"Die Familienstory hilft bei Hochinstitutionellen"

Bärbel Schomberg umringt von ihren Söhnen Tim (links) und Philipp (rechts).

Bärbel Schomberg umringt von ihren Söhnen Tim (links) und Philipp (rechts).

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Harald Thomeczek

Karriere 15.08.2019
Bärbel Schomberg ist eine der ganz wenigen Immobilienfrauen, die so gut wie jeder aus der Branche kennt. Sie ist das einzige weibliche Vorstandsmitglied des ZIA. Sie war Vorsitzende der ... 

Bärbel Schomberg ist eine der ganz wenigen Immobilienfrauen, die so gut wie jeder aus der Branche kennt. Sie ist das einzige weibliche Vorstandsmitglied des ZIA. Sie war Vorsitzende der Geschäftsführung von Aberdeen Immobilien - Schrägstrich: Degi - und Geschäftsführerin von Allianz Immobilien, Commerz Grundbesitz und SEB Immobilien-Investment. Vergangenes Jahr hat die heute 68-Jährige ein ganz besonderes Kapitel aufschlagen: Sie ist mit ihren beiden Söhnen Tim (37) und Philipp (34) unter die Familienunternehmer gegangen - und fühlt sich frei wie nie.

"Familie Schomberg wird Investmentmanager", titelte die Immobilien Zeitung (IZ) im Oktober 2018. Da gingen Mutter und Söhne, pünktlich zur Immobilienmesse Expo Real in München, als Kingstone Investment Management an den Start. Ein knappes Jahr später sitzt Bärbel Schomberg, die satte "40 Jahre Erfahrung in der Immobilienbranche" auf die Waage bringt, wie Sohn Philipp respektvoll anmerkt, in Wiesbaden mit ihren Filii mit der IZ am Tisch.

Es sei schon lange ihr innigster Wunsch gewesen, versichern die drei Schombergs, gemeinsame Sache zu machen. Zuvor wollten die Söhne jedoch, sagen sie, sich ihre "ersten Sporen außerhalb des Familienverbunds" respektive "außerhalb der Gesellschaften, in denen unsere Mutter tätig war", verdienen.

Philipp ging für drei Jahre nach London (Helaba, PGIM) und danach für sechs Jahre in den Nahen Osten, wo er für den Staatsfonds des Emirats Abu Dhabi Immobilieninvestments in Europa auslotete. "Das war ein toller Zugang zu Investmentmöglichkeiten. Ich saß buchstäblich an der Ölquelle."

"Nach der Rückkehr von Philipp aus der Wüste", wie sein Bruder scherzhaft formuliert, sahen die Drei den rechten Moment gekommen, das längst durchskizzierte Kapitel in ihrem Familienbuch in die Wirklichkeit zu übersetzen und aus der "fremden Konzernwelt" mit ihren "Angestelltenverhältnissen" ins "originäre Familiengeschäft" überzusetzen. "Das war immer schon unser Plan", betont Philipp.

Wer glaubt, den Schomberg-Brüdern liege die Immobilie im Blut, liegt - nicht ganz falsch. "Wir waren mit unserer Mutter von Tag eins an live dabei", erinnert sich Tim. "Am Abendbrottisch verfolgten wir die verschiedenen Fondsgesellschaften mit", und in den Ferien ging es zu "Objektbesichtigungen nach Rom, Mailand oder London".

Die Mutter habe die beiden Sprösslinge "nie in die Immobilienrichtung gepusht", versichert Philipp. Eine gewisse Lenkungswirkung entfaltete der Beruf der Mutter gleichwohl: Philipp machte schon als Schüler ein Praktikum beim Vorgängerunternehmen von Cushman & Wakefield. Und erwarb später an der Cass Business School in London seinen Masterabschluss in Real Estate.

Tim studierte Jura und fand als "Quereinsteiger" in die Immobilienwirtschaft. Auch er wurde nicht im Frankfurter Dunstkreis seiner Mutter tätig, sondern ging nach seinem Studium in Bonn nach München zu Catella Real Estate. Nicht, dass der Eindruck entsteht, die Mutter habe ihre Kinder mit Vitamin B beflügelt: "Wir waren im Alltag völlig autark", betont Tim, der sechseinhalb Jahre in Diensten von Catella stand, erst als Fondsmanager, dann als Leiter Business Development Institutionals. Und im Ehrenamt Meriten als Chair des Young Leaders Committee von ULI (Urban Land Institute) Germany sammelte.

Verglichen mit den zielgerichteten Berufswegen ihrer Söhne war die Karriere von Bärbel Schomberg "nicht wirklich geplant. Es gab viele glückliche Zufälle." Schomberg Senior ist eigentlich ausgebildete und diplomierte Rechtspflegerin und hat in diesem Job auch auf dem Notariat und Grundbuchamt gearbeitet - aber nur zwei Jahre. Dann gab sie ihre Beamtenurkunde wieder zurück, nicht zur Freude ihrer Eltern. Die Begründung: "Als Beamter muss man seinem Dienstherrn zur Verfügung stehen und mal hier- und mal dorthin wechseln." Sich kommandieren und versetzen lassen - das passte ihr nicht.

So kam sie Ende der 70er Jahre in die Immobilienbranche, genauer: zur Dresdner-Bank-Tochter Degi, der Deutschen Gesellschaft für Immobilienfonds. Dann bekam ihre Karriere den entscheidenden Schubser: Bärbel Schomberg wurde die Stelle als Geschäftsführerin bei SEB Immobilien-Investment angetragen. Obwohl ihr ältester Sohn damals erst zehn Jahre alt war, habe sie nicht lange überlegt: "Hopp oder topp, sonst ist die Chance weg." Aus dieser ersten Geschäftsführerposition hätten sich alle weiteren gewissermaßen ergeben.

Jetzt sind Mutter und Söhne wieder vereint. Auf ihre ehemaligen Arbeitgeber wollen sie nichts kommen lassen. Sie machen aber auch keinen Hehl daraus, dass sie die Tätigkeit im Familienunternehmen als Befreiung erleben. Für die "innovativen Fondskonzepte", die ihnen vorschwebten, seien Konzernstrukturen - so nötig sie im streng regulierten Investment- und Fondsgeschäft auch seien - mit ihren "langwierigen Entscheidungsprozessen" einfach "Hemmschuhe".

Schombergs formulieren diplomatisch: Sie kämen aus "sehr geschätzten Prozessen". Die Leitplanken, die sie in ihren alten Jobs verinnerlichten, seien ein "gutes Gerüst" für einen streng regulierten Investmentmanager. Doch innerhalb des unverrückbaren Rahmens könnten sie nun "frei agieren" und Ideen umsetzen, wo sie früher an Grenzen gestoßen seien. Die Entscheidung für oder gegen ein Konzept oder einen Ankauf, ergänzt Mutter Bärbel, ergebe sich aus der wirtschaftlichen Berechnung - und einem Schuss Bauchgefühl. "Einen Dissens hatten wir bisher nicht", beteuert sie.

Das ist keine Selbstverständlichkeit: "In jeder Firma geht es viel um Politik", drückt sich Philipp vorsichtig aus. Als Staatsbediensteter im Emirat Abu Dhabi lernte er extrem starre Strukturen und Hierarchien kennen - und machte nicht immer angenehme Bekanntschaft mit kulturellen Differenzen. Jetzt hat Philipp nach eigenem Bekunden zwar noch mehr zu tun als früher - und nicht etwa weniger -, kann aber "direkt die Ergebnisse sehen, wenn ich etwas anpacke". Und sich mittags auch mal um seine Kinder kümmern und/oder von zuhause arbeiten. Dafür hängt er abends zwar das eine oder andere Stündchen dran, besser fürs Familienleben sei es aber allemal, sein eigener Chef zu sein.

Vorteile bietet das Familienunternehmertum auch in der Vermarktung. Auf der Website von Kingstone Investment Management (IM) steht zu lesen: "Wir verstehen uns mit unserer erstklassigen Marktkenntnis in Sachen Immobilien-Investments für alle Investment-Stile als Ihr vertrauenswürdiger und professioneller Ansprechpartner in Deutschland. Dafür stehen wir als Familie Schomberg mit unserem Namen." Das erinnert an den Spruch des Babykostherstellers Claus Hipp, der in seinen Werbespots die Bioqualität seiner Breie betonte und am Ende jedes Werbespots in die Kamera sagte: "Dafür stehe ich mit meinem Namen."

Bei der Zielkundschaft scheint dieses Argument auch zu ziehen: "Die Familienstory hilft bei hochinstitutionellen Investoren. Die wissen, dass wir noch in fünf oder zehn Jahren da sein werden", sagt Philipp. Speziell Investoren aus dem Nahen Osten vertrauten "erst mal gar keinem, weil sie in der Vergangenheit schon so oft über den Tisch gezogen wurden".

Hilfreich ist im Erstkontakt mit Anlegern, die von einer hierarchischen Denkweise geprägt sind, zudem die Seniorität von Bärbel Schomberg: Wenn sie und Tim sich als Geschäftsführer von Kingstone IM vorstellen, legt sie dem institutionellen Zielkunden aus Nah und Fern als erstes ihren geballten Erfahrungsschatz dar: Commerzbank, Dresdner Bank, Allianz, SEB, selbstständige Beraterin. "Auch das schafft Vertrauen", weiß Philipp. Später werden die Rollen getauscht: Sohn Tim rückt in die Lead-Position, Mutter Bärbel schlüpft zurück in ihre Hauptrolle, nämlich die der "Innenministerin". So kümmerte sie sich gemeinsam mit der beauftragten Service-KVG Universal-Investment um die Auflegung des ersten Spezialfonds.

Die erste Beurkundung eines Bürogebäudes in Deutschland für den Mitte Mai aufgelegten Fonds, den Kingstone IM als Gemeinschaftsunternehmen der Familie Schomberg (Mehrheitsanteil) und Pegasus Capital Partners (Minderheitsgesellschafter) mit dem Geld von Sparkassen und Genossenschaftsbanken befüllt, ging am Tag nach dem Besuch bei der IZ über die Bühne. Insgesamt soll sich Kingstone schon drei Objekte für zusammen rund 90 Mio. Euro gesichert haben.

Was die Schombergs noch vorhaben? "Eine Patrizia wollen wir nicht werden", lacht Mutter Schomberg. Heute zählt das Unternehmen neben den drei Gründern fünf Vollzeit- und weitere Teilzeitkräfte, Freelancer und Werkstudenten nicht miteingerechnet. Auf Dauer werde sich eine Mitarbeiterzahl "zwischen 15 bis 17" wohl "nicht vermeiden lassen". Nämlich dann, wenn weitere Kapitalzusagen für Fonds und Individualmandate hereinflattern. Investoren aus dem Nahen Osten oder Korea an Land zu ziehen, darum bemüht sich speziell Philipp mit seiner einschlägigen Erfahrung. Anlegern wie diesen wolle man, sagt er, als "Abkürzung" dienen. Sonst investierten diese über den Umweg Londoner Private-Equity-Fonds in Deutschland.

Der Name Kingstone Investment Management ist international sicher salonfähig. Namensgeber ist das reiche Taunusstädtchen Königstein im Frankfurter Speckgürtel, zugleich Familiensitz der Schombergs. Wer sich spätestens jetzt an Kingstone Capital Partners erinnert fühlt, dem sei bestätigt: Das ist der Venture-Capital-Geber aus dem Hause Schomberg. Proptechs aufzuspüren, in die zu investieren sich lohnt, ist der Beritt von Philipp. Was man ihm, der mit seinem Vollbart und ohne Krawatte optisch das Gegenstück zu seinem glattrasierten und mit einer Krawatte bestückten Bruder bildet, irgendwie ansieht.

Befürchtungen, unterschiedliche geschäftliche Auffassungen könnten irgendwann die Familie entzweien, können Schombergs nicht teilen: "Man kann sich als Familie direkter die Meinung sagen und schneller zu einem Ergebnis kommen", hält Tim dagegen. "Mit einem Freund wäre das Risiko viel größer, sich auseinanderzudividieren." Und, springt Bruder Philipp bei, bei Schombergs gebe es auch "keine Agitation im Hintergrund".

Harald Thomeczek

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Das sind die meistgenannten Personen im IZ-Archiv

GdW-Präsident Axel Gedaschko führt das Archivranking an.

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Im Jubiläumsjahr hat die Immobilien Zeitung nachgeforscht, welche Menschen besonders häufig in ihrem Onlinearchiv zu finden sind. Dabei zeigt sich, dass gerade Akteure aus Branchenverbänden und Politik die Meldungen bevölkern.

Spitzenreiter ist Axel Gedaschko (Jahrgang 1959), Präsident des GdW Bundesverbands. Insgesamt 570 Meldungen im Onlinearchiv der Immobilien Zeitung (IZ), das bis ins Jahr 1994 zurückreicht, lassen sich ihm zuordnen. Der studierte Jurist repräsentiert den Verband seit 2011, zuvor bekleidete er verschiedene politische Ämter, etwa das des Hamburger Wirtschaftssenators.
Die Parallelen zum Zweitplatzierten des Archivrankings, Andreas Mattner (geb. 1960), sind zahlreich. Er ist ebenfalls Präsident eines Branchenverbands: des Zentralen Immobilienausschusses. Wie Gedaschko hat er Rechtswissenschaften studiert und ist in der Politik tätig. In diesem Jahr hat er den
Abschied von seinem langjährigen Arbeitgeber ECE verkündet. In ihren Rollen als Verbandspräsidenten kommentieren und bewerten Gedaschko und Mattner oft politische und wirtschaftliche Entwicklungen, was ihren vielfachen Auftritt in den Artikeln der IZ erklärt.

Ehrung auf der Expo Real
Auf der Expo Real sollen die Inhaber der drei Podiumsplätze beim Archivranking als langjährige Wegbegleiter der Immobilien Zeitung geehrt werden. Der Termin ist im direkten Anschluss an den Podcast der Haus-Meister, der am 5. Oktober von 12 bis 13 Uhr live am Stand der Immobilien Zeitung (C2.120) produziert wird.
Der Dritte im Bunde vertritt dagegen die Wissenschaft. Thomas Beyerle (Jahrgang 1967) ist promovierter Geograf und Betriebswirtschaftler und arbeitet als Chefresearcher beim Investment- und Asset-Manager Catella. Außerdem lehrt er an der Hochschule Biberach und ist Mitglied des Podcast-Teams Die Haus-Meister. Wegen seiner fundierten Kenntnisse des Immobilienmarkts ist Beyerle häufiger Ansprechpartner bei Recherchen der Immobilien Zeitung.
Rund ums Jubiläum

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Lars Wiederhold

MAT: Michael Schüsser

Karriere 25.05.2023
Projektentwickler/Projektleiter bei Ratisbona Handelsimmobilien. Geboren 1995. ... 

Projektentwickler/Projektleiter bei Ratisbona Handelsimmobilien. Geboren 1995.

Werdegang

Werkstudent bei Immobilienverwaltung Riebeling, Praktikum bei Patrizia im Bereich Akquise, Werkstudent bei Götz Management Holding, Werkstudent bei Ratisbona, Junior-Projektleiter bei Ratisbona, Projektentwickler bei Ratisbona.

Top-Projekte

Edeka-Markt in Haimhausen/Baurechtschaffung, Abschluss des ersten Green-Lease-Mietvertrags mit Edeka Südbayern, Projektleitung, Implementierung eines Analyse-Tools: Entwicklung eines neuen, datenbasierten Akquise-Tools mithilfe eines GIS-Systems, deutschlandweiter Roll-out der so entstandenen Ansätze, Erster Ankauf (Lidl-Markt in Bayern): Koordinierung interner Abteilungen und externer Partner im Rahmen der Due Diligence, Entwicklung der Ankaufsstrategie.

Ziele

Entwicklung von zukunftsorientierten und nachhaltigen Immobilien, Förderung von Umbauten/Revitalisierungen das heißt Abriss vermeiden, falls möglich, Weiterentwicklung – fachlich und persönlich, Aufbau/Ausbau eines starken Netzwerks, Übernahme von Personalverantwortung.

Motivation als MAT

Ich bin als MAT geeignet, weil ich hochmotiviert bin, mich mit den anderen MATs laufend zu den aktuell sehr dynamischen und spannenden Entwicklungen am Markt auszutauschen: Baukostenentwicklungen, Einschätzungen zur Entwicklung von Verkaufsfaktoren etc. Nachhaltigkeit treiben, Austausch zu C2C und modularem Bauen, Potenziale im Bau von Handelsimmobilien aufzeigen, generell mittels möglichst kontinuierlichem und offenem Austausch der Intransparenz des deutschen Immobilienmarkts entgegenwirken.

Ethische Grundsätze

Fair – verlässlich – echt: Gegenüber Geschäftspartner/Freunden immer mit offenen Karten zu spielen, um als allseits verlässlicher Partner wahrgenommen zu werden.

Netzwerke und Engagements

ZIA-Ausschuss Logistikimmobilien, Irebs Community of Real Estate.

Kontakt:

Immobilien Zeitung

Freitags sind sie nie da

Die Viertagewoche soll Arbeitgeber interessanter für neue Mitarbeiter  machen und die Belegschaft zufriedener.

Die Viertagewoche soll Arbeitgeber interessanter für neue Mitarbeiter machen und die Belegschaft zufriedener.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber Kalenderblätter: Brad Pict; Urheber Icons: Icons-Studio

Karriere 24.11.2022
Ein neues Arbeitsmodell hält Einzug in deutschen Unternehmen. Immer mehr Firmen gönnen ihren Angestellten eine Viertagewoche. In der Immobilienwirtschaft überwiegt die Skepsis. Lange ... 

Ein neues Arbeitsmodell hält Einzug in deutschen Unternehmen. Immer mehr Firmen gönnen ihren Angestellten eine Viertagewoche. In der Immobilienwirtschaft überwiegt die Skepsis. Lange werden die Arbeitgeber ihre Zurückhaltung aber nicht aufrechterhalten können, wenn sich das Modell in anderen Branchen durchsetzt.

Wer freitags bei Unternehmen anruft, hört zukünftig wohl häufiger die Bandansage "Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Diese sind montags bis donnerstags ...". Denn freitags ist frei. Nachdem der Trend zu einer verkürzten Arbeitswoche in diesem Jahr schon in den USA und einigen europäischen Ländern Einzug gehalten hat, experimentieren inzwischen immer mehr deutsche Unternehmen mit der Viertagewoche. Sie verspricht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weniger Stress und mehr Zeit für Familie und Hobbys. Die Arbeitgeber bekommen im Gegenzug zufriedenere Angestellte und müssen gleichzeitig keine Einbußen bei der Produktivität hinnehmen. Das legen zumindest die Ergebnisse einiger Testläufe und erste Studien aus anderen Ländern nahe.

Seit Mai 2022 haben 38 Unternehmen in den USA für sechs Monate die 4-Day-Week eingeführt. Gearbeitet wird an vier Arbeitstagen zusammengerechnet 32 statt 40 Stunden bei gleichem Gehalt. Die ersten Erfahrungen sind so positiv, dass die Bundesstaaten Kalifornien und New York nun überlegen, Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zur Viertagewoche zu verpflichten.

Weniger Arbeitszeit bei gleicher Bezahlung und gleicher Produktivität

Der größte Feldversuch läuft derzeit in Großbritannien. Etwas mehr als 70 Unternehmen und Organisationen mit 3.300 Beschäftigten probieren dort seit Anfang Juni die Arbeitszeitverkürzung aus. Grundlage ist das "100:80:100-Modell". Das bedeutet, die Mitarbeitenden bekommen 100% Lohn und reduzieren ihre Arbeitszeit auf 80%. Die Bedingung dabei ist, dass die Produktivität bei 100% bleibt. Die ersten Zwischenergebnisse zeigen, dass beide Seiten zufrieden sind. So meldeten fast 90% der Unternehmen, dass die Arbeitszeitverkürzung gut funktioniere. Knapp die Hälfte der Firmen gab an, die Produktivität sei ungefähr gleich geblieben. Die andere Hälfte beobachtet sogar eine leichte (34%) oder erhebliche Verbesserung (15%) der Produktivität. Mehr als 80% der teilnehmenden Unternehmen überlegen, das Arbeitszeitmodell nach der Testphase beizubehalten.

In Deutschland ist die Viertagewoche ebenfalls keine Fiktion mehr. Quer durch alle Branchen und Unternehmensgrößen bieten Firmen ihren Beschäftigten an, freitags frei zu haben. So lässt der deutsche Bekleidungshersteller Gerry Weber künftig seine Mitarbeiter entscheiden, ob sie ihre Wochenarbeitszeit auf vier oder fünf Tage verteilen wollen. Einzige Bedingung: Die Abteilungen müssen weiter durchgehend erreichbar sein. Selbst in der Immobilienbranche trauen sich erste Unternehmen an diese Art des New Work heran. Allen voran im Handwerk und bei Bauzulieferern versuchen Unternehmen so Arbeitskräfte anzulocken. Der Fassadenbauer Boetker Metall und Glas aus Stuhr bei Bremen oder Remotex Gebäudetechnik aus Wetzlar sind zwei Beispiele.

In München schickt der Projektentwickler Michael Schwaiger seine zwölf Angestellten seit Anfang des Jahres regelmäßig am Donnerstagabend ins Wochenende – bei vollem Lohnausgleich. Nach einer zweimonatigen Probezeit gilt die Regelung unbefristet. "Ich wollte meinen Angestellten etwas zurückgeben, weil sie hier keinen Nine-to-five-Job machen", erklärt Schwaiger seine Motivation. Homeoffice und flexible Modelle, bei denen jeder selber entscheiden kann, wann er arbeitet, haben ihn nicht überzeugt. "Wir tun den Mitarbeitern keinen Gefallen, wenn wir sie ins Homeoffice auslagern. Die meisten wollten wieder zurück ins Büro", beschreibt Schwaiger seine Erfahrungen mit den Modellen, die seit der Pandemie in vielen Büros Einzug gehalten haben.

Schwaiger zieht ein positives Fazit aus seinen ersten Monaten mit der Viertagewoche. Weder die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden noch die des Unternehmens habe sich durch die Verkürzung verringert. "Ich finde, dass die Produktivität sogar zugenommen hat", freut er sich. Im Büro werde konzentrierter gearbeitet, weil jeder wisse, dass der Freitag nicht mehr zur Verfügung steht. Einen strafferen Ablauf des Büroalltags belegen die bisherigen Studien. So werden etwa Meetings kürzer und konzentrierter abgehalten. Auf der Kostenseite machen sich geringere Strom- und Heizkosten bemerkbar.

Schwaiger kommt mit seiner Experimentierfreude offenbar einem Wunsch vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland entgegen. Nach einer Umfrage von Yougov für die Berufe-Studie des Versicherers HDI von September können sich drei Viertel aller Berufstätigen in Deutschland die Viertagewoche vorstellen, wenn sie dafür keine Einbußen beim Gehalt hinnehmen müssen. Eine Forsa-Umfrage für RTL und NTV kommt zu dem gleichen Ergebnis.

"Arbeitszeit spielt grundsätzlich eine immer größere Rolle. Hier machen die Beschäftigten in der Immobilienbranche keine Ausnahme", bestätigt Norbert Reuter, Leiter der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die Umsetzung flexibler Zeitmodelle könne "die Attraktivität in der Immobilienbranche erhöhen und so dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken", vermutet er. Daher werde sich die Immobilienbranche der Debatte um flexiblere Arbeitszeiten nicht entziehen können. Allerdings müssten die Unternehmen gleichzeitig die Stundenlöhne erhöhen, damit die Beschäftigten keine Lohneinbußen hinnehmen müssen. "Ansonsten wäre es nur ein schlichtes Teilzeitmodell", sagt Reuter.

Holger Schäfer, Experte für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW), sieht in dem starren Wegfall eines Tages hingegen nicht nur Vorteile für Arbeitnehmer. Angestellte und Betriebe hätten bei der Viertagewoche kaum noch Spielraum, die tägliche Arbeitszeit bedarfsgerecht und flexibel zu handhaben, warnt Schäfer. Das sieht auch Gewerkschaftler Reuter so. "Da heute Vollzeitbeschäftigte auch in der Immobilienbranche länger als 32 Stunden pro Woche arbeiten, würde eine Viertagewoche auch eine Verkürzung der Arbeitszeit nach sich ziehen müssen." Beide plädieren daher für mehr Flexibilität statt starren Regelungen.

In der Praxis ist die Umsetzung ohnehin nicht so einfach. Das bestätigt Maximilian Seil vom Frankfurter Immobilienmanager Seil Real Estate. Er hat für seine Mitarbeiter eingeführt, dass jeweils der letzte Freitag im Monat frei ist. Diese zwölf freien Tage im Jahr mehr in die Arbeitsverträge so zu integrieren, dass sie nicht als Urlaub gelten und damit beliebig genommen werden können und auch keinen anderen rechtlichen Vorteil darstellen, sind eine Herausforderung für Juristen.

Praktische Probleme wie die Erreichbarkeit, wenn am Freitag bei einem Projekt mal eine Frage auftaucht, sieht Seil hingegen nur wenige. "Die Branche arbeitet mittlerweile so mobil und remote, dass das lösbar ist." Nach seiner Erfahrung suchen die Mitarbeiter im gegenseitigen Austausch selbst Lösungen für solche Schwierigkeiten. "Allein das führt zu mehr Produktivität", sagt Seil. Gleichzeitig stiegen die Motivation und die Zufriedenheit. "Wir müssen uns als Arbeitgeber viel mehr die Frage stellen, was wir für unsere Arbeitnehmer machen können. Wir wollen zufriedene Menschen, keine Roboter", fordert Seil zum Umdenken auf.

Viele Vertreter aus der Immobilienbranche beobachten die Diskussion allerdings skeptisch. "Eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich erscheint momentan unrealistisch", sagt Martin Kaßler, Geschäftsführer des Verbands der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV). Gerade kleinere Unternehmen dürfte eine solche Flexibilisierung vor große Herausforderungen stellen. "Immer sollte dabei bedacht werden, dass zunächst Umsatz und Gewinn erwirtschaftet werden müssen. Bei einem Wegfall eines kompletten Arbeitstags kann sich jeder selbst ausrechnen, ob das aufgehen kann."

Realistisches Modell oder Arbeitnehmer-Fantasie?

"Eine generelle Viertagewoche erscheint mir eher fantasievoll als realistisch", sagt ebenfalls Ralf Büschl, Geschäftsführer des Münchner Projektentwicklers Büschl-Gruppe. Gerade jetzt, wo sich "das Wohlfühlklima unserer Immobilienwirtschaft" weiter abkühle, müssten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer anstrengen, um die Herausforderungen zu meistern. "Mit weniger Arbeit wird das wohl nicht klappen", glaubt Büschl.

Auch für Michael Schneider, Geschäftsführer der Immobilien-Service-KVG Intreal, ist die Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich schwer vorstellbar. "Wir bräuchten für die gleiche Arbeit mehr Mitarbeiter. Die können wir derzeit und künftig nicht finden, außerdem können wir die Mehrkosten in einem wettbewerbsintensiven Umfeld nicht oder nicht vollständig weiterreichen", gibt er zu bedenken. Daher sei das lange Wochenende "keine realistische Arbeitgeberoption".

Andere Unternehmen probieren das Modell jedoch gerade aus oder entwickeln eigene Ansätze. So gibt der Projektentwickler UBM Development seinen Mitarbeitenden seit Juli 26 Freitage im Jahr frei (siehe "UBM verlängert jedes zweite Wochenende"). Seit dem Sommer testet auch die in Deutschland tätige österreichische United Benefits Holding bei ihren Tochtergesellschaften, dem Projektentwickler Invester und dem Asset-Manager Ekazent, die Viertagewoche bei gleichbleibendem Lohn (siehe "Die Mitarbeiter sind kreativer und produktiver").

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) rät dazu, sich mit der kurzen Arbeitswoche zu befassen. "Wenn das Modell in vielen Branchen zur Umsetzung kommt, wird sich auch die Immobilienbranche damit auseinandersetzen müssen", ist sich der Verband sicher. Dieser Meinung ist schließt sich Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Lehrstuhl für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Regensburg an: "Die Viertagewoche ist aus der aktuellen arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Diskussion nicht wegzudenken." Falsch sei aber die Aussage, die jüngere Generation wolle schlicht weniger arbeiten. Vielmehr gehe es um ein Mehr an Flexibilität. "Beschäftigte sind mit ihrer Arbeitssituation vor allem dann zufrieden, wenn sie ihre Arbeitszeit selbst beeinflussen können", sagt Weber. Er plädiert für die Viertagewoche – "für diejenigen, die sie wollen. Wer fünf Tage möchte, soll fünf bekommen, wer drei will, drei."

Alexander Heintze