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Wer die richtigen Leute kennt, der hat es einfacher im Beruf durchzustarten.

Wer die richtigen Leute kennt, der hat es einfacher im Beruf durchzustarten.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Mediaparts

Karriere 05.05.2022
Ein gutes Netzwerk kann der Karriere entscheidenden Schwung geben. Wer langfristig von seinen Ansprechpartnern und deren Kontakten profitieren will, sollte schon früh aktiv werden und sich ... 

Ein gutes Netzwerk kann der Karriere entscheidenden Schwung geben. Wer langfristig von seinen Ansprechpartnern und deren Kontakten profitieren will, sollte schon früh aktiv werden und sich mit Berufskolleginnen und -kollegen zusammentun.

Ausgerechnet durch einen Stau nahm die Karriere von Enrico Kürtös in der Immobilienwirtschaft richtig Fahrt auf. Als er sich nach einem Netzwerktreffen des Urban Land Instituts (ULI) in New York ein Taxi zum Flughafen mit Art-Invest-Gründer und CEO Markus Wiedenmann teilte, nutzte er die Wartezeit, um von seinen Plänen mit dem Proptech-Unternehmen Inreal zu erzählen. Sein Mitfahrer erkannte das Potenzial des Produkts für Projektentwickler und brachte Kürtös auf die Idee, sein Business komplett auf die Branche auszurichten. Wiedenmann übernahm am Ende der Fahrt nicht nur die Taxirechnung, sondern stieg wenige Wochen später auch als Investor ein. "Möglich war das, weil man auf Netzwerktreffen mit Entscheidern aus der Branche zusammenkommen kann", freut sich Kürtös noch Jahre später.

Dass Kontakte aus Berufsnetzwerken Karrieren bestimmen können, bestätigt Tobias Just, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft an der International Real Estate Business School (Irebs) der Universität Regensburg aus wissenschaftlicher Sicht. An der Hochschule stellt der Geschäftsführer und wissenschaftliche Leiter der Irebs Immobilienakademie jedoch fest, dass gerade während der Grundausbildung das Thema von den meisten Studenten noch nicht ernst genommen wird. "Für sie steht erst einmal die Ausbildung im Vordergrund. Aber schon in den ersten Semestern muss man die Haltung ablegen, nur Lernender zu sein", sagt Just. Er rät dazu, sich früh einem studentischen Hochschulnetzwerk anzuschließen, um Kommilitonen aus verschiedenen Jahrgängen kennenzulernen und deren Karriereschritte mitzuverfolgen. Sich bei Veranstaltungen innerhalb eines Netzwerks aktiv einzubringen sieht er als eine Übung und eine Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu aktuellen Themen zu bilden und die eigenen Visionen in der Öffentlichkeit zu vertreten. "Das sind Fähigkeiten, die besonders in Management-Positionen sehr wichtig sind", sagt Just mit Blick auf die berufliche Zukunft. In den letzten dreißig Jahren habe er beobachtet, dass immer mehr Netzwerke mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber mit immobilienwirtschaftlichem Bezug entstanden sind. "Wenn es Angebote gibt, bei denen man sich besser einbringen kann, ist es leichter geworden zu wechseln oder sich zusätzlichen Gruppen anzuschließen. Dadurch ist die Qualität der Netzwerke und somit ihr Mehrwert für die Beteiligten gestiegen."

Mehr Ansprechpartner für weniger Hemmungen

Dass passende Kontakte in der Immobilienwirtschaft wichtig sind, weiß Sarah-Madeline Buschmann aus eigener Erfahrung. "Die Ausrede, ich habe keine Zeit zum Netzwerken, lasse ich nicht gelten", sagt die 30- jährige Projektentwicklerin in strengem Ton und begründet: "Es bringt so viel Mehrwert und macht einem vor allem das Leben leichter, wenn man in möglichst vielen Unternehmen einen Ansprechpartner kennt. Es nimmt einem im Berufsalltag Hemmungen, wenn man Hilfe braucht oder in Kontakt treten will." Sie ist seit ihrem Berufseinstieg in verschiedenen Netzwerken aktiv und versucht, sich beim Kontakteknüpfen breit aufzustellen.

Wie Kürtös zählt Buschmann zum ersten Jahrgang der Most Aspiring Talents (MATs) der Immobilienwirtschaft. Sie engagiert sich im dahinterstehenden Förderverein der Deutschen Immobilienwirtschaft, besucht regelmäßig Treffen und Stammtische der Immobilienjunioren und bringt sich in der Kompetenzgruppe Wohnen der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (Gif) ein. Zudem baute Buschmann ein internes Next-Gen-Netzwerk für Nachwuchstalente bei ihrem Arbeitgeber Hanova auf. "Es geht aber nicht darum, in wie vielen Netzwerken man Mitglied ist, sondern wie aktiv man darin ist", betont sie. Ihre Strategie: "Ich rate jedem, immer seine zwei aktuellen Top-Netzwerke zu haben und sich dort wirklich einzubringen. Aber man sollte auch zu anderen den Kontakt halten und verfolgen, welche Themen und Angebote dort gerade anstehen." So lassen sich die Prioritäten nach einiger Zeit flexibel verlegen und dennoch bleibt der Input der anderen Mitglieder erhalten.

Kürtös mahnt, dass ein Netzwerk nur funktioniert, wenn aus Bekanntschaften langfristige Kontakte werden. "Man sollte sich einem Netzwerk niemals nur wegen eines Deals anschließen. Man kann nicht einfach nur zu einer Veranstaltung gehen. Man muss dort Leute aktiv ansprechen und auf sie zugehen", erklärt er. Nur durch einen regelmäßigen Austausch mit Branchenkollegen sei es möglich, von deren Netzwerk zu profitieren und Ansprechpartner zu den Themen des Berufs weltweit zu finden.

Gezielte Einblicke in die Arbeitswelt

Weil viele Unternehmen mit den Branchengruppen kooperieren, bieten sich für Mitglieder immer wieder Einblicke in deren Arbeitsalltag und die dortigen Karrierechancen. Von gemeinsamen Get-togethers, Vortragsreihen und Gesprächen profitierte auch Dr. Lübke & Kelber ? nur wenige Monate nach dem Start einer Partnerschaft mit den Immobilienjunioren. Geschäftsführer Steffen Schaack berichtet, dass seitdem zwei Stellen mit Young Professionals besetzt werden konnten, nachdem es ein Kennenlernen bei gemeinsamen Events mit dem Netzwerk gab. "Bei den Veranstaltungen lernen wir mögliche Kandidaten von einer ganz anderen Seite kennen als durch die klassische Bewerbung", sagt Schaack. Zusätzlich nutze es dem Unternehmen, dass die Teilnehmer nach den Treffen oft über Social Media Posts davon berichten. "Diese Beiträge erreichen auch diejenigen, die nicht vor Ort sein konnten, und helfen uns dabei, dass sich unser Name bei jungen Talenten einprägt", schätzt Schaack die mediale Reichweite für das mittelständische Unternehmen.

Die Möglichkeit, sich über Netzwerke als Arbeitgeber zu positionieren, nutzt JLL seit Jahren. Sogar ehemalige Mitarbeiter konnte das Unternehmen durch entsprechende Veranstaltungen wieder zurückgewinnen, nennt Talent Acquisition Partner Natalie Krahn ein konkretes Beispiel. Besonders beliebt seien Führungen an den Unternehmensstandorten, wo die Netzwerker Mitarbeiter aus der Managementebene kennenlernen können. "Durch die Besuche findet ein direkter Kontakt und Austausch mit den jungen Talenten statt. Der Dialog mit JLL-Führungskräften und jungen Talenten bringt wirkliche Erkenntnisse statt oberflächlicher Information", spricht sie von intensiven Einblicken für beide Seiten. "Dabei hilft es sehr, dass die jeweilige Zielgruppe in den Netzwerken gebündelt ist und wir tiefer ins Thema einsteigen können, um einen echten Eindruck von JLL zu vermitteln."

Passende Qualifikationen für fachliches Arbeiten

Ähnliche Alters- und Karrierestufen innerhalb der Netzwerke sollen nicht nur bei der Jobsuche helfen, sondern außerdem den fachlichen Austausch unter den Mitgliedern sicherstellen. Just beschreibt, dass die passende Qualifikation der Mitglieder auch Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis und das Finden von gemeinsamen Themen wie Trends und Herausforderungen innerhalb der Branche hat. "Netzwerke sind immer wichtig, wenn es um den Zugang zu Informationen geht und man Ansprechpartner braucht, die einem durch einen Informationsdschungel oder eine Informationswüste helfen sollen. Deshalb kommt es aus meiner Sicht bei einem Netzwerk nicht auf die Größe, sondern auf seine Qualität an", sagt der Irebs-Professor.

Viele Organisationen öffnen sich daher nur für Mitglieder, die bestimmte Voraussetzungen mitbringen, und fragen diese über Mitgliedsanträge oder Bewerbungen ab. Während Hochschulgruppen in der Regel nur immatrikulierte Studenten der eigenen Ausbildungsstätte zulassen, richten sich die Immobilienjunioren gezielt an Young Professionals. "Die meisten Mitglieder sind seit vier bis fünf Jahren im Beruf, stehen also noch am Anfang ihrer Karriere, bringen aber schon ein Verständnis für die Branche mit, das notwendig ist, um inhaltlich mitarbeiten zu können", erläutert Geschäftsführerin Larissa Lapschies. Eine feste Altersgrenze gibt es beim ULI in der Nachwuchssparte der Young Leaders, die nur Mitglieder bis 35 Jahre aufnimmt. Dadurch entstehe ein Austausch auf Augenhöhe, sagt Julia Heun, Associate Marketing und Communications beim ULI. "So werden Hemmungen abgebaut, wodurch die Mitglieder offener miteinander sprechen und Fragen stellen." Diese Offenheit sei wichtig, weil das Netzwerk vom Input der Teilnehmer lebt, um Fragestellungen und Ideen für eine nachhaltigere urbane Lebenswelt aus möglichst vielen Perspektiven nachgehen zu können. Deshalb gebe es zudem regelmäßig einen Austausch mit den älteren ULI-Mitgliedern.

Netzwerker ermöglichen sich auf diese Weise im Laufe ihrer Karriere immer wieder, auf Branchenkollegen aus verschiedenen Disziplinen und in unterschiedlichen Positionen zu treffen. Denn an den Wendepunkten der Karriere gilt es von deren Erfahrung und idealerweise auch von deren Netzwerken zu profitieren. Und wer gemeinsam mit Gleichaltrigen wächst, legt den Grundstein für spätere Geschäftsbeziehungen. Kürtös bringt seinen bisherigen Karriereweg nach fünf Jahren als CEO von Inreal deshalb auch so auf den Punkt: "Generell gilt, je mehr ich in den letzten Jahren gearbeitet und genetzwerkt habe, desto mehr Glück hatte ich."

Janina Stadel

Irebs bietet Real Estate Transaction Management

Karriere 10.03.2022

Irebs startet Studiengang Real Estate Transaction Management

Karriere 02.03.2022
In drei Modulen bildet ein Studiengang der Irebs die Teilnehmer zu Transaktionsmanagern aus. An der Ausarbeitung der Lerninhalte wirkte Stephanie Kühn von Capital Bay mit. ... 

In drei Modulen bildet ein Studiengang der Irebs die Teilnehmer zu Transaktionsmanagern aus. An der Ausarbeitung der Lerninhalte wirkte Stephanie Kühn von Capital Bay mit.

Ab Mai bietet die International Real Estate Business School der Universität Regensburg (Irebs) das Intensivstudium Real Estate Transaction Management ab. Der Studiengang richtet sich an Fach- und Führungskräfte aus den Bereichen Investition, Fondsmanagement, Finanzierung, Immobilienbewertung und Projektentwicklung, so wie an Quereinsteiger. 

Das Studium gliedert sich in drei Module zu den Themen Immobilienklassen, -märkte und -preisdynamiken, zu Objektprüfungen und Transaktionsstrukturen und zu methodischen und sozialen Aspekten wie Verhandlungsführung, Präsentationstechniken und Projektmanagement. Am Curriculum wirkte Stephanie Kühn, Transaktionsexpertin bei Capital-Bay mit, die als Lehrbeauftragte auch Vorlesungen halten wird. Wissenschaftlich wird der Studiengang von Tobias Just, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft, wissenschaftliche Leiter und Geschäftsführer der Irebs, begleitet. Die Studiengangsleitung übernimmt  Michael Zingel, kaufmännischer Geschäftsführer der Irebs.
Janina Stadel

Aufsichtsräte müssen nachsitzen

Aufsichtsräte werden künftig nicht mehr um regelmäßige Schulungen herumkommen.

Aufsichtsräte werden künftig nicht mehr um regelmäßige Schulungen herumkommen.

Quelle: Imago, Urheber: Ikon Images

Karriere 25.11.2021
Aufsichtsräte der Immobilienbranche besitzen keine nachweisbaren Kompetenzen in Sachen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Das zeigt eine stichprobenhafte Analyse von Immobilien-AGs. ... 

Aufsichtsräte der Immobilienbranche besitzen keine nachweisbaren Kompetenzen in Sachen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Das zeigt eine stichprobenhafte Analyse von Immobilien-AGs. Alteingesessene sollten die Schulbank drücken. Und eine Durchmischung mit frischen Gesichtern von außen wäre auch kein Fehler.

"Wir wollten jemanden, der uns challenged", sagt Friedrich Weil, "der uns mit der Frage nach dem Warum konfrontiert: What is it all about?" Der 30-Jährige hat vor drei Jahren zusammen mit seinem Kompagnon Volker Busse in Düsseldorf den eher wenig bekannten Projektentwickler Alfons & Alfreda gegründet. Nun haben die beiden ihre Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um die Tür zum Kapitalmarkt aufzustoßen. Das brachte die Notwendigkeit mit sich, einen Aufsichtsrat zu bestellen. "Natürlich", gibt Weil ehrlich zu, "machen wir momentan immer noch viel, was primär zahlengetrieben ist. Aber unseren Aufsichtsrat haben wir so zusammengestellt, um unsere Projekte in Richtung langfristige Daseinsberechtigung zu entwickeln." Er denkt dabei z.B. an vergünstigte Büromieten für Nutzer, die sich nicht die Neubaumieten von Kanzleien oder Versicherungen leisten können.

Mit Nico Rottke, Vorstand des Investmentmanagers und Finanzierers aam2core, und Jürgen Fenk, Immobilienchef beim Vermögensverwalter Primonial Reim für Europa, sitzen nicht nur immobilien- und kapitalmarktaffine Köpfe im Aufsichtsrat von Alfons & Alfreda: In Gestalt von Andreas Rickert ist auch Impact-Investing-Expertise vertreten. Rickert war früher Berater bei McKinsey. Mit seinem eigenen Beratungshaus Phineo bringt er nun Unternehmen bei, wie sie Rendite und soziale Wirkung in Einklang bringen. Zudem ist er Co-CEO von Nixdorf Kapital, einer vor kurzem gegründeten Investmentgesellschaft, mit der die Erben des Computerpioniers Heinz Nixdorf reiche Unternehmer für die nachhaltige Geldanlage begeistern wollen.

"Wir waren uns nicht sicher, ob Rickert Ja sagt", erzählt Weil, "so ein großer Name wie Vonovia sind wir ja nicht." Rickert ließ sich nicht lange bitten: "Mir gefällt der Anspruch, aus dem Kerngeschäft heraus einen Impact zu gestalten." Und: "Ich will der Immobilienszene zeigen, dass man mit einem wertebasierten Ansatz Geld verdienen kann." Es spricht einiges dafür, dass Rickert ein unbequemer, aber auch inspirierender Aufsichtsrat werden könnte: "Als Feigenblatt stehe ich nicht zur Verfügung", stellt er klar.

Rickert stellt alles, was er tut, in einen größeren Zusammenhang. Keine Generation vor uns habe vor so vielen Herausforderungen auf einmal gestanden: Klimawandel, Digitalisierung, Corona ? und vieles mehr. In dieser Gemengelage trage die Immobilienwirtschaft besondere Verantwortung, nicht zuletzt deshalb, weil Gebäude die Quelle von 40% unserer CO2-Emissionen sind. Rickert denkt dabei an die Schäden, die der Mensch mit dem Bauen anrichtet, und wünscht sich so viel Recycling von Baumaterialien wie möglich. Es geht ihm nicht nur um Vermeidung von Schäden, sondern auch ? pathetisch formuliert ? um die positive Kraft, die von einer Immobilie ausgehen kann, wenn sie dem gesellschaftlichen Bedarf gerecht wird.

So gesehen erscheint auch die Zusammensetzung von Aufsichtsräten in einem anderen Licht. Eigentümer- und Anlegerpflege sind wichtig, keine Frage ? aber damit endet der Verantwortungsradius des gern als Kontrollgremium kleingeredeten Organs nicht. Zumal es ja am Ende des Tages im Interesse von Eigentümern und Anlegern ist, ob und, wenn ja, welche strategischen Leitplanken der Aufsichtsrat gemeinsam mit der operativen Führung setzt. "Wenn ich auf die Kohorte insgesamt gucke, sehe ich lauter Altherrenclubs", formuliert Rickert bewusst etwas überspitzt.

Der 47-Jährige will den Beweis antreten, dass ein breiter aufgestellter Aufsichtsrat auch in der Immobilienwelt erfolgreicher ist. "So öffnen sich ganz andere Türen, und als Immobilienentwickler wird man nicht mehr nur als der gierige Investor wahrgenommen."

Aufsichtsräte sind dafür da, die Chefs herauszufordern

Leute wie Rickert, die von außen frischen Wind reinbringen und die operative Führung herausfordern, sind in Aufsichtsräten Mangelware. Diese gefühlte Wahrheit belegt eine Analyse von Tobias Just, dem Leiter der Immobilienakademie der International Real Estate Business School (Irebs). Just hat zusammen mit Thomas Wiegelmann, Mitglied des Harvard Alumni Real Estate Board und Geschäftsführer von Schroder Real Estate Asset Management, die öffentlich zugänglichen Lebensläufe der Aufsichtsratsmitglieder von elf Immobilienaktiengesellschaften unter die Lupe genommen.

Ihr Interesse an dem vermeintlichen Randthema erklärt Just so: "Es ist ein klassisches Innovationsproblem, dass der Vorstand gerade in stürmischen Marktphasen strategische Themen gegenüber dem operativen Geschäft unterpriorisieren muss." Genau hier komme der Aufsichtsrat als aktives Korrektiv ? und nicht nur reaktives Kontrollorgan ? und Sparringspartner auf Augenhöhe ins Spiel: "Der Aufsichtsrat ist ja gerade nicht für das Tagesgeschäft, sondern für strategische Entscheidungen wichtig ? unter Umständen Entscheidungen, bei denen Weichen für die nächsten zehn oder zwanzig Jahre gestellt werden."

Das Argument, dass es doch in nahezu jeder Immobilienfirma mittlerweile einen Beauftragten für Digitalisierung und ESG (Environmental Social Governance) gebe, überzeugt Just nur bedingt: Fachabteilungen kommunizierten mit dem Vorstand oder der Geschäftsführung häufig eben nicht auf Augenhöhe ? Kritik oder Verbesserungsvorschläge könnten da schon mal unangesprochen oder ungehört bleiben. "Kritische Fragen des Aufsichtsrats dagegen leiden unter diesem Vorbehalt nicht."

In ruhigen Zeiten mögen Aufsichtsräte eine ruhigere Kugel schieben können. Doch derzeit ist so viel Aktivität gefragt wie schon lange nicht mehr: Der Umgang mit den Folgen des Klimawandels und die digitale Transformation lassen viele neue Geschäftsmodelle entstehen, die wiederum die ureigenen Geschäftsmodelle von Immobilienunternehmen tangieren. "Immobilienunternehmen brauchen auf diese Herausforderungen mitunter ganz neue Antworten. Denn solche langfristigen Trends können ziemlich schnell auch kurzfristige Folgen für das Geschäft haben", mahnt Just.

Just und Wiegelmann scannten die CVs von Aufsichtsratsmitgliedern auf diesen fünf Feldern: Immobilien, Kapitalmarkt, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie Nutzerkompetenz, womit tiefgreifende Kenntnisse der Geschäftsmodelle der Mieter gemeint sind. Unter die Lupe genommen wurden Gremien mit mindestens drei Köpfen. Alles in allem wurden mehr als 33 Aufsichtsratsmitglieder auf den Prüfstand gehoben.

Die Ergebnisse sind eindeutig (vgl. Tabelle). So weisen viele Aufsichtsräte von Immobilienunternehmen sowohl Immobilien- als auch Kapitalmarktkompetenz vor. Letztere dominiert: Bei genau zwei Dritteln der betrachteten Personen (66%) machen Just und Wiegelmann einen Haken in Sachen Kapitalmärkte. Immobilienkenntnisse bringen 58% in das von ihnen kontrollierte Unternehmen mit. Dass Kapitalmarktkompetenz bei Aktiengesellschaften als wertvollstes geistiges Asset im Aufsichtsrat bewertet wird, darauf deutet auch dieses Indiz hin: Die Streuung bei Immobilienkompetenz ist größer; zum Teil bringen weniger als die Hälfte der Aufseher dieses Know-how aus früheren Jobs mit.

In puncto Digitalisierung und Nachhaltigkeit schneiden die untersuchten Aufsichtsräte denkbar schlecht ab: Exakt 0% der mehr als 33 Personen verfügen nachweisbar über Wissen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit. Eindeutig belegbare Qualifikation bei Digitalisierung ist nur in einer homöopathischen Dosis von 3% der Aufsichtsräte vorhanden.

Kompetenzen in Sachen ESG oder digitaler Transformation absprechen wollen Just und Wiegelmann niemandem. "Ich gehe davon aus, dass jeder Manager in grundlegenden Fragen der Umweltökonomie und Digitalisierung Wissen und Erfahrung aufgebaut hat und dies fortlaufend tut", sagt Just. "Aber die Frage ist doch: Was ist für ein Unternehmen und den Aufsichtsrat so relevant, dass es als Schwerpunkt in einem Lebenslauf auftaucht und auch wert ist, an den Kapitalmarkt kommuniziert zu werden?" Darin drücke sich doch auch die Akzentuierung der Arbeit eines Aufsichtsrats aus.

Georg Allendorf hält diese Resultate der Analyse für ebenso richtig wie falsch. "Formale Kompetenzen in den Bereichen ESG und digitale Transformation mögen wirklich so schwach ausgeprägt sein", räumt der frühere Geschäftsführer von DWS Real Estate zwar ein. Allendorf ist nach seiner Karriere bei der Deutschen Bank selbst unter die Aufsichtsräte gegangen. Er feierte bei Corestate Premiere. Beim Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) trommelt er für "Building Better Boards", so der Titel eines Leitfadens, den das ICG im Frühjahr veröffentlicht hat.

Den in der Analyse festgestellten Mangel erklärt er sich so: "Man sucht erfahrene Führungskräfte für solche Positionen, damit typischerweise eher ältere bzw. solche mit Vorstandserfahrung. Solche Personen sind aber auf beiden Feldern sehr dünn gesät. Denn wenn überhaupt, gibt es diese Vorstandspositionen erst seit wenigen Jahren, und diese Personen stehen dann meist noch nicht für Aufsichtsratsmandate zur Verfügung."

Allendorf bricht für die (ehemaligen) C-Level-Führungskräfte aus der Immobilienbranche, die ? irgendwann ? auch in den Aufsichtsräten von Immobiliengesellschaften sitzen, eine Lanze: "Viele von ihnen haben Erfahrung mit beiden Themen, auch wenn sie nicht formal darin gearbeitet haben." Der frühere Immobilienfondsmanager der Deutschen Bank nimmt sich selbst als Beispiel: Er habe zwar zu seiner Zeit nie direkt als ESG- oder Digitalisierungsbeauftragter gewirkt, aber "an beiden Themen intensiv mitgearbeitet, entsprechende Strategien beauftragt und die Umsetzung begleitet".

Fragt sich, ob das reicht. Für Personalberater stellt es sich jedenfalls als ein schwieriges Unterfangen dar, innerhalb der Immobilienwirtschaft jemanden mit Digitalisierungs- oder ESG-Kompetenz für einen Aufsichtsrat zu finden. "Denn solche Personen sind in der Immobilienbranche eher in der zweiten Führungsebene zu finden, kaum auf dem Vorstands- und Geschäftsführungsniveau", sagt Sebastian Walter. Er sollte es wissen: Walter ist seit mehreren Jahren einer der weltweit erfolgreichsten Partner der Personalberatung Heidrick & Struggles. Er hat allein in diesem Jahr mehr als zehn hochkarätige Aufsichtsrats- und Beiratspositionen in Immobiliengesellschaften besetzt. Seine Unterstützung wird u.a. dann benötigt, wenn Private-Equity-Investoren IPOs der von ihnen gehaltenen Immobilienportfolios/-unternehmen vorbereiten und ein Aufsichtsrat für die künftig börsennotierte Immobilienaktiengesellschaft zusammengestellt werden muss.

Werde ein Bedarf an ausgeprägten Skills in den Bereichen ESG oder Digitalisierung festgestellt, "muss man diese aus anderen Industrien rekrutieren, am besten mit vergleichbaren Geschäftsmodellen, z.B. der Finanzindustrie", erklärt Walter. Dass der Bedarf da ist oder zumindest da sein sollte, daran zweifelt Walter nicht: "Im Moment sind Nachhaltigkeit und digitale Transformation in Aufsichtsräten von Immobiliengesellschaften wenig repräsentiert, die Branche hinkt hinterher." Die Unternehmen entwickelten aber zunehmend ein Bewusstsein dafür, dass fundierte Kenntnisse und Netzwerke in diesen Bereichen jedem Aufsichtsrat gut zu Gesicht stünden. "Dieses Thema wird in den nächsten Jahren auch in der Immobilienbranche Fahrt aufnehmen."

Weiterbildung muss die Regel sein ? nicht die Ausnahme

Für die Kontrollfunktion eines Aufsichtsrats sind vor allem Betriebswirte bzw. Wirtschaftswissenschaftler und Juristen gefragt und die braucht es selbstverständlich weiterhin. Ebenso wie, speziell bei AGs, kapitalmarktaffine Köpfe. Darüber hinaus benötigen Immobilienfirmen natürlich Immobilienexperten in Aufsichtsräten, nicht zuletzt solche, die selbst als Entscheider schon operative Verantwortung übernommen haben. All das reicht nicht, damit ein strategisch so wichtiges Organ wie der Aufsichtsrat gut für die Zukunft gerüstet ist ? und mit ihm das beaufsichtigte Unternehmen. Oder wie Wiegelmann sagt: "Es braucht einen Anschub von außen."

Zumal Experten, die von außen kommen, in der Regel unabhängiger und sachlicher agieren. Sie tun sich leichter damit, den Vorstand oder die Geschäftsführung mit unangenehmen Wahrheiten zu konfrontieren. "In der Immobilienbranche herrscht aber eine große Hemmung, jemanden zu nehmen, der nicht aus der Immobilienecke oder einem verwandten Bereich kommt", stellt Immobilienmanagerin Heike Gündling fest, die die Geschicke des Proptechs 21st Real Estate lenkt.

Wiegelmann rät dringend dazu, dass sich Anteilseigner, der Vorstand bzw. die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat darüber klar werden sollen, welche Rolle der Aufsichtsrat über seine klassische Kontrollfunktion hinaus spielen soll ? und dabei energetische und umweltpolitische Herausforderungen und die digitale Transformation nicht zu vergessen. "Das gilt nicht nur für die großen Immobiliengesellschaften, sondern auch und gerade für die kleineren." Ist die Rolle des Aufsichtsrats definiert, "braucht es eine Inventur der vorhandenen Kenntnisse und Netzwerke. Fehlen wichtige Kompetenzen, sollten sich die vorhandenen Aufsichtsratsmitglieder weiterbilden und ihre Netzwerke ausbauen."

Auch Allendorf kann einen "signifikanten Bildungsbedarf" nicht leugnen: "Aufsichtsräte müssen sich weiterbilden." Nicht zuletzt, damit sie vom Vorstand oder der Geschäftsführung ersonnene ESG-Strategien oder digitale Geschäftsmodelle auf ihre Tauglichkeit und Zukunftsfähigkeit hin abklopfen können. "Interne und externe Weiterbildungsprogramme werden für Aufsichtsräte in der Zukunft nicht mehr der Einzelfall, sondern die Regel sein müssen", fordert Allendorf und verweist auf Schulungen, die die ICG Academy seit fast zehn Jahren anbietet.

Branchenfremde Experten stünden Aufsichtsräten gut zu Gesicht

Es ist allerdings ein großer Unterschied, ob ein Immobilienprofi sich neben dem Kerngeschäft z.B. zu Umweltfragen auf dem Laufenden hält ? oder ob er respektive sie z.B. wirklich aus der Energiebranche kommt. So gesehen, ist es nie ein Fehler, den Aufsichtsrat um Experten von außerhalb anzureichern. "Es geht nicht so sehr um Ersatz als um Ergänzung", sagt Wiegelmann.

Walter fallen jede Menge branchenfremde Köpfe mit ESG- und/oder Digital-Expertise ein, die in ihren Firmen oft in der ersten Reihe stehen: "Tanja Rückert, Monika Schaller, Barbara Frei-Spreiter, Jenny Bofinger-Schuster..." (siehe Kasten). Die Liste zeigt: Alternativen gibt es viele. Nur müssen Immobilienunternehmen bereit sein, über den Tellerrand zu gucken.

Vorschläge für Immobilien-Aufsichtsräte aus anderen Branchen

Sebastian Walter, Personalberater bei Heidrick & Struggles, hat für die Immobilien Zeitung eine kleine Auswahl an branchenfremden ESG- und Digitalprofis erstellt.

Monika Schaller ist bei Deutsche Post DHL Group Direktorin unter anderem für Nachhaltigkeit. Zuvor hatte sie Führungspositionen in der Unternehmenskommunikation bei Deutsche Bank, Goldman Sachs und Citigroup inne. ?Sie ist sehr stark im Thema Sustainability verankert?, so Walter. Die interne wie externe Kommunikation von Deutsche Post hat die Österreicherin neu ausgerichtet, u.a. mit einer App für Mitarbeiter ohne eigenen PC-Arbeitsplatz.

Renata Jungo Brüngger ist Mitglied des Vorstands und die oberste SustainabilityBeauftragte bei Daimler/Mercedes-Benz. Der Autobauer hat ein eigenes Board, das sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Es besteht aus zwei internen Kollegen ? eben Jungo Brüngger und dem für Entwicklung zuständigen Vorstandskollegen ? sowie zwei externen Experten.

Daniel Barnicle bringt bei Adidas die Kundenperspektive im E-Commerce und Digital Retail ein. Früher war er bei Publicis Sapient, einem Beratungshaus, das Konsumgüterhersteller bei der digitalen Transformation berät.

Saori Dubourg gehört dem Vorstand von BASF an. Die DeutschJapanerin ist im Konzern für das Agrargeschäft und die Geschäfte Zusatzstoffe für Kosmetik und Lebensmittel zuständig. ?Sie gilt innerhalb der Dax-Landschaft als die Sustainability-Verantwortliche schlechthin. Es gibt keine Stärkere, ein absolutes Aushängeschild?, lobt Headhunter Walter. ?Sie ist sehr stark im Bereich Messbarkeit und Kennzahlen bezogen auf das Thema ESG.? Bei BASF hat sie sich zum Ziel gesetzt, neben dem Gewinn den Wertbeitrag, den ein Konzern mit 110.000 Mitarbeitern für die Gesellschaft schafft, sichtbar zu machen ? als Kaufkraft, über die die Mitarbeiter durch ihre Löhne verfügen.

Birgit Klesper leitet bei der Deutschen Telekom seit 2008 den Bereich Group Corporate Responsibility. Seit 2016 konzentriert sich die gelernte Journalistin auf unternehmerische Verantwortung und Nachhaltigkeit. ?Klesper bringt dank ihres umfangreichen Track-Records im Bereich Kommunikation ein extrem breites und belastbares Netzwerk mit?, urteilt Walter. Weit oben auf ihrer Agenda steht z.B. das Thema verantwortungsvolle Digitalisierung (Corporate Digital Responsibility).

Jenny Bofinger-Schuster kommt bei Siemens aus der Unternehmensberatungssparte und hat heute Business-Verantwortung für den Bereich Sustainability and Operational Excellence innerhalb von Siemens Smart Cities ? womit sie mit einem Bein in derImmobilienwelt steht. ?Vom Typ her ist sie sehr pragmatisch und hands-on?, berichtet Walter.

Barbara Frei-Spreiter füllt beim Elektronikkonzern Schneider Electric die Rolle der Executive Vice President Industrial Automation aus. Sie kommt nicht aus einem Dax-Umfeld, ?weist aber trotzdem die meiste Erfahrung im Bereich Sustainability vor?, sagt Walter.

Tanja Rückert ist seit wenigen Monaten Chief Digital Officer bei Robert Bosch ? und eine der weiblichen Top-Führungskräfte in Deutschland. ?Sie ist sehr, sehr stark im Bereich IT sowie in digitalen Themen?, konstatiert Personalberater Walter. Neben ihrer aktuellen Position bei Bosch brächte sie auch einige Erfahrung aus den Bereichen Internet of Things und künstliche Intelligenz aus ihrer Zeit bei SAP in die Immobilienbranche mit. Harald Thomeczek

Harald Thomeczek

Plötzlich ist der ganze Campus im Netz

Hochschulen müssen ihr Onlineangebot massiv ausbauen, um den Studenten zu ermöglichen, auch in Corona-Zeiten ihren Abschluss zu schaffen.

Hochschulen müssen ihr Onlineangebot massiv ausbauen, um den Studenten zu ermöglichen, auch in Corona-Zeiten ihren Abschluss zu schaffen.

Quelle: imago images, Urheber: Cavan Images

Karriere 02.04.2020
Früher eher stiefmütterlich behandelt, nimmt die Digitalisierung an Hochschulen in Corona-Zeiten ungeahnt schnelle Fahrt auf. Studenten und Dozenten treffen sich im Chat- statt im ... 

Früher eher stiefmütterlich behandelt, nimmt die Digitalisierung an Hochschulen in Corona-Zeiten ungeahnt schnelle Fahrt auf. Studenten und Dozenten treffen sich im Chat- statt im Seminarraum - vorausgesetzt, das Netz macht mit. Fraglich bleibt allerdings, wie Prüfungen stattfinden sollen.

Eigentlich hatte Larissa Lapschies, Geschäftsführerin der ADI Akademie Stuttgart, in diesem Jahr gar nicht vor, das Thema digitale Bildungsformate zu forcieren. Schließlich habe eine Umfrage unter den Studierenden ergeben, dass 90% von ihnen es ablehnten, Veranstaltungen online abzubilden. Doch dann kam Corona.

Jetzt verkündet Lapschies: "Der 19. Hamburger Jahrgang ist der erste, der komplett von zu Hause aus gestartet ist." Der Weg dorthin sei ein Kraftakt für alle Beteiligten gewesen, berichtet die Geschäftsführerin. Vorher waren ihre Gedanken zur Bildung der Zukunft eher abstrakt, jetzt brauchte sie plötzlich möglichst einfache Lösungen für die praktische Umsetzung. Dabei ging es nicht nur um pädagogische, sondern auch um technische Fragen - nicht nur zur Praxis an der Hochschule, sondern auch bis zu den Endgeräten der Studenten.

Die ADI sitzt angesichts der aktuellen Herausforderungen mit vielen anderen Hochschulen, die Immobilienstudiengänge anbieten, in einem Boot. Sei es die EBS, die Irebs, das EBZ oder die HfWU Nürtingen-Geislingen. Schon früher haben sie mit digitalen Formaten experimentiert, jetzt müssen sie im großen Stil den Praxistest bestehen.

Die EBS verwendet für ihre Formate ein Tool, das mehr ermöglicht als einen Videochat zwischen Dozent und Studentenschar. Es lassen sich darüber hinaus z.B. Dokumente hochladen, die somit allen zugänglich sind, und Professoren können im eingeblendeten Skript herummalen. "90 Minuten Vorlesung bekommt man auf diese Weise sehr gut hin", erzählt Kerstin Hennig, Leiterin des EBS Real Estate Management Institutes. Danach werde es allerdings schwieriger, die Aufmerksamkeit der Studenten zu binden. "Wir versuchen daher, die längeren Veranstaltungen interaktiv zu gestalten, z.B. mit Gruppenarbeiten." Dazu können sich die Teams jeweils in einen kleineren virtuellen Raum zurückziehen.

Was noch spannend werde, sagt Hennig, sei die digitale Umsetzung solcher Themen wie Design Thinking oder der Einsatz von Gästen aus der Immobilienwirtschaft. Tobias Just, Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter der Irebs Immobilienakademie, fürchtet, dass die Lehrstunden mit Praktikern unter der Veränderung leiden. "Es würde mich wundern, wenn die Leichtigkeit bliebe", sagt er. Denn gerade bei solchen Lehrformaten werden auch Inhalte vermittelt, "die lieber in einem Klassenzimmer bleiben sollen". Dabei lässt sich kein Dozent gerne filmen und aufzeichnen.

Die digitalen Lehrformen stellen zudem die Dozenten vor vielfältige Herausforderungen. Was tun, wenn z.B. auf einer Seite die Bandbreite nicht ausreicht? Und braucht es mehr Entertainer-Qualitäten, wenn der Dozent am Monitor lehrt? Was ist mit den kleinen Gesten, die im persönlichen Dialog den Studenten anzeigen, wenn ein Inhalt prüfungsrelevant ist. Diese gingen am Monitor schnell unter, glaubt Just.

Was ihm aber noch mehr Kopfzerbrechen bereitet, ist die Frage, wie Prüfungen online abgenommen werden sollen. Kerstin Hennig von der EBS berichtet, dass sie bereits per Videochat erfolgreich mündlich geprüft habe. Und Klaus Leuchtmann, Vorstandsvorsitzender des EBZ, überlegt, Prüfungen vor dem heimischen Rechner der Studenten aufzeichnen zu lassen. Just ist gar kein Freund von solchen Ideen. "Dabei können wir keine Gleichstellung garantieren", sagt er. Beispielsweise könnten quengelnde Kinder im Hintergrund oder mangelhafte technische Voraussetzungen die Prüfsituation beeinflussen. Er setzt lieber auf weniger Klausuren und dafür mehr Seminararbeiten, bei denen von Zuhause aus Fallstudien bearbeitet werden müssen. Ähnlich verfährt auch die EBS Business School ab Mai.

Dass die Technik tatsächlich ein nicht zu vernachlässigender Knackpunkt ist, erfahren die Dozenten gerade häufiger. Die Dozenten müssten öfter die virtuellen Klassenräume wechseln, berichtet Leuchtmann aus dem EBZ-Alltag. Und auch HfWU-Rektor Andreas Frey weiß nun: "Tools, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, funktionieren heutzutage oft nicht mehr gut."

Die besten Lösungen für die aktuellen und künftigen Studenten zu finden, ist nun oberstes Ziel jeder Hochschule. Und eine Chance für jede einzelne, sich im Wettbewerb zu beweisen. Denn durch die Digitalisierung werden Inhalte unabhängig vom Lernort vermittelt und somit eine größere Zielgruppe angesprochen. Dass sich die Hochschule allerdings auf lange Sicht komplett ins Netz verlegen lässt, das sieht Hennig noch nicht. Denn auch die Gruppendynamik, die nur beim echten Zusammentreffen entsteht, das persönliche Kennenlernen und der Aufbau von Freundschaften und Kontakten gehörten zum Hochschulalltag. Hennig glaubt: Ein Mix aus digitalen und Präsenzformaten wäre genau das Richtige.

Anke Pipke

Wie wohnen wir, wenn wir 200 Jahre alt werden?

Karriere 13.03.2019
Die Irebs Immobilienakademie schreibt den "6. Ideenpreis Immobilien für eine alternde Gesellschaft aus". Gesucht werden diesmal Zukunftsvisionen für eine Wohnungswirtschaft im Jahr 2080 - ... 

Die Irebs Immobilienakademie schreibt den "6. Ideenpreis Immobilien für eine alternde Gesellschaft aus". Gesucht werden diesmal Zukunftsvisionen für eine Wohnungswirtschaft im Jahr 2080 - allerdings unter der Voraussetzung, dass die Menschheit die mittlere Lebenserwartung in den nächsten 15 Jahren bei voller Gesundheit um rund 50 Lebensjahre verlängert.

Die Lebenserwartung ist schon in den vergangenen Jahrzehnten in fast allen Ländern der Erde gestiegen. Die einschlägigen Bevölkerungsvorausberechnungen gehen von einer Fortschreibung dieser Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten aus. Damit würde aber auch die Zahl älterer Menschen steigen, die mit körperlichen Einschränkungen leben müssen. Denn der Alterungsprozess bringt Beschwerlichkeiten mit sich – jedenfalls Stand heute.

Technikgläubige wie der israelische Historiker Yuval Harari erwarten jedoch, dass der Fortschritt auf den Feldern der Biotechnologie, der künstlichen Intelligenz und der Robotik den Aktionsradius vor allem älterer Menschen in den nächsten Jahrzehnten viel stärker erweitern könnte, als die gängigen Bevölkerungsvorausberechnungen unterstellen. Harari hält es für möglich, dass die Lebenserwartung bereits in den kommenden 15 Jahren auf 150 bis 200 Jahre zunimmt.

Gute Essays gesucht, keine wissenschaftlichen Beiträge

Wie werden wir wohnen, wenn Harari mit seiner Prognose Recht behielte? Gefragt sind Zukunftsvisionen für die Wohnungswirtschaft im Jahr 2080. Ideen für dieses Szenario sollen natürliche Personen entwerfen, in die Form eines Essays gießen und bis zum 13. Mai 2019 einreichen. Die Arbeiten sollen 5.000 bis 10.000 Zeichen inklusive Leerzeichen umfassen. Die besten Essays werden mit einem Preisgeld in Höhe von insgesamt 5.000 Euro prämiert und auf der Website der Irebs Immobilienakademie veröffentlicht.

Bewertet werden die eingereichten Aufsätze von Professor Dr. Tobias Just, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der Irebs-Akademie, Sponsor Frank Löwentraut, Geschäftsführer von Aaetas Consult, und Professor Dr. Stefanie Birkner von der Universität Oldenburg. Die drei wollen gute Essays lesen und keine wissenschaftlichen Beiträge. Es zählen also Argumente und gute Sprachbilder.

Bewerbungen für den "6. Ideenpreis Immobilien für eine alternde Gesellschaft" können unter der E-Mail-Adresse ideenpreis@irebs.de eingereicht werden. Die Preisverleihung findet am 29. Juni 2019 im Kloster Eberbach in Eltville statt. Die Immobilien Zeitung ist Medienpartner des Wettbewerbs - und das schon, seit dieser anno 2014 ins Leben gerufen wurde.

Harald Thomeczek

Zwischen Quotenfrau und Superwoman

Frauen, die in der Immobilienbranche reüssieren wollen, müssen schon - so will es manchmal scheinen - über Superkräfte verfügen.

Frauen, die in der Immobilienbranche reüssieren wollen, müssen schon - so will es manchmal scheinen - über Superkräfte verfügen.

Quelle: Fotolia.com, Urheber: lassedesignen

Karriere 19.10.2017
Ohne Mithilfe der Arbeitgeber wird flächendeckende Chancengleichheit für Frauen in der männlich geprägten Immobilienbranche eine schöne Idee bleiben. Dass Frauen, die Karriere machen, ... 

Ohne Mithilfe der Arbeitgeber wird flächendeckende Chancengleichheit für Frauen in der männlich geprägten Immobilienbranche eine schöne Idee bleiben. Dass Frauen, die Karriere machen, mitunter als Quotenfrauen verschrien sind, gehört zu den unvermeidlichen Kollateralschäden des Wandels. Unternehmen, die diesen aktiv gestalten, tun sich selbst einen Gefallen.

Pinkelpause bei einem global operierenden Immobilien-Investment-Manager. Die Herren, die der Natur gemeinsam freien Lauf lassen, sind in schlechter Stimmung: Wieso denn die Wahl nicht auf einen von ihnen, sondern ausgerechnet auf Frau x gefallen sei? Kann ja wohl nur daran liegen, dass hier - ganz dem Zeitgeist entsprechend - jetzt auch mal eine Frau an der Spitze stehen soll. Der neuen Chefin haftete nun das Stigma an, dass sie den Posten nur bekommen hat, weil sie eine Frau ist.

Das Unternehmen, um das es in obiger Anekdote, die der IZ aus zuverlässiger Quelle zugetragen wurde, gibt Frauen zunehmend Zugang zu Entwicklungsprogrammen und damit auch zu Talent-Pools für eine langfristige Nachfolgeplanung. So gesehen ist Frauenförderung ein zweischneidiges Schwert: Frauen in Spitzenpositionen gelten schnell als Quotenfrau - und meinen womöglich, Superwoman sein zu müssen, um jeden Zweifel über die Berechtigung ihrer Berufung zu ersticken.

"Solange das Frausein ein Thema ist, so lange werden Frauen denken, dass sie eine Extrameile gehen müssen. Und es reicht ja schon, dass sie das denken", sagt Tobias Just, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der Irebs-Akademie, der von Berufs wegen viel mit karrierebewussten Frauen zu tun hat. Doch so zu tun, als würde sich das mit der Gleichstellung von alleine regeln, weil Unternehmen es sich angesichts von demografischem Wandel und - von vielen Arbeitgebern beklagtem - Fachkräftemangel heute eh nicht mehr leisten könnten, sich Potenzialträger gleich welchen Geschlechts entgehen zu lassen, geht an der Realität vorbei. "Wir sind mit Sicherheit noch nicht da, wo wir sein sollten: dass diskriminierungsfrei allein auf Erfolgsbeiträge, Qualifikation und Kompetenz geachtet wird", ist sich Just sicher.

Vor allem Führungsposten werden oft auf informellem Wege vergeben. Da sei im Vorteil, "wer Zugang zu den Old Boys' Networks hat. Deshalb bekommen Sie von mir ein klares Ja für die Frauenquote. Erst dann wird sich was in den Vorstandsetagen ändern", sagt Jovita Galster-Döring, Vorstandsmitglied des Vereins Frauen in der Immobilienwirtschaft.

Erika Werres, Leiterin Planen und Entwicklung bei der WvM Immobilien und Projektentwicklung in Köln, hält nichts von einer Frauenquote. Sie sieht den Knackpunkt woanders: "Das ist in meinen Augen nicht der richtige Ansatz. Viel wichtiger ist, dass die Bezahlung in gleichen Positionen angeglichen wird." Nur so würden, sobald die Familienplanung ansteht, nicht mehr wie bisher oft automatisch die Frauen zuhause bleiben, "sondern sicher auch ein paar mehr Männer die Erzieherrolle übernehmen bzw. in Teilzeit arbeiten".

22% - so viel verdienen Frauen laut dem "Women in Work Index" von PwC weniger als Männer. Geht es mit der bisherigen Geschwindigkeit weiter, dauert es bis zum Jahr 2297, bis sich die Lohnlücke schließt. In Zahlen wie diesen kommt auch zum Ausdruck, dass sich Frauen tendenziell für schlechter bezahlte Branchen bzw. Berufe entscheiden, länger in Elternzeiten gehen und seltener in Führungspositionen anzutreffen sind etc. Bereinigt liegt die sogenannte Gender Pay Gap in Deutschland zwischen ca. 2% und 7%, je nachdem, wer es berechnet und wie er das macht.

Headhunter, die Positionen in der Immobilienbranche besetzen und mit denen die IZ gesprochen hat, bejahen, dass es natürlich auch in der Immobilienwirtschaft eine Gender Pay Gap gibt. Sie beziffern das Delta auf durchschnittlich 5% bis 15%. Wohlgemerkt: auf vergleichbaren Positionen. "Das Gehalt für eine vakante Position ist ja nicht von Anfang an in Stein gemeißelt. Es gibt eine Bandbreite, innerhalb der sich der Arbeitgeber und die Kandidaten bewegen", sagt Kathrin von Hardenberg, Gründerin und Geschäftsführerin von Indigo Headhunters aus Frankfurt. Und diesen Spielraum nutzen männliche Bewerber eben entschlossener aus als weibliche.

"Kein Kunde von uns stellt sich hin und sagt, wir zahlen der Frau maximal nur das und das, einem Mann würden wir aber grundsätzlich mehr zahlen", ergänzt Richard-Emanuel Goldhahn, Deutschland-Geschäftsführer von Cobalt Recruitment. Dass Frauen weniger verdienen, führt auch Goldhahn darauf zurück, dass "sie meist auch weniger fordern, schon beim Berufseinstieg". Und dieser Rückstand potenziere sich natürlich mit der Zeit.

Ein weiteres, zugegeben ziemlich vages, Indiz dafür, dass die Chancengleichheit der Geschlechter trotzdem auch und insbesondere in der Immobilienwirtschaft noch nicht flächendeckend Realität ist, ist die ungleiche Gewichtung der Frauen- und Männeranteile auf einschlägigen Branchenveranstaltungen. Auf dem IZ-Karriereforum, einer Jobbörse vor allem für Nachwuchskräfte, sieht man nicht weniger junge Damen als Herren. Doch auf der großen Expo Real und noch mehr auf der Mipim in Cannes, wohin vor allem Führungskräfte reisen dürfen, ist das männliche Übergewicht schier erdrückend.

Selbst in Unternehmen, die ein mehr oder weniger ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in der Gesamtbelegschaft haben, neigt sich die Waage immer mehr Richtung Mann, je höher hinauf es geht. Warum ist das so? Und wann wird es sich ändern? "Das wird sich erst dann ändern, wenn wirklich alle Unternehmen aktiv Frauenförderprogramme anbieten", sagt Galster-Döring. Denn Frauen seien in ihrer Karriere "strukturell benachteiligt, häufig unbeabsichtigt und unbewusst". Sie würden bei gleicher Leistung schlechter beurteilt und seltener für Führungspositionen vorgeschlagen. Ihnen werde, auch aufgrund mangelnder Vorbilder, weniger zugetraut - ein Teufelskreis.

Ein Vergleich der Frauenanteile der Weiterbildungsstudiengänge an Justs IrebsAkademie einerseits und im universitären Erststudium andererseits legt den Verdacht nahe, dass Frauen tatsächlich nicht ähnlich stetig unterstützt werden wie Männer. So liegt z.B. der Frauenanteil im Kontaktstudium Immobilienökonomie im Schnitt der letzten Jahre bei nicht einmal einem Drittel, während der entsprechende Wert im Studiengang Master of Real Estate am Irebs Institut für Immobilienwirtschaft an der Uni Regensburg im Mittel der letzten Jahre rund 50% beträgt.

Strategien zur Karriereentwicklung von Frauen haben bislang nur verschwindend wenige Arbeitgeber ausgearbeitet, wie unlängst eine Umfrage von Kenneweg Property Personalberatung bestätigte. "Ich kann nicht erkennen, dass es einer besonderen Frauenförderung bedarf", sagt Anita Bellmann, Leiterin Konzernpersonalabteilung der Immobiliengruppe Rhein-Neckar mit ca. 1.000 Mitarbeitern, zu der auch der Mannheimer Property- und Facility-Manager Treureal gehört. "Und Frauen machen bei uns auch genauso Karriere wie Männer. Wer die entsprechenden Kompetenzen mitbringt, bekommt auch seine Chance", versichert Bellmann. Für einen wichtigen Aspekt der Mitarbeiterbindung hält Bellmann Vertrauensarbeitszeit: die Freiheit, sich seine Zeit selbst einzuteilen. Dies umfasse auch die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten - ohne dadurch Nachteile zu erleiden.

Geschlechterspezifischen Programme, die auf eine Führungslaufbahn vorbereiten, sucht man auch beim Facility-Manager Piepenbrock vergebens. Und "dafür sehen wir auch in der Zukunft keinen Bedarf", sagt Claudia Schopf, Leiterin Personalentwicklung und Recruiting. Dafür bietet der Osnabrücker Gebäudedienstleister angehenden Führungskräften aller Art Seminare mit Modulen zu Selbstführung, Mitarbeiterkommunikation oder zur Weiterentwicklung vom Kollegen zum Vorgesetzten an.

Auch Deutschlands größter Immobilienentwickler, die Zech-Gruppe, hat kein Programm zur Frauenförderung aufgelegt. Allerdings besteht das Immobilienimperium von Zech aus vielen unternehmerisch selbstständigen Einheiten, die zwar kapitalseitig mit der Management-Holding verbandelt sind, aber sonst weitgehend ihr eigenes Ding machen. Der Projektentwickler und Asset-Manager Art-Invest Real Estate Management ist mit aktuell 136 Mitarbeitern schon eines der großen Häuser unter dem Zech-Dach. Für ein regelrechtes Frauenförderprogramm ist Art-Invest aber offenbar immer noch zu klein. Rüdiger von Stengel, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter, hält dergleichen jedenfalls für entbehrlich, weil "wir sowieso nur auf die Leistung gucken".

Dass Frauen es in einer technik- und baulastigen sowie angeblich netzwerkbedürftigen Profession wie der Projektentwicklung schwerer haben könnten als Männer, mag der Art-Invest-Chef nicht recht glauben: "Wir haben bislang nur gute Erfahrungen mit Frauen gemacht, auch in der Projektleitung!" Und die Sache mit der Vereinbarkeit? "Die technische Leiterin arbeitet auf Vier-Tage-Basis." Termine könne man planen - zumal, wenn man wie Art-Invest als Bauherr am längeren Hebel sitze. "Ist doch alles machbar. Niemand muss Meetings nach 17 Uhr abhalten. Und mit der ganzen Elektronik kann man auch mal abends seine Mails abarbeiten." Die mangelnde Präsenz von Frauen insbesondere auf höheren Etagen führt von Stengel nicht zuletzt darauf zurück, dass "Frauen oft der entscheidende Wille zum Führen fehlt".

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ein männlicher Wettbewerber in der Regel keine Angst vor einer Doppelbelastung haben muss, weil er - wenn er denn Kinder hat - diese in aller Regel an seine Frau delegiert. "Wir stellen fest, dass die Väter in der Regel zwei Monate Elternzeit nehmen und der Löwenanteil immer noch von Frauen getragen wird. Zusätzlich sind es in den allermeisten Fällen die Frauen, die in Teilzeit zurückkehren", sagt Sandra Scholz, Vorstandsmitglied der Commerz Real.

Der Fondsmanager fördert Betriebskitas und vermittelt Betreuungsplätze, und auch in Notfällen springe man den Eltern bei. "Wir kommen unseren Mitarbeitern auch bei der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsort entgegen. Mit den neuen Medien ist das heute sehr viel einfacher." Bestimmte Tage für Home-office zu reservieren, erlaube eine Vielzahl der Tätigkeiten: "Für Kundentermine und Meetings müssen feste Tage im Büro definiert werden", so Scholz.

Katrin Eming schafft es offenbar ganz gut, in der Immobilienwirtschaft auch mit Kind Karriere zu machen. Eming ist SeniorProjektentwicklerin und Geschäftsführerin einer Projektgesellschaft der Wohnkompanie NRW, die auch zur Zech-Gruppe gehört. Die 38-Jährige hat einen 36-Stunden-Vertrag - und einen "durchgeplanten Tagesablauf". Dass es mit Kind und Karriere klappt, liegt nicht zuletzt daran, "dass ich in der Funktion als Geschäftsführerin und Bauherrin einen größeren Spielraum habe, dass ein funktionierendes Team hinter mir steht und mein Job nicht nur vom Schreibtisch aus erledigt werden kann."

Nicht jede Immobilienfrau, die Kinder bekommt, bleibt in der Branche treu. So entpuppt sich die 35-jährige Personalberaterin Dorothee de la Camp im Gespräch selbst als studierte Immobilienspezialistin. Ihre alte Tätigkeit im Asset-Management konnte die zweifache Mutter nur schwer in Teilzeit fortführen. Sie wandte sich daher an die Personalberatung Kollmannsperger Executive Search, die sie schon in der Vergangenheit besetzt hatte. Managing Partner Jutta Heusel fand zwar keine passende (Teilzeit-!) Stelle in der Immobilienbranche für de la Camp, stellte die ihr bereits gut bekannte Kandidatin dafür aber selbst ein.

Iris Dilger hat keine Kinder: "Ich hatte immer die Möglichkeit, mich voll auf den Job zu konzentrieren. Dies war sicherlich auch ein Grund, warum ich es zu meiner Position bringen konnte." Dilger gründete mit der Zech-Gruppe die Wohnkompanie Rhein-Main. Vorher baute sie beim ehemaligen Hochtief-Wohnentwickler formart die Frankfurter Niederlassung auf. Sie fühle sich manchmal schon als Quotenfrau, bekennt sie scherzhaft.

Sie kenne viele Frauen, so Dilger, die Karriere machen wollten, aber scheiterten: "Erfolgreiche Frauen mit Kindern - ob in der Immobilien- oder einer anderen Branche - zerreißen sich! Und haben am Ende doch nur das Gefühl, dass sie beiden Aufgaben nicht gerecht werden ..." Über sich selbst sagt Dilger ehrlich: "Ich hätte nicht mit Kindern meine Karriere machen können oder auch wollen." Ein(e) Projektentwickler(in) lebe vom Netzwerk: "Als Projektentwicklerin muss man Grundstücke finden. Der Makler muss als erstes an mich denken - und damit er das tut, muss ich bekannt sein." Ein-, zweimal die Woche abends auf Networking-Veranstaltungen zu gehen, helfe.

"Das Thema Vereinbarkeit stellt sich für viele Frauen gar nicht, weil sie keine Kinder haben", stellt Heusel, die vor allem erfahrene Spezialisten und Führungsfiguren zu ihren Mandaten lotst, fest. Denn nur ca. jede fünfte Frau, die sie vermittelt, hat Kinder. "In der Immobilienwirtschaft geht es um viel Geld, da sind lange Arbeitszeiten eine Selbstverständlichkeit." Wer Nine to Five arbeiten will bzw. muss und keine (oder nicht allzu viele) Überstunden schieben will bzw. kann, wird nicht bedacht, wenn höhere Weihen verliehen werden. Die Männer, die die Branche dominieren, sind lange Arbeitszeiten gewohnt, und erwarten das auch von anderen.

"Die Bereitschaft, Teilzeitstellen zu schaffen, ist in der Branche insgesamt immer noch relativ schwach ausgeprägt und sehr ungleich verteilt", konstatiert Thomas Beyerle, Group Head of Research von Catella, der 2012 die erste Studie zu Frauen in der deutschen Immobilienbranche vorlegte. Immobilienfrauen mit Kindern wechseln deshalb gerne in den öffentlichen Dienst. Bedarf hat etwa der Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen (BLB NRW), der dem Landesgleichstellungsgesetz verpflichtet ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich der Anteil weiblicher Beschäftigter auf allen Ebenen mit strammen Schritten der 50%-Marke nähert.

Die Frauenförderpläne des Landesunternehmens sehen u.a. vor, dass Laptops für Heimarbeit bereitgestellt, "höherwertige Tätigkeiten" gezielt auch an teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen übertragen oder mindestens 50% Frauen zu "Potenzialanalyseverfahren" zugelassen werden. "Bei weiblichen Potenzialträgerinnen machen wir aber nix anderes als bei den männlichen auch", versichert Geschäftsführerin Gabriele Willems. "Wir achten nur darauf, dass es pari pari ist. Denn von selbst bewerben sich viel zu wenige Frauen aus den eigenen Reihen auf Führungspositionen."

Natürlich sind längst auch in privaten Unternehmen jede Menge Frauen zu finden: Von Stengels Art-Invest weist einen Frauenanteil von 45% auf, und bei der börsennotierten CA Immo mit 370 Mitarbeitern arbeiten mehr Frauen als Männer. Doch unter den Führungskräften ist bei Art-Invest nur noch jeder vierte Kopf ein weiblicher, und auch bei der CA Immo lag der entsprechende Wert Ende 2016 auch nicht viel höher (30%).

Dabei gibt sich der Gewerbeimmobilienentwickler laut Personalchefin Katharina Wild-Pelikan Mühe, Menschen mit Kindern über flexible Arbeitszeiten, Home-office oder Teilzeitbeschäftigung auch in leitenden Positionen entgegenzukommen. Bei der Nachbesetzung von Führungspositionen werden Mitarbeiterinnen aus den eigenen Reihen aktiv angesprochen, denn "Frauen tendieren dazu, etwas zurückhaltender zu sein, gerade wenn Nachwuchs da ist", so Wild-Pelikan. Im Recruiting-Prozess suche man ebenfalls gezielt nach Frauen: "Männer sind oft besser vernetzt." Und werden Kandidaten als gleich gut bewertet, wird bewusst weiblichen Bewerbern der Vorzug gegeben.

Headhunterin von Hardenberg kann bestätigen, dass manche Kunden sich für bestimmte Positionen mittlerweile explizit Frauen wünschen. Dennoch kommt auch sie um die Feststellung nicht herum: "Natürlich gehen viele Frauen auf der Karriereleiter verloren." Ein Grund für den Schwund: "Der nächste Karriereschritt ist in Teilzeit oft nicht machbar." Damit das nicht so bleibt, müsse sich in den Köpfen der Führungskräfte etwas ändern.

"Große Fortschritte hat es seit meinen eigenen Mutterschaftsurlauben vor über 30 Jahren nicht gegeben: Längere Auszeiten nehmen immer noch die Mütter. Und diese sind es auch, die oft in der Teilzeitfalle landen", sagt Bärbel Schomberg, die einzige Frau im achtköpfigen Vorstand des Verbands Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA). Viele Unternehmen nähmen sich zwar vor, mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen - "aber die wachsen ja nicht auf den Bäumen". Der ZIA plant daher, seinen Mitgliedern einen Werkzeugkasten fürs Diversity Management zusammenzustellen. Um zunächst eine fundierte Datengrundlage zu schaffen, hat er sich Unterstützung beim Fraunhofer-Institut geholt.

Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil der Führungsebene wirtschaften profitabler, besagen Studien. "Wenn wir von dieser Prämisse ausgehen, dann ist das gezielte Recruiting von Frauen die logische Konsequenz", sagt Sabine Wieduwilt, Partnerin bei der Kanzlei Dentons in Frankfurt. Aber stimmt die Prämisse überhaupt? Liesa Schrand ist dieser Frage in ihrer Doktorarbeit am Irebs Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg nachgegangen. Ja, Frauen in Spitzenpositionen von börsennotierten Immobiliengesellschaften haben einen positiven Einfluss - aber nicht etwa, wie die einschlägigen Studien besagen, auf bilanzielle Kennzahlen wie das operative Ergebnis. Doch an marktbasierten Kennzahlen sei dies sehr wohl abzulesen: "Investoren unterstellen, dass Frauen gut für die Corporate Governance sind - und honorieren einen erhöhten Frauenanteil darum mit einer höheren Bewertung der Aktie."

Harald Thomeczek