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"Ich bin gern der Knecht des Eigentümers"

Köpfe 16.06.2005
Die hauptstädtische BVG gehörte vor gut fünf Jahren zu den ersten öffentlichen Verkehrsbetrieben, die den Aufbau einer eigenständigen FM-Organisation und die Entwicklung eines professionellen ... 

Die hauptstädtische BVG gehörte vor gut fünf Jahren zu den ersten öffentlichen Verkehrsbetrieben, die den Aufbau einer eigenständigen FM-Organisation und die Entwicklung eines professionellen Immobilienmanagement angepackt haben. Im Gespräch mit der IZ zieht BVG-Direktor Ernst-Walter Lipka eine Zwischenbilanz - und die betont vor allem kommende Aufgaben.

Ernst-Walter Lipka, gebürtiger Franke und diplomierter Ingenieur, steht seit 1999 als Direktor dem BVG-Zentralbereich Infrastruktur vor. Dieser hieß zwischenzeitlich auch einmal ZB Facility Management. Die grobe Richtung war verkündet worden, doch der Weg im Detail noch lange nicht vermessen. Heute wäre wiederum die Zeit reif, einen mutigen Schritt zu gehen. Doch die Ampeln stehen eher auf "Orange" denn auf Grün.

In den zurückliegenden zwölf bis 15 Monaten hat man in Berlin die Voraussetzungen geschaffen, den Zentralbereich Infrastruktur auszugründen. Die rund 400 Köpfe zählende Infrastruktur-Mannschaft war so weit, sich "als FM-Experten für Verkehrsbetriebe zu positionieren", wie Lipka sagt. Die Zielmarke war klar: ein komplett integrierter, aber spezialisierter FM-Anbieter. Komplettdienstleister ja, aber eben nicht als Möchtegern-Experte wahlweise für Krankenhäuser oder Industriestandorte oder Bankentürme. Die eigene Branche hat man im Auge, die wachsende Kundengruppe der kommunalen und privaten Verkehrsunternehmen, die derzeit oder demnächst umfangreiche FM-Leistungspakete ausschreiben werden. Lipka ist sicher: "Unser Know-how ist am Markt sehr gefragt, da wir Verkehrsexperten sind."

Wer sich in der hauptstädtischen FM-Szene umhört, erfährt, wie weit die BVG-Pläne schon gediehen waren. Um potente Partner brauchten Lipka und sein Team offenbar nicht zu buhlen. Egal ob Dr. Sasse, Gegenbauer, Wisag oder M+W Zander - alle renommierten und an der Spree gut vertretenen Dienstleister wären wohl einer Beteiligungsgesellschaft oder einer ebenfalls denkbaren Arge Berliner Facility Management nicht abgeneigt. Selbst das in vergleichbaren Fällen immer auftretende Problem des Personalübergangs "wäre lösbar gewesen", heißt es. Zu hören ist in der Hauptstadt ebenfalls, dass auch die sich derzeit neu organisierenden FM-Fachleute von Jones Lang LaSalle durchaus Interesse zeigten, sich einem Arge-Team anzuschließen. Seit dem plötzlichen Tod des BVG-Vorstandsvorsitzenden Andreas von Arnim, der Ende März 46-jährig an Unfallfolgen verstarb, liegt das FM-Projekt aber auf Eis. Von Arnim, vor zwei Jahren als BVG-Sanierer angetreten, hatte das Vorhaben sehr aktiv unterstützt.

Die FM-Ergebnisse helfen beim Drücken der Schuldenlast

Die Berliner Verkehrsbetriebe sind bekanntlich mit gut einer Milliarde Euro verschuldet. Die FM-Experten an der Trebbiner Straße sind wie die anderen Bereiche aufgefordert, zur Reduzierung der Schuldenlast, die jährlich rund 100 Mio. EUR Zinsbelastung mit sich bringt, beizutragen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen.

Gemessen am Ist-Stand im Jahr 2000 konnte der Aufwand um 12% auf rund 62,8 Mio. EUR (2004) reduziert werden. Insbesondere die Sachaufwendungen sanken um mehr als 19%. Der Personalaufwand ging im selben Zeitraum (2000 bis 2004) um lediglich 7,3% auf etwas mehr als 19,1 Mio. EUR zurück. Die Personalreduzierung um rund ein Fünftel auf die erwähnten fast 400 Köpfe wurde u.a. durch BAT-Erhöhungen weit gehend "ausgeglichen". Ein echtes Plus um fast 10% musste in Sachen Energiekosten hingenommen werden.

Die Ertragsseite des Zentralbereichs ist - in absoluten Zahlen - gegenüber den Aufwendungen weiterhin schwach. Lag diese in den vergangenen vier Jahren insgesamt stabil bei rund 9,8 Mio. EUR (+0,8%), sind immerhin die Erträge durch Mieten und Pachten um deutliche 41% auf 5,1 Mio. EUR gewachsen.

Summa sumarum: Statt eines negativen Ergebnisses in Höhe von 61,5 Mio. EUR steht das Facility Management heute für -52,9 Mio. EUR, hat sich also um immerhin 14% verbessert.

"Anständige Zahlen" und das Messen an Benchmarks

Die Planvorgaben für die zweite Hälfte des Jahrzehnts sind klar formuliert: Der Gesamtaufwand soll nochmals um über 5 Mio. EUR auf 57,3 Mio. EUR (2009) reduziert werden. Die Mitarbeiterzahl wird sich um weitere 60 verringern, der Personalaufwand gleichwohl nur um rund 1,5 Mio. EUR. Bei den Mieten rechnen die BVG-Verantwortlichen mit nahezu unveränderten Erträgen.

"Anständige Zahlen" können die FM-Verantwortlichen beispielsweise in Sachen Instandhaltung vorweisen. Die eigenen Aufwendungen, gemessen an VDMA-Benchmarks, liegen mit 77% deutlich unter dem Vergleichswert. In den meisten Teilbereichen fördert das Benchmarking ähnliche Ergebnisse zu Tage; im Sachgebiet Hochbau sind es sogar nochmals deutlich bessere, in der Vertriebstechnik (Verkaufsautomaten, Fahrscheinentwerter usw.) dagegen vergleichsweise schlechte. Auch im Vergleich mit Kennzahlen der Deutsche Bahn AG steht die BVG recht gut da. "Die Zahlen sind sehr genau", sagt Lipka, "da, wo wir schlecht sind, wissen wir warum." Das ist nicht hoch genug zu bewerten, zumal auch die Berliner Verkehrsbetriebe ihr Augenmerk auf drohenden Substanzverzehr richten müssen.

Lipka, der "die optimale Unterstützung des Kerngeschäfts" seines Herrn und Auftraggebers als Maxime des Zentralbereichs ansieht, bringt die alles in allem vorzeigbaren Ergebnisse der FM-Mannschaft so auf den Begriff: "Wir haben mit weniger Sachaufwand und weniger Personal höhere Fahrgastzahlen bewältigt." Er erwähnt Highlights wie den Ökumenischen Kirchentag 2004 mit zusätzlich 400.000 Gästen, das diesjährige Bundesturnfest oder das Treffen der Kulturen mit noch mehr Besuchern, und er blickt schon auf die Fußball-WM 2006 - für alle Großveranstaltungen gelte: "Das fahren wir weg!"

Früher sei die FM-Leistung "mit höherem Aufwand verbunden" gewesen - "durch die Vielzahl der Schnittstellen und unzählige Partner". Nun sei beispielsweise der Löwenanteil der Reinigung an die Dr. Sasse AG vergeben. Gegenbauer und Wisag werden ebenfalls eingespannt. Noch ist das FM nicht konsequent arrondiert, will heißen: Catering, Gebäudesicherheit oder der Arbeits- und Brandschutz gehören neben anderen Funktionen nicht zum Portfolio des Zentralbereichs Infrastruktur. Andererseits ist man nicht nur für die klassischen Bereiche Energiemanagement, Reinigung, Instandhaltung, technische Gebäudeausrüstung sowie Poststelle oder Parkraumbewirtschaftung, sondern auch für die Vertriebstechnik, für Fahrtreppen und Aufzüge oder für die Werkstätten- und Betriebshofplanung zuständig.

Der Verkauf von nicht mehr betriebsnotwendigen Flächen

Neben dem FM gehören auch Aufgaben des klassischen Immobilienmanagement zum Leistungsportfolio des ZB Infrastruktur. 34 Liegenschaften zählt das Portfolio, das hinsichtlich Anlagevermögen, Verwertbarkeit und (potenziellen) Verwertungsergebnisses unter die Lupe genommen wird. Nun wurden erstmals Flächen verkauft.

Der Betriebshof Helmholtzstraße machte den Anfang. In Lichterfelde ging der bislang größte Deal über die Bühne. Jetzt steht Zehlendorf zur Debatte - genauer gesagt: 65.000 m2 zwischen Clay-Allee und Teltower Damm, nicht denkmalgeschützt. Die Vermarktungsbemühungen laufen. Denkbar wäre eine Shopping Mall. Die Kaufkraft ist im Bezirk relativ hoch, der Verkaufsflächenbestand vergleichsweise niedrig. Der Center-Gigant ECE soll Interesse angemeldet haben. Doch der Stadtbezirk wehrt sich, u.a. mit Verweis auf die vorhandenen örtlichen Ladenflächen. 7Ein Berliner Retail-Kenner kommentiert lapidar: "Die Zehlendorfer machen heute den gleichen Fehler wie die Spandauer nach der Wende. Sie reden von der Bedrohung des lokalen Einzelhandels, dabei ist der schon längst kaputt."

Lipka hält sich mit einem Kommentar zurück, auch wenn es für die BVG um geschätzte 25 Mio. EUR geht. Vielleicht aber auch nur um zwei Drittel dieser Summe, falls sich ein Baumarkt ansiedelt, oder eben nur vergleichsweise magere 3 Mio. oder 4 Mio. EUR, wenn sich die politischen Gremien für eine Wohnbebauung entscheiden. Lipka sagt nur so viel: "Wenn das Land oder der Bezirk den Ausgleich zahlen, dann ist das auch o.k."

Der zunehmende Graffiti-Tourismus macht Sorgen

Bei einem anderen Thema wird unser Gesprächspartner sichtbar aufgeregter. "Wir können alle sonstigen Einsparungen vergessen!" Auch Lipka spricht wie andere Hauptstädter (vgl. IZ 10/05) von Berlin als Hauptstadt des Graffiti-Tourismus und von einer "hochorganisierten kriminellen Szene, die mit den Easyjets dieser Welt auch aus Warschau und Stockholm anreist".

Mehr als 9 Mio. EUR seien jährlich für Graffiti-Beseitigung an Gebäuden und Anlagen zu veranschlagen. "Das macht uns irren Kummer." Beispielsweise seien völlig neue Leistungsverzeichnisse für die Reinigung erforderlich. Spezielle Beschichtungs- und Reinigungsmaterialien sind rar. Eine eigens etablierte Task Force und erheblich erweiterte Sicherheitsvorkehrungen sollen gewährleisten, dass ein neues Graffito binnen 24 Stunden entdeckt und beseitigt werden kann - später ist nämlich einfach zu spät. Gleichzeitig wird der Vandalismus noch rabiater. Nach dem zwischenzeitlich in Mode gekommenen Scratching, dem Zerkratzen von Fensterscheiben, würden neuerdings vermehrt ätzende Materialien und Substanzen eingesetzt - auch ohne Rücksicht auf ernste gesundheitliche Gefahren für die Schadenverursacher wie für die Reinigungskräfte.

Zwar ist die Aufklärungsquote mit rund 60% hoch, aber in Sachen Schadenersatz war bislang in der Regel "nix zu holen". Jetzt hat sich die BVG "Schuldtitel" besorgt, die zehn Jahre gültig sind. (ae)

IZ