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Das Frauenquötchen

Diesen sieben Vorstandsfrauen bei börsennotierten Unternehmen der Immobilienwirtschaft im Dax, MDax und SDax stehen nach Recherchen der Immobilien Zeitung 73 männliche Kollegen gegenüber.

Diesen sieben Vorstandsfrauen bei börsennotierten Unternehmen der Immobilienwirtschaft im Dax, MDax und SDax stehen nach Recherchen der Immobilien Zeitung 73 männliche Kollegen gegenüber.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: kovalto1

Karriere 03.12.2020
Die Frauenquote für Vorstände kommt. Allerdings gilt die Mindestbeteiligung über alle Branchen hinweg nur für rund 70 Unternehmen. In der Immobilienbranche sind Hochtief und die ... 

Die Frauenquote für Vorstände kommt. Allerdings gilt die Mindestbeteiligung über alle Branchen hinweg nur für rund 70 Unternehmen. In der Immobilienbranche sind Hochtief und die W&V-Gruppe mit Wüstenrot betroffen. Die Chefetage von Deutsche Wohnen, immerhin im DAX notiert, hingegen darf frauenfrei bleiben.

Es war eine schwere Geburt, und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spielte den Geburtshelfer, als er sich vor wenigen Wochen überraschend für die Frauenquote in Vorständen aussprach. Der Widerstand in der Union, allen voran von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), war gebrochen. Es war auch an der Zeit. Seit fünf Jahren verpflichtet der Gesetzgeber im Führungspositionengesetz (FüPoG) rund 3.500 Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmt sind, dazu, sich selbst Ziele für Frauenanteile in ihren Führungsgremien zu setzen. Etwas mehr als 100 voll bestimmte Börsenunternehmen unterliegen seit 2015 einer fixen Geschlechterquote von 30% für die Aufsichtsräte. Trotzdem hat sich seither in den Vorständen herzlich wenig in Richtung Geschlechterparität getan. Dass der Quote für die Aufsichtsräte jetzt die Quote für die Vorstände folgt, ist darum keine Überraschung.

"Noch liegt kein Gesetzesvorschlag vor, deshalb wissen wir nicht genau, was auf welche Unternehmen zukommt", sagt Katharina Stüber, Rechtsanwältin bei der Kanzlei Allen & Overy in Frankfurt. Die Koalitionspartner, die sich nun im Grundsatz einig sind, stehen unter Zeitdruck: "Ist das Gesetzgebungsverfahren nicht bis spätestens Juni durch, käme die Quote in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr - und wäre gescheitert."

Anfang 2022 soll die Quote in Kraft treten

An die Rolle rückwärts glaubt nach Söders Positionierung niemand ernsthaft. Schließlich gibt auch die Kanzlerin den beiden SPD-Bundesministerinnen Franziska Giffey (Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Christine Lambrecht (Justiz) Rückendeckung. Der Fahrplan sieht so aus: Im Januar 2021 soll sich das Bundeskabinett mit der FüPoG-Novelle befassen. Im April 2021 soll das Gesetz verabschiedet werden, im Januar 2022 in Kraft treten. Fraglich ist allerdings noch die genaue Ausgestaltung, und der Teufel steckt bekanntlich im Detail.

Ob das, worauf sich die Große Koalition im Prinzip verständigt hat, direkt zu einer "angemessenen" Berücksichtigung von Frauen auf Top-Positionen führt, ist fraglich. Die Auswahlkriterien, auf die sich die Entscheider in der Politik geeinigt haben, sind nämlich ziemlich eng: Nur börsennotierte, paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern fallen unter die Vorstandsquote. Das erscheint willkürlich: "Ein innerer Zusammenhang zwischen den Kriterien der Börsennotierung und der paritätischen Mitbestimmung mit der Frauenquote besteht nicht", sagt Stüber. "Es ging darum, möglichst viele große Unternehmen zu erfassen, ohne die Welt neu sortieren zu müssen. Sonst hätte man ein Problem mit dem Timing bekommen." Große GmbHs zum Beispiel, selbst wenn sie tausende Mitarbeiter beschäftigen, fallen raus.

Betroffen sind 73 Börsenunternehmen

Nach einer Analyse der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (Fidar) erfüllen 73 Unternehmen in Deutschland alle drei Kriterien. Die 2015 eingeführte Frauenquote für die Aufsichtsräte börsennotierter und voll mitbestimmter Unternehmen gilt laut Fidar aktuell für 107 Unternehmen, nicht alle haben einen Vorstand mit mehr als drei Personen. Laut dem jüngsten Allbright-Bericht von September 2020 stehen in den Chefetagen der 160 Unternehmen in DAX 30, MDAX und SDAX exakt 671 Vorstandsstühle. "Nehmen wir eine Quote von 30% an, wären 201 Sitze für Frauen vorzusehen. Derzeit sind nur 68 Positionen in weiblicher Hand", rechnet Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG), vor.

Für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes soll eine Aufsichtsratsquote von 30% und eine Mindestbeteiligung in Vorständen gelten, wie auch bei Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nicht alle Unternehmen, die den Bund im Namen tragen, sind betroffen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) etwa, die die Rechtsform einer "bundesunmittelbaren, rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts" hat, fällt nach den derzeitigen Planungen nicht darunter.

Viele Ausnahmen

Aus der Immobilienwelt stehen auf der Liste von Fidar nur der Baukonzern Hochtief und Wüstenrot & Württembergische, die Dachgesellschaft der Bausparkasse Wüstenrot. Beide haben rein männlich besetzte Vorstände mit vier bzw. sieben Herren.

Die im DAX gelisteten Aktiengesellschaften Vonovia und Deutsche Wohnen fallen nicht unter die Quote.

Von der Frauenquote für Vorstände betroffene Unternehmen, die u.a. mit Tochtergesellschaften als Finanzierer, Asset- und Fondsmanager sowie Investoren eine Rolle in der Immobilienwirtschaft spielen, sind Commerzbank und Deutsche Bank, auch die Versicherer Allianz, Munich Re und Talanx.

Auch die Aareal Bank und der auf die Bau- und Immobilienwirtschaft spezialisierte Softwareentwickler Nemetschek, zwei Unternehmen aus dem MDAX, tangiert die Quote nicht, denn sie unterliegen nicht der vollen Mitbestimmung. Letzteres hat sich wie Deutsche Wohnen und Vonovia schon vor Jahren in eine europäische Aktiengesellschaft (Securitas Europaea, kurz SE) umgewandelt. Gewerkschaftern zufolge dient der Wechsel in die SE nicht selten dem Zweck, die Mitbestimmung zu umgehen. Immerhin: Zwei der vier Firmen haben eine bzw. zwei Frauen im Vorstand. Aroundtown, mit einem Immobilienbestand von 22 Mrd. Euro der größte börsennotierte Player auf dem deutschen Gewerbeimmobilienmarkt, ist ebenfalls nicht betroffen - das Unternehmen hat seinen Sitz in Luxemburg. Das Gleiche gilt für die 40%ige Aroundtown-Beteiligung Grand City Properties mit 63.000 Wohnungen in Deutschland.

Fidar sieht bei 32 Firmen Handlungsbedarf, darunter Hochtief und Wüstenrot & Württembergische. "Aufgrund der geringen Anzahl der relevanten Positionen ist sicher, dass genügend weibliche Top-Führungskräfte zur Verfügung stehen", urteilt Headhunter Werner Knips von Heidrick & Struggles mit Blick auf die Immobilienwirtschaft. "Bereits heute gibt es ausreichend weibliche Talente in den Funktionen CFO, HR, Legal und Digital." Er ergänzt: "Darüber hinaus lohnt immer die Frage, ob der aktuelle Zuschnitt der Vorstandsbereiche und somit die Job-Description für die zu besetzende Position den zukünftigen Zielen und Strategien des Unternehmens gerecht wird." Das ICG hat vor einigen Jahren ein Diversity-Programm aufgebaut und fördert Frauen etwa durch Mentoring sowie Weiterbildung und Vernetzung. "Ein Argument ist ja immer, man wisse nicht, wo man Kandidatinnen für Vorstand und Aufsichtsrat finden könne - nun, hier sind einige!", sagt Manuela Better aus dem Vorstand des ICG.

Auf eine Frau im Vorstand kommen neun Männer

Nur wenn ein Vorstandsmitglied eines nur mit Männern besetzten Gremiums ausscheidet, muss eine Frau an Bord geholt werden. Alternativ kann das Gremium um eine Position erweitert werden, die mit einer Frau besetzt wird. Befürworter der Quote hoffen auf einen Sinneswandel, der die Chefetagen erfassen soll. "Ich war jahrelang gegen die Quote. Wir wollen doch eine freie Wirtschaft und die besten Kräfte an der richtigen Stelle", sagt Anwältin Stüber. Doch die Selbstverpflichtung der Unternehmen hat nicht gefruchtet, wie eine Studie von Allen & Overy belegt. "Fünf Jahre nach der Einführung der freiwilligen Quote sind Frauen in den Vorständen kaum anzutreffen, und die meisten Unternehmen halten sich mit ehrgeizigen Zielen zurück."

Denn bei den seit 2015 geltenden Normen sind keine Mindestzielgrößen vorgegeben. Die Zielgröße null ist erlaubt, wenn damit nicht der Status quo unterschritten wird. Sanktionen sind bislang nicht vorgesehen. Das soll sich laut Referentenentwurf für das neue FüPoG ändern. Unternehmen, die sich auch künftig das Ziel null Frauen im Vorstand setzen, ohne dies gut zu begründen, drohen "empfindliche Bußgelder".

Speziell in der Immobilienwirtschaft ist der Einsatz der Brechstange anscheinend unumgänglich. Hier sind Frauen besonders selten auf dem Top-Level aufzufinden. Daran wollen viele Unternehmen auch nicht groß was ändern, wie die freiwilligen Zielsetzungen für Frauenanteile auf Führungsebenen zeigen (vgl. "Frauen an die Spitze", IZ 22/20). Von 24 Firmen in DAX, MDAX und SDAX, die man der Immobilienbranche zurechnen kann, haben 14 keine Frau im Vorstand, zeigt der September-Bericht der Allbright-Stiftung. Mit dem Ziel 0% Frauen im Vorstand sind u.a. Hochtief und Deutsche Wohnen verzeichnet.

Die Quote ist ein heikles Thema. Sonja Wärntges, Stand September eine von nur fünf weiblichen Vorstandsvorsitzenden der 160 Firmen von DAX bis SDAX und die einzige Immobilien-CEO, stand für ein Gespräch mit der Immobilien Zeitung (IZ) nicht zur Verfügung. Im DUB Unternehmer-Magazin hatte sich die Chefin von DIC Asset vor einiger Zeit gegen eine Vorstandsquote ausgesprochen: "Aus unternehmerischer Perspektive bin ich bezüglich mehr Regulatorik eher zurückhaltend und bevorzuge daher das Instrument der Eigenverantwortung."

Deutsche Wohnen setzt Zielquote im Vorstand auf 20% hoch

Michael Zahn, CEO von Deutsche Wohnen (DW), wollte mit der IZ ebenfalls nicht über die Quote reden. In einem Podcast-Gespräch mit Stephanie Baden, Geschäftsführerin des Urban Land Institute (ULI) für die Dach-Region und zugleich Gründungsmitglied der Initiative Frauen in Führung (FiF), bezog Zahn unlängst jedoch Stellung: "Ich bin kein Freund von Quote und ich bin kein Freund von staatlichen Vorgaben. Ich möchte am Ende des Tages ein erfolgreiches Team." Der DW-Aufsichtsrat hat die Zielquote für den Frauenanteil im Vorstand in seiner Septembersitzung von 0% auf 20% hochgesetzt. Erreicht haben will das Gremium dies bis zum Jahr 2025. Der DW-Aufsichtsrat selbst ist seit Juni 2020 mit zwei Frauen bestückt, das entspricht einem Anteil von 33%. Zahn betont im ULI-Podcast: "Wir beschäftigen mehr als 1.000 Mitarbeiter - von denen sitzen vier im Vorstand. Entscheidender ist doch: Fördern wir Frauen im Unternehmen? Das tun wir." Tatsächlich liegt der Anteil weiblicher Führungskräfte bei DW laut Unternehmenssprecherin Julia Kieslinger bei 48%.

Helene von Roeder, im Vorstand von Vonovia für die Finanzen zuständig, hält dagegen. "Wenn ich jemanden befördere - und das gilt gerade auf Vorstandsebene -, habe ich das Risiko, ob es funktioniert. Habe ich gelernt, dass es mit einem bestimmten Typ Manager in der Vergangenheit gut geklappt hat, leite ich aus meinem persönlichen Erfahrungsschatz ab: Wahrscheinlich klappt das auch beim nächsten Mal. Bei einer Frau kann ich das vielleicht weniger gut einschätzen, weil es noch so wenige weibliche Rollenmodelle in Führungspositionen gibt", argumentiert sie pro Quote. "Wir müssen alle viel öfter erleben, dass man viel dazugewinnt, wenn man eine Frau befördert."

"Wir werden die neue Regelung gern umsetzen"

Der spanische Vorstandsvorsitzende von Hochtief, Marcelino Fernández Verdes, den die geplante Vorstandsquote als einen der wenigen tatsächlich betreffen wird, demonstriert Gelassenheit: "Wir werden die neue Regelung gern umsetzen", teilt ein Sprecher im Namen des CEO mit. "Der Hochtief-Vorstand ist seit Jahren ein stabiles, eingespieltes und erfolgreiches Team. Sollten irgendwann Veränderungen anstehen, werden wir alle Kandidatinnen und Kandidaten prüfen und die besten Entscheidungen für das Unternehmen treffen." Wann genau der nächste Vertrag eines der vier Vorstandsmitglieder ausläuft, möchte das Bauunternehmen nicht sagen, dem Geschäftsbericht lässt sich diese Information nicht entnehmen.

Verfechter der Quote feiern den Durchbruch in den (sozialen) Medien. Wasser in den Wein gießt Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow: "Wer entscheidet über die Zusammensetzung des Vorstands? Der Aufsichtsrat. Wir brauchen die Quote für Vorstände, weil die Aufsichtsräte versagt und auf freiwilliger Basis keine substanziellen Ziele gesetzt haben. Aber die Wirkung des FüPoG 2 wäre ungleich größer, wenn die Quote für Aufsichtsräte von bisher gut 100 Unternehmen wie ursprünglich geplant auf etwa 590 ausgeweitet worden wäre." Diese Ausweitung fiel offenbar einem Kompromiss in der Großen Koalition zum Opfer: Die einen bekamen die Vorstandsquote, die anderen konnten den Schaden in Grenzen halten. Das Bundesfrauenministerium geht auf Anfrage hierauf nicht ein. Im Referentenentwurf für das FüPoG 2 ist noch explizit die Rede von einer geplanten "Erweiterung des Anwendungsbereichs der fixen Aufsichtsratsquote auf alle paritätisch mitbestimmten Unternehmen" - egal, ob sie börsennotiert sind oder nicht.

Die Hoffnung ruht auf einer Signalwirkung

Allen-&-Overy-Juristin Stüber glaubt dennoch: Selbst wenn die Quote ein Stück weit Symbolpolitik sein mag, könnte sie eine gewisse Signalwirkung zeitigen. "Die Wirkung von Role Models ist nicht zu unterschätzen, auch wenn es erstmal nur um ca. 30 Vorstandspositionen geht, die künftig mit Frauen besetzt werden müssen. Und auch bei den anderen ca. 40 betroffenen Unternehmen, die jetzt schon eine Frau im Vorstand haben, wird es Personalwechsel geben, bei denen dann die Quote greift." Schulz-Strelow rechnet allerdings mit "vielen vorzeitigen Vertragsverlängerungen im nächsten Jahr", also noch rechtzeitig vor Inkrafttreten der Quote. So könnten sich die Unternehmen bis 2024 oder 2025 Luft verschaffen - mehr als ein paar Jahre voraus dächten viele in ihrer Personalpolitik ja nicht.

Harald Thomeczek

Frauen an die Spitze

Frauen finden sich im Jahr 2020 noch immer selten in der Führung von Immobilienunternehmen.

Frauen finden sich im Jahr 2020 noch immer selten in der Führung von Immobilienunternehmen.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Wolfilser

Karriere 28.05.2020
Frauen sind in der Immobilienbranche keine Seltenheit mehr - auf den Führungsebenen bleiben sie aber etwas Besonderes. Ohne Frauenquote wird das vermutlich auch noch länger so bleiben. ... 

Frauen sind in der Immobilienbranche keine Seltenheit mehr - auf den Führungsebenen bleiben sie aber etwas Besonderes. Ohne Frauenquote wird das vermutlich auch noch länger so bleiben. Dabei tun die Unternehmen sich selbst den größten Gefallen, wenn sie ihre Führungsmannschaften stärker durchmischen: Ihr Gewinn kann im Schnitt zweistellig steigen.

Bei JLL Deutschland führt jetzt eine Frau das Unternehmen, bei DIC Asset seit gut drei Jahren. Eine CFO verantwortet Vonovias Finanzen, Patrizia besitzt eine Investmentchefin und die Aareal Bank hat zwei weibliche Vorstandsmitglieder. Swiss Life Asset Managers (SLAM), die Muttergesellschaft von Corpus Sireo und Beos, betraute vergangenes Jahr eine (damals) 33-Jährige mit dem CEO-Job in Deutschland. Bei der LEG klettert der Frauenanteil im Vorstand mit einer Finanzchefin ab Juli auf 33%. Führungsfrauen, so weit das Auge reicht!

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache

Wer sich die nackten Zahlen anschaut, der stellt allerdings fest: Frauen sind auf den obersten Führungsebenen von Unternehmen der deutschen Immobilienbranche wie eh und je eine Rarität. Ja, ihre Anzahl ist gewachsen. Doch die Männer dominieren immer noch die Vorstands- und Geschäftsführungsetagen. Nicht nur, dass Tina Störmer - wohlgemerkt aus gesundheitlichen Gründen - zurück in die Schweiz gewechselt ist und nun zwei männliche Geschäftsführer an der Spitze von SLAM Deutschland stehen. Anne Kavanagh von Patrizia hat sieben männliche Vorstandskollegen, Annette Kröger sitzt im Executive Committee von Allianz Real Estate neun Herren gegenüber. Apleona hat ein Management Board mit acht Positionen - alle mit Männern besetzt. Deutsche Wohnen: vier Vorstandsposten, vier Männer. Die Zahlen sprechen fast überall die gleiche Sprache.

Die Fakten sind deutlich. Sehr deutlich. Nicht, dass die Immobilienbranche im Vergleich mit anderen Branchen eine Ausnahme wäre - aber sie sticht im negativen Sinne hervor. Keine Frau im Vorstand, und keine Frau im Aufsichtsrat: Immobilienunternehmen sind überproportional stark mit einer doppelten Null vertreten. Von 17 börsennotierten Unternehmen, die auf der "doppelschwarzen Liste" der Allbright-Stiftung stehen, lassen sich sechs oder 35,3% der Immobilienbranche zurechnen (Stand September 2019). Bei einem Immobilienanteil von nur 13% unter den untersuchten Börsenunternehmen (21 von 160) ist das ein hoher Wert.

Unternehmen verschenken bares Geld

Dabei verschenken Unternehmen, die Diversität geringschätzen, Geld. Die Praxis lehrt, dass gemischte Führungsteams bessere Ergebnisse abliefern. Das Peterson Institute for International Economics, ein US-Thinktank, kam z.B. schon 2016 in einer internationalen Studie zu dem Fazit: Firmen mit einem Frauenanteil von mindestens 30% auf der obersten Managementebene machen im Schnitt 15% mehr Gewinn als vergleichbare Unternehmen ohne Frauen im Management. Eine brandaktuelle Studie von McKinsey zeigt: Die Unternehmen mit den höchsten Frauenanteilen im Topmanagement sind mit 25%iger Wahrscheinlichkeit profitabler als die Konkurrenz.

Eine Studie, die PwC im vergangenen Jahr für den Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) erstellte, zeigt: Unternehmen mit einem höheren Reifegrad in puncto Diversität wachsen nicht nur mit großer Wahrscheinlichkeit stärker als der Wettbewerb, sondern sind auch innovativer und freuen sich über zufriedenere Kunden und eine geringere Mitarbeiterfluktuation.

Vor allem die Immobilienbranche weiß die stillen Reserven nicht zu heben

Die Immobilienbranche weiß dieses Potenzial nicht zu heben, besagt die Studie des ZIA. So fehlt in der Mehrheit der 138 von PwC befragten Unternehmen eine klare Verantwortlichkeit für das Thema, und nur in einer kleinen Handvoll Firmen hat die Geschäftsführung mehr Vielfalt zur Chefsache erklärt - was meist nötig ist, um eine echte Veränderung einzuleiten.

Es kommt also nicht von ungefähr, dass mehr als jedes zweite Unternehmen einen Frauenanteil von unter 10% auf der Ebene der Geschäftsführung aufweist, und bei mehr als zwei Dritteln der Frauenanteil auch auf den anderen Führungsebenen unter 30% liegt. Es ist nicht absehbar, dass die Branche demnächst aufholt. Denn viele Immobilienunternehmen sind weiter zurückhaltend mit ehrgeizigen Zielen für Frauenanteile im Vorstand oder der Geschäftsführung.

Ziel Null Prozent Frauen

Viele börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Firmen mit mindestens 500 Arbeitnehmern müssen seit 2015 Zielgrößen für den Aufsichtsrat, das Leitungsorgan und die beiden obersten Führungsebenen unterhalb von Vorstand oder Geschäftsführung festlegen. Mehr als ein Drittel (58) der 160 Gesellschaften im DAX, MDAX und SDAX haben sich zuletzt für den Vorstand das Ziel 0% Frauen gesetzt. Zwei davon, u.a. der Onlinehändler Zalando, sind nach einem Shitstorm zurückgerudert. Von den verbliebenen 56 "Doppelnullen" gehören elf, und damit fast 20%, der Immobilienbranche an.

Die Unternehmen sind um gute Gründe nicht verlegen. Beispielhaft sei der Bauträger Instone Real Estate herausgegriffen. Der Wohnungsentwickler erklärt sein Ziel Null auf Anfrage der Immobilien Zeitung mit der "Vertragsdauer der laufenden Vorstandsverträge" und damit, dass das Unternehmen das aktuelle Vorstandsteam auch darüber hinaus halten wolle. Außerdem sei es doch legitim, "dass jede Position vorwiegend nach Qualifizierung und Kompetenz besetzt werden soll - unabhängig vom Geschlecht oder anderen nicht leistungsbezogenen Kriterien". In der Öffentlichkeit vermittle die Quote Null ein falsches Bild: "Als würde sich ein Unternehmen nicht um Frauenförderung kümmern."

Für Männer gibt es ja quasi schon eine Quote

Anne Tischer, Mitgründerin der Initiative Frauen in Führung (FiF), erklärt, warum ihr die Zielquote Null ein Dorn im Auge ist: "Wenn der Status quo 0% ist, kann das Unternehmen begründen, warum die Wahl - trotz intensiver Suche - z.B. auf genau diese vier Männer gefallen ist. Aber eine Zielquote Null ist ein fatales Signal an die eigenen Mitarbeiterinnen sowie an Kandidatinnen."

Dass der oder die Beste den Job kriegt, ganz gleich, welches Geschlecht, ist nicht unbestritten: "Jede Frau, die seit mindestens zehn, 15 Jahren in der Branche arbeitet, hat schon erlebt, dass nicht immer der oder die Bestqualifizierte den Job bekommt, sondern wer ein gutes Netzwerk hat und denjenigen kennt, der den Job vergibt", sagt Tischer. "Es ist kein Zufall, dass so viele Immobilienunternehmen in der Allbright-Liste die Forderungen nach Diversität nicht erfüllen. Die Immobilienwirtschaft hinkt anderen Branchen um fünf bis zehn Jahre hinterher", konstatiert Karin Barthelmes-Wehr, Geschäftsführerin des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft.

"Mit Blick auf das Employer Branding ist ein 0%-Ziel natürlich wahnsinnig ungeschickt"

Sonja Rösch aus dem Management der Agentur PB3C, die auf Immobilienkommunikation spezialisiert ist, ergänzt: "Mit Blick auf das Employer Branding ist ein 0%-Ziel natürlich wahnsinnig ungeschickt." Doch die wenigsten Firmen bringen den Mut auf, den Willen zur Veränderung mit einer Selbstverpflichtung in Gestalt einer Quote zum Ausdruck zu bringen. "Wenn ein Unternehmen etwas wirklich will - z.B. bei der Umsatzentwicklung oder in der Akquise -, setzt es sich messbare Ziele, in der Regel in Form einer Zahl. Alles fängt doch mit dem Commitment an", meint Tischer.

FiF fordert von allen führenden Immobilienunternehmen der verschiedenen Marktsegmente, von der Finanzierung über die Projektentwicklung bis zum Fonds-, Asset- und Property-Management: "Setzt Euch Zielquoten für den Frauenanteil in den obersten drei Führungsebenen und Fristen, innerhalb derer ihr diese erreichen wollt! Bis 2025 soll überall mindestens eine Frau im Vorstand bzw. in der Geschäftsführung sein!" Die Immobilien Zeitung hat Unternehmen, die sich als führend in ihren Marktsegmenten verstehen, nach ihrer Meinung zu dem Forderungskatalog gefragt. Im Wesentlichen zusammengefasst: Wer nicht unbedingt muss, verzichtet meist lieber darauf, sich unbequeme Ziele zu setzen (siehe Tabelle "Unternehmen aus der Immobilienbranche tun sich meist schwer mit freiwilligen Zielvorgaben" weiter unten).

Ohne Quote kaum messbarer Fortschritt

Dass sich ohne Quotenzwang wenig an den herrschenden Verhältnissen ändert, zeigen Zahlen der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR). Für Gesellschaften, die sowohl börsennotiert als auch voll mitbestimmungspflichtig sind, also mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigen, gilt eine harte 30%-Quote für den Aufsichtsrat. Bei diesen hat der Frauenanteil seit 2015 erheblich zugelegt und beträgt mittlerweile rund 34%. Bei den anderen in den DAX-Segmenten notierten Unternehmen verharrt er nur knapp über 20%. Das wichtigste Indiz dafür, dass sich ohne Quote allenfalls punktuell etwas tut, ist: In den Vorständen, für die allesamt noch keine Quote gilt, bewegt sich der Frauenanteil um die 10%. Im Lager der Unternehmen mit der AR-Quote ist er seit 2015 nur unwesentlich stärker geklettert bzw. liegt kaum höher (10,8%) als im Lager (8,9%) der Unternehmen ohne AR-Quote. "Damit ist eine stabile Männerquote von 90% weiterhin gesichert", bilanziert FidAR.

Nicht umsonst hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) Anfang dieses Jahres einen Gesetzentwurf für eine verschärfte Frauenquote vorgelegt. Dieser sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern und mindestens vier Vorstandsmitgliedern künftig mindestens eine Frau im Vorstand haben müssen. Giffey hatte ihre Quote für Vorstände mit dem hohen Anteil von Unternehmen, die sich eine Zielquote Null für den Vorstand setzen, begründet: "Nur mit freiwilligen Bekenntnissen kommen wir nicht weiter."

Frauenquote: Status quo und Zielgrößen
Unternehmen aus der Immobilienbranche tun sich meist schwer mit freiwilligen Zielvorgaben für Frauenquoten - Status quo und Zielgrößen für Frauenanteile auf den operativen Führungsebenen ausgewählter Immobilienunternehmen in Deutschland: zum PDF

An der Quote scheiden sich die Geister. Heike Gündling, früher u.a. COO bei Bilfinger Real Estate und heute Managing Director bei Eucon Digital, ist ganz bei Giffey: "Ich bin für die Quote. Gegen eine schwere Krankheit hilft nur ein schweres Medikament. Wenn man so will, kommen ja auch Männer in der Immobilienbranche oft genug wegen einer - ungeschriebenen - Quote zum Zug: weil sie irgendwann einfach mal dran sind. Nicht jeder Mann in einer Führungsposition macht einen Superjob." PR-Frau Rösch hält dagegen: "Eine Quote bringt nichts. Besser ein mittleres Management für Nachbesetzungen aufbauen. Ich habe in meiner Laufbahn Frauen erlebt, die wegen einer Quote mehrere Hierarchieebenen übersprungen haben - und dann zu kämpfen hatten; sie waren einfach noch nicht bereit."

In den Unternehmen hat die Quote wenige Freunde

Auch die allermeisten Unternehmen zeigen sich wenig begeistert von der Vorstellung fester Frauenanteile für operative Führungsebenen. Swiss Life Asset Managers etwa ist zwar "überzeugt, dass gemischte Teams besser performen". Aber: "Eine starre Quote erachten wir nicht als förderlich." Lieber versuche der Asset-Manager, "durch eine breite Förderung auf allen Ebenen des Unternehmens zu erreichen, dass der Pool von potenziellen Kandidatinnen für Führungsaufgaben immer größer wird und es somit automatisch mehr Frauen in Führungspositionen geben wird." Der Projektentwickler Consus begründet seine Ablehnung einer fixen Zielvorgabe damit, dass eine solche "die ohnehin schwierige Fachkräftesuche weiter einschränken würde". Zudem sei eine Quote auch für die Frauen selbst ein vergiftetes Geschenk: "Unsere weiblichen Führungskräfte haben viele eigene Akzente eingebracht. Dabei mussten sie nicht mit dem Makel von Quotenfrauen kämpfen, sondern werden als qualifizierte Mitglieder des Teams verstanden, sodass die Zusammenarbeit mit den Männern bestens funktioniert."

"Krisen werden gern dafür genutzt, einen Backlash einzuleiten"

Aus Giffeys Quote für Vorstände wird aber ohnehin wahrscheinlich erst einmal nichts. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) drohte laut einem Medienbericht, gegen einen Kabinettsbeschluss zu stimmen. Den Firmen sollten in der Krise weitere Belastungen erspart bleiben. Da ist es fast schon Ironie, dass Altmaiers Ministerium die Schirmherrschaft bei FiF innehat. Gündling warnt: "Krisen werden gern dafür genutzt, einen Backlash einzuleiten. Natürlich hat sich beim Thema Frauen in Führung in der Vergangenheit was getan. Aber speziell die Immobilienbranche ist immer noch sehr männerlastig. Da besteht einfach die Sorge, dass dieses zarte Pflänzchen jetzt in der Krise wieder verdorrt."

Die Krise ist jetzt schon Gift für dieses Pflänzchen. Laut der Hans-Böckler-Stiftung sind Männer und Frauen zwar in etwa gleich stark von Kurzarbeit betroffen. Doch die Frauen haben ihre Arbeitszeit wegen geschlossener Schulen und Kitas deutlich öfter (zusätzlich) reduziert. Dabei setzt sich nicht nur die Arbeitsteilung von vor der Krise fort. Vier von zehn Elternpaaren, die sich die Erziehungsarbeit vorher ungefähr gleich aufteilten, sind zu alten Rollenmustern zurückgekehrt.

"Corona macht die Mängel wieder sichtbar"

Was die Studie anhand von knapp 8.000 Erwerbstätigen zeigt, nimmt Izabela Danner täglich in ihrem Netzwerk wahr. "Die traditionellen Rollen werden wieder oft klassisch gelebt, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht", beobachtet die ehemalige Geschäftsführerin von JLL Deutschland. "Der Mann hängt den ganzen Tag in den Telkos - und die Frau natürlich auch. Denn wer die Verfügbarkeit für den Job nicht gewährleistet, ist ganz schnell weg vom Fenster." Für Frauen ohne Familie ist es vielleicht egal, wenn sie in Corona-Zeiten von morgens bis abends in Zoom-Meetings hängen. "Aber", betont Danner, "wenn kleinere Kinder da sind, dann läuft die Versorgung vorrangig bei den Müttern mit. Für viele ist die Belastung unerträglich geworden."

Danner erzählt von berufstätigen Frauen aus ihrem Bekanntenkreis: "Sie fangen teils um 5 Uhr morgens an - und wenn die Kinder schlafen, müssen sie aufholen, was sie den Tag über nicht geschafft haben. Corona macht die Mängel unserer Arbeitswelt wieder sichtbar - und vor allem klar, dass der Job nicht aus dem persönlichen Kontext herauslösbar ist." So manche Frau droht karrieretechnisch abgehängt zu werden: "Viele Entscheidungen müssen in der Krise schnell getroffen werden; da greift man automatisch zur starren Hierarchie oder zu denen, die rund um die Uhr verfügbar sind. Und das sind in unserer Branche besonders oft Männer."

Wie viele Frauen an der Spitze von Immobilienfirmen stehen, zeigt unsere IZ-Tabelle.

Details zur Initiative unter: www.frauen-in-fuehrung.info

Harald Thomeczek