"Man muss Chef sein wollen"

Lemli und die Einsamkeit des Entscheiders.

Lemli und die Einsamkeit des Entscheiders.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Alexander Sell

Karriere 09.01.2020
Marcus Lemli ist die treue Seele der unsteten, wechselwilligen Maklerbranche. Im vergangenen Vierteljahrhundert hat der 50-Jährige praktisch nur für zwei Häuser gearbeitet: JLL und ... 

Marcus Lemli ist die treue Seele der unsteten, wechselwilligen Maklerbranche. Im vergangenen Vierteljahrhundert hat der 50-Jährige praktisch nur für zwei Häuser gearbeitet: JLL und Savills. Die deutsche Savills-Truppe rückte unter Lemli in die Gewinnzone. Einen Fanclub würden seine Leute deswegen - trotz allem Respekt - aber nicht für ihn gründen.

Ein repräsentatives Büro hat Lemli nicht, der Chef sitzt mit seinen Untergebenen in Frankfurt in einem Großraumbüro. Nicht, damit er seine Leute besser kontrollieren kann, sondern weil er "immer für alle ansprechbar" sein wolle. Als Primus inter Pares im Open Space mag Lemli sich beim Fotoshooting aber nicht ablichten lassen - das verlegt er lieber in einen Besprechungsraum. Auf dem Weg entdeckt er in einem verlassenen Winkel ein paar der knallgelben Savills-Würfel und beschließt: Die müssen mit aufs Bild! Entschlossen schnappt er sich ein Sitzmöbel und auch seine PR-Dame muss anpacken. Im Besprechungsraum angekommen, stapelt Lemli die Würfel, lehnt sich locker an den wackligen Turm - und fühlt sich sichtlich unwohl. Nun probiert er die sitzende Variante aus. Ein wenig ungelenk drapiert er sich auf dem Kubus. Gar nicht so einfach, entspannt und zugleich würdevoll auf so einem Würfel zu sitzen, muss Lemli feststellen und kommt ins Grübeln, ob das hier das richtige Setting ist. Schnell auf den Auslöser gedrückt, bevor der Mann es sich anders überlegt.

Seit sieben Jahren schon ist Lemli Deutschlandchef von Savills. Das muss jemand in einem britischen Maklerkonzern erst einmal schaffen. Im Lichte der Lebensläufe vieler Makler, witzelt ein Savills-Mann, wirke Lemli "fast schon monogam".

Nicht, dass er keinen Sinn für Karriere hätte. Auf Anraten seines ehemaligen Chefs bei Jones Lang Wootton (heute JLL), der gerade selbst zum Europachef befördert worden war, ging Lemli Ende der 1990er nach Spanien. "It wouldn't be a disadvantage to go abroad", überzeugte ihn Robert Orr damals. Dabei war Lemli nicht mal der Landessprache mächtig. Das ist inzwischen anders, heute verbringt Lemli viel Zeit in Spanien, mit seiner Frau, die er während seiner Jahre in Madrid kennenlernte. In ihrem Heimatort besitzen die beiden ein Haus.

Eigentlich war Lemli fürs Modebusiness bestimmt. Seine Großeltern betrieben ein Bekleidungsgeschäft in Frankfurt-Sachsenhausen. Lemli studierte BWL und trat nach dem Studium in den Familienbetrieb ein. Doch schon nach zwei Jahren war Schluss. Lemli sattelte auf Immobilienmakler um.

Bei JLL fing er in der Frankfurter Logistikflächenabteilung an. Nebenbei packte er an der EBS den Immobilienökonomen drauf. Schnell arbeitete er sich zu Orrs Assistenten hoch. In Spanien angekommen ließ die nächste Gelegenheit nicht lange auf sich warten: Knall auf Fall machte sich der Investmentchef von JLL in Madrid aus dem Staub - und Lemli sprang in die Bresche. "Man muss schon Chef sein wollen", findet er.

Nach fünf Jahren bei JLL in Madrid versuchte sich Lemli auf Kundenseite. Mehr als ein Ausflug wurde aus diesem Kapitel seiner Vita jedoch nicht (siehe "Lemlis Laufbahn"): Nur ein Jahr später trat Lemli in die Dienste von Savills - um kurz darauf für JLL nach Deutschland zurückzukehren. Bei JLL übernahm er als Head of Leasing and Capital Markets Germany und Mitglied des Management Boards erstmals auch Verantwortung für einen Bereich außerhalb des Investmentgeschäfts.

Als bei Savills 2012 der Posten des Head of Investment Europe frei wurde, fackelte Lemli nicht lange. "Warum gehst du zu einem kleineren Unternehmen? Jetzt läuft's doch gerade super", fragten ihn seine JLL-Kollegen. Doch Lemli, so sagt er, habe die Herausforderung gelockt, das Investmentgeschäft von Savills in Kontinentaleuropa auszubauen. Und der Stuhl des damaligen Deutschlandchefs von Savills wackelte ja auch schon, erinnert sich ein Insider. Ein halbes Jahr später hatte Lemli den Zweitjob.

Unter dem CEO Marcus Lemli ist Savills in Deutschland nach Jahren der Verluste in die Gewinnzone vorgestoßen und schreibt seit 2014 schwarze Zahlen, der Umsatz im Investmentgeschäft hat sich fast verzehnfacht. Im Markt gilt Lemli als "grandioser Analytiker und guter Investmentbroker". Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gab schon mal schwerere Zeiten für Maklerhäuser, schwarze Zahlen zu schreiben. Kritiker fragen, welchen Anteil Lemli an der Entwicklung hatte - und welchen die extrem günstige Marktsituation.

Hinzu kommt, dass diese Entwicklung nicht etwa ausschließlich nach oben zeigt. So brachen die Umsatzerlöse im Investmentbereich 2017 um mehr als ein Drittel ein - um im Folgejahr allerdings um gut drei Viertel wieder in die Höhe zu schnellen. Lemli erklärt das so: Als er Anfang 2017 die operative Verantwortung für das Investmentgeschäft vom scheidenden Andreas Wende übernahm, habe er Änderungen vorgenommen, die erst 2018 gegriffen hätten. So seien z.B. Niederlassungen in Berlin und Hamburg restrukturiert und ein zentrales Investmentteam zur Unterstützung der lokalen Einheiten etabliert worden.

Zu seinem Amtsantritt fand Lemli zu viele Direktoren vor, "die sich nicht auf den Teamerfolg konzentrierten. Aus dem Gemeinsamen wurden nicht viele Vorteile generiert, das Geschäft drehte sich sehr um einzelne Personen." Lemli stellte neue Spielregeln auf. "Das hat nicht jedem gefallen. Manche Leute haben sich darin nicht mehr wiedergefunden und sind dann auch gegangen. Auch ein paar Führungspositionen wurden neu besetzt, zum Teil mit Externen." Insgesamt verabschiedete jeder Vierte von damals rund 140 Mitarbeitern in den ersten zwölf Monaten von Lemlis Amtszeit, teils auf seinen "Vorschlag" hin. Rund 60 neue Leute holte er im ersten Jahr rein. Im Marketing oder im Personalbereich setzte er den Rotstift an: "Der Overhead war zu groß für unser Businessvolumen."

"Die Aufgabe ist nicht: Wie werde ich der beliebteste Chef?"

"Die Aufgabe war doch nicht: Wie werde ich der beliebteste Chef? Sondern: Wie baue ich nachhaltiges Geschäft auf?", sagt der CEO im Rückblick. "Mein Job ist es, ein funktionierendes Ganzes zu schaffen, und ob das gelingt, hängt nicht von Freundschaften ab. Jeder weiß, dass die letzte Entscheidung bei mir liegt." Lemli hat kein Problem damit, respektiert, aber nicht geliebt zu werden. Und manchmal ist es schließlich schon schwer genug, sich den nötigen Respekt zu verschaffen. Lemlis Vorgänger Uwe Willer hielt sich nur gut zwei Jahre auf seinem Stuhl. Es heißt, er sei von anderen Geschäftsführern - und davon hatte Savills Germany seinerzeit eine Menge - "geköpft" worden.

Lemli "legt Wert auf interne Kommunikation und er versucht, sein Team bei strategischen Entscheidungen abzuholen und mitzunehmen", erinnert sich eine Ex-Kollegin. Ein Vermietungsmakler von Savills findet gut an Lemli, dass er seine Leute nach ihrer Meinung fragt und Diskussionen zulässt, "aber Themen nicht zerredet".

Reden ist nicht die ganz große Stärke des Marcus Lemli: "Manchmal denkt man sich schon, das hätte man jetzt auch einfacher formulieren können: Subjekt, Prädikat, Objekt", grinst ein anderer Savills-Makler. Lemli wägt seine Worte stets genau ab, doch mitunter kommen dabei Sätze heraus, die kompliziert gebaut sind und ein wenig phrasenhaft wirken - und am Ende alles und nichts bedeuten können. Sein Verständnis von Führung bringt er etwa so zum Ausdruck: "Es geht nicht darum, klare Ansagen zu machen, sondern darum, Erwartungshaltungen zu formulieren, Leitplanken zu setzen und die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter zu schaffen, um ihre individuellen Potenziale zu fördern und erfolgreich einzusetzen."

"Ein Jürgen Klopp ist er nicht, eher schon ein Ottmar Hitzfeld"

Als "brutal kompliziert" beschreibt eine frühere Führungskraft von Savills ihren Ex-Chef. Ein anderer ehemaliger Kollege mit Leitungsfunktion erinnert sich: "Lemli trägt sein Herz nicht auf der Zunge. Mit ihm ist man nicht gleich auf einer persönlichen Ebene." Der Investmentmakler wählt einen Vergleich aus dem Fußball: "Ein Jürgen Klopp ist er nicht, eher schon ein Ottmar Hitzfeld." Der Fußballlehrer Klopp gilt als energiegeladenes Motivationsgenie, der Trainer Hitzfeld als bedachter Stratege. "Die emotionale Schiene nutzt sich schnell ab. Andere Chefs schießen aus der Hüfte und brechen dann bei der nächsten Gelegenheit unter Druck zusammen", sagt der Investmentbroker. "Da ist mir einer wie Lemli lieber, der mehr über die sachliche Ebene kommt - auch wenn ich keinen Lemli-Fanclub gründen würde."

Ein Vermietungsmakler lobt: "Marcus genießt sehr viel Respekt, das ist die Basis für Erfolg. Er trifft keine Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Bei ihm sind die Fakten im Vordergrund." Der Kollege aus der Investmentabteilung erzählt: "Als mir ein Sachverhalt durchrutschte, hat Lemli das sehr sachlich aufgenommen. Er hat gefragt: Okay, wie kriegen wir die Kuh vom Eis? Er hätte mir dafür stattdessen auch die Ohren langziehen können." Selbst wenn er allen Grund hätte, sich aufzuregen, konzentriert sich Lemli lieber auf die Lösung von Problemen.

Wenn es sein muss, wird Lemli auch mal erzieherisch tätig. Auf einem Betriebsausflug hält er einen jungen Kollegen an. Der muskulös wirkende Youngster trägt einer Officemanagerin das Weinglas hinterher - während sie, die das Event organisiert hat, die Savills-Utensilien zum Bus zurückschleppt. Halb im Spaß, aber mit einem Fünkchen Ernst nimmt Lemli dem Jungspund die Gläser ab und drückt ihm das Gepäck der Kollegin in die Hände: "Ich zeige dir jetzt, wie man das macht." Das Lachen des jungen Mannes gefriert, er wird rot im Gesicht: "Ich habe ihr doch angeboten, die Sachen zu tragen! Hast du jetzt wirklich geglaubt, dass ich …?"

Wenn Marcus Lemli einmal nicht mehr arbeitet, wollen er und seine Frau für immer in den Süden nach Spanien ziehen. Aber erst, wenn seine beiden Söhne aus dem Haus sind. Mit ihnen spielt Lemli gerne Fußball oder begleitet sie ins Stadion, zu Eintracht Frankfurt. So viel Sport, wie es seine drahtige Figur vermuten ließe, treibt er selbst allerdings nicht. Nur ab und an kickt er noch, alte Herren - aber immer, typisch Lemli, mit Bedacht: "Die letzten 20 Zentimeter wird nicht mehr voll durchgezogen."

Lemlis Laufbahn

  • 1996-1998: Einstieg ins Maklerleben bei JLL in Frankfurt, Industrial Agency. Assistent des Deutschlandchefs.
  • 1998-2003: Lemli geht für JLL als Investmentmakler nach Madrid, wird dann Head of Investment Spanien.
  • 2003/04: Ausflug auf die Kundenseite: Partner beim Asset-Manager Infinorsa.
  • 2004-2006: Lemlis erster Wechsel zu Savills (Head of Investment Spain).
  • 2006-2012: Zurück nach Deutschland und zurück zu JLL, als Head of Capital Markets & Leasing.
  • 2012: Rückkehr zu Savills, zunächst als Europainvestmentchef, bald auch Deutschland-CEO.

Harald Thomeczek

Harald Thomeczek

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Barbara Lewandowicz gibt Führung von NAI nach einem halben Jahr ab

Barbara Lewandowicz (Mitte) neben Marcel Crommen und Paola Fruttuoso.

Barbara Lewandowicz (Mitte) neben Marcel Crommen und Paola Fruttuoso.

Urheber: Fotograf Sebastian Schueler

Karriere 22.06.2023
Nach nur einem halben Jahr verlässt Barbara Lewandowicz das Maklernetzwerk NAI Apollo wieder. Die Gründe für diesen Schritt werden nicht kommuniziert. Der plötzliche Abschied der ... 

Nach nur einem halben Jahr verlässt Barbara Lewandowicz das Maklernetzwerk NAI Apollo wieder. Die Gründe für diesen Schritt werden nicht kommuniziert. Der plötzliche Abschied der Geschäftsführerin kommt in einer schwierigen Marktlage. Andreas Krone wird als Gesellschafter ins operative Geschäft zurückkehren und Lewandowiczs Position übernehmen.

Im November 2022 hatte NAI Apollo einen Umbruch im Management verkündet. Nach fünf Jahren an der Spitze verließ Andreas Wende zum Jahreswechsel die Geschäftsführung, Barbara Lewandowicz übernahm dessen Position. Den von Wende ausgerufenen Expansionskurs sollte das neue Management konsequent weiter steuern.

Doch jetzt der unerwartete Abschied. Gegenüber der Immobilien Zeitung bestätigte Barbara Lewandowicz, dass sie das Unternehmen Ende Juni verlassen wird. Bei der Frage zu den Gründen indes blieb sie vage. "Es waren spannende und lehrreiche Monate in einem anspruchsvollen Marktumfeld", sagt sie. "Ich bedanke mich sehr bei dem tollen Team und wünsche NAI Apollo für die anstehenden Herausforderungen nur das Beste." Sie werde sich nun neuen Aufgaben widmen, sagte Lewandowicz.

Die Trennung sei in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt, berichtet Krone und ergänzt: "Barbara hat unser Unternehmen innerhalb ihres hervorragenden Netzwerks positioniert und damit neue Möglichkeiten für unsere Beratungsleistungen geschaffen. Dafür sind wir ihr sehr dankbar." Er werde nun auf die aktive Geschäftsführerposition zurückkehren, um gemeinsam mit Paola Fruttuoso und Marcel Crommen das Unternehmen bestmöglich "durch das aktuell schwierige Marktumfeld zu führen".

Noch Ende April hatten Lewandowicz und Crommen im Gespräch mit der Immobilien Zeitung davon gesprochen, die Krise mit Schwung bewältigen zu wollen. Denn auch bei NAI Apollo hat sich der stockende Transaktionsmarkt bemerkbar gemacht und die Umsatzzahlen spürbar gedrückt. "Das Vermietungsgeschäft läuft noch", hatte Lewandowicz damals gesagt. "Die Pipeline ist noch da, aber es erfordert mehr Fleiß, die Abschlüsse dauern länger." Sie hatte angekündigt, die Bereiche in den Fokus zu stellen, die noch Wachstumspotenzial bieten.

Crommen hatte Ende April die Hoffnung geäußert, dass auch die Investoren langsam ihre Vorsicht ablegen und wieder auf den Markt zurückkehren werden. "Ich bin optimistisch, dass wir mit unserer Mannschaft die Krise bewältigen können", hatte Crommen betont. Zu diesem Team gehört Lewandowicz nun nicht mehr. Crommen wird künftig mit Fruttuoso und Krone durch die raue See kommen müssen. Fruttuoso war im März 2022 in die Geschäftsführung aufgestiegen; als COO übernahm sie die Verantwortung für die Themen IT, Personal, Organisation, Compliance, Marketing und Buchhaltung. Crommen behielt wie zuvor den Bereich Investment unter sich.

Lewandowicz leitete als Geschäftsführerin die verschiedenen Assetklassen sowie die Büro-, Logistik- und Vermietungsabteilung in Frankfurt. Außerdem war sie zuständig für Corporate Services, Investmentmanagement, Valuation & Research, das Real-Estate-Management und das Wohnsegment. Darüber hinaus verantwortete Lewandowicz die Koordination mit den Niederlassungen in Hamburg und Berlin sowie den Partnerunternehmen der NAI Apollo Group. Lewandowicz war von der Immobilienabteilung des Family-Offices Friedhelm Loh zu NAI Apollo gekommen. Bei NAI Apollo sind rund 110 Personen beschäftigt. Bisher ist die Holding des Unternehmens in Frankfurt, Hamburg, München und Berlin aktiv. Über Partner ist NAI zudem im Ruhrgebiet, in Stuttgart, Düsseldorf, Köln und Bonn, Ulm und Mannheim vertreten. Weltweit beschäftigt die Gruppe 5.100 Mitarbeiter.

Peter Dietz

"Eine Beförderung sollte die Belohnung für gute Arbeit sein"

Paola Fruttuoso ist seit 18 Jahren bei NAI Apollo.

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Quelle: NAI apollo, Urheberin: Paola Fruttuoso

Karriere 17.03.2022
Mit Paola Fruttuoso erweitert NAI Apollo die Geschäftsführung mit einer Kandidatin aus den eigenen Reihen. Die 36-Jährige stieg vor 18 Jahren nach ihrer Ausbildung als Assistentin ins ... 

Mit Paola Fruttuoso erweitert NAI Apollo die Geschäftsführung mit einer Kandidatin aus den eigenen Reihen. Die 36-Jährige stieg vor 18 Jahren nach ihrer Ausbildung als Assistentin ins Unternehmen ein und trug zuletzt den Titel Office Managerin. Im Interview mit der IZ erklärt sie, dass sie als HR-Beauftragte auch in Zukunft die Potenziale von Mitarbeitern fördern will.

Immobilien Zeitung: Frau Fruttuoso, Sie steigen im April bei NAI Apollo in die Geschäftsführung auf. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Paola Fruttuoso: Die Stelle wurde nicht ausgeschrieben. Ich habe mich weder darauf beworben, noch war das geplant. Es waren die beiden bestehenden Geschäftsführer Andreas Wende und Marcel Crommen, die sich mit den Gesellschaftern beraten und mir anschließend die Position angeboten haben. Ich sehe das als Zeichen der Anerkennung für die Arbeit, die ich bisher geleistet habe, und das Engagement, welches ich ins Unternehmen gesteckt habe. Deshalb war für mich sofort klar, dass ich das Angebot annehme.

IZ: Wie haben Sie sich auf Ihre neue Rolle vorbereitet?

Fruttuoso: Ich sehe meine letzten 18 Jahre im Unternehmen als die Vorbereitung auf diese Rolle. Ich habe in dieser Zeit bei NAI Apollo viel miterlebt. Meine Aufgaben sind nach und nach gewachsen und ich mit den Aufgaben. Gleichzeitig auch mit dem Unternehmen, denn während es damals noch ein 15-köpfiges Team war, haben wir inzwischen 110 Mitarbeiter an vier Standorten. Je größer das Team wurde, desto stärker wurde auch meine Identifikation mit NAI Apollo, denn ich habe Veränderungen und das Wachstum immer mit eigenen Augen gesehen.

IZ: Sie übernehmen als COO die Verantwortung über unterschiedliche Bereiche. Welchen sehen Sie als größte Herausforderung und worauf freuen Sie sich am meisten?

Fruttuoso: In den nächsten Jahren ist gutes Personal zu finden sicher die größte Herausforderung. Wir wollen und werden uns breiter aufstellen und das Unternehmenswachstum fortsetzen. Dafür sind gute Mitarbeiter die Grundlage. Gleichzeitig freue ich mich auf diese Aufgabe besonders, denn ich arbeite gerne mit Menschen zusammen, egal ob mit Kunden oder mit Mitarbeitern.

IZ: Nach welchen Profilen suchen Sie?

Fruttuoso: Was Berufsbilder angeht, suchen wir derzeit Berater, Teamassistenten und Bewerter. Aber viel mehr als um Vorerfahrung geht es uns um Persönlichkeiten, die das Ziel verfolgen, zu Experten auf ihrem Gebiet zu werden. Deshalb bieten wir regelmäßig Weiterbildungen an und übernehmen zum Beispiel die Kosten für IHK-Lehrgänge, ADI sowie EBS und Irebs. Das werden wir beibehalten.

IZ: Wie sollten junge Talente signalisieren, dass sie im Job mehr Verantwortung übernehmen wollen?

Fruttuoso: Eigentlich sollte das gar nicht ihre Aufgabe sein, sondern die der Führungskräfte. Vorgesetzte und Geschäftsführer müssen Potenziale erkennen und fördern. Ein beruflicher Aufstieg oder eine Beförderung sollte immer eine Belohnung für bereits erbrachte gute Arbeit sein. Und ein Mitarbeiter sollte immer das Gefühl haben, dass Führungskräfte ihn nicht aus dem Blick verlieren und sich um ihn kümmern. Entsprechend wichtig ist der enge Dialog zwischen Mitarbeitern und Führungskräften.

IZ: Welche Fähigkeiten machen in Ihren Augen eine gute Führungskraft aus?

Fruttuoso: Mein Führungsstil ist ein Miteinander auf Augenhöhe. Das ist es, was mir hier all die Jahre über vorgelebt wurde. Bei uns stehen die Türen für Feedback und auch für Sorgen der Mitarbeiter immer offen.

IZ: Welche Rolle spielt das Thema Employer Branding für Sie ?

Fruttuoso: Eine große. Gerade weil bei jungen Arbeitnehmern das Finanzielle nicht mehr an erster Stelle steht, wollen wir uns als Arbeitgeber positionieren, bei dem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, flexibles Arbeiten und das Thema Work-Life-Balance großgeschrieben werden. Wie das umgesetzt werden kann, dafür befragen wir gerade unsere Mitarbeiter. So soll gleichzeitig ihre Bindung ans Unternehmen gelingen. Wir sind außerdem dabei, Strategien zu entwickeln, wie wir Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abteilungen zu Unternehmensbotschaftern machen können.

IZ: Inwieweit nehmen Sie selbst nun eine Vorbildrolle ein?

Fruttuoso: Wenn mich jemand als Vorbild sieht, dann freut mich das sehr. Ich bin froh, dass ich zeigen kann, dass eine Mischung aus Herzblut und Ärmel hochkrempeln ein Schlüssel zum Erfolg sein kann.

IZ: Frau Fruttuoso, Danke für das Gespräch. Das Interview führte Janina Stadel.

Janina Stadel

Kein Zwang zu Homeoffice!

Karriere 26.11.2020
Andreas Wende, Managing Partner des Maklerhauses NAI apollo, ist froh, dass Kanzlerin Merkel den Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für ein Recht auf mobiles Arbeiten gestoppt ... 

Andreas Wende, Managing Partner des Maklerhauses NAI apollo, ist froh, dass Kanzlerin Merkel den Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für ein Recht auf mobiles Arbeiten gestoppt hat. Dabei hat er gegen mobiles Arbeiten eigentlich gar nichts.

Immobilien Zeitung: Herr Wende, auf LinkedIn haben Sie der Kanzlerin öffentlich dafür gedankt, dass sie den Gesetzentwurf von Arbeitsminister Heil für ein Recht auf mobile Arbeit kassiert hat. Warum? 24 Tage Homeoffice im ganzen Jahr sind doch nicht die Welt.

Andreas Wende: Es geht nicht um die 24 Tage, es geht um die Garantie. Der Entwurf hat in vielen Punkten sicher seine Berechtigung, aber: Er greift in die unternehmerische Freiheit ein, in die Prozesshoheit, wie Unternehmen produzieren und arbeiten möchten. Der Unternehmer muss schon selbst entscheiden können, ob er Homeoffice oder etwas Vergleichbares einführt. Der Staat darf hier nicht eingreifen. Das wäre fahrlässig.

IZ: Urlaub und Sozialversicherung sind ebenso Eingriffe in die unternehmerische Freiheit.

Wende: Es gibt auch praktische Probleme, auf die der Entwurf überhaupt nicht eingeht. Viele Beschäftigte haben sich in den letzten Monaten einen notdürftigen Arbeitsplatz in der Küche oder im Schlafzimmer eingerichtet. Wenn wir als Unternehmen jedem Mitarbeiter einen zweiten Arbeitsplatz bezahlen müssten, würden ganz schöne Kosten auf uns zukommen. Zudem sind die technischen Voraussetzungen oft nicht vorhanden. Die LTE-Versorgung muss da sein, Glasfaser muss da sein - ist es aber häufig nicht. Viele unserer Mitarbeiter haben etwa kaum eine Chance, zuhause mit großen Film- und Fotodateien in der Cloud zu arbeiten.

IZ: Viele Arbeitnehmer freuen sich über Heils Initiative, weil er ihnen ein Mitspracherecht einräumt. Bisher können Firmen nach Gutsherrenart entscheiden, ob, wie oft und wem sie Heimarbeit erlauben.

Wende: Viele Unternehmen, auch unter unseren Kunden, bieten aktiv multilokales Arbeiten an. Dem kann sich kein Arbeitgeber im War for Talents entziehen. Ich kenne keinen, der seinen Mitarbeitern da Daumenschrauben anlegt. Multilokales Arbeiten ist längst in den Köpfen der Chefs angekommen. Das ist eine der größten Disruptionen im Bürobereich.

IZ: Wie oft arbeiten Sie selbst im Homeoffice?

Wende: Ich bin ein großer Freund von multilokalem Arbeiten. Ich arbeite 60%, 70% meiner Zeit multilokal, weil ich in Hamburg lebe, aber in Frankfurt arbeite. Und viele unserer Kunden sitzen in Berlin oder München.

IZ: Wie oft können Ihre rund 100 Mitarbeiter zuhause arbeiten?

Wende: Ein, zwei Tage pro Woche. Im Investment ist das eher möglich, in den Vermietungsteams weniger, weil die mehr kommunizieren und sich sehen müssen.

IZ: Und was machen Mitarbeiter, die keinen so lockeren Chef haben wie Sie?

Wende: Die können sich ja einen neuen Arbeitgeber suchen. Außerdem werden Mitarbeiter 70%, 80% ihrer Zeit immer im Büro verbringen müssen: Meetings, Innovationsworkshop - Kreativität benötigt Raum und Zufall.

IZ: Was sollen Mitarbeiter tun, die zumindest ab und an von zuhause arbeiten wollen und deren Tätigkeit das auch zulässt - und die sich keinen neuen Job suchen wollen?

Wende: Verpflichtende Regelungen braucht es jedenfalls nicht. Das sind alles gelebte Prozesse, das funktioniert auf Zuruf, wenn ein Mitarbeiter morgen mal zuhause arbeiten will. Wir dürfen das Selbstbewusstsein von Mitarbeitern nicht unterschätzen.

IZ: Ihre Researcher haben ausgerechnet, dass Homeoffice in Frankfurt im schlimmsten Fall bis zu 2 Mio. m² Bürofläche leeren könnte. Sie selbst haben schon zu Beginn der Corona-Krise einen Nachfragerückgang auf dem Büromarkt von 10%, 20% prophezeit.

Wende: Plötzlich haben alle festgestellt, dass multilokales Arbeiten funktioniert. In Unternehmen, die vorher 100% im Büro waren, arbeiten die Mitarbeiter jetzt vielleicht zu 30% mobil. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass Unternehmen auch so viel Fläche sparen. Schreibtische werden vielleicht reduziert, aber dafür werden andere Bereiche ausgebaut: Flächen für Kollaboration, wo die Leute sich ums Lagerfeuer scharen können. Der Durchschnittsbedarf pro Mitarbeiter ist in der Vergangenheit in Deutschland von 28 m² auf 24 m² gesunken. Und der Pro-Kopf-Bedarf wird weiter sinken. Ein Revival der Einzelzelle werden wir sicher nicht erleben. Die Frage ist bei allen Kunden dieselbe: Wie viel Fläche brauche ich, wenn das mit Homeoffice funktioniert? Dabei geht es aber nicht in erster Linie um Quadratmeterreduzierung, sondern um eine Aufwertung der Fläche.

IZ: Unionspolitiker haben einen Gegenentwurf zu Heil vorgelegt. Ein Rechtsanspruch auf mobile Arbeit findet sich dort nicht.

Wende: Dieser Entwurf vermittelt deutlich mehr Praxisnähe. Statt auf Pflichten setzen die Unionspolitiker auf Möglichkeiten. Gut ist auch der Vorschlag, die Einrichtung von Büros mit flexiblen Arbeitsplätzen im ländlichen Raum zu fördern. Doch nach wie vor fehlt eine zwingend notwendige Novellierung der Arbeitsstättenverordnung. Diese ist zu schwerfällig, um multilokales Arbeiten im Sinne der Mitarbeiter rechtssicher zu ermöglichen.

IZ: Herr Wende, herzlichen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Harald Thomeczek.

Harald Thomeczek