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ESG-Experten haben viele Gesichter

V.l.n.r.: Giulia Peretti (Real I.S.), Marco Helbig (IC Immobilien), Madlen Fiedler (Hansainvest Real Assets), Werner Harteis (Wealthcap) und Viola Joncic (Commerz Real).

V.l.n.r.: Giulia Peretti (Real I.S.), Marco Helbig (IC Immobilien), Madlen Fiedler (Hansainvest Real Assets), Werner Harteis (Wealthcap) und Viola Joncic (Commerz Real).

Bildquellen: Real I.S., IC Immobilien, Hansainvest Real Assets, Wealthcap, Commerz Real

Karriere 29.07.2021
Ob Offenlegungsverordnung, EU-Taxonomie oder Green-Finance-Anforderungen: Die ESG-Regulatorik verschont die Immobilienbranche nicht. Anleger geben den Druck, den die europäischen ... 

Ob Offenlegungsverordnung, EU-Taxonomie oder Green-Finance-Anforderungen: Die ESG-Regulatorik verschont die Immobilienbranche nicht. Anleger geben den Druck, den die europäischen Regulatoren entfachen, direkt an ihre Fondsmanager und Dienstleister weiter. Diese lassen sich unterschiedliche Lösungen für die Besetzung von ESG-Rollen einfallen.

Fonds- und Investmentmanager, Asset- und Property-Manager sowie alle anderen Marktteilnehmer, die sich dieser Aufgabe stellen müssen, eint eine Erkenntnis: "Fix und fertige ESG-Experten existieren nicht", sagt Werner Harteis. "Der eine ist mehr strategisch unterwegs, der andere steckt mehr in den Prozessen drin - und selbst wenn Sie einen Umweltingenieur haben, deckt der auch nur einen Teil des Themas ab." Harteis leitet beim Fondsanbieter Wealthcap das Risikomanagement und verantwortet bei der HVB-Tochter seit gut einem Jahr zusätzlich den Bereich Environmental and Social Governance (ESG) auf der Unternehmensebene.

Der Grund für diese Vielfalt: Den einen klassischen Königsweg zum ESG-Profi gibt es nicht. "Studieren kann man das - noch - nicht", sagt Madlen Fiedler, die bei Hansainvest Real Assets für ESG-Themen zuständig ist. Viele, die sich damit auskennen, haben sich ihr Wissen selbst angeeignet. Das sind Generalisten, Allrounder", sagt Fiedler. Und das sollen sie auch sein: "Man muss das A bis Z der Immobilie bedienen können, weil man an den Schnittstellen sitzt - da braucht es Praxisleute; allein mit der Theorie kommt man da nicht weit."

Beim Recruiting ist Flexibilität gefragt

Kathrin von Hardenberg, Geschäftsführerin der Personalberatung Indigo Headhunters, rät Immobilienunternehmen, beim Recruiting von ESG-Experten Flexibilität zu zeigen. "Klassische Eins-zu-eins-Besetzungen wie z.B. im Investment- oder im Asset-Management sind hier meistens nicht möglich." Kandidaten, die

hier reüssieren möchten, sollten sich mit der Finanzindustrie ebenso gut auskennen wie mit dem Pariser Klimaabkommen und CO2-Budgets. Und sollten in der Lage sein, all dies auf ganz konkrete Immobilien übertragen zu können:

Wann droht ein Gebäude auf dem langen Weg zur Klimaneutralität die vorgegebene Messlatte zu reißen? Und mit welchen Investitionen kann der Asset-Manager es auf den rechten Pfad zurückführen?

ESG-Profis sollten dabei nicht nur langfristige Risiken im Blick behalten. Aktuelles Beispiel Starkregen/Überschwemmungsgefahr: "Das ist Teil unserer Sustainability Due Diligence", sagt Viola Joncic, die bei Commerz Real den Nachhaltigkeitshut aufhat. "Was gekauft wird, entscheidet am Ende das Fondsmanagement; aber wir helfen dabei, die Risiken abzuwägen." Dazu gehört auch die Frage: "Wie hoch sind die Prämien, wenn ich ein Risiko versichern möchte - und ist das noch bezahlbar? Es gab schon Gebäude, die wir nicht gekauft haben, weil die Versicherungsprämien zu hoch waren."

Und dann sind da ja noch das S und G in ESG. Unter dem S werden z.B. Spenden und Sponsorings sozialer Einrichtungen verbucht, aber auch Investments z.B. des offenen Publikumsfonds Hausinvest in geförderte bzw. als bezahlbar geltende Wohnungen oder alles, was den Mitarbeitern zugute kommt, etwa mobiles Arbeiten oder Jobfahrräder. Das G der guten Unternehmensführung indes ist am schwersten zu fassen bzw. zu messen. Es bezieht sich vor allem auf Richt- und Leitlinien der UN, des deutschen Fondsverbands BVI und des Instituts für Corporate Governance der Immobilienwirtschaft (ICG).

Klar ist: "ESG ist ein weites Feld, man muss interdisziplinär arbeiten können und in der Lage sein, von einer Stunde auf die andere in einer anderes Themengebiet zu springen und viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Außerdem ist Kommunikation extrem wichtig, auf allen Ebenen: vom Vorstand bis zur operativen Fachabteilung, die die Dinge am Ende umsetzt", beschreibt Joncic ihre täglichen Herausforderungen.

Diese Herausforderung, ESG bei sich zu verankern, lösen die Immobilienunternehmen auf ganz unterschiedliche Weise: Die einen rekrutieren extern, z.B. bei Beratungsgesellschaften, andere vertrauen auf hauseigene Ressourcen. Bei den einen trägt ESG ein einzelnes Gesicht, die anderen stellen ganze Teams zusammen.

Beispiel Wealthcap: Die HVB-Tochter hat eine zwölfköpfige ESG-Mannschaft mit Spielern aus allen Abteilungen aufgestellt: Asset- und Fondsmanagement, Real Estate und Alternative Investments, Risiko- und Prozessmanagement, Finanzierung, Kommunikation etc.

Die Kollegen widmen einen erklecklichen Teil ihrer Arbeitszeit ihrem Zweitjob - "30% bis 70%", meint Harteis, der mit seiner Zweitrolle selbst "mindestens die Hälfte" seiner Zeit verbringt. Sie behalten aber auch ihre bisherigen Rollen. "Uns war wichtig, dass wir die Themen in die gesamte Organisation reinbringen", so Harteis.

Das scheint ziemlich gut zu funktionieren, denn mittlerweile würden immer mehr Kollegen mitmischen wollen: "In Meetings treffen wir uns inzwischen teilweise mit 20 Leuten. Da muss man schon ein bisschen auf die Disziplin achten."

Bei einer anderen Bankentochter dagegen, Commerz Real, zieht Viola Joncic als Head of Sustainability full-time und hauptamtlich die ESG-Strippen. Joncic wurde von Deloitte abgeworben: Die einschlägigen Beratungsgesellschaften gelten mit als Vorreiter der ESG-Bewegung. Real I.S., Immobilienfondstochter der Bayern LB, hat sich mit Giulia Peretti ebenfalls für eine externe Lösung entschieden. Peretti kam vom Ingenieurbüro Werner Sobek, wo sie Teamleiterin für Nachhaltigkeit, Bauphysik und Zertifizierung war, und brachte Erfahrung als DGNB-Auditorin und Sachverständige für nachhaltiges Bauen mit.

Eine interne Beförderung wählten der Asset-Manager Hansainvest Real Assets, der zur Signal-Iduna-Gruppe gehört, und IC Immobilien. Hansainvest übertrug Fiedler als Abteilungsleiterin Property-Management zusätzlich die ESG-Verantwortung. Damit sie sich künftig im Schwerpunkt um ihre neue Rolle kümmern kann, soll sie das Property-Management an einen separaten Abteilungsleiter abgeben, der noch eingestellt werden soll.

Ähnlich wie die Signal-Iduna-Tochter machte es der Property-Manager IC Immobilien. Getrieben von den Anforderungen ihrer Kunden, die sich ihrerseits mit wachsenden regulatorischen Ansprüchen konfrontiert sehen, machte die IC-Geschäftsführung Marco Helbig, bereits Leiter Prozessmanagement bei IC, auch noch zum Head of ESG. "Um das Thema zu treiben, müssen Sie jemandem den Hut aufsetzen, der sich verantwortlich fühlt", sagt Michael Stüber, Geschäftsführer der IC Immobilien Holding.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ESG in Immobilienfirmen eher stiefmütterlich behandelt wurde. Ganz darum herum kam man nicht, allzu viel sollte die Beschäftigung mit diesen Non-Profit-Dingen aber nicht kosten. So wurden gern auch euphorische Youngster, die vielleicht keine 120.000 Euro im Jahr verlangen, sondern sich schon mit 65.000 Euro bescheiden, auf das Thema angesetzt - mehr als Feigenblatt denn als echte Transformationsbegleiter.

"Nehmen Sie das Zepter in die Hand!"

Diese Zeiten sind vorbei: ESG ist profitrelevant geworden, Jobs in der Immobilienbranche sprießen seit ein, zwei Jahren wie die Pilze aus dem Boden. Gutes tun und Karriere machen schließen sich nicht mehr aus: "Im Gegensatz zu einer NGO oder zur Wissenschaft kann ich in der Wirtschaft unmittelbar Wirkung erzielen - und das zu einer ordentlichen Bezahlung und mit einem unbefristeten Vertrag", sagt Joncic.

Wer Karriere in Sachen ESG machen will, sollte nicht zögern: "Wer sich wirklich für das Thema interessiert, dem sei gesagt: Es gibt da draußen nicht viele Leute, die weiter sind als Sie selbst. Wenn Sie frühzeitig die Hand heben, haben Sie hier gerade gute Chancen", prophezeit Headhunterin Hardenberg. Wichtiger als Zusatzausbildungen (z.B. bei der DVFA, der DGNB oder an der EBS) sei der richtige Spirit: "Nehmen Sie das Zepter in die Hand! Arbeiten Sie an ESG-Initiativen mit, vernetzen Sie sich mit Interessierten aus anderen Unternehmen und werden Sie visibel, indem Sie sich z.B. auf Panels setzen, ob virtuell oder analog."

ESG-Mann Helbig von IC Immobilien hat genau das getan, wie sein Geschäftsführer Michael Stüber berichtet: "Marco hat sich uns aktiv aufdrängt. Er hat ein ganz persönliches Interesse an dem Thema, nicht zuletzt, weil er selbst Kinder hat. Es ist wichtig, dass sich jemand mit ESG identifiziert, nur dann kann er andere mitnehmen." Die nötige fachliche Qualifikation brachte Helbig offensichtlich auch mit: Den Personalmarkt scannte Stüber nämlich gar nicht erst nach externen Lösungen ab.

Der Bedarf an ESG-Experten wächst. Fiedlers Team bei Hansainvest beispielsweise soll mittelfristig von zwei auf fünf Kollegen anwachsen.

Denn die Aufgaben nehmen in der Breite und Tiefe zu: Sie reichen vom Abschluss günstiger Stromrahmenverträge und der Zentralisierung des Abfallmanagements über diverse datengesättigte Reportings an Signal Iduna und die Erstellung eines ESG-Katalogs für die Ankaufs-Due-Diligence bis hin zum Verkäufer-Screening im Rahmen der Bonitätsabfrage bei Creditreform: "Wir sind in Gesprächen, das auszubauen."

Harald Thomeczek

Zwischen Quotenfrau und Superwoman

Frauen, die in der Immobilienbranche reüssieren wollen, müssen schon - so will es manchmal scheinen - über Superkräfte verfügen.

Frauen, die in der Immobilienbranche reüssieren wollen, müssen schon - so will es manchmal scheinen - über Superkräfte verfügen.

Quelle: Fotolia.com, Urheber: lassedesignen

Karriere 19.10.2017
Ohne Mithilfe der Arbeitgeber wird flächendeckende Chancengleichheit für Frauen in der männlich geprägten Immobilienbranche eine schöne Idee bleiben. Dass Frauen, die Karriere machen, ... 

Ohne Mithilfe der Arbeitgeber wird flächendeckende Chancengleichheit für Frauen in der männlich geprägten Immobilienbranche eine schöne Idee bleiben. Dass Frauen, die Karriere machen, mitunter als Quotenfrauen verschrien sind, gehört zu den unvermeidlichen Kollateralschäden des Wandels. Unternehmen, die diesen aktiv gestalten, tun sich selbst einen Gefallen.

Pinkelpause bei einem global operierenden Immobilien-Investment-Manager. Die Herren, die der Natur gemeinsam freien Lauf lassen, sind in schlechter Stimmung: Wieso denn die Wahl nicht auf einen von ihnen, sondern ausgerechnet auf Frau x gefallen sei? Kann ja wohl nur daran liegen, dass hier - ganz dem Zeitgeist entsprechend - jetzt auch mal eine Frau an der Spitze stehen soll. Der neuen Chefin haftete nun das Stigma an, dass sie den Posten nur bekommen hat, weil sie eine Frau ist.

Das Unternehmen, um das es in obiger Anekdote, die der IZ aus zuverlässiger Quelle zugetragen wurde, gibt Frauen zunehmend Zugang zu Entwicklungsprogrammen und damit auch zu Talent-Pools für eine langfristige Nachfolgeplanung. So gesehen ist Frauenförderung ein zweischneidiges Schwert: Frauen in Spitzenpositionen gelten schnell als Quotenfrau - und meinen womöglich, Superwoman sein zu müssen, um jeden Zweifel über die Berechtigung ihrer Berufung zu ersticken.

"Solange das Frausein ein Thema ist, so lange werden Frauen denken, dass sie eine Extrameile gehen müssen. Und es reicht ja schon, dass sie das denken", sagt Tobias Just, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der Irebs-Akademie, der von Berufs wegen viel mit karrierebewussten Frauen zu tun hat. Doch so zu tun, als würde sich das mit der Gleichstellung von alleine regeln, weil Unternehmen es sich angesichts von demografischem Wandel und - von vielen Arbeitgebern beklagtem - Fachkräftemangel heute eh nicht mehr leisten könnten, sich Potenzialträger gleich welchen Geschlechts entgehen zu lassen, geht an der Realität vorbei. "Wir sind mit Sicherheit noch nicht da, wo wir sein sollten: dass diskriminierungsfrei allein auf Erfolgsbeiträge, Qualifikation und Kompetenz geachtet wird", ist sich Just sicher.

Vor allem Führungsposten werden oft auf informellem Wege vergeben. Da sei im Vorteil, "wer Zugang zu den Old Boys' Networks hat. Deshalb bekommen Sie von mir ein klares Ja für die Frauenquote. Erst dann wird sich was in den Vorstandsetagen ändern", sagt Jovita Galster-Döring, Vorstandsmitglied des Vereins Frauen in der Immobilienwirtschaft.

Erika Werres, Leiterin Planen und Entwicklung bei der WvM Immobilien und Projektentwicklung in Köln, hält nichts von einer Frauenquote. Sie sieht den Knackpunkt woanders: "Das ist in meinen Augen nicht der richtige Ansatz. Viel wichtiger ist, dass die Bezahlung in gleichen Positionen angeglichen wird." Nur so würden, sobald die Familienplanung ansteht, nicht mehr wie bisher oft automatisch die Frauen zuhause bleiben, "sondern sicher auch ein paar mehr Männer die Erzieherrolle übernehmen bzw. in Teilzeit arbeiten".

22% - so viel verdienen Frauen laut dem "Women in Work Index" von PwC weniger als Männer. Geht es mit der bisherigen Geschwindigkeit weiter, dauert es bis zum Jahr 2297, bis sich die Lohnlücke schließt. In Zahlen wie diesen kommt auch zum Ausdruck, dass sich Frauen tendenziell für schlechter bezahlte Branchen bzw. Berufe entscheiden, länger in Elternzeiten gehen und seltener in Führungspositionen anzutreffen sind etc. Bereinigt liegt die sogenannte Gender Pay Gap in Deutschland zwischen ca. 2% und 7%, je nachdem, wer es berechnet und wie er das macht.

Headhunter, die Positionen in der Immobilienbranche besetzen und mit denen die IZ gesprochen hat, bejahen, dass es natürlich auch in der Immobilienwirtschaft eine Gender Pay Gap gibt. Sie beziffern das Delta auf durchschnittlich 5% bis 15%. Wohlgemerkt: auf vergleichbaren Positionen. "Das Gehalt für eine vakante Position ist ja nicht von Anfang an in Stein gemeißelt. Es gibt eine Bandbreite, innerhalb der sich der Arbeitgeber und die Kandidaten bewegen", sagt Kathrin von Hardenberg, Gründerin und Geschäftsführerin von Indigo Headhunters aus Frankfurt. Und diesen Spielraum nutzen männliche Bewerber eben entschlossener aus als weibliche.

"Kein Kunde von uns stellt sich hin und sagt, wir zahlen der Frau maximal nur das und das, einem Mann würden wir aber grundsätzlich mehr zahlen", ergänzt Richard-Emanuel Goldhahn, Deutschland-Geschäftsführer von Cobalt Recruitment. Dass Frauen weniger verdienen, führt auch Goldhahn darauf zurück, dass "sie meist auch weniger fordern, schon beim Berufseinstieg". Und dieser Rückstand potenziere sich natürlich mit der Zeit.

Ein weiteres, zugegeben ziemlich vages, Indiz dafür, dass die Chancengleichheit der Geschlechter trotzdem auch und insbesondere in der Immobilienwirtschaft noch nicht flächendeckend Realität ist, ist die ungleiche Gewichtung der Frauen- und Männeranteile auf einschlägigen Branchenveranstaltungen. Auf dem IZ-Karriereforum, einer Jobbörse vor allem für Nachwuchskräfte, sieht man nicht weniger junge Damen als Herren. Doch auf der großen Expo Real und noch mehr auf der Mipim in Cannes, wohin vor allem Führungskräfte reisen dürfen, ist das männliche Übergewicht schier erdrückend.

Selbst in Unternehmen, die ein mehr oder weniger ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in der Gesamtbelegschaft haben, neigt sich die Waage immer mehr Richtung Mann, je höher hinauf es geht. Warum ist das so? Und wann wird es sich ändern? "Das wird sich erst dann ändern, wenn wirklich alle Unternehmen aktiv Frauenförderprogramme anbieten", sagt Galster-Döring. Denn Frauen seien in ihrer Karriere "strukturell benachteiligt, häufig unbeabsichtigt und unbewusst". Sie würden bei gleicher Leistung schlechter beurteilt und seltener für Führungspositionen vorgeschlagen. Ihnen werde, auch aufgrund mangelnder Vorbilder, weniger zugetraut - ein Teufelskreis.

Ein Vergleich der Frauenanteile der Weiterbildungsstudiengänge an Justs IrebsAkademie einerseits und im universitären Erststudium andererseits legt den Verdacht nahe, dass Frauen tatsächlich nicht ähnlich stetig unterstützt werden wie Männer. So liegt z.B. der Frauenanteil im Kontaktstudium Immobilienökonomie im Schnitt der letzten Jahre bei nicht einmal einem Drittel, während der entsprechende Wert im Studiengang Master of Real Estate am Irebs Institut für Immobilienwirtschaft an der Uni Regensburg im Mittel der letzten Jahre rund 50% beträgt.

Strategien zur Karriereentwicklung von Frauen haben bislang nur verschwindend wenige Arbeitgeber ausgearbeitet, wie unlängst eine Umfrage von Kenneweg Property Personalberatung bestätigte. "Ich kann nicht erkennen, dass es einer besonderen Frauenförderung bedarf", sagt Anita Bellmann, Leiterin Konzernpersonalabteilung der Immobiliengruppe Rhein-Neckar mit ca. 1.000 Mitarbeitern, zu der auch der Mannheimer Property- und Facility-Manager Treureal gehört. "Und Frauen machen bei uns auch genauso Karriere wie Männer. Wer die entsprechenden Kompetenzen mitbringt, bekommt auch seine Chance", versichert Bellmann. Für einen wichtigen Aspekt der Mitarbeiterbindung hält Bellmann Vertrauensarbeitszeit: die Freiheit, sich seine Zeit selbst einzuteilen. Dies umfasse auch die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten - ohne dadurch Nachteile zu erleiden.

Geschlechterspezifischen Programme, die auf eine Führungslaufbahn vorbereiten, sucht man auch beim Facility-Manager Piepenbrock vergebens. Und "dafür sehen wir auch in der Zukunft keinen Bedarf", sagt Claudia Schopf, Leiterin Personalentwicklung und Recruiting. Dafür bietet der Osnabrücker Gebäudedienstleister angehenden Führungskräften aller Art Seminare mit Modulen zu Selbstführung, Mitarbeiterkommunikation oder zur Weiterentwicklung vom Kollegen zum Vorgesetzten an.

Auch Deutschlands größter Immobilienentwickler, die Zech-Gruppe, hat kein Programm zur Frauenförderung aufgelegt. Allerdings besteht das Immobilienimperium von Zech aus vielen unternehmerisch selbstständigen Einheiten, die zwar kapitalseitig mit der Management-Holding verbandelt sind, aber sonst weitgehend ihr eigenes Ding machen. Der Projektentwickler und Asset-Manager Art-Invest Real Estate Management ist mit aktuell 136 Mitarbeitern schon eines der großen Häuser unter dem Zech-Dach. Für ein regelrechtes Frauenförderprogramm ist Art-Invest aber offenbar immer noch zu klein. Rüdiger von Stengel, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter, hält dergleichen jedenfalls für entbehrlich, weil "wir sowieso nur auf die Leistung gucken".

Dass Frauen es in einer technik- und baulastigen sowie angeblich netzwerkbedürftigen Profession wie der Projektentwicklung schwerer haben könnten als Männer, mag der Art-Invest-Chef nicht recht glauben: "Wir haben bislang nur gute Erfahrungen mit Frauen gemacht, auch in der Projektleitung!" Und die Sache mit der Vereinbarkeit? "Die technische Leiterin arbeitet auf Vier-Tage-Basis." Termine könne man planen - zumal, wenn man wie Art-Invest als Bauherr am längeren Hebel sitze. "Ist doch alles machbar. Niemand muss Meetings nach 17 Uhr abhalten. Und mit der ganzen Elektronik kann man auch mal abends seine Mails abarbeiten." Die mangelnde Präsenz von Frauen insbesondere auf höheren Etagen führt von Stengel nicht zuletzt darauf zurück, dass "Frauen oft der entscheidende Wille zum Führen fehlt".

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ein männlicher Wettbewerber in der Regel keine Angst vor einer Doppelbelastung haben muss, weil er - wenn er denn Kinder hat - diese in aller Regel an seine Frau delegiert. "Wir stellen fest, dass die Väter in der Regel zwei Monate Elternzeit nehmen und der Löwenanteil immer noch von Frauen getragen wird. Zusätzlich sind es in den allermeisten Fällen die Frauen, die in Teilzeit zurückkehren", sagt Sandra Scholz, Vorstandsmitglied der Commerz Real.

Der Fondsmanager fördert Betriebskitas und vermittelt Betreuungsplätze, und auch in Notfällen springe man den Eltern bei. "Wir kommen unseren Mitarbeitern auch bei der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsort entgegen. Mit den neuen Medien ist das heute sehr viel einfacher." Bestimmte Tage für Home-office zu reservieren, erlaube eine Vielzahl der Tätigkeiten: "Für Kundentermine und Meetings müssen feste Tage im Büro definiert werden", so Scholz.

Katrin Eming schafft es offenbar ganz gut, in der Immobilienwirtschaft auch mit Kind Karriere zu machen. Eming ist SeniorProjektentwicklerin und Geschäftsführerin einer Projektgesellschaft der Wohnkompanie NRW, die auch zur Zech-Gruppe gehört. Die 38-Jährige hat einen 36-Stunden-Vertrag - und einen "durchgeplanten Tagesablauf". Dass es mit Kind und Karriere klappt, liegt nicht zuletzt daran, "dass ich in der Funktion als Geschäftsführerin und Bauherrin einen größeren Spielraum habe, dass ein funktionierendes Team hinter mir steht und mein Job nicht nur vom Schreibtisch aus erledigt werden kann."

Nicht jede Immobilienfrau, die Kinder bekommt, bleibt in der Branche treu. So entpuppt sich die 35-jährige Personalberaterin Dorothee de la Camp im Gespräch selbst als studierte Immobilienspezialistin. Ihre alte Tätigkeit im Asset-Management konnte die zweifache Mutter nur schwer in Teilzeit fortführen. Sie wandte sich daher an die Personalberatung Kollmannsperger Executive Search, die sie schon in der Vergangenheit besetzt hatte. Managing Partner Jutta Heusel fand zwar keine passende (Teilzeit-!) Stelle in der Immobilienbranche für de la Camp, stellte die ihr bereits gut bekannte Kandidatin dafür aber selbst ein.

Iris Dilger hat keine Kinder: "Ich hatte immer die Möglichkeit, mich voll auf den Job zu konzentrieren. Dies war sicherlich auch ein Grund, warum ich es zu meiner Position bringen konnte." Dilger gründete mit der Zech-Gruppe die Wohnkompanie Rhein-Main. Vorher baute sie beim ehemaligen Hochtief-Wohnentwickler formart die Frankfurter Niederlassung auf. Sie fühle sich manchmal schon als Quotenfrau, bekennt sie scherzhaft.

Sie kenne viele Frauen, so Dilger, die Karriere machen wollten, aber scheiterten: "Erfolgreiche Frauen mit Kindern - ob in der Immobilien- oder einer anderen Branche - zerreißen sich! Und haben am Ende doch nur das Gefühl, dass sie beiden Aufgaben nicht gerecht werden ..." Über sich selbst sagt Dilger ehrlich: "Ich hätte nicht mit Kindern meine Karriere machen können oder auch wollen." Ein(e) Projektentwickler(in) lebe vom Netzwerk: "Als Projektentwicklerin muss man Grundstücke finden. Der Makler muss als erstes an mich denken - und damit er das tut, muss ich bekannt sein." Ein-, zweimal die Woche abends auf Networking-Veranstaltungen zu gehen, helfe.

"Das Thema Vereinbarkeit stellt sich für viele Frauen gar nicht, weil sie keine Kinder haben", stellt Heusel, die vor allem erfahrene Spezialisten und Führungsfiguren zu ihren Mandaten lotst, fest. Denn nur ca. jede fünfte Frau, die sie vermittelt, hat Kinder. "In der Immobilienwirtschaft geht es um viel Geld, da sind lange Arbeitszeiten eine Selbstverständlichkeit." Wer Nine to Five arbeiten will bzw. muss und keine (oder nicht allzu viele) Überstunden schieben will bzw. kann, wird nicht bedacht, wenn höhere Weihen verliehen werden. Die Männer, die die Branche dominieren, sind lange Arbeitszeiten gewohnt, und erwarten das auch von anderen.

"Die Bereitschaft, Teilzeitstellen zu schaffen, ist in der Branche insgesamt immer noch relativ schwach ausgeprägt und sehr ungleich verteilt", konstatiert Thomas Beyerle, Group Head of Research von Catella, der 2012 die erste Studie zu Frauen in der deutschen Immobilienbranche vorlegte. Immobilienfrauen mit Kindern wechseln deshalb gerne in den öffentlichen Dienst. Bedarf hat etwa der Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen (BLB NRW), der dem Landesgleichstellungsgesetz verpflichtet ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich der Anteil weiblicher Beschäftigter auf allen Ebenen mit strammen Schritten der 50%-Marke nähert.

Die Frauenförderpläne des Landesunternehmens sehen u.a. vor, dass Laptops für Heimarbeit bereitgestellt, "höherwertige Tätigkeiten" gezielt auch an teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen übertragen oder mindestens 50% Frauen zu "Potenzialanalyseverfahren" zugelassen werden. "Bei weiblichen Potenzialträgerinnen machen wir aber nix anderes als bei den männlichen auch", versichert Geschäftsführerin Gabriele Willems. "Wir achten nur darauf, dass es pari pari ist. Denn von selbst bewerben sich viel zu wenige Frauen aus den eigenen Reihen auf Führungspositionen."

Natürlich sind längst auch in privaten Unternehmen jede Menge Frauen zu finden: Von Stengels Art-Invest weist einen Frauenanteil von 45% auf, und bei der börsennotierten CA Immo mit 370 Mitarbeitern arbeiten mehr Frauen als Männer. Doch unter den Führungskräften ist bei Art-Invest nur noch jeder vierte Kopf ein weiblicher, und auch bei der CA Immo lag der entsprechende Wert Ende 2016 auch nicht viel höher (30%).

Dabei gibt sich der Gewerbeimmobilienentwickler laut Personalchefin Katharina Wild-Pelikan Mühe, Menschen mit Kindern über flexible Arbeitszeiten, Home-office oder Teilzeitbeschäftigung auch in leitenden Positionen entgegenzukommen. Bei der Nachbesetzung von Führungspositionen werden Mitarbeiterinnen aus den eigenen Reihen aktiv angesprochen, denn "Frauen tendieren dazu, etwas zurückhaltender zu sein, gerade wenn Nachwuchs da ist", so Wild-Pelikan. Im Recruiting-Prozess suche man ebenfalls gezielt nach Frauen: "Männer sind oft besser vernetzt." Und werden Kandidaten als gleich gut bewertet, wird bewusst weiblichen Bewerbern der Vorzug gegeben.

Headhunterin von Hardenberg kann bestätigen, dass manche Kunden sich für bestimmte Positionen mittlerweile explizit Frauen wünschen. Dennoch kommt auch sie um die Feststellung nicht herum: "Natürlich gehen viele Frauen auf der Karriereleiter verloren." Ein Grund für den Schwund: "Der nächste Karriereschritt ist in Teilzeit oft nicht machbar." Damit das nicht so bleibt, müsse sich in den Köpfen der Führungskräfte etwas ändern.

"Große Fortschritte hat es seit meinen eigenen Mutterschaftsurlauben vor über 30 Jahren nicht gegeben: Längere Auszeiten nehmen immer noch die Mütter. Und diese sind es auch, die oft in der Teilzeitfalle landen", sagt Bärbel Schomberg, die einzige Frau im achtköpfigen Vorstand des Verbands Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA). Viele Unternehmen nähmen sich zwar vor, mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen - "aber die wachsen ja nicht auf den Bäumen". Der ZIA plant daher, seinen Mitgliedern einen Werkzeugkasten fürs Diversity Management zusammenzustellen. Um zunächst eine fundierte Datengrundlage zu schaffen, hat er sich Unterstützung beim Fraunhofer-Institut geholt.

Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil der Führungsebene wirtschaften profitabler, besagen Studien. "Wenn wir von dieser Prämisse ausgehen, dann ist das gezielte Recruiting von Frauen die logische Konsequenz", sagt Sabine Wieduwilt, Partnerin bei der Kanzlei Dentons in Frankfurt. Aber stimmt die Prämisse überhaupt? Liesa Schrand ist dieser Frage in ihrer Doktorarbeit am Irebs Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg nachgegangen. Ja, Frauen in Spitzenpositionen von börsennotierten Immobiliengesellschaften haben einen positiven Einfluss - aber nicht etwa, wie die einschlägigen Studien besagen, auf bilanzielle Kennzahlen wie das operative Ergebnis. Doch an marktbasierten Kennzahlen sei dies sehr wohl abzulesen: "Investoren unterstellen, dass Frauen gut für die Corporate Governance sind - und honorieren einen erhöhten Frauenanteil darum mit einer höheren Bewertung der Aktie."

Harald Thomeczek