Karriere-News

Weltfrauentag ist Gender-Pay-Gap-Tag

Architektinnen verdienen meistens weniger als vergleichbare männliche Pendants - wie man die Sache auch dreht und wendet.

Architektinnen verdienen meistens weniger als vergleichbare männliche Pendants - wie man die Sache auch dreht und wendet.

Quelle: Imago, Urheber: Westend61

Karriere 11.03.2021
Am Montag dieser Woche, am 8. März, war Weltfrauentag. Viele Organisationen nehmen diesen zum Anlass, die Lohnlücke zu beklagen, die zwischen Männern und Frauen klafft. In der ... 

Am Montag dieser Woche, am 8. März, war Weltfrauentag. Viele Organisationen nehmen diesen zum Anlass, die Lohnlücke zu beklagen, die zwischen Männern und Frauen klafft. In der Immobilienwirtschaft stoßen die Bundesarchitektenkammer, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und das Netzwerk Frauen in der Immobilienwirtschaft in dieses Horn. Dabei ist es nicht so ganz einfach, die Lücke konkret zu erfassen. Klar ist jedoch: Sie ist da.

Es sind 26% - so groß ist auf den ersten Blick der Unterschied der Jahresgehälter angestellter weiblicher und männlicher Architekten. Allerdings bleiben hier einige Faktoren außen vor. Das ist etwa die Berufserfahrung, beeinflusst auch durch Kinderauszeiten. Zudem die Art und Größe des Arbeitgebers, denn Frauen zieht es eher in Architekturbüros, Männer eher zu Immobilienunternehmen oder Projektentwicklern/Bauträger - und diese zahlen deutlich besser zahlen. Ebenfalls nicht berücksichtigt ist die Arbeitszeit - Frauen arbeiten viel öfter in Teilzeit, in Teilzeit ist der Stundenlohn aber niedriger -, sowie die Position im Unternehmen.

Werden besagte 26% um diese Faktoren bereinigt, wie es die Marktforscher von Reiß & Hommerich für die Bundesarchitektenkammer (BAK) getan haben, schrumpft die Lücke zusammen. Junge Frauen in leitender Tätigkeit in mittelgroßen Architektur- und Stadtplanungsbüros verdienen durchschnittlich sogar ca. 2% mehr als ihre männlichen Kollegen. Sonst behalten aber die Männer die Oberhand, teils sehr deutlich. Mit 13% am größten ist ihr Vorsprung bei Leitungspositionen in kleinen Büros sowie in Büros mit mehr als 50 Mitarbeitenden.

6% in der Architektur, 24% auf dem Bau, 2,87% bei Immobilien

Insgesamt liegt der Gender-Pay-Gap zwischen Architektinnen und Architekten laut BAK etwa auf dem Niveau, das das Statistische Bundesamt im vergangenen Jahr branchenübergreifend errechnet hat - bei ca. 6%. Die BAK hält das für einen schwachen Trost. Sie sieht in dem verbleibenden Delta "ein Indiz mangelnder Gleichbehandlung", zumal Frauen deutlich seltener als Männer in leitender Funktion angestellt sind. Beim Vergleich ausschließlich vollzeittätiger Angestellter mit vergleichbarer Berufserfahrung in Büros ähnlicher Größe zeigt sich, dass Frauen überdurchschnittlich häufig in weisungsgebundenen Positionen arbeiten, während Männer überproportional oft leitende Tätigkeiten ausüben - die mit höheren Löhnen einhergehen.

Dabei kommen Architektinnen im Vergleich mit weiblichen Führungskräften aus der Bauwirtschaft noch gut weg. Zwar hat der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Frauen, die in der Baubranche eine leitende Position bekleiden, dank der guten Baukonjunktur in den vergangenen zehn Jahren um 46% zugelegt. Verdienten diese 2010 im Schnitt 4.347 Euro, waren es 2020 schon 6.335 Euro. Der Abstand zu ihren männlichen Pendants ist jedoch nicht kleiner geworden, wie der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) anhand von Zahlen des Statistischen Bundesamts belegt. Mit besagten 6.335 Euro erreichen Frauen in leitender Stellung am Bau nur 76% des Gehaltsniveaus der Männer. Vor zehn Jahren waren es 77%.

Um dem Vorwurf zuvorzukommen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, versieht der HDB diese Zahlen allerdings gleich mit dem Hinweis: "Die Statistik unterscheidet nicht nach Betriebszugehörigkeit, sondern vergleicht den Verdienst langjähriger männlicher Mitarbeiter mit relativ neu hinzugekommenen weiblichen." Eine Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern bestehe aber gleichwohl - und "wir müssen dafür sorgen, dass sich diese Lücke schließt", fordert Tim Lorenz Vizepräsident Wirtschaft beim HDB, seine Mitgliedsunternehmen auf.

Auch das Netzwerk Frauen in der Immobilienwirtschaft nimmt den Weltfrauentag zum Anlass, auf Verdienstunterschiede aufmerksam zu machen. Diese fallen allerdings überraschend gering aus: Das bereinigte Delta in der Immobilienbranche beträgt nach Zahlen des Gehaltsportals Gehalt.de, auf das die Immobilienfrauen Bezug nehmen, nur 2,87%. Vergangenes Jahr hatte Gehalt.de noch bereinigte 12,8% ermittelt - womit die Immobilienwirtschaft im Branchenvergleich das unrühmliche Schlusslicht bildete. Im Vorjahresvergleich hat sich allerdings die Datenbasis verdoppelt, auch wurde das Bereinigungsverfahren verfeinert. Insofern ist ein Vergleich der aktuellen mit der Vorjahreszahl nicht ganz sauber. Die Gehaltslücke ist weit weniger stark als die bereinigte geschrumpft (von 16,5% auf 12%).

Harald Thomeczek

Mädels, auf zum Bau!

Alina Pelzer (vorne links) ist die erste Frau, die bei Schneider Bau einen Bauberuf erlernt. Die anderen Frauen sind eine angehende Bauzeichnerin (hockend) und eine Ausbilderin. Hintere Reihe, ganz links: Personalleiter Partenheimer.

Alina Pelzer (vorne links) ist die erste Frau, die bei Schneider Bau einen Bauberuf erlernt. Die anderen Frauen sind eine angehende Bauzeichnerin (hockend) und eine Ausbilderin. Hintere Reihe, ganz links: Personalleiter Partenheimer.

Quelle: Schneider Bau

Karriere 16.11.2017
Baufirmen klagen über Probleme bei der Besetzung von (Lehr-) Stellen. Die Frauenanteile unter gewerblichen Arbeitnehmern, Angestellten und Azubis haben sich in den letzten zehn Jahren ... 

Baufirmen klagen über Probleme bei der Besetzung von (Lehr-) Stellen. Die Frauenanteile unter gewerblichen Arbeitnehmern, Angestellten und Azubis haben sich in den letzten zehn Jahren trotzdem kaum merklich erhöht. Schneider Bau aus Merxheim gilt als eines der wenigen Unternehmen, die sich besonders um weibliche (Nachwuchs-) Fachkräfte bemühen.

Der Mittelständler aus Rheinland-Pfalz hat es mit einem Best-Practice-Beispiel in die aktuelle Handlungsempfehlung "Potentiale von Frauen für die Bauwirtschaft besser erschließen und nutzen" der Forschungseinrichtung RKW Kompetenzzentrum geschafft. Die Antwort von Martin Partenheimer, Personal- und Marketingleiter von Schneider Bau, auf die Frage, wie das Familienunternehmen das angestellt hat, ist so simpel wie ernüchternd: "Wir schließen Frauen als Bewerber nicht aus." Das fängt für ihn schon bei der Bildsprache in Anzeigen oder auf Messeständen an: "Wir bilden nicht nur männliche Personen ab. Man muss schon zeigen, dass man offen für Frauen ist."

Rund 220 Menschen beschäftigt Schneider Bau. Diese verteilen sich ziemlich genau je hälftig auf den gewerblichen Bereich und auf Angestellte. Von den Angestellten sind ca. 40% Frauen. Diese sind nicht nur als Büro- oder Immobilienkauffrauen bei Schneider Bau tätig. Auch in technischen Berufen - Bauzeichnerin, Architektin, Projektentwicklerin oder Bauingenieurin - sind sie anzutreffen. Vier von aktuell fünf dualen Studenten des Bauingenieurwesens, die Schneider Bau selbst ausbildet, sind Frauen. Bauzeichnerinnen und solche, die es werden wollen, gibt es aktuell sieben an der Zahl bei Schneider Bau.

Nun sind Frauen in technischen Jobs keine Seltenheit mehr. Von den Bauzeichner-Azubis, die seit diesem Jahr in die Lehre gehen, ist z.B. fast jeder zweite eine Frau. "Sicher ist Schneider Bau von den Zahlen her kein besonders herausragendes Beispiel", so Tanja Leis, eine der beiden Autorinnen der Handlungsempfehlung. "Schneider Bau fördert jedoch den Fachkräfte-Nachwuchs - und hier besonders Frauen - und entwickelt diesen weiter: durch die Übernahme anspruchsvollerer Aufgaben, in verantwortungsvollere Positionen."

Ein gutes Beispiel für diese Förderung findet sich in der Handlungsempfehlung: Natascha Spreitzer (23). Spreitzer hat nach der Realschule eine Ausbildung zur Bauzeichnerin bei Schneider Bau gemacht und bildet sich jetzt berufsbegleitend zur Bautechnikerin weiter. "Sie ist eine aufstrebende junge Frau, die ihren Karriereweg zielstrebig verfolgt. Hier wird sie vom Unternehmen besonders unterstützt - Stichwort: Work-Life-Balance. Ihr werden als Berufspendlerin zwei Heimarbeitstage ermöglicht, und auf ihre berufsbegleitende Qualifizierung wird besonders Rücksicht genommen. Es ist ein sehr gutes Beispiel, wie Karriere auf dem Bau ohne Studium möglich sein kann", findet Leis.

Direkt auf den Baustellen trifft man Frauen kaum an: Ungefähr nur jeder hundertste gewerbliche Arbeitnehmer bzw. Azubi in der deutschen Bauwirtschaft ist eine Frau. Auch bei Schneider Bau findet man keine einzige Vertreterin des vermeintlich schwachen Geschlechts unter den gewerblichen Arbeitnehmern. Immerhin: Seit einigen Monaten erlernt Alina Pelzer dort das Maurerhandwerk. Sie ist damit die erste Auszubildende in der Geschichte der Baufirma, die dort einen Handwerkerberuf erlernt. Dabei hat die junge Frau Abi und will später Architektur oder Bauingenieurwesen studieren. "Ich will meinen Berufswunsch auf jeden Fall verwirklichen. Aber vorher will ich das Handwerk von der Pike auf lernen, um später zu wissen, wovon ich spreche", sagt Pelzer.

Unterrepräsentiert sind Frauen in der deutschen Baubranche nicht nur direkt auf dem Bau: Laut der Studie "Frauen im Top-Management im deutschen Mittelstand" (März 2017) von EY ist der Frauenanteil in der obersten Führungsebene mit 14% auf dem Bau so gering wie in fast keiner anderen Branche. Und die Frage "Ist es für Sie schwierig, genügend qualifizierte Frauen für Ihr Unternehmen zu gewinnen?", beantworten in der Bauwirtschaft mehr Unternehmen mit "Ja" (39%) als in jeder anderen Branche.

"Viele Bauunternehmen vernachlässigen 50% des Bewerberpotenzials", glaubt Partenheimer. Wohl auch deshalb hat so manches Unternehmen Schwierigkeiten, Lehrstellen zu besetzen, wie der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie unlängst konstatierte. Dies habe nicht nur daran gelegen, dass keine geeigneten Bewerbungen eingingen - mitunter habe sich niemand auf einen freien Ausbildungsplatz beworben.

Manche Unternehmen greifen daher auf eher ungewöhnliche Mittel zurück. So hat sich Herzog-Bau aus dem thüringischen Tüttleben das Programm zur "Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen aus Europa" des Bundesarbeitsministeriums zunutze gemacht. Die Firma gewann im Rahmen dieses Programms eine 26-jährige Bulgarin für eine Ausbildung zur Stahl- und Betonbauerin.

Auch Stellen für studierte und erfahrene Köpfe sind kein Selbstläufer: "Eine Anzeige für einen Abrechner im Tiefbau ist seit fünf Monaten online: Bislang haben wir keine einzige qualifizierte Bewerbung erhalten", erzählt Partenheimer. "Es dauert lange, Stellen gut zu besetzen. Und unsere Leute werden immer wieder auf einen Wechsel angesprochen." Schneider Bau fahre daher "eine bedürfnisorientierte Personalpolitik": "Eine junge Mutter z.B., die aus der Elternzeit zurückgekommen ist und noch nicht weiß, wie viele Stunden sie schafft, arbeitet jetzt in einem Stundenmodell."

Harald Thomeczek

HDB freut sich über mehr Bau-Azubis

Dieses Jahr sollen um die 13.000 Bau-Azubis an den Start gehen. Doch allein, um die Abgänge, sprich: Renter, zu ersetzen, wären ca. 15.000 nötig. Ganz zu schweigen von den Wachstumsprognosen für die Bauwirtschaft.

Dieses Jahr sollen um die 13.000 Bau-Azubis an den Start gehen. Doch allein, um die Abgänge, sprich: Renter, zu ersetzen, wären ca. 15.000 nötig. Ganz zu schweigen von den Wachstumsprognosen für die Bauwirtschaft.

Quelle: Bilderbox.com

Karriere 30.10.2017
Die Arbeitgeber aus dem Bauhauptgewerbe haben in den ersten neun Monaten 2017 bundesweit 11.100 Bau-Azubis unter ihre Fittiche genommen - 17% mehr als im gleichen Zeitraum 2016. Der ... 

Die Arbeitgeber aus dem Bauhauptgewerbe haben in den ersten neun Monaten 2017 bundesweit 11.100 Bau-Azubis unter ihre Fittiche genommen - 17% mehr als im gleichen Zeitraum 2016. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) sieht in diesen Zahlen "endlich die Hoffnungen auf eine Wende am Ausbildungsmarkt erfüllt".

Die Arbeitgeber aus dem Bauhauptgewerbe haben in den ersten neun Monaten 2017 bundesweit 11.100 neue Lehrverträge mit gewerblichen sowie technischen und kaufmännischen Auszubildenden geschlossen. Das sind 1.600 neue Bau-Azubis mehr als im gleichen Zeitraum 2016. In relativen Zahlen beträgt das Plus rund 17%.

In Berlin legte die Zahl der neuen Bau-Azubis bundesweit am stärksten zu, nämlich um 38% auf 200. Hohe prozentuale Steigerungen wurden auch in Hessen (plus 36% auf 720) und Niedersachsen (plus 31% auf 1.300) verzeichnet. Absolut am meisten bilden Bauunternehmen in Nordrhein-Westfalen (1.900 neue Azubis) und Bayern (knapp 1.900) aus.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) sieht in den Ausbildungszahlen der Sozialkassen der Bauwirtschaft (Soka-Bau) "die Hoffnungen auf eine Wende am Ausbildungsmarkt endlich erfüllt". Der Arbeitgeberverband erklärt sich den Anstieg u.a. mit der "seit Jahren prosperierenden Baukonjunktur", den "guten Zukunftsperspektiven" und den im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen überdurchschnittlich hohen Ausbildungsvergütungen am Bau.

Zahl der Ausbildungsbetriebe wächst kaum

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich nicht unbedingt (viel) mehr Baubetriebe als im Vorjahr dem Nachwuchs widmen: Die Zahl der Ausbildungsbetriebe ist nämlich - verglichen mit dem 17%igen Plus bei den Azubis - um nicht mal 3% gestiegen, und zwar konkret um knapp 380 auf 13.600 Betriebe. Oder andersherum gesagt: Fast fünf von sechs Baufirmen bilden nicht aus. Insgesamt gibt es im deutschen Bauhauptgewerbe schließlich ca. 74.000 Betriebe (Stand: Ende Juni 2016).

"So erfreulich es ist, dass sich wieder mehr Unternehmen ihrer Verantwortung stellen, um die Fachkräfte von morgen auszubilden, kann dies aber nur ein Anfang sein. Der Arbeitskräftebedarf unserer Branche ist bei Weitem noch nicht gedeckt", mahnt HDB-Hauptgeschäftsführer Dieter Babiel. Schließlich sähen immer mehr Unternehmen im Fachkräftemangel ein großes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens.

Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages treibt der Fachkräftemangel inzwischen 77% der befragten Bauunternehmen Sorgenfalten auf die Stirn. Anfang 2010 zeigte sich nur jedes fünfte Bauunternehmen (20%) besorgt. Betroffen seien insbesondere größere Unternehmen mit 200 und mehr Beschäftigten: Hier machen sich 89% Sorgen, wie sie ihren Personalbedarf gedeckt bekommen.

Mehr ist noch lange nicht genug

Für das Gesamtjahr rechnet der HDB mit ca. 13.000 neuen Bau-Azubis. Das wären etwa 1.000 mehr als im vergangenen Jahr (gut 12.000), reicht aber noch nicht mal, um die in Rente gehenden gewerblichen Arbeitnehmer auf dem Bau zu ersetzen (ca. 15.000 pro Jahr). Geht man davon aus, dass der Boom am Bau anhält und der Personalbedarf daher wächst, dürften selbst 15.000 Frischlinge im Jahr kaum reichen.

Und noch ein paar Zahlen: Ende 2016 gab es - alle Lehrjahre zusammengenommen - insgesamt 36.300 Bau-Azubis in Deutschland. Vor gut 20 Jahren, anno 1995, waren es noch dreimal so viele, nämlich 100.600. Allerdings ist nicht nur die Zahl der Bau-Azubis um zwei Drittel geschrumpft, auch die Zahl der Beschäftigten insgesamt hat sich auf knapp 800.000 halbiert. Ebenso wie die Zahl der Ausbildungsbetriebe: Bildeten vor 20 Jahren noch fast 27.700 Firmen aus, waren es im vergangenen Jahr nur noch rund 14.700.

Harald Thomeczek

Der Geselle als Mentor

Um die Ausbildungsqualität im Baugewerbe und -handwerk zu verbessern, soll ein Geselle als Azubi-Mentor benannt werden.

Um die Ausbildungsqualität im Baugewerbe und -handwerk zu verbessern, soll ein Geselle als Azubi-Mentor benannt werden.

Bild: BilderBox.com

Karriere 07.08.2014
Kleine und mittelständische Unternehmen tun sich bei der Ausbildung manchmal schwer. Doch der Mangel an Nachwuchskräften, hohe Abbrecherquoten und die baldige Verrentung vieler Fachkräfte ... 

Kleine und mittelständische Unternehmen tun sich bei der Ausbildung manchmal schwer. Doch der Mangel an Nachwuchskräften, hohe Abbrecherquoten und die baldige Verrentung vieler Fachkräfte erhöhen den Druck auf die Unternehmen, mehr in ihre Personalarbeit zu investieren. Damit die betriebliche Ausbildung besser gelingt, hat ein Forschungsprojekt an der Bergischen Universität Wuppertal kostenlose Handlungshilfen für ein Mentoringprogramm entwickelt.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre, sagt der Volksmund. Doch wenn es während der Ausbildung knirscht, dann sollten die Betroffenen doch einmal genauer auf die Ursachen schauen. Ein häufiger Beschwerdegrund von Lehrlingen sei, dass sie von verschiedenen Gesellen eines Unternehmens betreut werden und dann Dinge unterschiedlich erklärt bekommen, sagt Melanie Hainz. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bergischen Universität Wuppertal kann sich gut in die Lage der jungen Leute hineinversetzen, denn sie hat einst selbst eine Ausbildung zur Malerin und Lackiererin absolviert. Ebenso wenig wie der ständige Betreuerwechsel hilfreich sei, bringe es etwas, wenn die Azubis nur die ungeliebten Vorarbeiten auf der Baustelle erledigten, wie z.B. das Abreißen der Tapeten. Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, müssten sie auch mal von Anfang bis Ende des Auftrags auf einer Baustelle eingesetzt werden.

Damit solche Probleme das Betriebsklima nicht unnötig belasten, hat Hainz ein Mentorenprogramm zur Verbesserung der Ausbildungsqualität entwickelt. Ein Geselle ist Hauptbetreuer des Lehrlings. Neben dem Wissens- und Erfahrungstransfer will das Programm auch die Kommunikation und Motivation erhöhen. Eingebettet war das Projekt in ein dreijähriges Forschungsvorhaben zur Verbesserung im gelebten Arbeitsschutz auf Baustellen (VegAB), das seinen Fokus auf Jugendliche und ältere Beschäftigte legte. Denn schon bei Berufsanfängern sollte ein Bewusstsein für den Arbeitsschutz vorhanden sein, damit der ausgewählte Beruf auch noch im Alter ausgeübt und so dem drohenden Fachkräftemangel entgegengewirkt werden kann, heißt es auf der Homepage des Projekts (www.vegab.uni-wuppertal.de).

Der drohende Fachkräftemangel am Bau ist schon 2012 in einer gemeinsamen Studie des F.A.Z.-Instituts für Management-, Markt- und Medieninformationen und Soka-Bau, der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft und der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes, berechnet worden: Rund 136.000 gewerblichen Arbeitnehmern im Alter von 45 bis 54 Jahren stehen nur rund 52.000 Auszubildende und Gesellen im Alter zwischen 15 bis 24 Jahren gegenüber. Die Branche kann es sich also nicht leisten, junge Menschen zu verlieren.

Tatsächlich werden in Deutschland - über alle Berufe gesehen - zwischen 20% und 25% der Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst, wie eine Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) aus dem Jahr 2012 zeigt. Bei 70% gab es betriebliche Gründe, wie Konflikte mit Ausbildern oder Betriebsinhabern oder der schlechten Vermittlung von Ausbildungsinhalten, brachte eine BIBB-Umfrage 2002 ans Licht. Das Lösen des Vertrags ist jedoch nicht mit einem kompletten Abbruch gleichzusetzen: Die Hälfte der Befragten schloss einen neuen Ausbildungsvertrag ab und weitere 12% wechselten auf (Berufs-) Schulen oder an die Hochschule.

Positiv wirke es hingegen, wenn sich Azubis und ihre Betriebe schon vor Ausbildungsbeginn kennenlernen würden. Der frühzeitige Kontakt und der Abgleich der Erwartungen der Bewerber mit der Realität scheinen somit wesentliche Faktoren für den Ausbildungserfolg und den Branchenverbleib zu sein, folgert die Studie von F.A.Z./Soka-Bau.

Auch hierfür hat das Forschungsprojekt Handlungshilfen entwickelt, die kostenlos auf der Homepage von VegAB zur Verfügung gestellt werden. Die Broschüre "Fit für die Zukunft" gibt Unternehmen einen Fragen- und Ideenkatalog an die Hand, wie sie sich frühzeitig als Arbeitgeber präsentieren und ihre jungen Mitarbeiter halten können. Das reicht vom Facebook-Auftritt bis zum Austausch mit anderen Bauunternehmen.

Die Handlungshilfe "Mentoring zur Verbesserung der Ausbildungsqualität" liefert zudem Checklisten für die Auswahl des passenden Mentoren-Gesellen und bietet Ideen und Ablaufpläne für die Einführungs- und Feedbackgespräche. Zwei kurze Flyer (Tipps und Tricks für Mentorinnen und Mentoren sowie für Auszubildende) geben auf einen Blick Auskunft zu den Themen. Alle acht Handwerksunternehmen, die sich während der Projektphase als Partner zur Verfügung gestellt hatten, führen das Mentoringprogramm fort.

Berufe am Bau - im Netz

Wer sich über die verschiedenen Berufsbilder der Bauwirtschaft informieren möchte, trifft im Netz auf ein immenses Angebot.

  • www.bau-ausbildung.de: Die Ausbildungsplatzbörse von Soka-Bau im Netz bietet auch Informationen für Arbeitgeber.
  • www.bauberufe.net: Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes stellt die verschiedenen Bauberufe vor. Ein Filtern nach Interessen ist möglich.
  • www.berufsinfo.org: Das Berufsinformationsportal der Handwerkskammer zu Köln informiert über die Berufe in den Bereichen Bau + Ausbau, weist Lehrstellen nach und verrät, welche Berufe sich ähneln.
  • www.bzb.de: Die Bildungszentren des Baugewerbes bieten Inhalte für Berufseinsteiger bis zu Führungskräften.
  • www.bau-dein-ding.de: Die Bauwirtschaft Baden-Württemberg informiert über sämtliche Einstiegsmöglichkeiten am Bau, vom Praktikum bis zum Studium. Berufsmessen, Berufsbilder und Ausbildungsberufe werden ebenfalls dargestellt.
  • www.grosses-anpacken.de: Das Berufsförderungswerk der Bauindustrie NRW informiert Jugendliche über Berufe in der Branche.
  • www.bdb-campus.de: Die Studenten des Bunds Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure organisieren u.a. Baustellenbesichtigungen und haben einen Newsticker auf ihrer Seite.
  • www.weiterbildung-bauwirtschaft.de: Die IG Bauen-Agrar-Umwelt, der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie wollen das lebenslange Lernen fördern und informieren über bundesweite Aufstiegsfortbildungen.
  • www.deutschland-baut.de: Die gemeinsame Initiative mehrerer Bauunternehmen informiert u.a. über Traineeprogramme und Weiterbildungsmöglichkeiten in der eigenen Akademie.
  • www.werde-bauingenieur.de: Welche Studiengänge, Hochschulen und Abschlüsse es gibt, wird ebenso erläutert, wie der mögliche Arbeitsplatz nach dem Studium.sma

Der Kongress Zukunft Bauen - Wege aus der Nachwuchsfalle findet am 27. August 2014 auf dem Campus Freudenberg der Bergischen Universität Wuppertal statt. Dort stellt auch Melanie Hainz ihre Handlungshilfen vor. Anmeldeschluss ist am 12. August 2014. Ansprechpartner: Frau Alexandra Liesert (Tel.: 0202-439-4225, E-Mail: info@baubetrieb.de).

Sonja Smalian

Bauingenieure und Architekten sind gesucht

Morgenröte am Bau - zumindest für Bauingenieure und Architekten. Für sie gibt es so viele Stellen wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Morgenröte am Bau - zumindest für Bauingenieure und Architekten. Für sie gibt es so viele Stellen wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Bild: BilderBox.com

Karriere 12.09.2013
Zum dritten Mal hat der Zentralverband der deutschen Bauindustrie den Arbeitsmarkt im Bausektor vermessen lassen. Für Architekten und Bauingenieure gibt es so viele Jobs wie seit zehn Jahren ... 

Zum dritten Mal hat der Zentralverband der deutschen Bauindustrie den Arbeitsmarkt im Bausektor vermessen lassen. Für Architekten und Bauingenieure gibt es so viele Jobs wie seit zehn Jahren nicht mehr. Auch die Zahl der Bauingenieurstudenten erreicht einen neuen Höchststand. Die Akademiker werden aber längst nicht mehr nur von der Baubranche umworben.

Während sich das gesamtwirtschaftliche Stellenangebot 2012 um rund 8% verkleinerte, stieg es im Bausektor deutlich an: 119.400 offene Stellen gab es im vierten Quartal 2012 im Baugewerbe sowie in den Architektur- und Ingenieurbüros. Das waren fast 15% mehr als im Vorjahreszeitraum. Stark wuchs die Arbeitskräftenachfrage mit einem Plus von fast 36% vor allem in den Architektur- und Ingenieurbüros.

Besonders die Nachfrage nach Akademikern zog weiter an, die 2004 einen Tiefststand erreicht hatte. Damals waren nur 3.300 Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) für Bauingenieure gemeldet worden und 1.400 für Architekten. Die gemeldeten Stellen sind eine Teilmenge des Angebots an offenen Stellen. Bei den Bauingenieuren erreichte die Nachfrage 2012 mit rund 6.000 gemeldeten Stellen den höchsten Stand seit zehn Jahren. Ähnlich sah es bei den Architekten aus mit 2.600 gemeldeten Stellen.

Diese Zahlen nennt der dritte Branchenbericht "Der Arbeitsmarkt im Bausektor 2012", der im Auftrag des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der Bundesagentur für Arbeit erstellt wurde. Knapp 4% aller Erwerbstätigen in Deutschland waren 2011 in den Bauberufen beschäftigt. Während die Gesamtzahl der Erwerbstätigen in den Bauberufen seit 2001 von rund 1,8 Mio. auf 1,6 Mio. im Jahr 2011 gesunken war, konnten die Architekten als einzige Gruppe unter den akademischen Berufen ihre Erwerbstätigenzahl um 19.000 (16,7%) steigern.

Vakanzzeiten deutlich erhöht

Dass die Situation am Arbeitsmarkt trotz einiger erfreulicher Zahlen nicht einfacher geworden ist, zeigen die erhöhten Vakanzzeiten. Dauerte es 2002 im Schnitt 56 Tage, bis eine Position in den Bauberufen besetzt war, so waren dafür 2012 schon 77 Tage zu veranschlagen. Besonders langwierig ist der Rekrutierungsprozess bei den Bauingenieuren mit 83 Tagen. Zehn Jahre zuvor hatte er noch 56 Tage gedauert. Am zügigsten geht es nicht etwa bei den nichtakademischen Bauberufen (79 Tage), sondern bei den Architekten, wo eine neue Position schon in 66 Tagen besetzt werden kann. Bereits 2002 hatten die Vakanzzeiten in dieser Berufsgruppe mit 38 Tagen deutlich unter dem Durchschnitt gelegen.

Begehrt sind die Bauingenieure und Architekten jedoch nicht nur von der Bauindustrie (siehe Grafik "Öffentlicher Dienst wird als Arbeitgeber immer bedeutsamer"). Auch wenn die Bauindustrie weiterhin die meisten Stellen meldet, so ist ihr Anteil doch seit 2007 zurückgegangen: So ist das Stellenangebot für Bauingenieure von Architektur- und Ingenieurbüros von 30% auf 26% gesunken; aus dem Baugewerbe von 15% auf 9%. Der Anteil der Stellenangebote aus dem öffentlichen Dienst hingegen stieg von 19% auf 29%. Ähnlich verlief die Entwicklung bei den Architekten. Während der Anteil der gemeldeten Stellen aus Architektur- und Ingenieurbüros von 55% auf 48% zurückgegangen ist, nahm der Anteil der gemeldeten Stellen im öffentlichen Dienst zu, und zwar von 12% im Jahr 2007 auf 20% im Jahr 2012. Unverändert ist hingegen der Anteil des Baugewerbes mit 7%.

Keine unwichtige Rolle spielt hingegen die Zeitarbeitsbranche: Bei Architekten kam jede vierzehnte bei der BA gemeldete Stelle und bei den Bauingenieuren sogar jede achte von Zeitarbeitsunternehmen. Bezogen auf die Berufe des Bauhauptgewerbes insgesamt, kommt die Nachfrage jedoch überwiegend aus dem Baugewerbe selbst mit 71% der gemeldeten Stellen.

Bauingenieurstudium beliebt

Neue Höchststände melden auch die Hochschulen mit 17.500 Studienanfängern im Bauingenieurwesen im Jahr 2011. Zudem verzeichnete der Studiengang Bauingenieurwesen zwischen 2006 und 2011 im Vergleich aller Studiengänge die stärksten Zuwachsraten. "Hier zeigt sich, dass der Bau als Arbeitgeber nach wie vor attraktiv ist. Das Schaffen bleibender Werte zieht auch bei der Generation Facebook", sagte Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Für ein Architekturstudium hatten sich 2011 rund 12.100 junge Menschen eingeschrieben.

Auch die Absolventenzahlen sind gestiegen: 2011 verließen etwa 6.000 Absolventen des Bauingenieurwesens die Hochschulen und damit deutlich mehr als 2008. Damals gab es einen Tiefstand mit nur 4.800 Absolventen. Doch nicht alle Absolventen stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Denn 43% der Absolventen erwarben einen Bachelorabschluss, von denen viele noch weiterstudieren wollen.

Sonja Smalian

Die Vermessung des Mindestlohns

Mehr als drei Viertel der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe erachten den Mindestlohn als wichtig.

Mehr als drei Viertel der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe erachten den Mindestlohn als wichtig.

Bild: BilderBox.com

Karriere 06.12.2012
Vor 15 Jahren wurde im Bauhauptgewerbe der Mindestlohn eingeführt. Die befürchteten Beschäftigungsverluste sind durch dieses neue Werkzeug jedoch nicht eingetreten, wie zwei aktuelle ... 

Vor 15 Jahren wurde im Bauhauptgewerbe der Mindestlohn eingeführt. Die befürchteten Beschäftigungsverluste sind durch dieses neue Werkzeug jedoch nicht eingetreten, wie zwei aktuelle Studien nachweisen. Dennoch zeigten sich große Veränderungen für die Belegschaft in dieser Phase.

Als am 1. Januar 1997 im Bauhauptgewerbe ein tariflicher Mindestlohn eingeführt wurde, war die Branche Vorreiter. Auf Basis des Arbeitnehmerentsendegesetzes war der erste Mindestlohn in Deutschland eingeführt worden, und das zu einer Zeit, als die Branche ächzte. Nach der Wiedervereinigung hatte es zunächst einen Bauboom in den neuen Bundesländern gegeben. Doch seit 1995 befand sich das Gewerbe im Abwärtstaumel und die Zahl der Beschäftigten halbierte sich bis 2005 von etwa 1,41 Mio. Beschäftigten auf ca. 717.000 Beschäftigte, wie Zahlen des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie zeigen. Seitdem sind die Zahlen ungefähr konstant geblieben. 2011 zählte das Bauhauptgewerbe rund 734.000 Beschäftigte.

Welche Auswirkungen hatte nun der Mindestlohn auf die Entwicklung am Bau? Diese Frage untersuchte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und kam zu interessanten Ergebnissen.

Erstens lässt sich statistisch kein Einfluss des Mindestlohns auf die Beschäftigungsentwicklung nachweisen, d.h. der Beschäftigungsabbau war konjunkturbedingt. Zu dieser Einschätzung kommt auch eine Untersuchung des DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, das verschiedene Studien zu dem Thema ausgewertet hat.

Für Ostdeutschland weist die IAB-Untersuchung jedoch größere Auswirkungen auf die Entlohnung durch den Mindestlohn nach als in Westdeutschland. So orientieren sich die Löhne im Osten immer häufiger am Mindestlohn. Das hat zur Folge, dass die Lohnunterschiede zwischen den Beschäftigten zurückgegangen sind und Facharbeiter erhalten nur geringfügig mehr als einfache Arbeiter. Offenbar konnten besonders ostdeutsche Geringverdiener vom Mindestlohn profitieren, heißt es. Dennoch halten 80% der ostdeutschen Beschäftigten im Baugewerbe die Lohnuntergrenzen für zu niedrig, wie eine Umfrage ergab. Nur 17% der ostdeutschen Beschäftigten empfinden ihren Lohn als gerecht, während das in Westdeutschland jeder zweite tut. Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass das Thema Mindestlohn wichtig sei (West: 77%; Ost: 83%). Dennoch kann kaum ein Baubeschäftigter die Höhe der aktuellen Mindestlöhne benennen.

Sonja Smalian

Dem Bau fehlt der qualifizierte Nachwuchs

Trotz gefüllter Auftragsbücher bricht jeder fünfte Bau-Azubi seine
Ausbildung vorzeitig ab. Auch bei den Studenten des Bauingenieurwesen gibt
es viele Abbrecher. Die Branche spürt den Fachkräftemangel bereits.

Trotz gefüllter Auftragsbücher bricht jeder fünfte Bau-Azubi seine Ausbildung vorzeitig ab. Auch bei den Studenten des Bauingenieurwesen gibt es viele Abbrecher. Die Branche spürt den Fachkräftemangel bereits.

Bild: BilderBox.com

Karriere 16.08.2012
Der demografische Wandel hat längst auch die Bauwirtschaft erreicht. Seit Jahren scheiden altersbedingt mehr Fachkräfte aus, als junge nachkommen. Zudem gibt es hohe Abbrecherquoten bei ... 

Der demografische Wandel hat längst auch die Bauwirtschaft erreicht. Seit Jahren scheiden altersbedingt mehr Fachkräfte aus, als junge nachkommen. Zudem gibt es hohe Abbrecherquoten bei Auszubildenden in den Bauberufen und Studenten des Bauingenieurswesens. Dabei ist die Lage am Bau-Arbeitsmarkt durchaus wieder im Aufwind, wie der zweite Branchenbericht zeigt.

2012 sei ein sehr positives Jahr für die Bauwirtschaft, sagte Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. In den ersten fünf Monaten beliefen sich die Auftragsbestände auf 22,1 Mrd. Euro. Das sei das höchste Auftragsvolumen seit mehr als 20 Jahren, so Knipper bei der Vorstellung des zweiten Branchenberichts zum Bau-Arbeitsmarkt, den die Bundesagentur für Arbeit und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gemeinsam mit dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie herausgeben haben. "Die Branche steht wirklich gut da", betonte Knipper. Und das sei kein Strohfeuer. Er rechnet mit einem realen Wachstum von 1% bis 2% jährlich in den kommenden zehn Jahren, sofern die Euro-Krise nicht eskaliert.

Hohe Ausbildungsleistung

Die Konjunkturdaten geben Grund zur Hoffnung. Das war in den vergangenen zehn Jahren nicht immer so. Von 2001 bis 2006 hat die Bauwirtschaft ihre Beschäftigtenzahl von 2 Mio. auf 1,5 Mio. reduziert. Inzwischen hat sich die Zahl auf dem niedrigen Niveau stabilisiert. Ende Juni 2011 zählte das Baugewerbe zusammen mit dem Bauhauptgewerbe 1.637.000 Beschäftigte sowie zusätzlich 436.000 Beschäftigte in Architektur- und Ingenieurbüros. Der Bedarf an Fachkräften sei hoch, sagte Knipper. "Seit Jahren jedoch übersteigen die altersbedingten Abgänge die Zugänge an Nachwuchskräften deutlich. Hier bekommt unsere Branche die Auswirkungen des demografischen Wandels zu spüren."

Dabei liegt die Ausbildungsleistung der Bauunternehmen mit 41% deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt von 32%. Doch die Bauwirtschaft hat Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Allein im vergangenen Jahr konnte jede dritte Bauunternehmung die angebotenen Plätze nicht vergeben. Während im Berichtsjahr 2010/11 etwa 1.400 der gemeldeten Ausbildungsstellen für Bauberufe unbesetzt blieben, waren es im Vorjahr noch weniger als 1.000 gewesen. Mit einer Quote der unbesetzten Lehrstellen von 4,9% liegt die Baubranche immer noch unterhalb der Quote aller Ausbildungsberufe von 5,7%.

Zu kämpfen hat die Branche auch mit hohen Abbrecherquoten von rund 20% bei den Auszubildenden. So lösen im Schnitt 26% der Azubis in den Hochbauberufen vorzeitig ihren Ausbildungsvertrag. Bei den Auszubildenden im Tiefbau ist die Zahl mit 19% am niedrigsten und am häufigsten werfen die angehenden Maler und Lackierer während der Ausbildungszeit vorzeitig das Handtuch (35%).

Die Ursachen hierfür reichen von der falschen Berufswahl über Schwierigkeiten mit den theoretischen Anforderungen bis hin zu persönlichen Problemen mit dem Chef. Die Abbrecherquoten zu reduzieren, sieht Knipper denn auch als wichtige Aufgabe an. Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, den Sozialpartnern und den Unternehmen will er Strategien entwickeln, um mehr Nachwuchs zu gewinnen und zu halten, betonte Knipper.

Viele Studienabbrecher

Auch am akademischen Nachwuchs mangelt es. Zwar ist die Zahl der Studienanfänger im Fach Bauingenieurwesen seit 2007 stark gestiegen auf 14.500 im Jahr 2010, doch die Zahl der Absolventen liegt deutlich darunter. Sie betrug 2010 bei den Bauingenieuren 5.400. Pro Jahr habe die Branche jedoch einen Personalbedarf von mindestens 4.500 Nachwuchskräften, sagte Knipper. In den letzten Jahren hätten sich aber nur 3.500 der jungen Bauingenieure für einen Job in der Baubranche entschieden.

Sorgen bereiten Knipper auch die hohen Abbrecherquoten: So verlässt jeder zweite Bachelor-Student im Fach Bauingenieurwesen vorzeitig die Universität. An den Fachhochschulen ist es immerhin noch jeder dritte (36%). Niedriger sind die Abbruchquoten bei Universitätsstudenten in einem Diplom- oder Magisterstudium (20%). An Fachhochschulen führen 30% der Diplom-Studenten das Studium nicht zu Ende. Knipper hat dafür eine Erklärung. Viele scheiterten im Grundstudium an der hohen Mathematik des konstruktiven Ingenieurbaus. Er plädiert deswegen dafür, diese Aspekte eher ins Hauptstudium zur verlagern. "Uns ist es wichtig, dass Bauingenieure nicht zu früh spezialisiert werden", sagt Knipper. In Anbetracht der hohen Abbrecherquoten gibt er zu bedenken: "Da muss man sich schon fragen, was wir da vergeuden."

Sonja Smalian

Die neue Baulust: Was junge Leute in die Bauwirtschaft zieht

Wer sich für eine Ausbildung in der Bauwirtschaft entschieden hat, bereut die Entscheidung nur selten: 94% der befragten Azubis sind zufrieden mit iher aktuellen Berufsausbildung.

Wer sich für eine Ausbildung in der Bauwirtschaft entschieden hat, bereut die Entscheidung nur selten: 94% der befragten Azubis sind zufrieden mit iher aktuellen Berufsausbildung.

Bild: BilderBox.com

Karriere 20.06.2012
Die Bauwirtschaft ist besonders vom Fachkräftemangel betroffen. 44% der Unternehmen sehen dadurch bereits ihre wirtschaftliche Entwicklung gefährdet, wie die DIHK-Arbeitsmarktumfrage 2011 ... 

Die Bauwirtschaft ist besonders vom Fachkräftemangel betroffen. 44% der Unternehmen sehen dadurch bereits ihre wirtschaftliche Entwicklung gefährdet, wie die DIHK-Arbeitsmarktumfrage 2011 zeigte. Auf den Fachkräfteengpass reagieren die Bauunternehmen durch verstärkte Ausbildung. Um mehr Interesse für die Branche beim Nachwuchs zu wecken, wurden nun junge Berufseinsteiger befragt, was sie an der Baubranche reizt.

Die Studie gibt Grund zur Freude: Wer sich für eine Ausbildung in der Bauwirtschaft entscheidet, verspürt Baulust. "Spaß an einem Bauberuf" geben 63% der Befragten als sehr wichtigen Grund für ihre Ausbildungswahl an und ebenso viele, dass sie das Erlernte auch privat anwenden möchten. Offenbar werkeln sie auch in ihrer Freizeit gerne. Die guten Berufsperspektiven waren erst an dritter Stelle von 46% der Befragten als sehr wichtiges Auswahlkriterium erwähnt. Die Motivation der Bau-Azubis ist hoch und die Entscheidung für die Bauwirtschaft fällt offenbar aufgrund von persönlichen Interessen und Neigungen.

Zu ihrer Berufsausbildung und ihren Karriereplänen hatten Soka-Bau und das F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen rund 5.800 Berufseinsteiger aus der Bauwirtschaft befragt. Dazu zählten rund 900 Azubis, 1.900 Jung-Gesellen (Bauprofis) sowie 3.000 ehemalige Bauprofis, die eine Berufsausbildung am Bau abgeschlossen oder aber vorzeitig abgebrochen hatten.

Wer seine Ausbildung in der Bauwirtschaft begonnen hat, zeigt sich zufrieden mit seiner Wahl (94 Prozent). Ein Viertel der Befragten ist sogar sehr zufrieden (25 Prozent). Die Ausbildungsbetriebe machen ihren Job in den Augen der Azubis gut: 90 Prozent sind mit ihrem Betrieb zufrieden. Dennoch passt es nicht immer und so mancher Bau-Azubi bricht die Ausbildung ab. Wie hoch diese Zahl ist, wird nicht erwähnt. Jeder zweite Abbrecher führt den Ausbildungsbetrieb als Grund an. Arbeitsklima, hohe Arbeitsbelastung und das Verhältnis zu Vorgesetzten und Kollegen trübten ebenfalls häufig die Stimmung.

Ein Drittel der Aussteiger würde wieder am Bau arbeiten

Wer aus der Bauwirtschaft aussteigt, tut das nicht selten, um sich weiterzuqualifizieren (41 Prozent). Aber auch Arbeitslosigkeit (30 Prozent), Unzufriedenheit mit dem Job (22 Prozent) und gesundheitliche Gründe (22 Prozent) veranlassen zum Wechsel. Dennoch könnte sich fast jeder dritte Ex-Bauprofi (32 Prozent) mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung vorstellen, wieder in die Bauwirtschaft zurückzukehren.

Auch der junge Nachwuchs ist sehr an Weiterqualifizierung interessiert: 60 Prozent der Azubis, die sich in den nächsten zehn Jahren weiterqualifizieren möchten, würden gern die Meisterprüfung ablegen. Hoch im Kurs steht auch die Qualifizierung zum Polier (39 Prozent). Knapp jeder Dritte könnte sich vorstellen, ein Studium aufzunehmen.

"Das Vorurteil, die Berufswahlentscheidung für einen der Bauberufe sei oft nur zweite oder dritte Wahl, ist durch die Studie eindrucksvoll widerlegt worden. Fast alle befragten Jugendlichen haben sich mit ihrer Berufsausbildung am Bau zufrieden gezeigt und die Attraktivität der Ausbildungsberufe sowie die Qualität der betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildung hervorgehoben", sagt Frank Dupré, Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes. Die Aussagen der jungen Menschen, die vor einer Berufswahlentscheidung stehen oder sich bereits für einen Bauberuf entschieden haben, "seien damit deutlich positiver als die allgemeinen Ansichten". Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sieht Dupré als wichtige Aufgabe, an einer Imageverbesserung der Deutschen Bauwirtschaft zu arbeiten.

Dietmar Schäfers, stellvertretender Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, legt einen anderen Schwerpunkt: "Die Studie belegt eindrucksvoll, dass gute Berufsperspektiven einen wesentlichen Faktor für eine Ausbildung am Bau darstellen. Es geht aber nicht nur darum, junge Menschen für den Bau zu gewinnen, sondern sie auch als qualifizierte Facharbeiter in einem attraktiven Baugewerbe zu halten. Zur Attraktivität gehört unter anderem ein durchgängiges System der Fort- und Weiterbildung nach der Berufsausbildung, Arbeitssicherheit, gutes Einkommen sowie eine ausreichende Altersabsicherung wie etwa eine zusätzliche berufsspezifische Rentenzahlung."

Die Studie "Ausbildung als Zukunft der Bauwirtschaft" umfasst 32 Seiten und kostet 75 Euro (ISBN: 978-3-89981-637-2).

Sonja Smalian