"Nur wegen Corona sind Sie nicht weniger wert"

Das Berufsleben kreist von Anfang an um die alles entscheidende Frage: Wie viel bin ich wert?

Das Berufsleben kreist von Anfang an um die alles entscheidende Frage: Wie viel bin ich wert?

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Karriere 26.11.2020
Absolventen immobilienwirtschaftlicher Fachrichtungen befürchten, sich bei einem Berufseinstieg in der Corona-Krise unter Wert verkaufen zu müssen. Doch das müssen sie nicht, Jobs für ... 

Absolventen immobilienwirtschaftlicher Fachrichtungen befürchten, sich bei einem Berufseinstieg in der Corona-Krise unter Wert verkaufen zu müssen. Doch das müssen sie nicht, Jobs für Einsteiger sind schließlich trotz mancher coronabedingter Einschläge immer noch genug da. Personalberater Frank Groß empfahl Nachwuchskräften darum auf der digitalen Karrierewoche der Immobilien Zeitung Ende Oktober, ihr Licht bloß nicht unter den Scheffel zu stellen.

"Die Gehälter in der Immobilienwirtschaft sind sehr intransparent", sagt ein Student, der bald seinen Abschluss macht. Der junge Mann führte auf der digitalen Karrierewoche der Immobilien Zeitung, einer Jobmesse für die Branche, Gespräche mit einer zweistelligen Zahl an potenziellen Arbeitgebern. "Außer einem Unternehmen, das mir eine grobe Orientierung gegeben hat, wollte mir niemand sagen, was ich ungefähr verdienen könnte."

Den ehrgeizigen Berufseinsteiger in spe treibt die Furcht um, sich "unter Wert verkaufen zu müssen", weil viele Unternehmen, so seine Beobachtung, wegen Corona heute deutlich weniger offene Stellen haben als noch vor einem Dreivierteljahr. "Die haben vor allem Einsteigerjobs gestrichen und nehmen aktuell nur noch Berufserfahrene." In einem virtuellen Meeting mit einem potenziellen Arbeitgeber auf der IZ-Karrierewoche habe es sogar geheißen: "Der Einstieg läuft bei uns nur über ein Praktikum." Diese Aussicht findet die zielstrebige Nachwuchskraft nach mehreren Jahren Studium nicht besonders attraktiv. Andererseits: Wer weiß, wie sich die Lage in ein paar Monaten darstellt, wenn das Coronavirus weiterwütet?

Der Jobmarkt für Neulinge, die erst einmal Geld kosten und einer intensiven Einarbeitung bedürfen - was aus der Ferne besonders schwer ist -, hat sich dieses Jahr nicht zum Besseren entwickelt. "Das Mindset hat sich auf jeden Fall aufgrund der Pandemie verändert", stellt Verena Rock, Immobilienprofessorin an der Technischen Hochschule Aschaffenburg, fest. "Noch vor einem Jahr schienen Absolventen sehr überzeugt von ihren Qualitäten und ihrer guten Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt. Dies hat sich verändert."

Geschichten von Absolventen tun ihr Übriges: Gehaltserhöhungen fallen um einiges geringer aus als in den Vorjahren, und auch Bonuszahlungen haben massiv gelitten. "Sofern man aktuell das Glück hat, einen Praktikums- oder Festanstellungsplatz zu finden, sollte man kompromissbereit sein", bilanziert Rock. Weniger Jobs, krisenbedingt vorsichtigere Arbeitgeber: Konnten sich Nachwuchskräfte von der Hochschule in der Vergangenheit gleichsam die Rosinen rauspicken, ist jetzt das Thema Krisensicherheit in den Fokus gerückt.

Der anonyme Student war nicht der einzige Teilnehmer der IZ-Karrierewoche, der sich angesichts dieser Gemengelage Sorgen macht. "In den Gesprächen wurden teilweise Gedanken einzelner Berufseinsteiger geäußert, ob sie sich nunmehr günstiger präsentieren müssen, um einen Job zu erhalten", sagt Frank Groß, Inhaber der Personalberatung immopersonal. Groß gab Tipps und Tricks zu Gehaltsverhandlungen und coachte Bewerber.

Der Personalberater versuchte die Gemüter zu beruhigen: "Auf der Seite der Arbeitgeber kann ich nicht erkennen, dass Corona als Vorwand für reduzierte Einstiegsgehälter ausgenutzt wird. Die Gehälter sind auf dem Stand von vor dem Corona-Cut geblieben."

Von seinen Mandanten werde Corona jedenfalls nicht als Preisdrücker eingesetzt. Unternehmen, die vor der Zäsur Bedarf an gut ausgebildetem Personal hatten, "haben diesen immer noch, teilweise intensiver, und wollen diesen auch marktgerecht vergüten", versichert Groß.

Stärker als früher müssen Absolventen in Corona-Zeiten jedoch ihre Qualitäten herausstreichen. "Mein Tipp: Zeigen Sie einem potenziellen Arbeitgeber den Wert auf, den Sie ins Unternehmen einbringen", sagt Groß. Schulbildung, Ausbildung, Berufserfahrung, Studieninhalte, Praktika und Noten - alles muss in die Waagschale geworfen werden. Dabei bloß nicht tiefstapeln und sein Licht unter den Scheffel stellen, sondern selbstbewusst in Gehaltsverhandlungen gehen. "Warum sollte sich mein Wert nur wegen Corona - in einem Zeitraum von acht Monaten! - verändert haben?", fragt Groß rhetorisch.

Commerz Real sieht das genauso. Der Asset-Manager stellt über alle Arten von Nachwuchs hinweg ein: Trainees, Praktikanten, Werkstudenten und Auszubildende. "Die Gehälter für unsere Nachwuchsgruppen bleiben konstant. Die Anforderungen an den Mitarbeiter sind durch Corona nicht geringer geworden, sodass eine Absenkung der Einstiegsgehälter keine logische Schlussfolgerung ist", betont das Unternehmen auf Anfrage.

Oksana Hübert von Deka Immobilien bringt noch einen Aspekt ins Spiel: "Einsteigergehälter sind bei uns unverändert, da stehen Tarifverträge mit festen Konditionen dahinter." Die Stimmung sei sicher etwas verhaltener, was Zuwachs angehe, "dennoch stellen wir und andere Unternehmen weiter ein".

Wer in seiner Region keinen Job findet, muss den Radius ausweiten

Studenten und Absolventen sollten sich trotzdem an den Gedanken gewöhnen, die Komfortzone unter Umständen verlassen zu müssen. Groß rät dazu, sich nicht auf eine Region zu beschränken, sondern deutschlandweit zu suchen. "Bei der IZ-Karrierewoche gab es doch allein ca. 200 Jobangebote!" Preissenkungen, glaubt der Headhunter, werden frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu spüren sein. Noch müsse ein Nachfrageüberhang befriedigt werden. Als grobe Richtschnur für aktuell realistische Einstiegsgehälter in der Immobilienwirtschaft gab Groß dem Nachwuchs mit auf den Weg: 40.000 Euro mit Bachelorabschluss, 45.000 Euro für Masterabsolventen.

Immobilienprofessorin Rock ist ebenfalls nicht bang um ihre Studierenden: "Mit einer guten Ausbildung und einschlägiger Praktikums- bzw. Berufserfahrung sehe ich - wenn auch gerade weniger bei den Maklerhäusern und vielleicht im Shopping- und Hotelbereich - weiterhin recht gute Perspektiven in der Immobilienbranche." Studenten berichteten ihr zwar, dass es durchaus länger gedauert hat, einen Praktikumsplatz oder eine Traineestelle zu finden. "Ich weiß aber von niemandem, der überhaupt nichts gefunden hätte."

Eine harte Zahl zum Gehalt gab es auf der IZ-Karrierewoche dann doch noch. Die einzige Firma, die öffentlich eine Hausnummer nannte, war Kaufland. Trainees, die bei dem Händler anheuern, erwartet während ihres zwölfmonatigen Rundumschlags ein Bruttogehalt von 48.000 Euro.

Harald Thomeczek

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Arbeiten mit Urlaubsgefühl

Arbeiten unter Palmen kann durch Workation möglich werden.

Arbeiten unter Palmen kann durch Workation möglich werden.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Hernandez & Sorokina/Stocksy

Karriere 25.04.2024
Über das Konzept Workation ermöglichen es Arbeitgeber ihren Mitarbeitern, für eine begrenzte Zeit aus dem Ausland zu arbeiten. Doch ein solcher Arbeitstrip erfordert einiges an ... 

Über das Konzept Workation ermöglichen es Arbeitgeber ihren Mitarbeitern, für eine begrenzte Zeit aus dem Ausland zu arbeiten. Doch ein solcher Arbeitstrip erfordert einiges an Vorbereitung. Je nach Zielland müssen unterschiedliche Regelungen eingehalten werden.

Weder im Büro noch im Homeoffice, sondern von einem Urlaubsort aus arbeiten – das Konzept "Workation", also "work" und "vacation" in einem, ist in der Immobilienbranche längst angekommen. In einer Onlineumfrage der Immobilien Zeitung (IZ) gab mehr als jeder zweite (54%) von knapp 300 Teilnehmern an, gerne einmal mit dem Arbeitslaptop wegfahren und an Meetings in dieser Zeit via Online-Schalte teilnehmen zu wollen.

Zwei Mitarbeiter, die das schon in die Tat umgesetzt haben, sind Alina Schöne und Tobias Brunner von Cobalt. Als Headhunter besetzen sie Stellen für Unternehmen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft, und das zeitweise von Barcelona oder Lissabon aus. "Ich fand es schön, dass man in einem anderen Land sein und arbeiten kann, aber tatsächlich auch mal weg von Zuhause ist", sagt Schöne. Im Gegensatz zu einer normalen Urlaubsreise habe sie es geschätzt, dass sie durch einen längeren Aufenthalt im Ausland richtig in die Kultur eintauchen konnte. "Ich war teilweise produktiver als im Büro. Weil ich einfach diesen Drive hatte und weil ich wusste, ich starte früh, bin ich effektiv durch den Tag gegangen." Die neue Umgebung habe ihre Motivation befeuert.

Gesteigerte Produktivität in neuer Umgebung

Dabei entstand das Konzept im Unternehmen aus einem Scherz heraus, wie HR-Director Susanne Franke berichtet. Zum ersten Mal sei die Idee während eines Leaderevents auf Mallorca aufgekommen. Schnell hätten sie gemerkt, dass das Arbeiten in der Sonne gar nicht so abwegig ist. Bis zur vollständigen Umsetzung des Angebots musste Franke zusammen mit einer Inhouse-Juristin jedoch viele organisatorische Punkte beachten und regeln. "Wir haben uns ein gutes halbes Jahr mit dem Thema beschäftigt, weil es doch komplexer ist, als wir eingangs dachten", erinnert sie sich. Als Beispiele zählt sie sozialversicherungs-, steuer- und arbeitsrechtliche Aspekte auf, die beim Arbeiten vom Ausland aus zu berücksichtigen sind. Dabei holten sie auch Rat bei einer Steuerkanzlei und einem Juristen ein.

Denn den Überblick zu behalten, ist herausfordernd. Beispielsweise gelten für Zielländer außerhalb der EU andere Rahmenbedingungen als innerhalb. Dies schränkte die möglichen Workation-Ziele für die Cobalt-Mitarbeiter beim Start des Angebots im Juni 2022 ein. Dadurch sind die Mitarbeiter von Cobalt aber auf der sicheren Seite, wenn es um das Thema Datenschutz geht. Die Verordnung, nach der sie in Deutschland mit Kontakten von Kunden oder Kandidaten umgehen, gilt in ihrer Form EU-weit, sodass keine Arbeitsprozesse umgestellt werden müssen.

Als eine der größten rechtlichen Hürden sieht Franke aus unternehmerischer Sicht das Betriebsstättenrisiko. Wenn im Ausland ein Büro oder eine Wohnung von einem Unternehmen gemietet wird, können je nach Land dafür Steuern fällig werden. Die Cobalt-Mitarbeiter kümmern sich um ihre Unterkünfte deshalb selbst.

Organisatorischer Aufwand auf allen Seiten

Mehr als 20 Tage dürfen sie aber nicht verreisen. Durch die strenge Grenze können sie sich bei den EU-Zielen sicher sein, im Gastland keine Steuern abführen zu müssen. Einige Besonderheiten im Arbeitsalltag, das weiß Brunner, hängen aber nicht nur mit der Reisedauer zusammen. So etwa eine Zeitverschiebung, die es bei der Organisation von Arbeitszeiten und Kundenterminen zu beachten gilt.

Aber nicht nur das müssen Mitarbeiter wie Schöne und Brunner vor Reiseantritt berücksichtigen. "Man sollte darauf achten, neben seinem Arbeitsequipment auch eine sogenannte A1-Bescheinigung mitzuführen", erklärt Franke. Nur so seien die Mitarbeiter im Ausland abgesichert, wenn es zu einem Arbeitsunfall kommt.

Aus Gesprächen mit Kandidaten wissen Franke und ihre Kollegen, dass nicht nur ihre, sondern auch Mitarbeiter anderer Unternehmen Flexibilität vom Arbeitgeber in der Frage nach dem Arbeitsort verlangen. Workation anzubieten, könnte je nach Aufgabenprofil also auch Bewerber anlocken. Noch werde in solchen Segmenten wie etwa dem Property- und Asset-Management oder in der kaufmännischen Projektentwicklung eher der Wunsch nach Homeoffice als nach Workation geäußert. "Das sind auch Berufe, bei denen man teilweise einfach vor Ort sein muss", erklärt Schöne. In der Buchhaltung sähe das vielleicht anders aus. Ein Bauleiter sei viel auf Baustellen und müsse sich auch Urlaub nehmen, ergänzt Brunner.

In der Onlineumfrage der IZ gaben 15% der Teilnehmenden an, für ein Workation-Angebot sogar den Arbeitgeber wechseln zu wollen. Alina Schöne ist froh, dass sie das Workation ausprobieren konnte. "Ich bin mit neuen Eindrücken nach Hause gekommen, war erholt und das Business hat in der Zeit dennoch nicht gelitten. Für uns als Unternehmen war Workation deshalb auf jeden Fall ein absolutes Win-win."

Janina Stadel ,Marius Katzmann

ESG-Experten dringend gesucht

Um die Transformation der Branche voranzutreiben, braucht es Experten mit echtem Interesse am Thema.

Um die Transformation der Branche voranzutreiben, braucht es Experten mit echtem Interesse am Thema.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheberin: Janina Stadel

Karriere 30.11.2023
Auf der Suche nach ESG-Managern stoßen Arbeitgeber auf viele Hürden. Die Kandidatenlage ist genauso unübersichtlich wie die Qualifikationen von Bewerbern. Weil auch die Erwartungen der ... 

Auf der Suche nach ESG-Managern stoßen Arbeitgeber auf viele Hürden. Die Kandidatenlage ist genauso unübersichtlich wie die Qualifikationen von Bewerbern. Weil auch die Erwartungen der einstellenden Unternehmen oft voneinander abweichen, müssen Headhunter Interessenten genau unter die Lupe nehmen.

Die Nachfrage nach Experten für Environmental Social Governance (ESG) in allen Sparten der Immobilienwirtschaft reißt nicht ab. Das zeigt sich an den Auftragszahlen von Headhuntern. Während die Personalberatung Cobalt Recruitment im gesamten Jahr 2022 nur eine einzige Funktion mit dem Schwerpunkt vermittelt hat, waren es allein im ersten Halbjahr 2023 schon acht. "Die Herausforderung für die gesamte Branche besteht darin, dass es kein genaues Bild von einem ESG-Experten gibt", sagt Cobalt-Geschäftsführerin Doreen von Bodecker. "Genauso neu wie der Berufsschwerpunkt sind die Zertifizierungen, die bisher angeboten werden", erläutert sie weiter. Diese Weiterbildungen gibt es zum Beispiel bei der IHK Münster unter dem Titel "ESG: Chancen für den Mittelstand", bei der IHK München in Form einer Ausbildung zum Transformation-Manager oder als Webinare zu EU-Taxonomien. Bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) kann man sich in zwei bis drei Monaten zum ESG-Manager weiterbilden lassen. In der Schulung wird Wissen zu Zertifizierungen und EU-Taxonomien ebenso vermittelt wie Kenntnisse von den Anforderungen für einen nachhaltigen Gebäudebetrieb und von den Methoden, eine Immobilie ESG-konform zu managen. Weil sich die Inhalte der Schulungen aber unterscheiden, können Arbeitgeber die Zertifikate oft nicht richtig einordnen. Als Headhunterin fragt von Bodecker bei Kandidaten deshalb genau nach, was sie in der Vergangenheit gemacht haben, um einschätzen zu können, ob sie fachlich zu einer Stelle passen – und auch ins Teamgefüge. Letzteres sei deshalb wichtig, weil ESG-Manager das Thema auch in die Belegschaft tragen müssen. In vielen Fällen bedeute dies erst einmal aufzuklären, dass das Thema Nachhaltigkeit nicht länger als Belastung gesehen werden darf.

Für Christoph Hartmann, Gesellschafter der Personalberatung Deiniger Consulting, umfasst das Thema ESG in den Unternehmen drei Blöcke. "Zum einen ist da der Bestand, also die Immobilien eines Unternehmens als solche, auf die ein ESG-Experte achten muss. Hinzu kommen die Mitarbeiter. Da greift vor allem das S für Social in ESG. Darüber hinaus hat ESG aber auch eine Bedeutung für die Wirkung eines Unternehmens nach außen. Anders ausgedrückt: Wer auf diesem Gebiet schon sehr weit ist, brüstet sich damit gerne und nutzt es als Marketingtool." Welche Schwerpunkte für ein Unternehmen wichtig sind, kann unterschiedlich ausfallen, für Hartmann ist aber klar: "Der Dreiklang muss stimmen. Dafür muss ein Bewusstsein bei den Mitarbeitern, vor allem aber bei den Führungskräften geschaffen werden."

Auf der Suche nach passenden ESG-Managern für ein Unternehmen befragt Hartmann seine Kunden deshalb proaktiv, welche Profile sie suchen. "Ich lasse die Klienten eine klare Erwartungshaltung aufdröseln. Aus Aufgaben und Verantwortlichkeiten müssen Anforderungen an die Kandidaten abgeleitet werden." Wichtig sei auch, wie sich die Stelle in den kommenden drei bis fünf Jahren weiterentwickeln soll. "Diese Frage stellt für viele die größte Herausforderung dar."

Die Verantwortung für das Thema einem bestehenden Mitarbeiter zusätzlich zu übertragen, sieht Hartmann nicht immer als die beste Lösung. "Gerade mit Blick auf den Bestand kann es Vorteile haben, wenn der ESG-Manager ihn gut kennt. Aber ihm kann auch der objektive Blick fehlen." Zudem bedeute eine Doppelrolle höhere Belastung, die auf die Qualität der Arbeit wirken kann.

Wegen der unübersichtlichen Kandidatenlage sei die Suche nach externen Kandidaten aber schwer für die Arbeitgeber. An bisherigen Berufsbezeichnungen könne man sich kaum orientieren, weil Immobilienexperten und somit auch potenzielle ESG-Manager oft trotz gleicher Aufgaben und Fähigkeiten in jeder Firma einen anderen Titel tragen. Was genau sich dahinter verbirgt, muss Hartmann jedesmal im Gespräch und durch genaues Prüfen der Vita herausfiltern. Hinzu komme, dass viele Unternehmen bei der Suche nach ihren Mitarbeitern nur auf die eigene Sparte schauen. "Das schränkt den Talentepool natürlich ein. Wer nur auf ein einziges Marktsegment schaut, hat in der Regel nur die Möglichkeit, Kandidaten von der direkten Konkurrenz abzuwerben", sagt Hartmann. Neue Blickwinkel gingen dadurch verloren. Doch gerade für einen ESG-Manager könnten diese nützlich sein und das Unternehmen langfristig nach vorne bringen. "Der Blick auf andere Branchen bleibt jedoch schwierig, denn Immobilienkenntnisse bleiben die Grundvoraussetzung."

Wo genau das Thema ESG innerhalb der Unternehmenshierarchie zu verorten ist, bestimmen die Arbeitgeber in der Regel individuell. "Wer glaubt, es muss beim CEO aufgehängt sein, lässt sich davon selten abbringen", so Hartmanns Erfahrung. Doch auch den Human Resources oder dem Business Development wird der ESG-Manager in einigen Unternehmen zugeordnet. Daraus ergeben sich ganz unterschiedliche Berichtsketten und unterschiedliche Entscheidungsgewalten für die gesuchten Experten.

Gute Chancen auf eine Stelle haben laut Patrycja Arendt, CEO der Headhuntingboutique One Match, junge Kandidaten, denn auf der Suche nach einem ESG-Manager genüge oft schon die pure Affinität für das Thema. "Junge Kandidaten haben die Möglichkeit, ihre Schwerpunkte vom Karrierestart an auf das Thema zu legen und auf die Basis, die sie von der Hochschule mitbringen, aufzubauen. Sie sind selbst noch im Thema Lernen drin, weshalb man ihnen die Möglichkeit, sich fortzubilden, gut zuspricht."

Janina Stadel

Es gibt immer mehr Chefs und Chefinnen

Zusätzliche Köpfe bringen zusätzliche Kompetenzen in die Vorstände.

Zusätzliche Köpfe bringen zusätzliche Kompetenzen in die Vorstände.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: fizkes

Karriere 26.10.2023
Unternehmen aus unterschiedlichen Segmenten der Immobilienwirtschaft haben ihre Vorstände aufgestockt. So bringen sie zusätzliche Kompetenzen in die obersten Führungsebenen und locken ... 

Unternehmen aus unterschiedlichen Segmenten der Immobilienwirtschaft haben ihre Vorstände aufgestockt. So bringen sie zusätzliche Kompetenzen in die obersten Führungsebenen und locken geeignete Kandidaten für verantwortungsvolle Rollen zu sich.

Mit 69.588 Neueintritten in den C-Leveln belegte die Grundstücks- und Wohnungswirtschaft 2022 branchenübergreifend den zweiten Platz im Ranking um die meisten Neueinstellungen von Führungskräften. Einzig bei den Unternehmensberatungen sind noch mehr Manager innerhalb von zwölf Monaten hinzugekommen. Das geht aus Zahlen des Handelsregisters hervor, die die Onlineplattform Databyte jährlich für ihre Statistiken auswertet.

Im Grundstücks- und Wohnungswesen standen den Neueintritten in die Geschäftsführungen 2022 nur 33.175 Austritte gegenüber. Es sind also mehr als doppelt so viele Personen auf dieser Ebene hinzugekommen, als sie verlassen haben. Das Phänomen der vergrößerten Führungsebene zieht sich auch durch andere Segmente der Immobilienwirtschaft.

Die Langzeitbeobachtung zeigt, dass v.a. die Maklerhäuser ihre Führungsriegen in den vergangenen Jahren ausgebaut haben. Waren es 2020 bei Wohn- und Gewerbemaklern noch je knapp unter 600 Eintritte in die Geschäftsführungen, kamen die Wohnungsmakler 2022 auf fast 2.400 Neuzugänge in den Chefetagen, die Gewerbemakler auf rund 1.160. Dem standen 771 Abgänge im Bereich Wohnen und 714 im Segment Gewerbe gegenüber.

Das entspricht einem Überschuss von etwa 1.600 beziehungsweise rund 430 C-Level-Positionen, die entstanden sind. Bei den Immobilienverwaltern für alle Assetklassen gibt es den Zahlen zufolge allein im ersten Halbjahr 2023 ein Plus von mehr als 7.000 bei Geschäftsführerpositionen.

Dass Führungsriegen umsortiert und dabei verbreitert werden, beobachtet auch Kathrin von Hardenberg. Sie ist Managing Director der Personalberatung Indigo Headhunters und liest aus ihren Aufträgen heraus, dass Unternehmen in den vergangenen Monaten andere Kompetenzen in die Vorstände miteinbringen wollten als in der Vergangenheit. "Wir haben viele Führungskräfte, die erst wenige Jahre in leitender Position sind", bezieht sie sich neben den Maklerhäusern auch auf andere Sparten der Branche. "Sie sind während der wirtschaftlichen Wachstumsphase in die Rolle hineingewachsen und haben keine Erfahrung mit Krisensituationen", sagt von Hardenberg.

Neue Aufgabenbereiche auf den Vorstandsebenen

Um diese fehlende Erfahrung von jungen Kräften auszugleichen, verstärken die Unternehmen nun ihre Führungsetagen, um Kapazitäten für weitere Zuständigkeiten zu gewinnen. "Teams müssen zum Teil neu aufgestellt werden und Aufgaben werden anders auf bestehende Mitarbeiterressourcen verteilt. Im Investmentbereich werden derzeit weniger Kapazitäten gebraucht als im Asset-Management. Hier müssen Führungskräfte intern schauen, wie sie Tätigkeiten und Verantwortungsbereiche umverlagern können, sodass niemand unter- oder überfordert ist. Um so etwas tun zu können, muss eine Führungskraft die Zusammensetzungen der Teams analysieren, verschiedene Szenarien entwickeln und antizipieren können, was in der Zukunft gefordert ist." Dabei nehme die Headhunterin eine zunehmende Offenheit wahr, bei der Kandidatenwahl "in die seniorigere Schublade zu greifen", und das in allen Segmenten.

Für Headhunterin Alice Fontana, die als Managing Partner der Personalberatung Bohill Partners vor allem Stellen in der deutschen Immobilienwirtschaft besetzt, spielt auch die Neupositionierung einiger Unternehmen eine Rolle bei der Schaffung von zusätzlichen Führungspositionen. Weil sich Unternehmen diversifizieren wollen, suchen sie gezielt nach Kandidaten, die Kenntnisse zu Asset- und Nutzungsklassen mitbringen, die es in der bestehenden Belegschaft noch nicht gibt und die kurzfristig nicht aufgebaut werden können. Geeignete Kandidaten lassen sich aber oft nur mit einem Karrieresprung locken und sind nur bereit, ihren bestehenden Job aufzugeben, wenn sie durch einen Wechsel in eine höhere Leitungsfunktion aufsteigen.

Um sich bei strategischen Plänen um den Ausbau von Geschäftsfeldern nicht in die Karten schauen zu lassen, laufen diese Besetzungen meist unter der Hand über das eigene Netzwerk oder mithilfe von Headhuntern ab. Bei der Auswahl von Bewerbern legen die Unternehmen extremen Wert auf die Passgenauigkeit. "Eine Entscheidung wird oft erst nach mehreren Gesprächsrunden gefällt. Dadurch laufen die Recruiting-Prozesse sehr langsam ab", sagt Fontana und begründet: "Wer eine neue Strategie wagt, darf sich keinen Fehler erlauben."

Janina Stadel