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Das Frauenquötchen

Diesen sieben Vorstandsfrauen bei börsennotierten Unternehmen der Immobilienwirtschaft im Dax, MDax und SDax stehen nach Recherchen der Immobilien Zeitung 73 männliche Kollegen gegenüber.

Diesen sieben Vorstandsfrauen bei börsennotierten Unternehmen der Immobilienwirtschaft im Dax, MDax und SDax stehen nach Recherchen der Immobilien Zeitung 73 männliche Kollegen gegenüber.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: kovalto1

Karriere 03.12.2020
Die Frauenquote für Vorstände kommt. Allerdings gilt die Mindestbeteiligung über alle Branchen hinweg nur für rund 70 Unternehmen. In der Immobilienbranche sind Hochtief und die ... 

Die Frauenquote für Vorstände kommt. Allerdings gilt die Mindestbeteiligung über alle Branchen hinweg nur für rund 70 Unternehmen. In der Immobilienbranche sind Hochtief und die W&V-Gruppe mit Wüstenrot betroffen. Die Chefetage von Deutsche Wohnen, immerhin im DAX notiert, hingegen darf frauenfrei bleiben.

Es war eine schwere Geburt, und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spielte den Geburtshelfer, als er sich vor wenigen Wochen überraschend für die Frauenquote in Vorständen aussprach. Der Widerstand in der Union, allen voran von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), war gebrochen. Es war auch an der Zeit. Seit fünf Jahren verpflichtet der Gesetzgeber im Führungspositionengesetz (FüPoG) rund 3.500 Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmt sind, dazu, sich selbst Ziele für Frauenanteile in ihren Führungsgremien zu setzen. Etwas mehr als 100 voll bestimmte Börsenunternehmen unterliegen seit 2015 einer fixen Geschlechterquote von 30% für die Aufsichtsräte. Trotzdem hat sich seither in den Vorständen herzlich wenig in Richtung Geschlechterparität getan. Dass der Quote für die Aufsichtsräte jetzt die Quote für die Vorstände folgt, ist darum keine Überraschung.

"Noch liegt kein Gesetzesvorschlag vor, deshalb wissen wir nicht genau, was auf welche Unternehmen zukommt", sagt Katharina Stüber, Rechtsanwältin bei der Kanzlei Allen & Overy in Frankfurt. Die Koalitionspartner, die sich nun im Grundsatz einig sind, stehen unter Zeitdruck: "Ist das Gesetzgebungsverfahren nicht bis spätestens Juni durch, käme die Quote in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr - und wäre gescheitert."

Anfang 2022 soll die Quote in Kraft treten

An die Rolle rückwärts glaubt nach Söders Positionierung niemand ernsthaft. Schließlich gibt auch die Kanzlerin den beiden SPD-Bundesministerinnen Franziska Giffey (Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Christine Lambrecht (Justiz) Rückendeckung. Der Fahrplan sieht so aus: Im Januar 2021 soll sich das Bundeskabinett mit der FüPoG-Novelle befassen. Im April 2021 soll das Gesetz verabschiedet werden, im Januar 2022 in Kraft treten. Fraglich ist allerdings noch die genaue Ausgestaltung, und der Teufel steckt bekanntlich im Detail.

Ob das, worauf sich die Große Koalition im Prinzip verständigt hat, direkt zu einer "angemessenen" Berücksichtigung von Frauen auf Top-Positionen führt, ist fraglich. Die Auswahlkriterien, auf die sich die Entscheider in der Politik geeinigt haben, sind nämlich ziemlich eng: Nur börsennotierte, paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern fallen unter die Vorstandsquote. Das erscheint willkürlich: "Ein innerer Zusammenhang zwischen den Kriterien der Börsennotierung und der paritätischen Mitbestimmung mit der Frauenquote besteht nicht", sagt Stüber. "Es ging darum, möglichst viele große Unternehmen zu erfassen, ohne die Welt neu sortieren zu müssen. Sonst hätte man ein Problem mit dem Timing bekommen." Große GmbHs zum Beispiel, selbst wenn sie tausende Mitarbeiter beschäftigen, fallen raus.

Betroffen sind 73 Börsenunternehmen

Nach einer Analyse der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (Fidar) erfüllen 73 Unternehmen in Deutschland alle drei Kriterien. Die 2015 eingeführte Frauenquote für die Aufsichtsräte börsennotierter und voll mitbestimmter Unternehmen gilt laut Fidar aktuell für 107 Unternehmen, nicht alle haben einen Vorstand mit mehr als drei Personen. Laut dem jüngsten Allbright-Bericht von September 2020 stehen in den Chefetagen der 160 Unternehmen in DAX 30, MDAX und SDAX exakt 671 Vorstandsstühle. "Nehmen wir eine Quote von 30% an, wären 201 Sitze für Frauen vorzusehen. Derzeit sind nur 68 Positionen in weiblicher Hand", rechnet Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG), vor.

Für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes soll eine Aufsichtsratsquote von 30% und eine Mindestbeteiligung in Vorständen gelten, wie auch bei Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nicht alle Unternehmen, die den Bund im Namen tragen, sind betroffen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) etwa, die die Rechtsform einer "bundesunmittelbaren, rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts" hat, fällt nach den derzeitigen Planungen nicht darunter.

Viele Ausnahmen

Aus der Immobilienwelt stehen auf der Liste von Fidar nur der Baukonzern Hochtief und Wüstenrot & Württembergische, die Dachgesellschaft der Bausparkasse Wüstenrot. Beide haben rein männlich besetzte Vorstände mit vier bzw. sieben Herren.

Die im DAX gelisteten Aktiengesellschaften Vonovia und Deutsche Wohnen fallen nicht unter die Quote.

Von der Frauenquote für Vorstände betroffene Unternehmen, die u.a. mit Tochtergesellschaften als Finanzierer, Asset- und Fondsmanager sowie Investoren eine Rolle in der Immobilienwirtschaft spielen, sind Commerzbank und Deutsche Bank, auch die Versicherer Allianz, Munich Re und Talanx.

Auch die Aareal Bank und der auf die Bau- und Immobilienwirtschaft spezialisierte Softwareentwickler Nemetschek, zwei Unternehmen aus dem MDAX, tangiert die Quote nicht, denn sie unterliegen nicht der vollen Mitbestimmung. Letzteres hat sich wie Deutsche Wohnen und Vonovia schon vor Jahren in eine europäische Aktiengesellschaft (Securitas Europaea, kurz SE) umgewandelt. Gewerkschaftern zufolge dient der Wechsel in die SE nicht selten dem Zweck, die Mitbestimmung zu umgehen. Immerhin: Zwei der vier Firmen haben eine bzw. zwei Frauen im Vorstand. Aroundtown, mit einem Immobilienbestand von 22 Mrd. Euro der größte börsennotierte Player auf dem deutschen Gewerbeimmobilienmarkt, ist ebenfalls nicht betroffen - das Unternehmen hat seinen Sitz in Luxemburg. Das Gleiche gilt für die 40%ige Aroundtown-Beteiligung Grand City Properties mit 63.000 Wohnungen in Deutschland.

Fidar sieht bei 32 Firmen Handlungsbedarf, darunter Hochtief und Wüstenrot & Württembergische. "Aufgrund der geringen Anzahl der relevanten Positionen ist sicher, dass genügend weibliche Top-Führungskräfte zur Verfügung stehen", urteilt Headhunter Werner Knips von Heidrick & Struggles mit Blick auf die Immobilienwirtschaft. "Bereits heute gibt es ausreichend weibliche Talente in den Funktionen CFO, HR, Legal und Digital." Er ergänzt: "Darüber hinaus lohnt immer die Frage, ob der aktuelle Zuschnitt der Vorstandsbereiche und somit die Job-Description für die zu besetzende Position den zukünftigen Zielen und Strategien des Unternehmens gerecht wird." Das ICG hat vor einigen Jahren ein Diversity-Programm aufgebaut und fördert Frauen etwa durch Mentoring sowie Weiterbildung und Vernetzung. "Ein Argument ist ja immer, man wisse nicht, wo man Kandidatinnen für Vorstand und Aufsichtsrat finden könne - nun, hier sind einige!", sagt Manuela Better aus dem Vorstand des ICG.

Auf eine Frau im Vorstand kommen neun Männer

Nur wenn ein Vorstandsmitglied eines nur mit Männern besetzten Gremiums ausscheidet, muss eine Frau an Bord geholt werden. Alternativ kann das Gremium um eine Position erweitert werden, die mit einer Frau besetzt wird. Befürworter der Quote hoffen auf einen Sinneswandel, der die Chefetagen erfassen soll. "Ich war jahrelang gegen die Quote. Wir wollen doch eine freie Wirtschaft und die besten Kräfte an der richtigen Stelle", sagt Anwältin Stüber. Doch die Selbstverpflichtung der Unternehmen hat nicht gefruchtet, wie eine Studie von Allen & Overy belegt. "Fünf Jahre nach der Einführung der freiwilligen Quote sind Frauen in den Vorständen kaum anzutreffen, und die meisten Unternehmen halten sich mit ehrgeizigen Zielen zurück."

Denn bei den seit 2015 geltenden Normen sind keine Mindestzielgrößen vorgegeben. Die Zielgröße null ist erlaubt, wenn damit nicht der Status quo unterschritten wird. Sanktionen sind bislang nicht vorgesehen. Das soll sich laut Referentenentwurf für das neue FüPoG ändern. Unternehmen, die sich auch künftig das Ziel null Frauen im Vorstand setzen, ohne dies gut zu begründen, drohen "empfindliche Bußgelder".

Speziell in der Immobilienwirtschaft ist der Einsatz der Brechstange anscheinend unumgänglich. Hier sind Frauen besonders selten auf dem Top-Level aufzufinden. Daran wollen viele Unternehmen auch nicht groß was ändern, wie die freiwilligen Zielsetzungen für Frauenanteile auf Führungsebenen zeigen (vgl. "Frauen an die Spitze", IZ 22/20). Von 24 Firmen in DAX, MDAX und SDAX, die man der Immobilienbranche zurechnen kann, haben 14 keine Frau im Vorstand, zeigt der September-Bericht der Allbright-Stiftung. Mit dem Ziel 0% Frauen im Vorstand sind u.a. Hochtief und Deutsche Wohnen verzeichnet.

Die Quote ist ein heikles Thema. Sonja Wärntges, Stand September eine von nur fünf weiblichen Vorstandsvorsitzenden der 160 Firmen von DAX bis SDAX und die einzige Immobilien-CEO, stand für ein Gespräch mit der Immobilien Zeitung (IZ) nicht zur Verfügung. Im DUB Unternehmer-Magazin hatte sich die Chefin von DIC Asset vor einiger Zeit gegen eine Vorstandsquote ausgesprochen: "Aus unternehmerischer Perspektive bin ich bezüglich mehr Regulatorik eher zurückhaltend und bevorzuge daher das Instrument der Eigenverantwortung."

Deutsche Wohnen setzt Zielquote im Vorstand auf 20% hoch

Michael Zahn, CEO von Deutsche Wohnen (DW), wollte mit der IZ ebenfalls nicht über die Quote reden. In einem Podcast-Gespräch mit Stephanie Baden, Geschäftsführerin des Urban Land Institute (ULI) für die Dach-Region und zugleich Gründungsmitglied der Initiative Frauen in Führung (FiF), bezog Zahn unlängst jedoch Stellung: "Ich bin kein Freund von Quote und ich bin kein Freund von staatlichen Vorgaben. Ich möchte am Ende des Tages ein erfolgreiches Team." Der DW-Aufsichtsrat hat die Zielquote für den Frauenanteil im Vorstand in seiner Septembersitzung von 0% auf 20% hochgesetzt. Erreicht haben will das Gremium dies bis zum Jahr 2025. Der DW-Aufsichtsrat selbst ist seit Juni 2020 mit zwei Frauen bestückt, das entspricht einem Anteil von 33%. Zahn betont im ULI-Podcast: "Wir beschäftigen mehr als 1.000 Mitarbeiter - von denen sitzen vier im Vorstand. Entscheidender ist doch: Fördern wir Frauen im Unternehmen? Das tun wir." Tatsächlich liegt der Anteil weiblicher Führungskräfte bei DW laut Unternehmenssprecherin Julia Kieslinger bei 48%.

Helene von Roeder, im Vorstand von Vonovia für die Finanzen zuständig, hält dagegen. "Wenn ich jemanden befördere - und das gilt gerade auf Vorstandsebene -, habe ich das Risiko, ob es funktioniert. Habe ich gelernt, dass es mit einem bestimmten Typ Manager in der Vergangenheit gut geklappt hat, leite ich aus meinem persönlichen Erfahrungsschatz ab: Wahrscheinlich klappt das auch beim nächsten Mal. Bei einer Frau kann ich das vielleicht weniger gut einschätzen, weil es noch so wenige weibliche Rollenmodelle in Führungspositionen gibt", argumentiert sie pro Quote. "Wir müssen alle viel öfter erleben, dass man viel dazugewinnt, wenn man eine Frau befördert."

"Wir werden die neue Regelung gern umsetzen"

Der spanische Vorstandsvorsitzende von Hochtief, Marcelino Fernández Verdes, den die geplante Vorstandsquote als einen der wenigen tatsächlich betreffen wird, demonstriert Gelassenheit: "Wir werden die neue Regelung gern umsetzen", teilt ein Sprecher im Namen des CEO mit. "Der Hochtief-Vorstand ist seit Jahren ein stabiles, eingespieltes und erfolgreiches Team. Sollten irgendwann Veränderungen anstehen, werden wir alle Kandidatinnen und Kandidaten prüfen und die besten Entscheidungen für das Unternehmen treffen." Wann genau der nächste Vertrag eines der vier Vorstandsmitglieder ausläuft, möchte das Bauunternehmen nicht sagen, dem Geschäftsbericht lässt sich diese Information nicht entnehmen.

Verfechter der Quote feiern den Durchbruch in den (sozialen) Medien. Wasser in den Wein gießt Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow: "Wer entscheidet über die Zusammensetzung des Vorstands? Der Aufsichtsrat. Wir brauchen die Quote für Vorstände, weil die Aufsichtsräte versagt und auf freiwilliger Basis keine substanziellen Ziele gesetzt haben. Aber die Wirkung des FüPoG 2 wäre ungleich größer, wenn die Quote für Aufsichtsräte von bisher gut 100 Unternehmen wie ursprünglich geplant auf etwa 590 ausgeweitet worden wäre." Diese Ausweitung fiel offenbar einem Kompromiss in der Großen Koalition zum Opfer: Die einen bekamen die Vorstandsquote, die anderen konnten den Schaden in Grenzen halten. Das Bundesfrauenministerium geht auf Anfrage hierauf nicht ein. Im Referentenentwurf für das FüPoG 2 ist noch explizit die Rede von einer geplanten "Erweiterung des Anwendungsbereichs der fixen Aufsichtsratsquote auf alle paritätisch mitbestimmten Unternehmen" - egal, ob sie börsennotiert sind oder nicht.

Die Hoffnung ruht auf einer Signalwirkung

Allen-&-Overy-Juristin Stüber glaubt dennoch: Selbst wenn die Quote ein Stück weit Symbolpolitik sein mag, könnte sie eine gewisse Signalwirkung zeitigen. "Die Wirkung von Role Models ist nicht zu unterschätzen, auch wenn es erstmal nur um ca. 30 Vorstandspositionen geht, die künftig mit Frauen besetzt werden müssen. Und auch bei den anderen ca. 40 betroffenen Unternehmen, die jetzt schon eine Frau im Vorstand haben, wird es Personalwechsel geben, bei denen dann die Quote greift." Schulz-Strelow rechnet allerdings mit "vielen vorzeitigen Vertragsverlängerungen im nächsten Jahr", also noch rechtzeitig vor Inkrafttreten der Quote. So könnten sich die Unternehmen bis 2024 oder 2025 Luft verschaffen - mehr als ein paar Jahre voraus dächten viele in ihrer Personalpolitik ja nicht.

Harald Thomeczek

Rote Linien für schwarze Schafe

ICG-Repräsentanten beim Presselunch im Hotel Falkenstein Grand Kempinski in Königstein im Taunus.

ICG-Repräsentanten beim Presselunch im Hotel Falkenstein Grand Kempinski in Königstein im Taunus.

Quelle: ICG

Karriere 13.06.2019
Die Branche darf sich von einigen wenigen Übeltätern nicht in Sippenhaft nehmen lassen, fordert das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) und ... 

Die Branche darf sich von einigen wenigen Übeltätern nicht in Sippenhaft nehmen lassen, fordert das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) und zieht "rote Linien" für "schwarze Schafe". Wer sich damit angesprochen fühlen soll, behält das ICG jedoch für sich.

Was viele nicht wissen: Das ICG, das sich gleichsam als das Gewissen der deutschen Immobilienbranche versteht, gibt es seit fast 20 Jahren. Als es gegründet wurde, stand, wenn man so will, Jürgen Schneider Pate. Der Fall des gern als Baulöwe titulierten kriminellen Immobilienunternehmers gab den Anstoß zur Gründung der Vereinigung.

Schneider hatte sich einst im reichen Taunusstädtchen Königstein ein Schlösschen zugelegt, um die Banker, die bei der Errichtung seines Imperiums der Hoffnungswerte mithalfen, zu beeindrucken. Der Zufall wollte es, dass auch der 10. German Real Estate Summit des ICG im Luxushotel Falkenstein Grand Kempinski in Königstein stattfand.

Damit dürften die Parellelen zwischen Schneider und dem ICG erschöpft sein. Das Bild, das in der Öffentlichkeit von der Immobilienwirtschaft herrscht, hat sich seit Schneiders Tagen jedoch kaum verändert: "Uns ärgert, dass die Reputation der Branche immer noch nicht besser geworden ist", bilanzierte der stellvertretende ICG-Vorstandsvorsitzende Werner Knips bei einem Presselunch.

Das Dumme an der Sache: "Es gibt leider auch Marktteilnehmer, auf die die öffentliche Kritik zutrifft und die das Bild der gesamten Branche in Mitleidenschaft ziehen", wie das ICG eingesteht. Das ist der Grund, weshalb das ICG jetzt in die Offensive geht: "Wir wollen nicht durch Schweigen falsches Verhalten legitimieren", diktierte ICG-Vorstandsvorsitzender Thomas Zinnöcker den anwesenden Journalisten beim Pressegespräch in Königstein ins Notizbuch. Wolle die Branche glaubwürdig sein, müsse sie sich klar von Marktteilnehmern abgrenzen, "die die Regeln nicht einhalten".

Zinnöcker fand noch schärfere Worte: "Schwarze Schafe müssen identifiziert werden, um die professionellen und nachhaltig agierenden Unternehmen nicht weiter zu belasten. Die Immobilienbranche darf sich nicht in Sippenhaft nehmen lassen." Klipp und klar zu sagen, von welchen Verhaltensweisen das ICG die Branche gereinigt sehen will, oder gar Ross und Reiter direkt zu nennen - so weit wollten weder Zinnöcker oder Knips noch Andreas Muschter und Thomas Hegel gehen, die als Mitglieder des ICG ebenfalls bei dem Gespräch dabei waren.

Zinnöcker gab auf Nachfrage immerhin ein konkretes, reales Beispiel für Fehlverhalten: Als die damals von ihm geführte Berliner Wohnungsgesellschaft GSW, die später von Vonovia aufgekauft wurde, einmal ein Portfolio von einem privaten Eigentümer übernahm, musste die GSW die Miete um 2 Euro/m² senken, weil der Voreigentümer die Mieter regelrecht erpresst und die Mieten unrechtmäßig erhöht hatte. Doch es sind nicht nur Rechtsbrüche, denen das Augenmerk des ICG gilt. Auch, was legal ist, muss nicht automatisch legitim sein. Knips gab zu bedenken, dass maximaler Profit nicht immer gleich optimaler Profit ist. Gerade für börsennotierte Gesellschaften, getrieben vom Erwartungsdruck der Investoren, ist es schwierig, diese Gratwanderung zu meistern.

Optimierungspotenzial hat das ICG auch beim Thema Vergütung entdeckt. Ein individueller Bonus gilt nicht mehr als state of the art, schließlich verdanken sich die wenigsten Großtaten nicht einer Teamleistung. Und: Werden aus einem vielschichtigen und komplexen Arbeitsgebiet einige wenige Kriterien als Bemessungsgrundlage für eine leistungsabhängige Vergütungskomponente herausgegriffen, kann dies bei Führungs- und Fachkräften falsche Anreize setzen. Die Mitarbeiter könnten sich nur noch auf die Aspekte ihrer Tätigkeit konzentrieren, mit denen sie ihren Bonus steigern können. Zur Expo Real 2019 bringt das ICG einen Leitfaden für intelligenteres Vergüten und Führen heraus.

Fragt sich nur, wie viele Marktteilnehmer diesen Leitfaden zur Kenntnis nehmen. Der Verein hat knapp 20 Jahre nach Gründung rund 90 Firmenmitglieder. Zum Vergleich: Der ZIA zählt mehr als 800.000 Unternehmen in Deutschland zur Immobilienwirtschaft.

Kommentar zu "Rote Linien für schwarze Schafe"

Schuld sind meistens die anderen, wenn die Immobilienbranche mal wieder ins Kreuzfeuer der Kritik gerät: der wahlweise dumme oder linksversiffte Bürger, der sich vom linken Parteienspektrum einspannen lässt. Oder die Politik, die den Wohnungsmarkt mit ihren regulatorischen Eingriffen immer weiter verschlimmbessert.

Wenn Verbände wie der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen oder jetzt das ICG Fehlverhalten anprangern, ist meist von Einzelfällen die Rede. So titulierte GdW-Gesicht Axel Gedaschko den schwedischen Wohnungsinvestor Akelius, der dem GdW nicht angehört, neulich im Interview mit dieser Zeitung zwar als "Gewinnmaximierungsmaschine", die "eine enge Marktlage ausnutzt" - die "allermeisten" Wohnungsunternehmen dagegen arbeiteten "solide" und gingen "sehr fair" mit ihren Mietern um.

Ähnlich argumentiert das ICG: Einige wenige bringen eine ganze Branche, die zum allergrößten Teil sauber arbeitet und zum Wohle aller wirkt, in Verruf. Das hat, pardon!, etwas vom Prinzip Sündenbock, der einst symbolisch mit den Sünden des Volkes Israel beladen und zu dessen moralischer Reinigung in die Wüste gejagt wurde.

Sicher stehen viele Firmen, die mit (Wohn-)Immobilien Geld verdienen, zu Unrecht im Kreuzfeuer. Gewiss hat auch die Politik einiges dazu beigetragen hat, dass sich die Situation auf den Wohnimmobilienmärkten in vielen deutschen Großstädten und ihrem Umland für Mieter und Häuslebauer so bescheiden ausnimmt. So wäre z.B. eine verstärkte Förderung von Wohneigentumsbildung angezeigt: Als Eigentümer kann ich nicht verdrängt werden. Und, auch das ist richtig: Durch Enteignung entsteht keine einzige neue Wohnung, wie die Vertreter der Wohnungsbranche so gebetsmühlenartig wiederholen.

Die Wohnungsvermieter beklagen auch immer wieder, dass "Fakten" in der öffentlichen Diskussion unter den Tisch gekehrt würden. Sie argumentieren dabei gern mit Durchschnittsmieten usw. Oder fragen, wie unlängst Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn im Interview mit der Berliner taz: "Sollte nicht eine Bruttowarmmiete von 800 Euro für eine gut geschnittene Zweieinhalbzimmerwohnung bezahlbar sein?" Die Redakteurin antwortete: "Das ist fast die Hälfte eines taz-Nettogehalts - das ist für viele eben nicht bezahlbar."

Immer nur auf andere zu zeigen, poliert das Image der Branche nicht auf. Und der Charme einer Enteignung bestünde immerhin darin, Mieter vor Mieterhöhungen zu bewahren, die sie nicht tragen können. Mein Rat an all die guten Vermieter: Setzt ein Zeichen und verpflichtet Euch, die Mieten zumindest nicht mehr weiter anzuheben, bis die größte Wohnungsnot gelindert ist. Dann fällt die Rendite halt ein bisschen schmaler aus, und nicht alle Blütenträume in den Businessplänen der Investoren reifen. Wetten, dass Euch das nicht in den Ruin treibt? hat

Harald Thomeczek