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Flexible Arbeitszeiten steigern Effizienz und Arbeitgeberattraktivität

Die Konzentration von Mitarbeitern hängt von der Tageszeit ab.

Die Konzentration von Mitarbeitern hängt von der Tageszeit ab.

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Karriere 29.09.2022
Hybride Arbeitszeitmodelle sind längst in der Branche angekommen. Bei JLL und Commerz Real dürfen sich Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten nahezu selbst aussuchen – allerdings in einem ... 

Hybride Arbeitszeitmodelle sind längst in der Branche angekommen. Bei JLL und Commerz Real dürfen sich Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten nahezu selbst aussuchen – allerdings in einem festgesteckten Rahmen. Die Unternehmen punkten damit als Arbeitgeber und können sogar bessere Leistungen von ihren Beschäftigten erwarten.

Mit Arbeitszeitmodellen, die zum individuellen Lebensstil der Mitarbeiter passen, wollen Unternehmen als Arbeitgeber punkten. Viele bieten ihren Mitarbeitern schon seit Jahren die Möglichkeit an, ihren Arbeitstag so zu gestalten, dass Aufgaben auf passende Uhrzeiten gelegt und Pausen nach Bedarf genommen werden können. Doch seit den Homeoffice-Regelungen während der Corona-Pandemie haben viele das mögliche Zeitfenster noch weiter ausgebaut. Die meisten setzen dabei auf eine Gleitzeit, die einen gewissen Rahmen vorgibt, innerhalb dessen das tägliche Stundenziel erreicht werden kann. Und diese Gleitzeit ist bei einigen Unternehmen deutlich größer geworden, als sie es noch vor einigen Jahren war.

Beim Beratungsunternehmen JLL sind dadurch inzwischen Arbeitszeiten zwischen 7 und 21 Uhr möglich, beim Vermögensverwalter Commerz Real können die Mitarbeiter schon um 6 Uhr am Morgen anfangen oder bis 23 Uhr im Büro bleiben. Zudem haben viele Unternehmen neue Teilzeitmodelle geschaffen und bieten sogenanntes Jobsharing an, bei dem sich zwei Mitarbeiter eine Stelle teilen und die damit verbunden Aufgaben untereinander aufteilen.

Der Grund dafür, dass sich immer mehr auf alternative Arbeitszeitmodelle einlassen, liegt auf der Hand: Sie sind angewiesen auf Nachwuchs- und Fachkräfte – und müssen sich bei ihnen als attraktive Arbeitgeber beweisen. Fast drei Viertel aller Beschäftigten wollen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten, wie die Umfrage "People at Work 2022: A Global Workforce View" vom ADP Research Institute zeigt. Besonders am Herzen liegt Flexibilität einerseits jungen Leuten zwischen 18 und 24 Jahren, andererseits älteren Beschäftigten über 55 Jahre. In der Immobilienbranche dürften diese Werte noch höher sein – vor allem die Berufe des Maklers und Vertrieblers sind durch unterschiedliche Vor-Ort-Termine schließlich per Definition auf Flexibilität aufgebaut.

Bei JLL macht man keinen Hehl daraus, dass es bei dem Zeitmodell auch darum geht, einen positiven Eindruck auf dem Arbeitsmarkt zu hinterlassen und vielversprechende Kandidaten von sich zu überzeugen. Zwar gibt es schon seit einigen Jahren flexible Arbeitszeiten, aber Corona hat das hybride Arbeiten – zu dem nicht nur orts-, sondern ebenso zeitunabhängiges Arbeiten gehört – vorangetrieben. Auch bei Commerz Real hat die Pandemie der Flexibilität im Unternehmen noch einmal einen Schub gegeben. Die Commerzbank-Tochter will damit die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter unterstützen: "Allein die Möglichkeit zu haben, in Randzeiten liegengebliebene Arbeit zu erledigen oder in Einzelfällen auf einen Wochentag wegen privater Verpflichtungen komplett verzichten und hierfür auf einen Samstag auszuweichen zu können, reduziert den Druck und die Belastung bei den Mitarbeitenden", sagt Christiane Wolfram, Bereichsleiterin People & Culture bei Commerz Real.

Das weiß auch Ulrike Hellert. Sie ist Arbeitspsychologin und Wirtschaftswissenschaftlerin an der FOM-Hochschule in Nürnberg und sagt: "Jeder Mensch kann sich zu unterschiedlichen Zeiten besonders gut konzentrieren. Zwar ist es den meisten auch außerhalb dieser Zeiten möglich zu arbeiten – doch das erfordert mehr Anstrengung." Wann ein Mitarbeiter besonders gut arbeiten kann, hängt vom sogenannten Chronotyp ab, also von der inneren biologischen Uhr. Manche arbeiten morgens besser, andere abends. "Flexible Arbeitszeiten fördern die Produktivität der Mitarbeiter", sagt Hellert. "Und das kommt dann natürlich wiederum dem Arbeitgeber zugute."

Bei JLL kann wohl auch deshalb nahezu jeder arbeiten, wann er möchte – solange er sich an die gesetzlichen Vorgaben hält. Das Arbeitszeitgesetz schreibt nämlich vor, dass Mitarbeiter in der Regel nur acht Stunden pro Tag arbeiten. Pausen sind ebenfalls klar geregelt: Wer an einem Arbeitstag auf sechs bis neun Stunden kommt, dem steht eine Ruhezeit von 30 Minuten zu. An Tagen, an denen die neun Stunden überschritten werden, sind es 45 Minuten. Spätestens nach sechs Stunden muss die Arbeit unterbrochen werden. Am Ende des Tages müssen elf Stunden zwischen dem Feierabend und dem nächsten Arbeitstag frei bleiben.

Um das messen zu können, muss die Arbeitszeit dokumentiert werden – auch bei Vertrauensarbeitszeit, beim mobilen Arbeiten und im Homeoffice. Das hatte der Europäische Gerichtshof bereits im Mai 2019 (Az. C-5/18) klargestellt und die nationalen Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert. Passiert ist seither allerdings nichts. Das Bundesarbeitsgericht bringt nun mit einem Beschluss vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) wieder Schwung in die Sache. Es hält fest, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, "ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann". Wie das genau aussehen muss, ist noch offen.

Das letzte Wort haben die Vorgesetzten

Neben der Erfassung der Arbeitszeit stellt auch das Abstimmen, wer wann arbeitet, Herausforderungen an die Organisation. Bei JLL gibt es eine klare Regelung: Das letzte Wort hat der jeweilige Vorgesetzte. Der entscheidet darüber, ob genügend Mitarbeiter für Kollegen und Kunden erreichbar sind. "Für Mitarbeiter, die vor Ort bei unseren Kunden arbeiten, sind natürlich die jeweiligen Kundenanforderungen zu berücksichtigen", sagt Personalchefin Patricia Offermanns. Am Ende gilt also wohl doch: Der Kunde ist König und bestimmt zumindest teilweise die Erreichbarkeit der Mitarbeiter. Allgemeingültige Empfehlungen "von oben" sind weder bei JLL noch bei Commerz Real verordnet, jedes Team kann seine Guidelines für Arbeitszeiten selbst gestalten. Auch Empfehlungen, wann welche Arbeit erledigt werden sollte, werden nicht ausgesprochen.

Bei Commerz Real gibt es lediglich die einheitliche Vorgabe, dass Teambesprechungen und Dienstveranstaltungen vor 9 und nach 17 Uhr nach Möglichkeit vermieden werden sollen. "In Einzelfällen können zudem innerhalb von Bereichen, Abteilungen oder Teams Service-Zeiten festgelegt werden”, erklärt Personalerin Wolfram. Service-Zeiten sind die Zeiten, in denen der Arbeitsbereich mit einer Mindestanzahl von Mitarbeitern besetzt sein muss, um die betrieblichen Anforderungen mit "vertretbaren Einschränkungen" erfüllen zu können. Die Service- Zeiten liegen immer zwischen 6 und 23 Uhr. Wenn ein Kollege krank oder im Urlaub ist, kümmert sich der Vorgesetzte um die Vertretung in Absprache mit den Teammitgliedern. Das ist auch bei JLL so: "Dies muss nicht unbedingt bedeuten, dass andere Arbeitszeiten gelten, am Ende kommt es ja auf das Ergebnis an und nicht darauf, wann genau am Tag die Aufgaben erledigt werden", heißt es vom Unternehmen. Im Einzelfall könne es dann aber auch mal zu Änderungen der üblichen Arbeitszeit kommen.

All diese Flexibilität ist jedoch nicht für jeden Mitarbeiter das Richtige. Arbeitspsychologin Hellert unterscheidet bei Mitarbeitern zwischen Segmentierern und Integrierern. Während erstere klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit brauchen, tendieren Integrierer dazu, diese Grenzen zu verwischen – und beiden kann es mit ihrem Vorgehen gut gehen.

Thomas Rigotti, Professor für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Mainz, bestätigt: "Jeder Mensch hat einen individuellen Drang nach Flexibilität." Während der eine sein Diensthandy nach Feierabend also am liebsten ausgeschaltet in die Ecke legt, kann es den anderen sogar stressen, nicht auch am Wochenende mindestens einmal seine Mails zu checken. Rigotti glaubt daher nicht, dass flexible Arbeitszeiten zum "Verbummeln" von Aufgaben führen könnten – jedenfalls nicht allein. "Dazu kann nur eine hohe Autonomie gepaart mit Orientierungslosigkeit führen", sagt er. "Und Orientierungslosigkeit rührt meist daher, dass Unternehmen die Ziele ihrer Mitarbeiter nicht klar genug definieren oder kommunizieren." Ein wenig Struktur braucht es, bei aller Flexibilität, dann doch.

Die Autorin: Celine Schäfer ist Journalistin in der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Celine Schäfer

Ständige Erreichbarkeit kann der Arbeitgeber nicht verlangen

Müssen Angestellte ständig erreichbar sein? Die Antwort lautet nein, denn sie haben ein Anrecht auf Pausen und Ruhezeiten. Sind sie krank, sind sie auch nicht verpflichtet, den Anruf des Chefs auf dem Firmenhandy entgegenzunehmen.

Müssen Angestellte ständig erreichbar sein? Die Antwort lautet nein, denn sie haben ein Anrecht auf Pausen und Ruhezeiten. Sind sie krank, sind sie auch nicht verpflichtet, den Anruf des Chefs auf dem Firmenhandy entgegenzunehmen.

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Karriere 19.03.2015
Gute Erreichbarkeit - in der Immobilienbranche ist das einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren. Für Angestellte heißt das freilich nicht, dass sie an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden täglich ... 

Gute Erreichbarkeit - in der Immobilienbranche ist das einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren. Für Angestellte heißt das freilich nicht, dass sie an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden täglich verfügbar sein müssen, weder für den Chef noch für die Kunden. Christina Mitsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Thümmel Schütze & Partner, Berlin, erklärt, ob zum Beispiel abendliche Telefonate zur Arbeitszeit gehören.

Immobilien Zeitung: Das Bundesverwaltungsgericht hat im vergangenen Jahr die Sonn- und Feiertagsarbeit unter anderem in Videotheken und Callcentern verboten. Ist es Angestellten in der Immobilienbranche rechtlich noch erlaubt, am Wochenende und an Feiertagen zu arbeiten?

Christina Mitsch: Der Samstag ist unproblematisch, er gilt als Werktag im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Sonn- und Feiertagsarbeit hingegen ist in Deutschland grundsätzlich verboten. Neben den gesetzlichen Ausnahmen u.a. für das Rettungswesen dürfen jedoch die Landesregierungen Verbotsausnahmen in solchen Bereichen zulassen, in denen eine "Beschäftigung zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist". Auf dem Prüfstand des Bundesverwaltungsgerichts stand die hessische Bedarfsgewerbeverordnung, die das Gericht in Teilen für nichtig erklärte. Nicht beanstandet hat das Gericht die in der Verordnung vorgesehene Ausnahme für das Immobiliengewerbe, die "für die Begleitung und Beratung von Kunden bei Besichtigung von Häusern und Wohnungen" gilt. Damit dürften auch inhaltlich entsprechende Regelungen in den Bedarfsgewerbeverordnungen der meisten Bundesländer in Zukunft Bestand haben.

IZ: Was müssen Arbeitgeber auch bei zulässiger Wochenend- und Feiertagsarbeit beachten?

Mitsch: Von der Ausnahme zur Sonn- und Feiertagsarbeit in der Immobilienbranche erfasst werden nur die Einsätze von Arbeitnehmern bei Objektbesichtigungen, nicht aber sonstige Tätigkeiten wie etwa in der Buchhaltung. Je nach Bundesland erlauben die Bedarfsgewerbeverordnungen, dass die Begleitung und Beratung an Sonn- und Feiertagen zwischen vier und sechs Stunden umfassen darf. Ausdrücklich in den Verordnungen benannte Feiertage wie Ostern, Karfreitag oder Weihnachten sind zudem von der Ausnahmeregelung ausgenommen. Generell ist auch bei erlaubter Wochenend- und Feiertagsarbeit zu beachten, dass die nach dem Arbeitszeitgesetz vorgegebene Höchstarbeitszeit sowie das mit den Mitarbeitern (tarif-)vertraglich Vereinbarte, etwa zur Anzahl der Wochenstunden sowie zur Anordnung von Überstunden, eingehalten werden. Ist vertraglich nichts Anderweitiges geregelt, kann der Chef im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit kraft Direktionsrecht bestimmen, wann die Arbeit täglich beginnt und endet und wie sie auf die Wochentage verteilt wird. Dabei hat er zwingend auch die Interessen seines Mitarbeiters angemessen zu berücksichtigen.

IZ: Gehört die Teilnahme an Messen zur Arbeitszeit? Was ist mit den Fahrten dorthin?

Mitsch: Die Stunden, die ein Mitarbeiter im Auftrag des Arbeitgebers auf Messen verbringt, gehören grundsätzlich zur Arbeitszeit. Das gilt auch, wenn er die ganze Zeit am Stand steht und kein einziger Kunde kommt. Für die Anreise ist unter anderem maßgeblich, wie der Weg zurücklegt wird. Ordnet der Chef zum Beispiel an, dass der Dienstwagen benutzt werden muss, wird die Fahrt wohl als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu werten sein. Auch wenn dies vom Bundesarbeitsgericht noch nicht ausdrücklich entschieden wurde. Das Gleiche gilt, wenn dem Mitarbeiter die Wahl des Verkehrsmittels zwar freisteht, aber erwartet wird, dass er unterwegs etwa im Flieger oder Zug arbeitet. Kann es sich der Angestellte aber aussuchen, ob er während der Zugreise schläft oder döst, zählt die Fahrtzeit nicht zur Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Von Bedeutung ist dies für die Einhaltung der täglich zulässigen Höchstarbeitszeit, die bei der Berücksichtigung gesetzlicher Ausgleichszeiten bei zehn Stunden pro Tag liegt. Manchmal dürften die Arbeitnehmer schon nicht mehr von der Messe nach Hause fahren, weil sie den Dienstwagen benutzen müssen und schon zehn Stunden gearbeitet haben.

IZ: Zählen am Abend oder am Wochenende geführte dienstliche Telefonate ebenfalls zur Arbeitszeit?

Mitsch: Wenn der Arbeitgeber verlangt, dass sich der Angestellte während einer vereinbarten Telefonbereitschaft außerhalb der üblichen Arbeitszeit an einem bestimmten Ort aufhalten muss - z.B. im Maklerbüro oder zuhause -, handelt es sich um sogenannten Bereitschaftsdienst, der in vollem Umfang zur Arbeitszeit zählt. Ist es dem Mitarbeiter freigestellt, wo er sich in der Bereitschaftszeit aufhält, ist dies rechtlich Rufbereitschaft, die so lange keine Arbeitszeit darstellt, bis kein konkreter Arbeitseinsatz erfolgt. Die Rufbereitschaft ist - beispielweise mit einer Pauschale - grundsätzlich angemessen zu vergüten, wenn dies auch in geringerer Höhe erfolgen kann als die Arbeitszeit. Sobald allerdings ein Anruf kommt oder Mails beantwortet werden, handelt es sich um voll vergütungspflichtige Arbeitszeit.

IZ: Darf der Chef verlangen, dass der Mitarbeiter sein Privattelefon oder seinen privaten E-Mail-Account für dienstliche Zwecke zur Verfügung stellt?

Mitsch: Nein, ohne Einverständnis des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber eine solche Nutzung der privaten technischen Ausstattung des Arbeitnehmers, egal ob Privathandy, -telefon oder privaten E-Mail-Account, nicht einfordern. Wünscht der Arbeitgeber die mobile Erreichbarkeit seines Mitarbeiters, so muss er notfalls ein Firmenhandy und/oder einen Firmen-PC mit entsprechender E-Mail-Erreichbarkeit zur Verfügung stellen.

IZ: Muss man immer rangehen, wenn der Chef auf dem Firmenhandy anruft?

Mitsch: Ja, wenn der Anruf innerhalb der üblichen Arbeitszeit eingeht. Will der Arbeitgeber außerhalb dieser Zeiten telefonieren, ist der Mitarbeiter nicht verpflichtet abzunehmen - es sei denn, es war anders vereinbart. Ist der Arbeitnehmer krank, dann muss er grundsätzlich keine Anrufe oder Mails beantworten.

IZ: Frau Mitsch, danke für das Gespräch.

Das Interview führte Julia Frisch, Journalistin aus Berlin.

Nicht immer auf Empfang

Ob im Büro, Biergarten oder auf der Toilette: Dank Handy, Tablet und Co. sind Firmenmitarbeiter überall erreichbar. Manche Angestellte "schalten" tatsächlich auf dauerhaften Stand-by-Modus - auch wenn sie rein rechtlich gar nicht dazu verpflichtet sind und auch nicht dazu verdonnert werden können. "Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten Tag sollst du ruhen", heißt es im Alten Testament. Doch viele Arbeitnehmer finden weder an einem Sonntag noch am Abend richtig Ruhe vor beruflicher Mail-Korrespondenz. Selbst im Urlaub schaffen es manche nicht, die Finger vom Handy oder Computer zu lassen. Vor zwei Jahren vereinbarte deswegen der Autohersteller Daimler (recht medienwirksam) mit dem Betriebsrat, dass die Mitarbeiter während der Urlaubszeit alle eingehenden Mails löschen lassen können. Die Angestellten sollen sich während der Ferien erholen und nicht arbeiten, lautete die Begründung des Konzerns. Ähnliches, allerdings im kleineren Format, wagte im vergangenen Jahr der Immobilienkonzern Corpus Sireo: Über das Osterwochenende wurde die Push-Funktion des E-Mail-Servers abgeschaltet, "um ein Zeichen zu setzen", so Bernd Wieberneit, Chief Administrative Officer bei Corpus Sireo und verantwortlich für Human Resources und Legal Affairs. "Von Karfreitag bis Ostersonntag wurden keine E-Mails zugestellt. Geschadet hat dies keinesfalls", sagt Wieberneit. Für dieses Jahr ist eine solche Aktion allerdings noch nicht vorgesehen. Der Konzern "ermutigt" nach eigenen Angaben seine Mitarbeiter zu einer gesunden Work-Life-Balance. "Die Erreichbarkeit nach Ende der Kernarbeitszeit wird per se nicht erwartet", betont Wieberneit. Letztlich entscheide aber jeder Mitarbeiter selbst, ob er nach Feierabend noch E-Mails liest und hierauf reagiert. Ähnlich handhaben andere Unternehmen in der Immobilienbranche das Problem der ständigen Erreichbarkeit. Bei Dr. Lübke & Kelber etwa ist man sich bewusst, dass die digitalen Möglichkeiten die Erwartungshaltung erhöht haben, "wann man eine Reaktion auf eine Anfrage erhalten möchte". Innerhalb der regulären Arbeitszeit sollen die Mitarbeiter möglichst am gleichen Tag antworten. Ansonsten "überlassen wir es den Mitarbeitern generell eigenverantwortlich, ob sie ihre Mails auch am Abend oder Wochenende lesen und beantworten möchten", sagt Prokuristin Sabine Erlemann. Um die Bedeutung einer gesunden Work-Life-Balance wissen auch die Verantwortlichen bei JLL. Die Mehrheit der Mitarbeiter besitzt ein Firmenhandy. Gerade deshalb "legen wir aber großen Wert darauf, dass sich keinesfalls eine grundsätzliche Erwartungshaltung durchsetzt, die eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit vorsehen könnte", sagt Izabela Danner, Head of Human Resources bei JLL. In der Tat ist es manchmal die unterschwellige Erwartungshaltung des Chefs, die dazu führt, dass Arbeitnehmer abends oder am Wochenende nicht abschalten können. Freilich gibt es auch übereifrige Mitarbeiter, die von sich aus ständig die beruflichen Mails checken. Was solche Angestellten für Arbeitgeber bedeuten, erklärt Christina Mitsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Thümmel Schütze & Partner in Berlin: "Wenn der Arbeitgeber nicht weiß, dass sein Mitarbeiter am Sonntagabend nach dem Kinobesuch die Mails kontrolliert, um seine Freundin von seiner beruflichen Unersetzlichkeit zu überzeugen, und hat er ihm dies auch nicht vorgegeben, dann fällt das nicht unter Arbeitszeit. Hat er aber Kenntnis vom Eifer, weil er zum Beispiel in "cc" gesetzt wird, und duldet er dies nachhaltig oder erwartet es nach einiger Zeit sogar, dann gehört das Mail-Checken zur Arbeitszeit mit der Folge, dass eine Vergütung gezahlt werden muss." Die Autorin: Julia Frisch ist Journalistin in Berlin.

Julia Frisch