"Spielregeln der Macht verändern"

Preisträgerin des W.I.R.E.-Award 2016: Marion Schmitz-Stadtfeld.

Preisträgerin des W.I.R.E.-Award 2016: Marion Schmitz-Stadtfeld.

Bild: Daniel Hofer/Heuer Dialog GmbH

Karriere 15.12.2016
Frauen in der Immobilienwirtschaft sind zuerst und zuletzt Frauen in der Immobilienwirtschaft: Leute, die einen guten oder weniger guten Job machen. Und so drehte sich der 2. Jahreskongress ... 

Frauen in der Immobilienwirtschaft sind zuerst und zuletzt Frauen in der Immobilienwirtschaft: Leute, die einen guten oder weniger guten Job machen. Und so drehte sich der 2. Jahreskongress Immobilien-Frauen von Heuer Dialog nur zum kleineren Teil um die Frau auf der Karriereleiter - und zum größeren Teil um Immobilienthemen, die alle in der Branche umtreiben, ob Männlein oder Weiblein.

Eine Veranstaltung, die ein bestimmtes Geschlecht in ihrem Namen ein- und das andere damit ausschließt, wirkt auf den ersten Blick vielleicht "sexistisch", wie Architekt und Keynote-Speaker Eike Becker auf der Vorabendveranstaltung anmerkte. Doch die "Old Boys Networks" sind in der Immobilienwirtschaft, wenn man Becker glauben darf, noch immer so massiv präsent, dass Netzwerkveranstaltungen, die sich speziell an Frauen richten, doch ziemlich harmlos anmuten.

"In der Immobilienwirtschaft haben es Frauen schwerer als in anderen Bereichen", so Becker. Die Männer, die an den Hebeln der Macht sitzen, "wollen diejenigen, die anders sind als sie, draußen halten. Darum sind so wenige Frauen unter den Entscheidungsträgern der Immobilienwirtschaft." Dabei wäre es für die Immobilienbranche und die Gesellschaft insgesamt ein Segen, wenn die Hürden, die die Immobilienwirtschaft auf den Karrierewegen von Frauen errichtet, schleunigst zu Fall kämen: "Es ist ein Desaster, dass eine kleine Gruppe entscheidet, wie unsere gebaute Umwelt aussieht - und alles um uns herum ist ja gebaute Umwelt."

Verglichen mit anderen (Netzwerk-) Veranstaltungen der Branche tauchten auf dem Frauenkongress auffällig viele jüngere Köpfe auf. Wohl nicht nur, um sich über den Stand der Digitalisierung in der Immobilienbranche, zu modularem Wohnungsbau oder über "Erlebniswelten mit Aufenthaltsqualität" (also den guten alten stationären Einzelhandel in Zeiten des Klick-Konsums) auszutauschen. Sondern sehr wahrscheinlich auch, um mit Tipps und Tricks für die eigene Karriere und wertvollen Kontakten zu Zunftgenossinnen, die es schon geschafft haben oder zumindest schon ein paar Schritte weiter sind, nach Hause zu gehen. Für diese Theorie spricht jedenfalls, dass Workshops zu "Frauen in Führung" und Start-ups reißenden Absatz fanden, während ein Workshop zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie kaum Teilnehmerinnen anlockte. Was allerdings nicht mehr überraschte, nachdem am Vorabend nur drei Finger hochgegangen waren, als Keynote-Speaker Becker gefragt hatte, wie viele Anwesende schon mal eine Babypause eingelegt hätten. Einer davon gehörte übrigens dem Redner selbst.

In die Höhe reckte am Vorabend auch Marion Schmitz-Stadtfeld etwas. Die Leiterin Integrierte Stadtentwicklung von NH ProjektStadt, einer Tochter der Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt, wurde von Heuer Dialog mit dem W.I.R.E.-Award (Women In Real Estate) für mutige Immobilienfrauen ausgezeichnet. Unter anderem deshalb, weil sie, die zugleich die Koordinierungsstelle Integrierte Flüchtlingsansiedlung des landeseigenen hessischen Wohnungsunternehmens leitet, sich schon vor der großen Flüchtlingswelle über die integrative Unterbringung von Geflüchteten Gedanken gemacht und kostengünstige, aber schöne Lösungen gefunden habe: "Ikea in Containerbauweise", lobte Laudatorin Iris Schöberl. So und durch eine offensive und ehrliche Kommunikation würden "Anwohnern von vornherein Ängste genommen".

Wobei in gewissen Fällen Angst ja auch ganz gut tun kann. Angst um den eigenen Fortbestand z.B. Dass Immobilienunternehmen zurzeit nur 5% ihres Jahresumsatzes in Digitalisierung investieren, erklärte Sonja Kury, Business Development Manager der Crowdfunding-Plattform Exporo, so: "Der Druck ist wohl noch nicht groß genug. Wenn ich in einen Schuhladen gehe und mir gefällt ein Schuh nicht, habe ich noch 50 Alternativen. Bei Bürostandorten ist die Auswahl viel kleiner." Jonas Haberkorn, der den Blog Gewerbe-Quadrat.de betreibt, sah das ähnlich: "Uns geht's einfach zu gut. Der Aufwärtstrend hält seit sieben Jahren an."

Der typische Kunde von Exporo ist übrigens, rein statistisch betrachtet, im Schnitt 52 Jahre alt und zu 80% ein Mann. "Die Crowd ist männlich", pflichtete Uli W. Fricke, Geschäftsführerin von FunderNation, bei. Diese Crowdinvesting-Plattform bietet u.a. Investments speziell in von Frauen geführte Start-ups an. "Die wachsen meistens langsamer. Aber dafür gibt es sie noch, wenn viele Unternehmen, die von Männern gegründet wurden, längst von der Bildfläche verschwunden sind", so Fricke. Oder um es mit den Worten von W.I.R.E.-Preisträgerin Schmitz-Stadtfeld zu sagen: "Es geht nicht nur darum, die Spielregeln der Macht zu adaptieren. Wir müssen sie auch verändern."

Die eigene Existenzberechtigung stellt offenbar auch der Asset-Manager und Projektentwickler Beos ab und an infrage. Denn in einer Zeit, in der man nicht mehr ins Büro gehen muss, um arbeiten zu können, ist das Geschäftsmodell mit der Vermietung fester Räume als Arbeitsplatz womöglich endlich. Und so räumte denn auch Inga Kühn, Senior Projektmanagerin für Daten und Prozessmanagement, ein, dass man sich im Hause Beos schon mal mit der Frage konfrontiert: "Gibt es uns als Vermieter irgendwann noch?"

Kühn spielte in ihren Ausführungen mit dem Gedanken, nicht mehr bestimmte Flächen an bestimmte Nutzer zu vermieten, sondern womöglich in Zukunft "Clubmitgliedschaften" für mobile Mieter anzubieten, die sich nicht mehr für fünf oder gar zehn Jahre an einen Standort binden wollen und/oder können: "Heute Berlin, morgen Hamburg, übermorgen München." Womit der klassische Bürovermieter, der seine Immobilien heute schon atmen lassen können muss, wenn er sich wachstumsfreudige und mit wandelbaren Arbeitsplatzwünschen daherkommende Start-ups ins Haus holt, endgültig in Richtung Betreiber gerutscht wäre.

Brigitte Adam, Mitinhaberin des Sachverständigenbüros ENA Experts, brachte in diesem Zusammenhang eine spannende Idee ins Gedankenspiel: "Büromieten werden sich Umsatzmieten für Einzelhandelsimmobilien oder umsatzabhängigen Hotelpachten annähern." Heißt: Die Raumkosten würden vom Büroimmobiliennutzer künftig stärker in den Kontext seiner Gesamtkosten gestellt und/oder an Umsatz, Betriebsergebnis, Gewinn oder was auch immer gekoppelt betrachtet.

Auch der stationäre Handel muss sich neu erfinden. Denn: "Bloß einkaufen kann ich auch zuhause", sagte Martina Schäfer, Geschäftsführerin von comlex.eu (Mietvertragsmanagement für Einzelhändler und Systemgastronomen). Wie sie sich den Laden der Zukunft vorstellt, beschrieb sie so: "Mehr Fläche, aber weniger Produkt: Weil der Kunde, der sich z.B. für eine Musikanlage interessiert, sie im Laden ausprobieren will. Ich will dabei wie zuhause auf der Couch liegen und etwas trinken. Und ich will freies WLAN haben, damit ich die Anlage, wenn sie mir gefällt, direkt online bestellen kann."

Innenarchitektin Tina Jokisch von Schwitzke & Partner steuerte ein Beispiel aus ihrer Praxis bei, wie der immobile Handel Alleinstellungsmerkmale aufzubauen versucht. Jokisch hat für den Londoner Flagshipstore von Tommy Hilfiger einen "Smart Mirror" mitentwickelt: Der Spiegel erkennt über einen RFID-Code, was die Kundin gerade anprobiert - und spricht Empfehlungen aus, welche anderen Teile dazu passen würden. Oder die Dame schlüpft in ein Abendkleid: Sofort wird das Licht heruntergedimmt, und eine Melodie ertönt.

Harald Thomeczek

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Reden Sie über das Gehalt!

Je mehr übers Gehalt gesprochen wird, umso leichter fällt es Einsteigern, ihren Wert fürs Unternehmen einschätzen zu können.

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Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Daniel Berkmann

Karriere 24.06.2021
Die Höhe des Gehalts gehört bei vielen hierzulande zu den bestgehüteten Geheimnissen. So ist es für Immobilienabsolventen einer der kniffligsten Punkte der Bewerbung, dem potenziellen ... 

Die Höhe des Gehalts gehört bei vielen hierzulande zu den bestgehüteten Geheimnissen. So ist es für Immobilienabsolventen einer der kniffligsten Punkte der Bewerbung, dem potenziellen Arbeitgeber das gewünschte Bruttojahresgehalt zu nennen. Hilfe und auch einen Realitätscheck bieten die eigenen Kommilitonen, Personalberater und die Unternehmen selbst.

"Über Geld spricht man nicht, man hat es." Der Öl-Tycoon und Kunstmäzen Jean Paul Getty hatte gut reden. Vor allem Berufseinsteiger fragen sich, mit welchem Jahresbruttogehalt sie in Bewerbungsgespräche gehen können - schließlich legen die meisten Arbeitnehmer ihre Lohnzettel nicht offen. Wohl dem, der sich an einer Gehaltstabelle wie beispielsweise einem Tarif orientieren kann. Das aber ist nur bei den wenigsten in der Immobilienbranche der Fall.

Die Schwarmintelligenz gibt die Richtung vor

Die erste Orientierung gibt die Schwarmintelligenz, etwa in Gestalt der Arbeitsmarktumfrage der Immobilien Zeitung (IZ). Sie spiegelt in diesem Jahr die Gehaltsvorstellungen von mehr als 400 Studenten immobilienwirtschaftlicher Studiengänge wider. Herausgekommen ist ein durchschnittliches Jahresgehalt von 48.900 Euro brutto, das die jungen Leute zum Einstieg in den Beruf fordern. Masterabsolventen möchten noch etwas mehr, nämlich 51.900 Euro, Bachelorstudenten wären mit 46.500 Euro zufrieden (siehe Grafik "Masterabsolventen wollen mehr Geld als Bachelorabgänger, Männer mehr als Frauen").

"In Gehaltsfragen wird unter den Absolventen und Studenten sehr viel miteinander gesprochen und verglichen", weiß Bushra Nadeem, Personalberaterin und Gründerin von Artes Recruitment. "Das ist sehr wichtig, um ein Gefühl für den Markt zu bekommen." Dennoch verliert manch einer offenbar die Bodenhaftung angesichts der letzten fetten Jahre der Immobilienbranche. Die eine oder andere Nachwuchskraft meine, vom Fleck weg 80.000 bis 90.000 Euro wert zu sein, berichtet Holger Matheis, Vorstand des Projektentwicklers Beos. "Da fehlt das Verständnis davon, was jemand zum Einstieg bringen kann. Das passt nicht ins Gehaltsgefüge. Die Leute müssen die ersten zwei Jahre lernen, ehe sie große Sprünge machen können."

Licht ins Dunkel bringen die Zahlen von Personalberatern. So rechnet Stefanie Saß, Gründerin von Engaging Talents, für den ersten Job in der Projektentwicklung mit 46.000 bis 55.000 Euro. Bei diesem Berufsfeld handelt es sich für viele um die Königsdisziplin der Branche, die ein breites Fachwissen voraussetzt und zumeist hohe Verantwortung mit sich bringt.

In einer ähnlichen Spanne, an der unteren Grenze sogar einen Tick höher, setzt Maximilian Wright, Consultant im Immobilienwesen bei Cobalt Recruitment Deutschland, das Einstiegsgehalt im Asset-Management an. Im Vergleich dazu: Für Einsteiger in der Bewertung sind laut Saß etwa 42.000 bis 46.000 Euro realistisch, Nadeem sieht für Makler und Berater die Spanne bei 30.000 bis 40.000 Euro in einem Konzern. Mittelständler zahlten Letzteren teils 5% bis 10% mehr, wobei die Unterschiede zwischen Master- und Bachelorabschlüssen im Schnitt eher gering sind. Bei den genannten Summen handelt es sich um Fixgehälter. "Viele Einstiegspositionen beinhalten zudem einen Bonus von 10% bis 15%", erklärt Saß. Je nach Firma seien die Zahlungen an individuelle Leistungen, Unternehmens- oder Teamerfolge gekoppelt.

Dass die Dynamik einer Schwarmintelligenz unter den Studierenden durchaus mal Irrwege nimmt, die nicht zur unternehmerischen Realität passen, zeigt sich am Beispiel der Corona-Pandemie. Die aktuelle IZ-Arbeitsmarktbefragung weist einen Rückgang bei den Gehaltsforderungen aus. Die 48.900 Euro aus diesem Jahr liegen gut 4% unter den Erwartungen von vor dem ersten Lockdown (siehe Grafik "Die Pandemie lässt die Gehaltsforderungen schrumpfen").

"Es gibt keinen großen Corona-Effekt"

Hier gilt: Während sicherlich einzelne Unternehmen etwa aus den Bereichen Retail, Shoppingcenter und Hotels ihre Ausgaben reduzieren müssen, kommen die Personalberater mit Blick auf die gesamte Branche zum Schluss: "Bei den Gehältern gibt es keinen großen Corona-Effekt." Zwar habe es in der ersten Schockstarre im Frühling und Frühsommer vergangenen Jahres Einstellungsstopps gegeben, doch das habe sich inzwischen wieder normalisiert, erzählt Saß bei der digitalen Karrierewoche der Immobilien Zeitung. Daher lautet ihr Tipp trotz Pandemie: "Es kommt darauf an, wo ich mich bewerbe. Aber ich würde erstmal mit meiner gewohnten Gehaltsvorstellung ins Gespräch gehen und schauen, wie die Verhandlungen laufen."

Wem Personalberater und Kommilitonen als Gehaltslotsen nicht ausreichen, kann zudem den direkten Weg wählen, um ein Gefühl für das Gehaltsniveau am künftigen Arbeitsplatz zu bekommen. "Ein Anruf bei der Personalabteilung ist völlig legitim", ermuntert Nadeem die Absolventen. "Ich habe Interesse an der Position XY, können Sie mir bitte sagen, wo dafür in etwa das Einstiegsgehalt liegt?", souffliert die Beraterin. Viele Unternehmen schätzten diese Proaktivität. Auf diesem Weg erfahre der Bewerber gleich, wie das Unternehmen mit einer solchen Anfrage umgehe. Alternativen zum Anruf in der Personalabteilung sind die Ansprache bei Jobmessen oder das Kontakteknüpfen über Alumni-Netzwerke.

Doch selbst die Unternehmen geben mit ihren Gehaltsspannen nur eine grobe Marschrichtung vor. Die letzten, zielgerichteten Schritte zum Einstiegsgehalt muss jeder Bewerber selbst gehen. "Jeder Einzelne muss sich fragen: Was bin ich wert?", rät Frank Groß, Inhaber der Personalberatung Immopersonal bei der IZ-Karrierewoche. Sein Tipp: Absolventen sollten sich einen Richtwert für ihre angestrebte Position suchen, zum Beispiel 40.000 Euro mit Bachelorabschluss, 45.000 Euro für Masterabsolventen. Und dann schlagen sie etwa für ihre Vorerfahrung durch Praktika und Werkstudententätigkeit etwas obendrauf und ziehen unter Umständen etwas wegen einer fehlenden Ausbildung ab. "Alles hat einen Wert", sagt Groß. "Je mehr Immobilienspezifika ich mitbringe, desto größer ist der Wert für den Arbeitgeber." Selbst die Wahl der Hochschule schlägt Groß zufolge unterschiedlich stark zu Buche. Ein Abschluss beispielsweise an der HAWK oder der Irebs sei von Vorteil. Insgesamt rät er den Berufsneulingen: "Bleibt beim Einstieg möglichst unter der Marke von 50.000 Euro." Zu mehr seien die wenigsten Arbeitgeber bereit.

Wie viele Tausend Euro Bruttojahresgehalt ein Praktikum allerdings konkret wert ist, das ist eine Sache der individuellen Einschätzung - von beiden Seiten, sowohl des Bewerbers als auch des Unternehmens. Dabei muss zum Beispiel berücksichtigt werden, ob das Praktikum bei einem namhaften Konzern oder in einer kleinen Firma absolviert wurde, zudem spielen die Dauer und nicht zuletzt der Inhalt eine Rolle.

Außerdem schätzen Arbeitgeber den Wert von Vorerfahrungen unterschiedlich ein. "Praktische Erfahrungen im Vorfeld sind ein wichtiger Baustein, jedoch nicht der größte Turbo im Einstiegsgehalt", berichtet etwa Silke Paffhausen, Senior HR-Managerin bei Art-Invest Real Estate, den Teilnehmern der IZ-Karrierewoche. "Wenn man erstmal im Unternehmen ist, ist die praktische Erfahrung eine sehr gute Voraussetzung, sich als leistungsstark und gewappnet zeigen zu können. Ich glaube, das ist eine gute Vorbedingung, um schneller Fuß zu fassen und sich schnell weiterzuentwickeln. Wer mit Leidenschaft Leistung zeigt, zu dem kommt das höhere Gehalt ganz automatisch."

Bei der Gehaltsfrage seinen eigenen Wert in den Fokus zu stellen, sei das A und O, betont Groß. "Am Ende ist es wichtig, dass ich gegenüber dem Arbeitgeber mit meinen eigenen Assets gut argumentieren kann." Dabei sei es durchaus möglich, mit Bandbreiten zu arbeiten. Personalberater Wright ist dagegen kein Freund von Spannen. "Dann gibt man gleich seine unterste Schmerzgrenze preis."

Frauen sollten mehr mit Männern reden

Dass die Gehaltsfindung sehr von der inneren Einstellung der Bewerber und Bewerberinnen abhängt, zeigt auch der Vergleich zwischen den Geschlechtern. Die weiblichen Teilnehmer der IZ-Arbeitsmarktumfrage setzten ihre Gehaltsforderung knapp 7% tiefer an als ihre männlichen Kollegen (siehe Grafik "Masterabsolventen wollen mehr Geld als Bachelorabgänger, Männer mehr als Frauen"). Das ist ein Phänomen, das Beos-Vorstand Matheis kennt. "Frauen muss man manchmal ermutigen, manchen muss man sagen: Pass auf, Du bringst das mit, Du bringst das mit und bringst das mit - stell Dich doch einfach hin und sag: Das ist meine Forderung, das hast Du verdient! Und dann sind das halt nicht 3.500, mit denen Du einsteigst, sondern 4.000 Euro. Das bist Du wert." Personalberaterin Saß ermuntert ebenfalls: "Ich gebe Frauen den Ratschlag, sich stärker untereinander auszutauschen, was die Gehaltsforderung angeht." Und: Sie sollten sich außerdem die Zahlen der männlichen Kommilitonen anhören.

Mit der Plus-Minus-Rechnung zwischen Richtwert und Erfahrung ist es für der Bewerber noch nicht getan mit der Suche nach dem angemessenen Gehalt. Die eigene Vorstellung des passenden Arbeitsplatzes spielt natürlich mit hinein. So antworteten bei der IZ-Umfrage die meisten Teilnehmer auf die Frage nach den wichtigsten Aspekten bei der Arbeitgeberwahl mit Aufstiegsmöglichkeiten, Sinn im Job und Unternehmenskultur. Auch das eigenverantwortliche Arbeiten und die Weiterbildungsangebote stehen noch vor der Höhe des Gehalts.

HR-Managerin Paffhausen unterstützt diese Prioritätensetzung. "Dabei sollte darauf geachtet werden, mit hochqualifizierten Kollegen und Führungskräften zusammenzuarbeiten, von denen ich lernen kann. Gibt es spannende Projekte, die mich fordern? Wie ist die Unternehmenskultur? Nur so kann der Bewerber die ersten Jahre voll mitnehmen, sein Handwerkszeug erlernen, die Lernkurve geht steil nach oben und er kann schon zügig weitere Karriereschritte machen. Die richtige Grundlage zahlt sich nachhaltig auf die gesamte Laufbahn aus."

Nachhaltigkeit ist ein Stichwort, das viele Absolventen beschäftigt - und nicht nur als Worthülse. Manche von ihnen, wenngleich die Minderheit, wären Beraterin Saß zufolge sogar bereit, einen bis zu rund 20% hohen Abstrich beim Gehalt zu machen, wenn das Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit verfolgt. Das wäre dann beispielsweise in Form von nachhaltigeren Baumaterialien, neuen Bauweisen und sozialen Quartiersentwicklungen greifbar.

Aus alldem ergibt sich eine Richtschnur fürs Gehalt. Vom Standard ausgehend sollten individuelle Fähigkeiten, Erfahrungen und Wertvorstellungen die Einstiegsforderung der Berufsanfänger ausmachen. Dennoch kann dabei ein Wert herauskommen, der sich nicht mit den Vorstellungen des Arbeitgebers deckt. "Kein seriöser Arbeitgeber nutzt es schamlos aus, wenn der Bewerber zu niedrig ansetzt", beruhigt Berater Groß. Und HR-Managerin Paffhausen hält es für "keine Schande", wenn die Zahlen im ersten Anlauf zu hoch gegriffen sind. "Gerade bei Absolvierenden, die in der Berufsorientierung sind und bei denen dies der erste feste Job nach der Ausbildung ist, ist es für uns wichtig zu erfahren: Wo kommt diese Erwartung her, was haben sie recherchiert, auf welchen Berater haben sie sich verlassen - aus dem privaten, universitären oder professionellen Bereich? Am Ende des Tages kommt es darauf an, gemeinsam eine Erwartungshaltung zu definieren, sodass die Studierenden sagen können, das ist mir wichtig, das ist meine Untergrenze, das ist meine Erwartung und die finde ich hier entsprechend gewürdigt." Der einzige Fehler, den ein Kandidat bei der Gehaltsfrage im Bewerbungsgespräch begehen könne, sei eine Alles-oder-Nichts-Einstellung, sagt Paffhausen. "Ich glaube, man muss offen sein, über die Höhe des Gehalts zu sprechen." Öl-Tycoon Getty zum Trotz.

Lesen Sie zum Thema Arbeitsmarkt für Einsteiger und Young Professionals unser IZ-Magazin Immobilienkarriere, zu beziehen auf iz-shop.de.

Anke Pipke

Liebe Leser:innen,

Brigitte Mallmann-Bansa.

Brigitte Mallmann-Bansa.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Christof Mattes

Karriere 27.05.2021
es ist unser täglich Brot, Entscheidungen zu treffen. Geht es um mehr als um Alltagsfragen, sollten wir diejenigen einbeziehen, die die Ergebnisse hinterher ausbaden müssen. Das klingt ... 

es ist unser täglich Brot, Entscheidungen zu treffen. Geht es um mehr als um Alltagsfragen, sollten wir diejenigen einbeziehen, die die Ergebnisse hinterher ausbaden müssen. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Ein Lehrstück dazu - im negativen Sinne - ist die Klimapolitik. Die Redewendung "Nach mir die Sintflut" bekommt da mancherorts einen sehr realistischen Beiklang. Und die Versäumnisse der Verantwortlichen bei der Digitalisierung hierzulande zeigen sich durch die Corona-Pandemie deutlich. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind zu Recht wütend.

Viele von ihnen wollen aber nicht jammern, sondern etwas beitragen. Das möchte auch der eigens gegründete "Förderverein der Deutschen Immobilienwirtschaft". Er will Nachwuchstalenten "eine starke, gemeinsame Stimme" verschaffen, "um Innovation, Austausch und Fortschritt in der Branche zu fördern". Damit das nicht nur warme Worte sind, haben die vier Gründer Dominik Talhof, Frederik Walbaum, Michael W. Urmann und Henry Alves das MAT-Netzwerk und den MAT-Award ins Leben gerufen.

MAT steht für Most Aspiring Talent. 30 junge Frauen und Männer, die maximal 30 Jahre alt sind, wurden jetzt von einer Jury ausgewählt, um den Plänen Leben einzuhauchen. Wir stellen Ihnen in diesem Magazin die MATs vor.

Außerdem haben wir uns mit den Personalverantwortlichen der drei Top-Arbeitgeber der Branche JLL, CBRE und Beos getroffen. In einer offenen Runde ging es um deren Wünsche an ihre Mitarbeiter:innen, ihre Unternehmenskultur und das, was sie dem Nachwuchs bieten können.

Unser Magazin "Immobilienkarriere" hat dieses Jahr wie das MAT-Netzwerk Premiere. Und wie bei den MATs, deren nächste Ausschreibung im Herbst beginnt, soll auch diese Ausgabe nur der Anfang sein: Das Magazin soll Sie jährlich mit Informationen versorgen und eine feste Größe in der IZ-Welt werden.

Ihre

Brigitte Mallmann-Bansa

Chefredakteurin Immobilien Zeitung

Brigitte Mallmann-Bansa

Es geht um mehr als nur Immobilien - Die Ansprüche von Arbeitgebern und Kandidaten wachsen

Die Gesprächspartner der Top-Arbeitgeberrunde in der Redaktion der Immobilien Zeitung: Harald Thomeczek, IZ, Brigitte Mallmann-Bansa, IZ, Anita Thelen, JLL, Mike Schrottke, CBRE, und Holger Matheis, Beos.

Die Gesprächspartner der Top-Arbeitgeberrunde in der Redaktion der Immobilien Zeitung: Harald Thomeczek, IZ, Brigitte Mallmann-Bansa, IZ, Anita Thelen, JLL, Mike Schrottke, CBRE, und Holger Matheis, Beos.

Quelle Immobilien Zeitung, Urheber: Alexander Sell

Karriere 27.05.2021
Sich nur mit Immobilien auszukennen, reicht nicht mehr. Immobilienunternehmen suchen zunehmend digitale Köpfe, die gern Immobilienwissen mitbringen dürfen - aber nicht müssen. Nur mit ... 

Sich nur mit Immobilien auszukennen, reicht nicht mehr. Immobilienunternehmen suchen zunehmend digitale Köpfe, die gern Immobilienwissen mitbringen dürfen - aber nicht müssen. Nur mit Immobilien Geldverdienen zu wollen, reicht allerdings auch nicht mehr. Mitarbeiter:innen und Kandidat:innen fordern von den Arbeitgebern einen gesellschaftlichen Beitrag ein. Innovationsfähigkeit, Freiraum neben dem Beruf und Flexibilität bei der Gestaltung des Jobs - damit gilt es sich für beide Seiten auseinanderzusetzen.

"Wir setzen zunehmend auf digitale, datengetriebene Geschäftsmodelle und versuchen, unsere Leasing-Struktur durch eine stärkere Digitalisierung zu unterstützen", sagt Anita Thelen. Deshalb sucht JLL datenaffine Mitarbeiter und schaut sich in Proptechs und anderen Digitalunternehmen nach den passenden Köpfen mit den nötigen Skills um, "die uns bisher mitunter gefehlt haben". Thelen ist seit Mai 2020 Chief Human Resources Officer (CHRO) Central Europe von JLL. Während sie redet, schaut Thelen auf Mike Schrottke und Holger Matheis herab. Das bringt das Setting der Diskussionsrunde im Besprechungsraum der Immobilien Zeitung (IZ) so mit sich.

Die drei Personalverantwortlichen sind auf Einladung der IZ zur ersten Top-Arbeitgeberrunde zusammengekommen. Schrottke, Head of People von CBRE Germany, und Matheis, Vorstand des Projektentwicklers Beos, belegen mit ihren Unternehmen im IZ-Arbeitgeberranking die Plätze 2 und 3, Thelen vertritt - quarantänebedingt per Bildschirm - den Dauersieger der vergangenen Jahre JLL.

Es braucht datenaffine Menschen

Auch Schrottke sieht ganz neue Kandidatenprofile in die Personalakquise klassischer Immobilienunternehmen einziehen. Für ihn ist der Gedanke, dass Datenspezialisten die Fachabteilungen bei ihrer Arbeit unterstützen, nicht neu: "Auch bei uns spielt das Thema effizientes Data Management eine immer wichtigere Rolle." Das Sammeln und Analysieren von Daten soll Kunden z.B. Miet- oder Kaufentscheidungen erleichtern. Die Auswertung von Daten effizienter zu machen, ist dabei der Job von Spezialisten, die gelernt haben, in komplexen Prozessstrukturen zu denken. Sie bauen Datenbanken auf und entwickeln diese weiter. CBRE hat schon vor einiger Zeit damit begonnen, Teams rund um Digital Innovation, Digital Advisory und Data Management aufzustellen. Abgeschlossen ist diese Entwicklung aber noch lange nicht: "Wir werden das ist den nächsten Jahren weiter ausbauen", kündigt der Chefpersonaler von CBRE an.

Technologie in allen Geschäftseinheiten

Für den Berliner Projektentwickler und Asset-Manager Beos ist Digitalisierung längst Alltag. "Mit unserem Digital Solutions Team optimieren wir bereits seit Jahren sämtliche Bereiche", sagt Vorstandssprecher Holger Matheis. Als Beispiel nennt er "Beos in a pocket", eine Datenbank auf Basis des Microsoft-Tools Power BI zur Darstellung des gesamten Beos-Immobilienportfolios "und perspektivisch auch zur Projekt- und Fondsplanung". Der Einsatz von Technologien zieht sich durch alle Geschäftseinheiten und -prozesse hindurch, betont Matheis. "Umso wünschenswerter ist auch bei neuen Mitarbeitenden entsprechendes Know-how und die Affinität zu innovativen Tools, die zum einen die Effizienz steigern, zum anderen aber auch mehr Transparenz schaffen. Unabhängig davon, ob sie im Asset-Management, in der Projektentwicklung oder im Finance-Bereich tätig sind."

Die Konkurrenz wird größer

Den Eindruck, dass es anscheinend gar keine Immobilienspezialisten mehr braucht, wehren die drei Personalverantwortlichen mit einem Lachen ab. "Hochqualifizierte Absolventen von Immobilienstudiengängen haben immer noch den gleichen Stellenwert für uns - aber unser Blickfeld ist weiter und die Suchfelder sind breiter geworden", erklärt Thelen.

Mit anderen Worten: Die Konkurrenz für Absolventen mit Immobilien-Know-how wächst. Beim Immobiliendienstleister JLL gilt zudem: Angesichts seiner Beliebtheit beim Nachwuchs kann er es sich leisten wählerisch zu sein und sich die oberen 10% herauspicken. JLL steht seit neun Jahren an der Spitze des IZ-Arbeitgeberrankings, für das Studierende immobilienwirtschaftlicher Fächer alljährlich ihren persönlichen Top-Arbeitgeber benennen.

Doch die Bedürfnisse der Arbeitsuchenden verändern sich ebenfalls, stellt sich heraus. Für viele jüngere Kandidaten ist es heute selbstverständlich, dem Unternehmen selbstbewusst Gegenfragen zu stellen. Ein Punkt ist die Work-Life-Balance, wie Matheis berichtet. Er erzählt, dass er in den vergangenen zwei, drei Jahren des Öfteren von Absolventen den Satz gehört hat: "Übrigens, Freitag werde ich nicht arbeiten."

Der Beruf ist nur noch ein Baustein des Leben

Jüngere wollen neben dem Job eigene Projekte verwirklichen, ist Matheis‘ Beobachtung. "In unserer Generation war es überhaupt nicht denkbar zu sagen: Der Beruf ist nur ein Baustein des Lebens - und das schon zum Einstieg!", gesteht der Beos-Chef mit einiger Verwunderung. Doch er betont: "Es ist ja nicht so, dass ich die nicht einstellen würde!" Allerdings: "Diejenigen, die die Fackel tragen, die ein Projekt mit ihrer ganzen Passion tragen, die braucht's halt auch, und die gibt‘s auch immer noch." Zum Glück, da ist sich die Arbeitgeberrunde einig.

So sehr Matheis gesundes Selbstbewusstsein schätzt: Realismus ist ebenso gefragt, z.B. in der Gehaltsverhandlung. "Den Herren der Schöpfung muss man manchmal klarmachen, dass sie den Bogen nicht allzu sehr überspannen sollten", so der Beos-Manager. Die von vielen Absolventen nach dem Studium aufgerufenen Einstiegsgehälter von 50.000, 60.000 Euro überraschen zwar keinen der Personalverantwortlichen. Doch manche Nachwuchskräfte sehen ihren Marktwert bei 80.000, 90.000 Euro, berichtet Matheis. "Da fehlt das Verständnis davon, was jemand zum Einstieg bringen kann. Das passt nicht ins Gehaltsgefüge. Die Leute müssen die ersten zwei Jahre lernen, ehe sie große Sprünge machen können."

Dafür hilft Matheis Bewerberinnen, die ihr Licht unter den Scheffel stellen, andersherum auf die Sprünge, selbst wenn ihn das mehr kostet. "Frauen muss man manchmal ermutigen, manchen muss man sagen: Pass auf, du bringst das mit, du bringt das mit und bringst das mit - stell dich doch einfach hin und sag: Das ist meine Forderung, das hast du verdient! Und dann sind das halt nicht 3.500, mit denen du einsteigst, sondern 4.000 Euro. Das bist du wert."

Die Erlebnisse von Thelen, Schrottke und Matheis ähneln sich, wenn sie von ihren Gesprächen mit Nachwuchskräften, die sie übrigens durchweg duzen dürfen, erzählen. Sie bestätigen sich gegenseitig: Junge Menschen interessieren sich dafür, welchen Beitrag Immobilienunternehmen im Kampf gegen den Klimawandel leisten, ob sie der Gesellschaft, in und mit der sie Geld verdienen, auch etwas zurückgeben, woher das Geld kommt und wohin es fließt. Das allumfassende Stichwort dazu: ESG.

Die Frage lautet immer öfter: Was ist Euer Beitrag?

Die (Immobilien-)Unternehmen entkommen hier den hohen Ansprüchen des Nachwuchses nicht. "Ihr schreibt euch doch ESG auf die Fahnen. Zeigen Sie mir doch mal ein soziales Projekt, das Beos angeht", hat Matheis Kandidaten in Vorstellungsgesprächen schon sagen hören. Die Jungen fordern aber nicht nur, sie packen durch die Bank auch kräftig und freiwillig mit an, wenn es an die Umsetzung von sozialen oder Umweltprojekten geht, freut sich Matheis über den Veränderungswillen.

Ein solcher Druck von außen kann nicht schaden, findet JLL-Personalchefin Thelen. "Die Innovationsfähigkeit, sich permanent neu zu erfinden, ist im Real Estate-Bereich ausbaufähig", sagt Thelen, selbst Newcomerin in der Immobilienbranche, mit erstaunlicher Offenheit und einem Lächeln auf den Lippen. War sie doch vor ihrem Einstieg bei JLL 2020 viele Jahre in der Lebensmittel- und der Dermatologie-Sparte des Schweizer Großkonzerns Nestlé tätig.

"Früher hatten Mitarbeiter weniger Interesse von einem in den anderen Bereich zu wechseln", konstatiert Thelen. Weil manche Sparte jedoch unter Corona leidet, z.B. Retail, während andere wie etwa Logistik sogar Auftrieb erhalten, "wurden Kollegen darin bestärkt ihren Karrierepfad in einer anderen Abteilung fortzusetzen. Wir haben den Mitarbeitern gesagt: Wir wollen euch entwickeln und neue Möglichkeiten aufzeigen." Dank der Überzeugungsarbeit, die die Führungskräfte geleistet hätten, seien interne Wechsel gelungen.

Es ist mehr Wille zur Veränderung nötig

JLL hat sich Anfang 2021 in Deutschland strategisch neu aufgestellt, mitten in der - dem Hörensagen nach auch, aber nicht nur - coronabedingten Krise. "Der Immobilienbranche ist es viele Jahre sehr gut gegangen, sodass wenig Veränderungsdruck herrschte", stellt Thelen fest. Wenn man wie sie selbst in Unternehmen aus krisenerprobten Branchen gearbeitet habe, "dann arbeite man anders, weil man wisse, dass die Firma ohne Innovation irgendwann nicht mehr existiere".

Angesprochen auf die Kurzarbeit, die von April bis August 2020 bei JLL angeordnet war, versichert Thelen: "Die Budgetplanung für 2021 war wieder deutlich progressiver. Wir stellen ein, auf allen Levels und in allen Business-Lines." Sie beziffert die budgetierten Neueinstellungen im laufenden Jahr auf eine Zahl im "hohen zweistelligen Bereich, vom Berufseinsteiger bis zum erfahrenen Mitarbeiter".

Wir stellen ein: auf allen Ebenen, in allen Segmenten

Schrottke kann das unterschreiben: "2020 waren wir etwas zurückhaltender bei Neueinstellungen. Wir haben geschaut, wie unser Geschäft beeinflusst wird und wie sich die Branche verändert - das ist jetzt klarer, darum können wir auch wieder mehr rekrutieren." Gerade sind in Deutschland um die 60 Jobs bei CBRE frei. Am Jahresende, schätzt er, werden sie in einem "hohen zweistelligen Bereich" Kolleginnen und Kollegen rekrutiert haben (inklusive Wiederbesetzungen).

Beos-Manager Matheis ist gar nie auf die Bremse getreten. Es gab bei Beos keinen Einstellungsstopp: "Klar stellen wir auch mit Corona ein, über alle Segmente, auch Absolventen und Young Professionals." Selbst bei Praktikanten hat Beos wegen Corona nicht die Reißleine gezogen - anders als andere Unternehmen. Dieses Jahr will Matheis um die 30, 40 neue Leute an Bord holen - bei derzeit rund 230 Mitarbeitern insgesamt.

Beim Blick auf die durch die Pandemie veränderte Arbeitswelt herrscht große Einigkeit: Eine Rückkehr in den Status quo ante wird es nicht geben. Bei CBRE gilt ohnehin schon lange die Regelung, dass die Mitarbeiter 20% ihrer Arbeitszeit mobil arbeiten dürfen. Das ließ den Führungskräften allerdings einen gewissen Interpretationsspielraum, weshalb das eine oder andere Gespräch nötig wurde. Vor dem Hintergrund des längsten Remote-Experiments der Geschichte wurden die Mitarbeiter von CBRE hierzulande jetzt gefragt, wie sie sich künftig die Verteilung ihrer Arbeitszeit vorstellen. Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen.

JLL ist da einen Schritt weiter. Thelen kennt schon die Ergebnisse einer internen Mitarbeiterbefragung genau zu diesem Thema. Sie lässt sich nicht allzu lange bitten und verrät: Zwei Tage die Woche wollen die JLLer:innen in Deutschland im Durchschnitt in Zukunft mobil arbeiten. Wobei die Herren sich ein bis zwei Tage wünschen und die Damen zwei bis drei.

Schrottke schwebt für CBRE ein Idealzustand jenseits fester Quoten vor. Er plädiert für eine Regelung, die sich vor allem an tätigkeits- und ergebnisbezogenen Aspekten orientiert. Mit viel Freiraum müsse aber auch verantwortungsbewusst umgegangen werden: "Wer mehr als einen Tag die Woche zuhause arbeiten will, muss mit Führungskraft und Team klären, wie das möglich ist und wie die Produktivität einzelner und des Teams aufrecht erhalten werden kann."

Direkter Austausch versus komplett digital

Für Matheis "gehört Homeoffice einfach zum guten Ton. Wenn man ein hohes Maß an Selbstverantwortung verlangt, sollte das doch selbstverständlich sein." Komplett zuhause arbeiten, das wollen die Kollegen aber nicht, das weiß er aus Gesprächen im Team. Derzeit gilt bei Beos - wie bei anderen Unternehmen der Swiss-Life-Gruppe - für die Bürobelegung eine Obergrenze von 10%. Das bedeutet z.B. fürs Berliner Headquarter: Nur 13 von 130 Mitarbeitern dürfen da sein. "Der informelle Austausch fehlt, wenn der Property-Manager, der Asset-Manager und die Zentralfunktionen, die an einem Projekt beteiligt sind, nicht mehr an einem Tisch zusammenkommen", klagt Matheis.

Trotz eines zustimmenden Nickens hält Schrottke dem entgegen: "Jetzt rekrutieren wir schon ein Jahr lang voll digital, und wir haben dabei gute Mitarbeiter gefunden; das Onboarding funktioniert auch." Künftig soll die Besetzung bei der Mehrzahl der Stellen "hybrid" erfolgen: zunächst digitale Erstgespräche, gefolgt von persönlichen Gesprächen. "Bei manchen Positionen werden wir im Recruiting und Onboarding aber auch komplett digital bleiben." Er geht sogar noch weiter: "Ein Berliner Team muss nicht zwingend immer jemanden in Berlin einstellen", sagt er mit Blick auf einen "Neuen", der für eine Abteilung in der Hauptstadt engagiert wurde - obwohl er bei Stuttgart wohnen bleibt. Der Mitarbeiter dockt einfach am Stuttgarter Büro von CBRE an.

Mehr Möglichkeiten und mehr Anforderungen

Schrottkes Beispiel reiht sich ein in die Schilderungen der drei Personaler, die zeigen: Es gibt mehr Möglichkeiten für Mitarbeiter:innen und für solche, die es noch werden wollen. Dafür gibt es aber auch mehr Konkurrenz. Der Blickwinkel beim Recruiting ist breiter geworden. Know-how in Sachen Daten und Digitalisierung ist gefragter denn je, eine immobilienspezifische Ausbildung kann zu wenig sein. Im Gegenzug dürfen die Kandidaten von den Immobilienunternehmen mehr Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort fordern, schon im Vorstellungsgespräch selbstbewusst auftreten und verantwortungsvolles Handeln einfordern. Kommt noch Innovationsfähigkeit hinzu, ist die Mischung perfekt. Auf beiden Seiten heißt es also: Wir wollen mehr als nur Immobilienbusiness.

Brigitte Mallmann-Bansa,Harald Thomeczek