"Die hohe Branchentreue überrascht uns"

Zwei Drittel der Absolventen sind weiblich, doch die Männer inszenieren sich öfter in sozialen Berufsplattformen.

Zwei Drittel der Absolventen sind weiblich, doch die Männer inszenieren sich öfter in sozialen Berufsplattformen.

Quelle: Staatliche Studienakademie Leipzig, Urheber: Mario Schmitt

Karriere 31.10.2019
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Wohin nur hat es unsere Absolventen verschlagen? Das fragen sich sicher viele Hochschulen. Die Staatliche Studienakademie Leipzig als Teil der Berufsakademie Sachsen ist dieser Frage mit einer Studie auf den Grund gegangen. Die drei Kernergebnisse: Mit einem Abschluss in Leipzig stehen alle Karrierewege offen. Die meisten Ehemaligen sind tatsächlich noch immer in der Immobilienwirtschaft unterwegs. Und die männlichen Absolventen können sich besser verkaufen als ihre weiblichen Pendants.

Der Autor der Untersuchung, die der Immobilien Zeitung exklusiv vorliegt, verfolgte zwei Jahre lang akribisch die Werdegänge der Absolventen der Immatrikulationsjahrgänge 1993 bis 2010 nach. Zwei Jahre lang sichtete Hans G. Krone, Professor an der Staatlichen Studienakademie Leipzig, in mühsamer Detailarbeit die Einträge der ehemaligen Studenten auf den Jobplattformen Xing und LinkedIn, googelte die Betreffenden, spürte sie auf Firmenwebseiten auf und wertete auch die Facebook-Seiten ehemaliger Schützlinge aus. Gegenstand der Analyse waren nicht weniger als 1.708 Menschen, die im genannten Zeitraum in Leipzig ein praxisorientiertes Studium im Studiengang Vermögensmanagement aufgenommen und auch abgeschlossen haben, davon ziemlich genau die Hälfte (exakt 856) mit der Studienrichtung Immobilienwirtschaft.

Ein Movens hinter dem ganzen Aufwand: Der Landesgesetzgeber hält seit dem Erlass des Sächsischen Berufsakademiegesetzes anno 1994 daran fest, die Berufsakademie Sachsen formal zwischen der Berufsausbildung und einem klassischen Hochschulstudium einzuordnen. Andere Länder, die ebenfalls diese Form des dualen Studiums eingeführt hatten, sind inzwischen schon einen Schritt weitergegangen, mehrheitlich in Richtung Dualer Hochschule.

Die Berufsakademie Sachsen kann ihren Absolventen zudem bisher keinen Masterabschluss als Add-on zum bereits berufsqualifizierenden Bachelorabschluss anbieten. Dabei ist eine theoretische Erweiterung des persönlichen Horizonts auch für viele studierte Köpfe in der Immobilienbranche inzwischen ein Must-have. Die Leipziger Absolventen mussten bisher gezwungenermaßen an eine Hochschule abwandern, um sich diesen Wunsch zu erfüllen - und dabei "Redundanzen" in Kauf nehmen, wie Krone zu bedenken gibt.

Eine Aufwertung wünscht sich auch Kerry-U. Brauer, stellvertretende Präsidentin der Berufsakademie Sachsen und Direktorin der Staatlichen Studienakademie Leipzig. Mit der vorliegenden Bestandsaufnahme wollen sie und Krone dem Gesetzgeber "zeigen, was wir leisten". Brauer freut sich zunächst über die "geringe Quote von Studienabbrechern": In der Studienrichtung Immobilienwirtschaft liege diese nur bei 22%. Überrascht zeigt sie sich sodann über die "hohe Branchentreue" der Immobilienstudenten: Die ermittelte "Verbleibensquote" in dieser Studienrichtung liege im gesamten Beobachtungszeitraum bei 82% - und das, obwohl die Immobilienstudenten ein komplettes betriebswirtschaftliches Studium absolvieren und also "nicht auf Gedeih und Verderb" an die Immobilienbranche gefesselt seien.

Die stabile Absolventenquote und die Branchentreue machen auch den Autor der Analyse stolz. Die Studierenden der Studienrichtung Immobilienwirtschaft seien "schließlich mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, die bei den anderen in Augenschein genommenen Studienrichtungen (Bankwirtschaft und Steuerberatung/Wirtschaftsprüfung, Anm. d. Red.) in einem vergleichbaren Umfang nicht gelten", schreibt Krone in der Studie. So leide das bediente Berufsfeld "in der öffentlichen bzw. medial transportierten Wahrnehmung an einem negativen Image, was von den Studieninteressierten und Studierenden ein besonders dickes Fell verlangt".

Das Ansehen der Immobilienwirtschaft, fährt Krone fort, leide "an klischeehaften Inszenierungen in Fernsehsendungen und Darbietungen von Prominenten aus dieser Branche". Für die naheliegende Annahme, die Studienrichtung Immobilienwirtschaft könnte Personen anlocken, "die es diesen ‚Vorbildern‘ durch eine Studienaufnahme gleichzutun trachten", liefere die Untersuchung jedoch keine Belege. Dies spreche für die Qualität der Arbeit der Berufsakademie und ihrer Praxispartner.

Peilt die Berufsakademie für ihre Absolventen grundsätzlich eine Position in der mittleren Führungsebene kleinerer und mittelständischer Firmen an, so tauchen auch größere Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten in der Liste der Arbeitgeber auf. Brauer zufolge ist schon so mancher ehemalige Student bei JLL oder BNP Paribas Real Estate gelandet, einer hat es bei einem großen Maklerhaus sogar zum Niederlassungsleiter in Leipzig gebracht. Auch die Handelsimmobilienbranche um ECE oder die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland ist ein dankbarer Abnehmer für Menschen, die zum Center- oder Vermietungsmanager taugen - und später sogar zum Geschäftsführer.

Andere Absolventen sind mittlerweile Vorstände von Wohnungsgenossenschaften. Tatsächlich sind die meisten Praxispartner Wohnungsunternehmen (aus Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen), auch Kommunen mit Liegenschaftsabteilung bieten duale Studienplätze an, ebenso wie der Immobilieneigenbetrieb des Freistaats, die Deutsche Bahn oder regional bekannte Maklerhäuser wie Der Immotip.

Krone nennt ein paar Namen und liefert hieb- und stichfeste Zahlen. Die Namen: Achim Weitkamp, Gesellschafter des Maklerhauses Lührmann, Ulrich Dahl, Geschäftsführer bei Engel & Völkers Commercial Rhein-Main, oder Björn Petersen, Vizepräsident des IVD - sie alle haben in Leipzig ihren Bachelor in Vermögensmanagement mit Schwerpunkt Immobilienwirtschaft gemacht.

Und die Zahlen: Nicht weniger als jeder fünfte Absolvent der Studienrichtung Immobilienwirtschaft (20%) hat es bis zum Vorstand/Geschäftsführer oder Inhaber/Partner geschafft. Gut vier von zehn (42%) haben aktuell einen Managerposten inne. Die schillernde Funktionsbezeichnung des Managers schließt für Krone nicht nur eine leitende Position ein, "sondern auch die Möglichkeit, bei der inhaltlichen Gestaltung mitzuentscheiden".

Gut jeder dritte Immobilienabsolvent (37%) geht aktuell einer Tätigkeit als Sachbearbeiter nach. Was dröge klingt, kann es durchaus in sich haben: Krone subsumiert unter diesen Begriff auch Leute, die sich auf der operativen Ebene um Immobilienportfolios kümmern oder als Asset-Manager z.B. für ausländische Investoren Bilanzen möglicher Beteiligungsunternehmen checken - und nicht etwa nur Menschen, die sich mit Betriebskostenabrechnungen beschäftigen.

Krones Fazit: "Unseren Absolventen stehen alle Karrierewege offen." Die Grundausbildung in Leipzig befähige dazu, "sich dauerhaft und nachhaltig in der Immobilienbranche zu etablieren". Die Staatliche Studienakademie Leipzig wiederum erfülle damit ihren Auftrag, Nachwuchskräfte für das mittlere Management kleiner und mittelgroßer Immobilienfirmen zu generieren, "über das vorgegebene Maß hinaus".

Und noch eine interessante Zahl hat die Studie zu bieten: 64% der Absolventen sind weiblich, nur im Jahrgang 2003 schrieben sich an der Berufsakademie Leipzig mehr junge Herren als Damen für Vermögensmanagement mit Schwerpunkt Immobilienwirtschaft ein. Wer sich auf den Führungsebenen von Immobilienunternehmen umschaut, entdeckt jedoch immer noch einen deutlich geringeren Frauenanteil.

Warum das so ist - auch dafür liefert die Untersuchung Anhaltspunkte. So setzen sich die männlichen Absolventen auf Job- und Karriereplattformen im Internet besser in Szene als ihre weiblichen Ex-Kommilitonen. Krone konnte rund zwei Drittel aller Absolventen der Studienrichtung Immobilienwirtschaft auf Xing oder LinkedIn aufspüren. Der Frauenanteil an den erfassten Profilen liegt bei 57% - und damit sieben Prozentpunkte niedriger als der Frauenanteil unter allen Absolventen. In den beiden anderen Studienrichtungen liegt der Unterschied sogar bei je elf Prozentpunkten.

Dieses Delta deutet für den Autor darauf hin, "dass traditionelle Geschlechterrollen-Klischees noch wirkungsmächtig zu sein scheinen, männliche Absolventen also noch inszenierungsbedürftiger sind als weibliche". Absolventinnen seien vielleicht auch deshalb schlechter auffindbar, weil sie nach einer Heirat öfter den Nachnamen des Ehepartners annehmen - doch dies könne ebenfalls "als Indiz für die Persistenz traditioneller Geschlechterrollen verstanden werden", schreibt Professor Krone. Er rät weiblichen Absolventen daher, sich stärker auf internetbasierten Plattformen zu zeigen und dabei nach einer Eheschließung immer auch ihren Geburtsnamen zu hinterlegen, damit sie auffindbar bleiben - nicht nur für einen Professor, der Werdegänge von Ex-Schützlingen analysiert.

Harald Thomeczek

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Wer eine gültige Studienbescheinigung hochlädt, kann den Fragebogen online ausfüllen. Die Teilnahme dauert etwa 15 bis 20 Minuten. Damit sich die Mühe lohnt, werden unter allen Teilnehmern Preise verlost. Es winken Abos der Immobilien Zeitung, Tickets für das IZ-Karriereforum, das am 8. Juni in Frankfurt Arbeitgeber und den Nachwuchs zusammenbringt, Eintrittskarten für den Europa Park, Rucksäcke von Got Bag, ein Apple iPad der 10. Generation und Airpods der 3. Generation. 

Als Partner unterstützen in diesem Jahr BNP Paribas Real Estate Deutschland, CBRE, Drees & Sommer, die ECE Group, Swiss Life Asset Managers Deutschland, Patrizia, Kaufland Immobilien, die LBBW Immobilien-Gruppe, Art-Invest Real Estate, Commerz Real, HIH Real Estate, Europa Park und die Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (Gif) die Arbeitsmarktumfrage der Immobilien Zeitung. 

Janina Stadel

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Kurz nach seinem Wechsel zur Immobilienberatung JLL wurde sein heute sechsjähriger Sohn geboren."Diesmal war der Elternzeitantrag gar kein Problem", erinnert sich Herzog. Nach der Elternzeit steigt seine Frau wieder in Teilzeit ein, er arbeitet weiterhin Vollzeit – bis zum Jahr 2019. Als eine Oma der Kinder verstirbt, entschließt sich das Paar, kürzer zu treten. Sie hatte das Elternpaar stark unterstützt. Kurz vor dem Entschluss hatte er intern die Abteilung gewechselt, ist nun in der Rechnungsstellung. Sorgen hatte Herzog keine vor dem Gespräch mit seinem Chef. Der ist nämlich selbst Vater und stimmt sofort zu. "Wir haben uns direkt hingesetzt und geplant, wie ich dann meine Aufgaben weitermache und ob ich etwas abgeben muss." Letztlich musste nichts verteilt werden, weil er noch so neu in der Abteilung war. Es ging dann mehr darum, wann er arbeitet und wie er sich diese einteilt. Seitdem arbeiten Herzog und seine Frau beide 30 Stunden die Woche.

Aus Sicht des 44-Jährigen ist eine offene Kultur, wie er sie bei JLL erlebt, entscheidend, um Müttern und Vätern eine gute Arbeitsumgebung zu bieten. Allgemein hat Herzog den Eindruck, dass die Immobilienbranche recht familienfreundlich aufgestellt ist. "Ich habe zwar keine große Stichprobe, aber aus meiner Erfahrung und der meiner Bekannten und Kollegen kann ich sagen: Das läuft schon ganz gut." Für die Zukunft wünsche er sich noch, dass Arbeitgeber im Allgemeinen Väter stärker ermuntern, Teilzeit oder eine längere Elternzeit zu nehmen – wenn sie es möchten. "So kämen vielleicht noch mehr auf den Gedanken, auch diejenigen, die sich vor der Frage nach Teilzeit scheuen", sagt Herzog.

So ein Engagement befürwortet auch Experte Seltmann. "Es geht letztlich immer um Elternfreundlichkeit. Mütter und Väter sollten nicht unterschiedlich behandelt werden. Auf individuell andere Bedürfnisse sollten Arbeitgeber trotzdem gehen."

Allgemeine Unterstützung können Arbeitgeber zum Beispiel schon einfach über flexible Arbeitszeiten und eine freie Wahl der Büro- und Homeofficetage bieten. So macht das auch Gundlach Bau. Zusätzlich ist eine vom Immobilieninvestor initiierte Kita ans Büro angeschlossen. Die Mitarbeiter können ihre Kinder dort vor der Arbeit zur Betreuung abgeben. Wenn es mal nicht anders geht, gibt es auch ein Eltern-Kind-Büro, in dem Mitarbeiter ihren Aufgaben nachgehen, während sie ein Auge auf ihre Kinder haben, denen dort Spielzeug zur Verfügung steht. Solche Verbesserungen kommen allen Eltern zugute.

Manchmal haben Väter aber eben doch andere Fragen oder Herausforderungen als Mütter. Oder sie wollen sich lieber mit anderen Vätern austauschen, weil sie denken, dort besser verstanden zu werden. Dann kommen Väternetzwerke ins Spiel. "In solchen Gruppen können Väter innerhalb der Belegschaft Gedanken austauschen und Initiativen anstreben", erklärt Seltmann. Von allen Initiativen, die es bei Arbeitgebern gibt, geht das Väternetzwerk oft als letztes an den Start, weiß der berufundfamilie-Experte. "Wenn es keine Enthusiasten gibt, die den aktiven Austausch suchen und verfestigen, klappt das nicht", erklärt er.

Personaler müssen aber nicht auf die Initiative der angestellten Väter warten. Sie können auch selbst aktiv werden. Seltmann empfiehlt, zunächst eine Infoveranstaltung anzubieten. Auf dieser könnten zum Beispiel Gastredner über Väterfreundlichkeit sprechen. Die Vorteile einer solchen Veranstaltung: HR sieht, wie viele Mitarbeiter wirklich Interesse an dem Thema haben. Und sie können im Nachgang die Besucher auf die Gründung eines Väternetzwerkes ansprechen und dessen Entstehung begleiten.

Bei JLL gibt es ein solches organisiertes Netzwerk nicht. Herzog vermisst es aber auch nicht. Stattdessen bindet JLL den PME-Familienservice ein. Der Dienstleister steht Arbeitgebern unterstützend zur Seite, der Service richtet sich aber explizit an die Arbeitnehmerschaft. PME steht zum Beispiel Mitarbeitenden zur Seite, wenn sie Konflikte am Arbeitsplatz, Sicht- oder Partnerschaftsprobleme haben.

Familienfreundlichkeit ist oft ausschlaggebend bei der Jobwahl

Den Gesprächen der Väter im Netzwerk sollten dann aber auch Taten folgen. Seltmann hat sich zum Beispiel vor kurzem mit dem Väternetzwerk eines großen Unternehmens an den Tisch gesetzt. Ein Problem: Am Standort gibt es zwar eine Kita für die Kinder der Mitarbeitenden. Aber die öffnet erst um halb neun. Und dann schaffen es die Väter oft nicht, rechtzeitig im ersten Meeting des Tages zu sein, oder es muss doch wieder die Mutter zur Kita fahren. Seltmann vermittelte zwischen Vorstand und dem Netzwerk. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Seit dem Gespräch gilt die interne Policy, dass kein Meeting vor neun Uhr angesetzt werden darf, damit alle die Chance haben, dabei zu sein – und zwar ohne Stress. Auch kleine Veränderungen können also Großes bewirken.

Wer Väter aber nachhaltig zu längeren Elternzeiten motivieren will, der muss nicht nur tiefer in die Trickkiste, sondern vor allem tiefer in die Kasse greifen. "Egal wie elternfreundlich Arbeitgeber sind, am Ende sind es oft die unterschiedlichen Gehälter, die Paare zur Entscheidung führen: Mama bleibt länger zu Hause. Papa geht arbeiten", sagt Seltmann. Dieses Dilemma wurde auch in der jüngst politisch und medial hochgekochten Elterngelddebatte wieder gewälzt. Eine Lösung für Arbeitgeber kann darin bestehen, frischgebackenen Müttern und Vätern ein paar Monate Elternzeit zum vollen Gehalt zu ermöglichen. "Denn nur wenn Paare keine Geldsorgen haben, können sie wirklich frei über die Aufteilung der Elternzeit entscheiden", sagt Seltmann. Zusätzlich solle jedes Unternehmen auf Gleichbezahlung von Mann und Frau achten.

Angebote wie die Elternzeit zum vollen Gehalt können den Ausschlag geben – zum Beispiel bei der Suche nach Fachkräften. Laut Prognos-Studie denken 40 Prozent der befragten Väter darüber nach, den Arbeitgeber zu wechseln, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Zehn Prozent haben den Job laut eigener Angabe deswegen schon gewechselt. Statt viel Geld in andere Benefits zu investieren, könnte in einem Entgegenkommen hier also womöglich ein Hebel liegen, um Beschäftigte zu binden.

Die Autorin: Jennifer Garic ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

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