überraschung.

"Noch liegt kein Gesetzesvorschlag vor, deshalb wissen wir nicht genau, was auf welche Unternehmen zukommt", sagt Katharina Stüber, Rechtsanwältin bei der Kanzlei Allen & Overy in Frankfurt. Die Koalitionspartner, die sich nun im Grundsatz einig sind, stehen unter Zeitdruck: "Ist das Gesetzgebungsverfahren nicht bis spätestens Juni durch, käme die Quote in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr - und wäre gescheitert."

Anfang 2022 soll die Quote in Kraft treten

An die Rolle rückwärts glaubt nach Söders Positionierung niemand ernsthaft. Schließlich gibt auch die Kanzlerin den beiden SPD-Bundesministerinnen Franziska Giffey (Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Christine Lambrecht (Justiz) Rückendeckung. Der Fahrplan sieht so aus: Im Januar 2021 soll sich das Bundeskabinett mit der FüPoG-Novelle befassen. Im April 2021 soll das Gesetz verabschiedet werden, im Januar 2022 in Kraft treten. Fraglich ist allerdings noch die genaue Ausgestaltung, und der Teufel steckt bekanntlich im Detail.

Ob das, worauf sich die Große Koalition im Prinzip verständigt hat, direkt zu einer "angemessenen" Berücksichtigung von Frauen auf Top-Positionen führt, ist fraglich. Die Auswahlkriterien, auf die sich die Entscheider in der Politik geeinigt haben, sind nämlich ziemlich eng: Nur börsennotierte, paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern fallen unter die Vorstandsquote. Das erscheint willkürlich: "Ein innerer Zusammenhang zwischen den Kriterien der Börsennotierung und der paritätischen Mitbestimmung mit der Frauenquote besteht nicht", sagt Stüber. "Es ging darum, möglichst viele große Unternehmen zu erfassen, ohne die Welt neu sortieren zu müssen. Sonst hätte man ein Problem mit dem Timing bekommen." Große GmbHs zum Beispiel, selbst wenn sie tausende Mitarbeiter beschäftigen, fallen raus.

Betroffen sind 73 Börsenunternehmen

Nach einer Analyse der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (Fidar) erfüllen 73 Unternehmen in Deutschland alle drei Kriterien. Die 2015 eingeführte Frauenquote für die Aufsichtsräte börsennotierter und voll mitbestimmter Unternehmen gilt laut Fidar aktuell für 107 Unternehmen, nicht alle haben einen Vorstand mit mehr als drei Personen. Laut dem jüngsten Allbright-Bericht von September 2020 stehen in den Chefetagen der 160 Unternehmen in DAX 30, MDAX und SDAX exakt 671 Vorstandsstühle. "Nehmen wir eine Quote von 30% an, wären 201 Sitze für Frauen vorzusehen. Derzeit sind nur 68 Positionen in weiblicher Hand", rechnet Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG), vor.

Für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes soll eine Aufsichtsratsquote von 30% und eine Mindestbeteiligung in Vorständen gelten, wie auch bei Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nicht alle Unternehmen, die den Bund im Namen tragen, sind betroffen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) etwa, die die Rechtsform einer "bundesunmittelbaren, rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts" hat, fällt nach den derzeitigen Planungen nicht darunter.

Viele Ausnahmen

Aus der Immobilienwelt stehen auf der Liste von Fidar nur der Baukonzern Hochtief und Wüstenrot & Württembergische, die Dachgesellschaft der Bausparkasse Wüstenrot. Beide haben rein männlich besetzte Vorstände mit vier bzw. sieben Herren.

Die im DAX gelisteten Aktiengesellschaften Vonovia und Deutsche Wohnen fallen nicht unter die Quote.

Von der Frauenquote für Vorstände betroffene Unternehmen, die u.a. mit Tochtergesellschaften als Finanzierer, Asset- und Fondsmanager sowie Investoren eine Rolle in der Immobilienwirtschaft spielen, sind Commerzbank und Deutsche Bank, auch die Versicherer Allianz, Munich Re und Talanx.

Auch die Aareal Bank und der auf die Bau- und Immobilienwirtschaft spezialisierte Softwareentwickler Nemetschek, zwei Unternehmen aus dem MDAX, tangiert die Quote nicht, denn sie unterliegen nicht der vollen Mitbestimmung. Letzteres hat sich wie Deutsche Wohnen und Vonovia schon vor Jahren in eine europäische Aktiengesellschaft (Securitas Europaea, kurz SE) umgewandelt. Gewerkschaftern zufolge dient der Wechsel in die SE nicht selten dem Zweck, die Mitbestimmung zu umgehen. Immerhin: Zwei der vier Firmen haben eine bzw. zwei Frauen im Vorstand. Aroundtown, mit einem Immobilienbestand von 22 Mrd. Euro der größte börsennotierte Player auf dem deutschen Gewerbeimmobilienmarkt, ist ebenfalls nicht betroffen - das Unternehmen hat seinen Sitz in Luxemburg. Das Gleiche gilt für die 40%ige Aroundtown-Beteiligung Grand City Properties mit 63.000 Wohnungen in Deutschland.

Fidar sieht bei 32 Firmen Handlungsbedarf, darunter Hochtief und Wüstenrot & Württembergische. "Aufgrund der geringen Anzahl der relevanten Positionen ist sicher, dass genügend weibliche Top-Führungskräfte zur Verfügung stehen", urteilt Headhunter Werner Knips von Heidrick & Struggles mit Blick auf die Immobilienwirtschaft. "Bereits heute gibt es ausreichend weibliche Talente in den Funktionen CFO, HR, Legal und Digital." Er ergänzt: "Darüber hinaus lohnt immer die Frage, ob der aktuelle Zuschnitt der Vorstandsbereiche und somit die Job-Description für die zu besetzende Position den zukünftigen Zielen und Strategien des Unternehmens gerecht wird." Das ICG hat vor einigen Jahren ein Diversity-Programm aufgebaut und fördert Frauen etwa durch Mentoring sowie Weiterbildung und Vernetzung. "Ein Argument ist ja immer, man wisse nicht, wo man Kandidatinnen für Vorstand und Aufsichtsrat finden könne - nun, hier sind einige!", sagt Manuela Better aus dem Vorstand des ICG.

Auf eine Frau im Vorstand kommen neun Männer

Nur wenn ein Vorstandsmitglied eines nur mit Männern besetzten Gremiums ausscheidet, muss eine Frau an Bord geholt werden. Alternativ kann das Gremium um eine Position erweitert werden, die mit einer Frau besetzt wird. Befürworter der Quote hoffen auf einen Sinneswandel, der die Chefetagen erfassen soll. "Ich war jahrelang gegen die Quote. Wir wollen doch eine freie Wirtschaft und die besten Kräfte an der richtigen Stelle", sagt Anwältin Stüber. Doch die Selbstverpflichtung der Unternehmen hat nicht gefruchtet, wie eine Studie von Allen & Overy belegt. "Fünf Jahre nach der Einführung der freiwilligen Quote sind Frauen in den Vorständen kaum anzutreffen, und die meisten Unternehmen halten sich mit ehrgeizigen Zielen zurück."

Denn bei den seit 2015 geltenden Normen sind keine Mindestzielgrößen vorgegeben. Die Zielgröße null ist erlaubt, wenn damit nicht der Status quo unterschritten wird. Sanktionen sind bislang nicht vorgesehen. Das soll sich laut Referentenentwurf für das neue FüPoG ändern. Unternehmen, die sich auch künftig das Ziel null Frauen im Vorstand setzen, ohne dies gut zu begründen, drohen "empfindliche Bußgelder".

Speziell in der Immobilienwirtschaft ist der Einsatz der Brechstange anscheinend unumgänglich. Hier sind Frauen besonders selten auf dem Top-Level aufzufinden. Daran wollen viele Unternehmen auch nicht groß was ändern, wie die freiwilligen Zielsetzungen für Frauenanteile auf Führungsebenen zeigen (vgl. "Frauen an die Spitze", IZ 22/20). Von 24 Firmen in DAX, MDAX und SDAX, die man der Immobilienbranche zurechnen kann, haben 14 keine Frau im Vorstand, zeigt der September-Bericht der Allbright-Stiftung. Mit dem Ziel 0% Frauen im Vorstand sind u.a. Hochtief und Deutsche Wohnen verzeichnet.

Die Quote ist ein heikles Thema. Sonja Wärntges, Stand September eine von nur fünf weiblichen Vorstandsvorsitzenden der 160 Firmen von DAX bis SDAX und die einzige Immobilien-CEO, stand für ein Gespräch mit der Immobilien Zeitung (IZ) nicht zur Verfügung. Im DUB Unternehmer-Magazin hatte sich die Chefin von DIC Asset vor einiger Zeit gegen eine Vorstandsquote ausgesprochen: "Aus unternehmerischer Perspektive bin ich bezüglich mehr Regulatorik eher zurückhaltend und bevorzuge daher das Instrument der Eigenverantwortung."

Deutsche Wohnen setzt Zielquote im Vorstand auf 20% hoch

Michael Zahn, CEO von Deutsche Wohnen (DW), wollte mit der IZ ebenfalls nicht über die Quote reden. In einem Podcast-Gespräch mit Stephanie Baden, Geschäftsführerin des Urban Land Institute (ULI) für die Dach-Region und zugleich Gründungsmitglied der Initiative Frauen in Führung (FiF), bezog Zahn unlängst jedoch Stellung: "Ich bin kein Freund von Quote und ich bin kein Freund von staatlichen Vorgaben. Ich möchte am Ende des Tages ein erfolgreiches Team." Der DW-Aufsichtsrat hat die Zielquote für den Frauenanteil im Vorstand in seiner Septembersitzung von 0% auf 20% hochgesetzt. Erreicht haben will das Gremium dies bis zum Jahr 2025. Der DW-Aufsichtsrat selbst ist seit Juni 2020 mit zwei Frauen bestückt, das entspricht einem Anteil von 33%. Zahn betont im ULI-Podcast: "Wir beschäftigen mehr als 1.000 Mitarbeiter - von denen sitzen vier im Vorstand. Entscheidender ist doch: Fördern wir Frauen im Unternehmen? Das tun wir." Tatsächlich liegt der Anteil weiblicher Führungskräfte bei DW laut Unternehmenssprecherin Julia Kieslinger bei 48%.

Helene von Roeder, im Vorstand von Vonovia für die Finanzen zuständig, hält dagegen. "Wenn ich jemanden befördere - und das gilt gerade auf Vorstandsebene -, habe ich das Risiko, ob es funktioniert. Habe ich gelernt, dass es mit einem bestimmten Typ Manager in der Vergangenheit gut geklappt hat, leite ich aus meinem persönlichen Erfahrungsschatz ab: Wahrscheinlich klappt das auch beim nächsten Mal. Bei einer Frau kann ich das vielleicht weniger gut einschätzen, weil es noch so wenige weibliche Rollenmodelle in Führungspositionen gibt", argumentiert sie pro Quote. "Wir müssen alle viel öfter erleben, dass man viel dazugewinnt, wenn man eine Frau befördert."

"Wir werden die neue Regelung gern umsetzen"

Der spanische Vorstandsvorsitzende von Hochtief, Marcelino Fernández Verdes, den die geplante Vorstandsquote als einen der wenigen tatsächlich betreffen wird, demonstriert Gelassenheit: "Wir werden die neue Regelung gern umsetzen", teilt ein Sprecher im Namen des CEO mit. "Der Hochtief-Vorstand ist seit Jahren ein stabiles, eingespieltes und erfolgreiches Team. Sollten irgendwann Veränderungen anstehen, werden wir alle Kandidatinnen und Kandidaten prüfen und die besten Entscheidungen für das Unternehmen treffen." Wann genau der nächste Vertrag eines der vier Vorstandsmitglieder ausläuft, möchte das Bauunternehmen nicht sagen, dem Geschäftsbericht lässt sich diese Information nicht entnehmen.

Verfechter der Quote feiern den Durchbruch in den (sozialen) Medien. Wasser in den Wein gießt Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow: "Wer entscheidet über die Zusammensetzung des Vorstands? Der Aufsichtsrat. Wir brauchen die Quote für Vorstände, weil die Aufsichtsräte versagt und auf freiwilliger Basis keine substanziellen Ziele gesetzt haben. Aber die Wirkung des FüPoG 2 wäre ungleich größer, wenn die Quote für Aufsichtsräte von bisher gut 100 Unternehmen wie ursprünglich geplant auf etwa 590 ausgeweitet worden wäre." Diese Ausweitung fiel offenbar einem Kompromiss in der Großen Koalition zum Opfer: Die einen bekamen die Vorstandsquote, die anderen konnten den Schaden in Grenzen halten. Das Bundesfrauenministerium geht auf Anfrage hierauf nicht ein. Im Referentenentwurf für das FüPoG 2 ist noch explizit die Rede von einer geplanten "Erweiterung des Anwendungsbereichs der fixen Aufsichtsratsquote auf alle paritätisch mitbestimmten Unternehmen" - egal, ob sie börsennotiert sind oder nicht.

Die Hoffnung ruht auf einer Signalwirkung

Allen-&-Overy-Juristin Stüber glaubt dennoch: Selbst wenn die Quote ein Stück weit Symbolpolitik sein mag, könnte sie eine gewisse Signalwirkung zeitigen. "Die Wirkung von Role Models ist nicht zu unterschätzen, auch wenn es erstmal nur um ca. 30 Vorstandspositionen geht, die künftig mit Frauen besetzt werden müssen. Und auch bei den anderen ca. 40 betroffenen Unternehmen, die jetzt schon eine Frau im Vorstand haben, wird es Personalwechsel geben, bei denen dann die Quote greift." Schulz-Strelow rechnet allerdings mit "vielen vorzeitigen Vertragsverlängerungen im nächsten Jahr", also noch rechtzeitig vor Inkrafttreten der Quote. So könnten sich die Unternehmen bis 2024 oder 2025 Luft verschaffen - mehr als ein paar Jahre voraus dächten viele in ihrer Personalpolitik ja nicht.

Harald Thomeczek

Ein Unternehmensleitbild ist kein Luxus

Britt Zimlich ist bei der Wiro für die Unternehmensentwicklung verantwortlich.

Britt Zimlich ist bei der Wiro für die Unternehmensentwicklung verantwortlich.

Bild: Wiro/Zimlich

Karriere 17.01.2013
"Bringt die Unternehmenskultur auf Vordermann! Nur dann werden hier Menschen aus den richtigen Gründen arbeiten wollen." Der markige Ausspruch soll von einem Ex-Manager der Investmentbank ... 

"Bringt die Unternehmenskultur auf Vordermann! Nur dann werden hier Menschen aus den richtigen Gründen arbeiten wollen." Der markige Ausspruch soll von einem Ex-Manager der Investmentbank Goldman Sachs zu Beginn der Finanzkrise stammen. Doch wie soll eine Firma ticken, damit fähige Leute gerne kommen, bleiben und bei der Arbeit ihr Bestes geben? Das steht idealerweise im Unternehmensleitbild geschrieben.

Die IVG hat eins, die Bima, Engel & Völkers und die Wiro Wohnen in Rostock auch. Leitbilder sind modern und zieren heute viele Unternehmensbroschüren und Internetseiten - auch der Immobilienwirtschaft. Und das aus handfesten, finanziellen Gründen. "Schätzen Sie doch mal, wie viele Mitarbeiter im bundesdeutschen Durchschnitt bereits ihre innere Kündigung vollzogen haben Und was das kostet!", sagt Britt Zimlich, beim kommunalen Vermieter Wiro in der ostdeutschen Hansestadt für Unternehmensentwicklung und den Strategieprozess verantwortlich. 23% seien nicht mehr mit dem Herzen dabei, "weitere 63% der Arbeitnehmer machen den berühmten Dienst nach Vorschrift", zitiert die städtische Bedienstete das seit Jahren unveränderte Ergebnis des Gallup Engagement Index 2011. Da werden Chefs hellhörig. Auch Ralf Zimlich, der aus Berlin dazugestoßene Wiro-Vorstand. Er war angetreten, die gegen die Wohnungsnot kämpfende sozialistische "Gebäudewirtschaft", die Wohnraum nur verteilte, zu einer kommunalen Gesellschaft umzuformen, die sich auf gesättigten Märkten durchsetzen muss.

Produktiver und rentabler

"Unternehmensphilosophie", erklärte ihm seine Ehefrau, "ist kein Luxus, sondern eine wirtschaftliche Ressource, die sich in Mitarbeiterbindung und -mobilisierung widerspiegelt." Diese wiederum steigere Produktivität und Rentabilität. Unternehmen, die den Meinungen und Ansichten ihrer Mitarbeiter Gewicht geben und Anerkennung zollen, arbeiten um 27% profitabler und erhöhen die emotionale Bindung ihrer Mitarbeiter um durchschnittlich 22%. So steht es ebenfalls bei Gallup geschrieben.

Ehemann Zimlich hatte 600 Wiro-Mitarbeiter mit auf den langen steinigen Weg in die Marktwirtschaft genommen. 2009 legte Britt Zimlich los. Klausurtagungen, Workshops und Gespräche über Gespräche mündeten in einer Zukunftskonferenz mit der gesamten Belegschaft. Die Präsentation, erinnert sich die Initiatorin des Treffens, sei "hochemotional" gewesen. "Der Funke sprang über, viele Beschäftigten haben ihre Gedanken, Ideen und Meinungen auf der Bühne wiedergegeben." In der Folge bildete Zimlich Teams, die nach einheitlichen Methoden an den Themen Kundenorientierung und Schnittstellenoptimierung arbeiteten. Unzählige Treffen und Tagungen von Wohnungsverwaltern, Vermietern, Technikern und Handwerkern der Wiro später, stand das jetzt gültige Leitbild, das den Geist des Unternehmens widerspiegelt. Niedergeschrieben wurden zum Beispiel "Goldene Regeln". Ob es um die Vereinbarung von Besichtigungen möglichst innerhalb von 48 Stunden geht, Termine nach 17 Uhr oder am Wochenende oder die Beantwortung von E-Mail-Anfragen innerhalb von 24 Stunden: "Vorbehalte wurden abgebaut, Abläufe umstrukturiert, Aufgaben neu verteilt", sagt Britt Zimlich. Das geht bis zur Verpflichtung zu ordentlichen Schreibtischen und geöffneten Bürotüren. Dabei ist das Leitbild nicht statisch. "Fällt den Kollegen im Alltag etwas auf, was sie verbessern möchten, kommt eine neue Regel dazu, oder eine andere hat sich erledigt, weil man gute Lösungen gefunden hat", erzählt die stellvertretende Pressesprecherin Dagmar Horning, aus ihrem Alltag.

"Messlatte für unser Handeln in den kommenden Jahren" nennt die Bonner IVG ihr Leitbild. Anders als bei der Wiro, wo Verbesserungsvorschläge öffentlich auf einer Bühne gefragt waren, setzte die IVG auf ein Internetforum, wo die Mitarbeiter, auch anonym, "konkrete Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen" machen durften. "Schon der Weg war das Ziel", erläutert Unternehmenssprecher Oliver Stumm, "eine Unternehmensphilosophie von oben nach unten zu verfügen, hat keinen Sinn."

Bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Bima wurde das seit dem Jahr 2012 gültige Leitbild dagegen auf der Führungsebene erarbeitet. Ähnlich wie die Wiro in Rostock muss sich die aus der Vermögensverwaltung des Bundes hervorgegangene Gesellschaft mit aktuell rund 6.500 Mitarbeitern seit 2005 am Markt behaupten.

Taten statt Worte

Das geht nicht mit abstrakten Begriffen im Leitbild ("Wir setzen unsere Kunden in das Zentrum unseres Denkens und Handelns"), sondern nur durch knallharte Fakten, die den Mitarbeitern die Wertschätzung des Unternehmens zeigen: ein gutes Gesundheitsangebot, lebendiges Intranet, Mitarbeiterzeitung, Bima-Fußball-Cup sowie Sommerfest und Fortbildungsangebote. "Nur was Mitarbeiter im Inneren erfahren, können sie auch nach außen leben", bringt Bima-Sprecher Thorsten Grützner die Sache auf den Punkt.

Beim 1997 gegründeten Franchise-Makler Engel & Völkers mit 3.700 Mitarbeitern in 35 Ländern stammt das Leitbild auch von den Chefs. Im Januar 2008 ist die Geschäftsleitung über mehrere Tage in Klausur gegangen, um sich ein Aushängeschild zu verpassen. "Unsere dort erarbeiteten Kernwerte Kompetenz, Exklusivität und Leidenschaft achten und pflegen wir", erklärt der Vorstandsvorsitzende Christian Völkers. Einzelne Dienstleistungsschritte sind festgelegt und werden den Beschäftigten in einer hauseigenen Immobilien-Akademie in rund 7.600 Seminarstunden pro Jahr nahe gebracht.

Wiro hat gutes Geld verdient

Bei Wiro in der mecklenburgischen Hansestadt Rostock trägt der mühsame Weg durch die Ebene Früchte. Das sagt nicht nur Frau Zimlich. Auch der Betriebsratsvorsitzende Matthias Ehlers, von Anfang an bei der Erstellung dabei, bestätigt: "Das Leitbild motiviert."

Mittlerweile ist das kommunale Wohnungsunternehmen ein begehrter Arbeitgeber, die Mitarbeiterfluktuation tendiert gen null. Der Leerstand in den 36.000 Wohnungen an der ostdeutschen Waterkant ist in den vergangenen drei Jahren von über 5% auf unter 2% gesunken. 81% der Mieter erteilen ihrer Wohnsituation und dem Service gute bis sehr gute Noten, lautet das Ergebnis einer Mieterbefragung und Imageanalyse im Jahr 2011. Und auch der Kämmerer kann zufrieden sein: Vom 2011er-Rekordergebnis in Höhe von 17,2 Mio. Euro (12,5% mehr als im Jahr zuvor) konnte er sich 15 Mio. Euro einverleiben.

Goldene Regeln

Wir sind offen, ehrlich und vertrauensvoll im Umgang miteinander.

Wir unterstützen uns gegenseitig und achten die Arbeit der anderen.

Wir entwickeln uns persönlich und fachlich weiter.

Wir führen ein gut beschriftetes Ordnungssystem.

Wir halten Ordnung und Sauberkeit auf unseren Schreibtischen.

Wir achten auf dezente Dekoration.

Während der Sprechzeiten halten wir unsere Bürotüren für unsere Kunden geöffnet.

Die Urlaubsübergabe erledigen wir zwei Tage vor unserem Urlaub.

Wir vereinbaren keine Termine für den letzten Arbeitstag vor und den ersten Tag nach dem Urlaub.

Wir versuchen, keinen Urlaub zum Monatswechsel zu planen.

Wir heißen unseren "Urlauber" herzlich Willkommen.

Wir geben nur vollständige Vorgänge zur Unterschrift.

Wir erarbeiten Ablaufpläne für Endabnahme/ Wohnungsübergabe/ Vorabnahme und halten uns an diese.

Gerda Gericke