"Wir achten darauf, dass wir 50 zu 50 einstellen"

Susanne Eickermann-Riepe.

Susanne Eickermann-Riepe.

Quelle: PwC

Karriere 26.10.2017
Das Frauenförderprogramm von PwC gilt als vorbildlich. Susanne Eickermann-Riepe, Real Estate Leader der Beratungsgesellschaft in Deutschland, hält ein bewusstes Bekenntnis zu gemischten Teams ... 

Das Frauenförderprogramm von PwC gilt als vorbildlich. Susanne Eickermann-Riepe, Real Estate Leader der Beratungsgesellschaft in Deutschland, hält ein bewusstes Bekenntnis zu gemischten Teams für unverzichtbar, damit verkrustete Strukturen aufbrechen. Ganz uneigennützig treibt sie den Vormarsch weiblicher Talente in ihrem eigenen Haus nicht voran.

IZ: Der Verein Frauen in der Immobilienwirtschaft nannte mir als mustergültiges Beispiel für gelungene Frauenförderprogramme einen Namen: PwC. Wieso gibt sich PwC eigentlich so viel Mühe bei der Gewinnung und Entwicklung weiblicher Talente?

Susanne Eickermann-Riepe: Wenn wir uns um Diversity bemühen, tun wir das nicht, um Benachteiligungen auszugleichen, sondern weil es wichtig für unser Geschäft ist. Auf Auftraggeberseite hat sich viel geändert. Es sind unsere Kunden, die sich gemischte Teams wünschen: Männer, Frauen, Internationalität und Vielfalt in der Ausbildung, z.B. MINT-Berufe. Nur so können wir Lösungen entwickeln, die alle Chancen und Risiken betrachten. Homogene Gruppen führen zu eingeschränkten Lösungen.

IZ: Homogene Gruppen - männliche Entscheider-Cliquen - führen auch dazu, heißt es ja oft, dass tendenziell eher ein Mann eingestellt wird, auch wenn eine konkurrierende Bewerberin von ihrer Qualifikation und Eignung her nicht schlechter aufgestellt ist.

Eickermann-Riepe: An der einen oder anderen Stelle mag es immer noch unbewusste Vorurteile geben, auch wenn es sich kein Arbeitgeber mehr leisten kann, Frauen zu benachteiligen. Trotzdem bestätigen Studien z.B., dass die exakt gleiche Bewerbung besser bewertet wird, wenn sie einem Mann zugeschrieben wird als wenn sie von einer Frau stammt. Man muss also zwischen impliziten und expliziten Vorurteilen unterscheiden!

IZ: Klingt sehr theoretisch.

Eickermann-Riepe: Konkret heißt das: Öffentlich sagen natürlich alle, dass sie für Frauen in Führungspositionen sind. Aber die Prägungen, die man im Laufe seiner Sozialisierung erhalten hat, lassen sich nicht vom einen auf den anderen Tag wegwischen. Der durchschnittliche Mann vertraut einem anderen Mann mehr als einer Frau. Und solche Vorurteile existieren nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen, die in diesem System groß geworden und aufgestiegen sind. Kurzum: Es braucht schon ein starkes, bewusstes Commitment zu Mixed Leadership, um diese Strukturen zu durchbrechen und Führungsriegen diverser zu gestalten.

IZ: Wie gelingt dies PwC im Recruiting?

Eickermann-Riepe: Wir achten darauf, dass wir 50 zu 50 einstellen. Und wir wollen Frauen deutlich machen, dass sie auch in der Beratung Karriere machen können. Viele lenken den Blick nicht direkt auf die Beratung, weil die Arbeit oft mit einer hohen Reisetätigkeit zu unseren Kunden verbunden ist. Ein geregelter Büroalltag sieht anders aus. Da braucht man einen Partner, der zu Hause mitspielt. Das ist in Deutschland leider noch nicht immer der Fall. Sicher mit ein Grund, warum nur 30% der Bewerbungen, die wir bekommen, von Frauen sind. Im Normalfall würden wir dann auch nur 30% Frauen einstellen, aber wir arbeiten an einer höheren Erfolgsquote, versuchen, mehr daraus zu machen und natürlich mehr Frauen für diese Berufswahl zu interessieren.

IZ: PwC hat global das Ziel von 25% Frauen unter den Führungskräften ausgegeben. Wie weit sind Sie denn da schon in Deutschland, insbesondere im Real-Estate-Geschäft?

Eickermann-Riepe: Wir sind auf Kurs, auch wenn das Ziel auf Partner-Ebene noch nicht erreicht ist. Aber wir machen große Fortschritte in der internen Entwicklung und haben auf den Stufen ab Manager unseren Frauenanteil in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Man kann den Schalter leider nicht von heute auf morgen umlegen, sondern muss an der kontinuierlichen Entwicklung arbeiten. Besonders freut mich, dass wir mittlerweile auch einige herausragende Direct-Entry-Partnerinnen gewinnen konnten.

IZ: Wie man hört, gehen PwC trotz des vielgelobten Talent-Management-Programms viele Absolventinnen in den ersten fünf Jahren nach dem Berufseinstieg wieder verloren. Diejenigen, die Kinder bekommen, könnten deren Betreuung oft nicht mehr mit der Beratertätigkeit, die zeitliche Flexibilität verlangt und mit vielen Reisen verbunden ist, vereinbaren und würden z.B. gen Industrie abwandern, heißt es. Zumal der Beraterjob nicht in Teilzeit zu stemmen sei.

Eickermann-Riepe: Frauen bekommen nun mal die Kinder und müssen daher eine Pause einlegen. Wie kurz oder lang diese Pause ist, entscheidet sich in der Regel jedoch nicht in Abhängigkeit vom Beruf, sondern von der persönlichen Situation. Hier hat sich schon einiges getan; Männer übernehmen mehr Aufgaben rund um die Kinderbetreuung. Aber die typische Rollenverteilung ist noch weit verbreitet, und die öffentlich verfügbaren Angebote hinken in Deutschland immer noch hinterher. Schauen wir nach Frankreich, dann ist es ganz normal, schnell wieder in den Beruf zurückzukehren. Wir tun jedenfalls viel dafür, um den Kontakt aufrechtzuerhalten und die Rückkehr zu erleichtern.

IZ: Sie gelten als Prototyp einer weiblichen Karriere in der Beraterbranche. Wenn man aber mal rechts und links schaut, sieht man nicht mehr viele Geschlechtsgenossinnen auf derselben Hierarchieebene, und auch darunter sind Damen eher dünn gesät.

Eickermann-Riepe: Ich sehe den Wandel bereits deutlicher als Sie. Allein im letzten Geschäftsjahr haben wir drei neue Direct-Entry-Partnerinnen in der Beratung aufgenommen und die Zahl unserer Direktorinnen hat sich verdoppelt. Wir haben ganz klar das Ziel, unsere Partnerschaft diverser zu gestalten. Dieser "tone from the top" und der Wandel in der Organisation ist notwendig, um Frauen Mut auf Karriere zu machen. Je mehr Vorbilder eine Organisation vorweisen kann, umso mehr zieht sie auch an. Wir haben bereits in unserem Territory Leadership Team zwei Frauen.

IZ: Eine Headhunterin schätzt, dass eine von fünf Immobilienfrauen, die sie vermittelt, Kinder hat. Eine erfolgreiche Projektentwicklerin sagt, dass sie ihren Weg nicht mit Kindern im Gepäck hätte gehen können bzw. wollen. Was muss sich ändern, damit Frauen nicht mehr auf Kinder verzichten, wenn sie Karriere machen wollen - oder sich zerreißen müssen, wenn sie nicht gerade auf rund um die Uhr geöffnete Kindergärten zurückgreifen können oder wollen?

Eickermann-Riepe: Mein Sohn ist bereits 21 und hat alles gut überstanden, sicher auch dank des Engagements meines Mannes und einer flexiblen Betreuung. Für mich war immer klar: Ich will auf nichts verzichten. Es haben sich immer Lösungen gefunden, die für alle Beteiligten akzeptabel waren. Nicht zuletzt kann man sich flexiblere Lösungen leisten, wenn man Karriere macht.

IZ: Laut einer Studie von PwC dauert es noch 300 Jahre, bis sich die berühmte Gender Pay Gap in Deutschland geschlossen hat. Wie steuert PwC einer möglichen Ungleichbehandlung bei der Bezahlung entgegen?

Eickermann-Riepe: Auf der Einstiegsebene gibt es klare Vorgaben, wie Absolventen bei uns gehaltlich starten. Auf den weiteren Stufen gibt es festgelegte Bandbreiten, in denen sich die Gehälter - unabhängig vom Geschlecht - bewegen. Auf der Ebene der erfahrenen Bewerber verhandeln Männer eher als Frauen - das versuchen wir vernünftig einzuordnen. Verweilt eine Frau länger auf einer bestimmten Gehaltsstufe, prüfen wir, warum das so ist.

IZ: Vielen Dank für das angenehme Gespräch.

Die Fragen stellte Harald Thomeczek.

Harald Thomeczek

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"Die Next Gen sucht den globalen Austausch"

Robin Lais ist Mitgründer von Rics Matrics in der DACH-Region.

Robin Lais ist Mitgründer von Rics Matrics in der DACH-Region.

Quelle: Janina Pulvermüller

Karriere 11.05.2023
Als Nachwuchsgruppe der Royal Institution of Chartered Surveyors (Rics) nimmt das Netzwerk Matrics in der DACH-Region seit diesem Jahr Fahrt auf. Seine Gründung geht auf zwei Studenten zurück, ... 

Als Nachwuchsgruppe der Royal Institution of Chartered Surveyors (Rics) nimmt das Netzwerk Matrics in der DACH-Region seit diesem Jahr Fahrt auf. Seine Gründung geht auf zwei Studenten zurück, die zum Karrierestart Kontakt mit dem Verband suchten. Robin Lais will nun von Deutschland aus die globale Vernetzung vorantreiben.

Immobilien Zeitung: Mit den ersten Veranstaltungen bei Drees & Sommer in Stuttgart und bei DLA Pieper in Frankfurt läuft das Netzwerk Rics Matrics seit einigen Wochen richtig an. Wie lange war der Weg bis zum Start?

Robin Lais: Vor rund eineinhalb Jahren haben Timon Ivens und ich mit den Vorbereitungen angefangen. Die Idee, eine Nachwuchssparte innerhalb der Rics zu gründen, kam uns, als unser Studiengang Immobilienwirtschaft an der HfWU in Nürtingen-Geislingen vom Verband reakkreditiert wurde. So haben wir die Rics kennengelernt und konnten uns schnell mit ihrem Ethikkodex identifizieren. Wir haben die Gelegenheit, dass Ansprechpartner vor Ort waren, genutzt und im weiteren Verlauf der Gründung Kontakte bis zum Verbandshauptsitz in London geknüpft. Unterstützung bekamen wir dabei von Anfang an von Susanne Eickermann-Riepe als Vorstandsvorsitzende der Rics Deutschland.

IZ: Wie kann man sich das Netzwerk und seine Arbeit jetzt vorstellen?

Lais: Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen studentischen Rics-Mitgliedern und Voll-Mitgliedern. Wir wollen für Nachwuchskräfte Gelegenheiten schaffen, den Verband früh in der Karriere kennenzulernen. Unsere Events gestalten wir inklusiv, statt exklusiv. Das bedeutet, dass jeder teilnehmen kann, der bis 35 Jahre alt ist und ein begründetes Interesse an der Immobilienwirtschaft hat. Das können Studenten sein oder Young Professionals.

IZ: Aber nur aus der Branche?

Lais: Nein, auch aus angrenzenden Disziplinen wie etwa aus der Finanzwelt, Techniker oder Vertreter der Energiebranche sind willkommen. So können Themen aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert werden. Eine feste Mitgliedschaft gibt es nicht, wir wollen uns erst einmal vorstellen und offen bleiben. Gleichzeitig richten wir im Moment auch regionale Gruppen ein. Sie existieren bereits in Stuttgart und Frankfurt.

IZ: Welche Rolle spielt die Internationalität des Rics-Verbands in der Matrics-Gruppe?

Lais: Eine sehr große. Die Next Gen sucht den globalen Austausch mit den Profis – und zwar über das eigene Tätigkeitsfeld hinaus. Weil Timon beruflich in der Schweiz Fuß gefasst hat, hat er dort den Chair übernommen, ich den deutschen. Auch in Österreich wollen wir aktiv werden, um die gesamte DACH-Region abzudecken. Die Immobilienbranche denkt in Deutschland oft sehr lokal. Unser Ziel als Next Generation ist die stärkere Verknüpfung mit internationalen Märkten und Akteuren.

IZ: Wie sieht das in der Praxis aus?

Lais: Unsere Generation hat die technischen Möglichkeiten, sich auch ohne lange Anfahrtswege zu vernetzen. Auch wenn wir langfristig feste Standortgruppen aufbauen, findet ein Großteil unseres Austauschs digital statt. So auch mit Matrics-Vertretern aus anderen Ländern. Einen Austausch über Webinare gibt es bereits mit den Gruppen aus Frankreich und Spanien, die ebenfalls erst vor kurzem gestartet sind.

IZ: Welche Themen sind das, mit denen Sie sich beschäftigen?

Lais: Schon beim Startschuss war es uns wichtig, Nachhaltigkeitsthemen zu behandeln. Denn diese kamen im eigenen Studium manchmal zu kurz, sind aber jetzt im Berufsleben allgegenwärtig. Außerdem beschäftigen wir uns viel mit den Möglichkeiten der Digitalisierung, denn von ihr hängen viele mögliche Neuerungen für die Branche ab. Dabei gilt für alle Events, die wir initiieren, dass wir wertvollen Output daraus ziehen wollen. Ziel ist es, dass man aus jedem Event mindestens eine neue Information mitnimmt, die einem im Berufsleben weiterhilft.

IZ: Wie kommen Sie dafür an die passenden Speaker?

Lais: Das vorhandene Netzwerk der Rics ermöglicht uns einen guten Austausch. Denn Junge finden Branchenakteure auf seniorigem Level sehr spannend und wollen von ihnen lernen. Doch oftmals sind gerade Führungskräfte sehr beschäftigt und müssen erst einmal einen Zugang zur neuen Generation und ihren Themen finden. An dieser Stelle wirken wir als Bindeglied.

IZ: Was genau wollen Sie von den erfahrenen Akteuren lernen?

Lais: Die Rics gibt es in Deutschland seit rund 30 Jahren. Es haben sich also viel Wissen und Erfahrung im Netzwerk aufgebaut, das weitergegeben werden kann. Im Moment beschäftigen wir uns zum Beispiel viel mit dem Thema Krisenmanagement. Da wollen wir von den Erfahrungen derer profitieren, die schon einmal eine Krise durchgemacht und gut überstanden haben.

IZ: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janina Stadel.



Janina Stadel

Die Next Gen muss flexibel sein

Wer jetzt einsteigt, kann in der Immobilienwirtschaft schnell Karriere machen.

Wer jetzt einsteigt, kann in der Immobilienwirtschaft schnell Karriere machen.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Alexander Sell

Karriere 02.06.2022
220 Bewerber trafen nach zweijähriger Pause beim IZ-Karriereforum in Frankfurt auf 47 Unternehmen, die Nachwuchskräfte suchen. Die Karriereaussichten sind gut für Absolventen, die frisch ... 

220 Bewerber trafen nach zweijähriger Pause beim IZ-Karriereforum in Frankfurt auf 47 Unternehmen, die Nachwuchskräfte suchen. Die Karriereaussichten sind gut für Absolventen, die frisch von der Hochschule kommen und eine Affinität für die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit mitbringen. Doch zum Berufseinstieg müssen sie sich darauf einstellen, schon früh Verantwortung zu übernehmen und selbstständig zu arbeiten.

Über mangelnde Einstiegsmöglichkeiten in die Immobilienwirtschaft kann der Nachwuchs nicht klagen. Doch weil die Branche vor der Herausforderung steht, die Digitalisierung auszubauen und ESG-Regularien zu erfüllen, sind die Erwartungen an die Next Gen hoch. „Nachhaltigkeit ist ein neues Thema – auch für die, die schon lange im Beruf sind. Daher steigen Berufseinsteiger jetzt mit gleichem Wissen ein wie die, die schon lange dabei sind“, bestätigt Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende des Berufsverbands Rics für Deutschland und Europa, in einer Panel-Diskussion beim IZ-Karriereforum in Frankfurt. Sie beobachtet, dass sich durch ESG-Richtlinien und steigende Energiepreise die Profile der Berufsbilder verändern. „Das gilt auch für die bisher eher weniger gefragten Bereiche Property- und Facility-Management“, wird sie konkret. „Beides wird in den kommenden Jahren besonders an Bedeutung gewinnen.“ Damit verbunden seien zusätzliche Qualifikationen, die von Bewerbern gefordert werden. „Man muss kaufmännisches und technisches Verständnis mitbringen, um den Herausforderungen in diesem Bereich gerecht zu werden“, erklärt sie und betont, dass die Umsetzung von ESG-Richtlinien mehr erfordert als die bloße Datenerfassung. Stattdessen gehe es darum, die Daten zu nutzen, um konkrete Maßnahmen abzuleiten und in Gebäuden umzusetzen.

Diese Entwicklung sieht auch Stephen von der Brüggen, Managing Director bei Art-Invest Real Estate Management. Er berichtete, dass Art-Invest selbst das Property-Management seit rund vier Jahren ausbaut. „Die Tiefe, was man alles können muss, hat sich seitdem verbreitert. Vor allem das technische Wissen, wie Gebäude optimiert werden können, gewinnt noch weiter an Bedeutung. Denn Verbrauch und Nebenkosten sparen wird durch die steigenden Energiekosten immer wichtiger“, verdeutlicht er, wie die Rentabilität einer Immobilie von ihrer technischen Ausstattung abhängen kann.

Schnelle Karrieren durch neue Aufgaben

Weil die Next Gen beim Thema Digitalisierung auf dem neuesten Stand sei und sich schnell auf neuen Input einlassen könne, seien die jetzigen Absolventen oft die erste Wahl bei der Besetzung von Stellen – selbst für Positionen, die mit einem hohen Maß an Verantwortung verbunden sind. Um diese übernehmen zu können, müssen sich Bewerber laut von der Brüggen darauf einstellen, dass schon in den ersten Jahren einiges an Flexibilität und Agilität von ihnen verlangt wird, sowohl in Bezug auf ihre Aufgaben als auch auf die Arbeitsweisen. Denn die Vernetzung zwischen den Disziplinen innerhalb der Branche nehme zu, auch in der Projektentwicklung. "Wir brauchen dafür den Blick über den Tellerrand und unterschiedliche Perspektiven." Daraus ergeben sich mehr Schwerpunktwechsel für die Branchenakteure. „Wer bei uns als Asset-Manager einsteigt, macht nach ein paar Jahren vielleicht etwas ganz anderes.

Welche Angebote die knapp 50 Ausstellerunternehmen in diesem Jahr konkret haben, zeigte beim Karriereforum die Jobwall. Dort hingen 200 Stellenausschreibungen für Praktika, Werkstudententätigkeiten, Trainee-Programme und Direkteinstiege aus. Für viele der 220 Bewerber, die nach Frankfurt gekommen sind, war die Wand am Vormittag die erste Anlaufstelle für einen strukturierten Messebesuch. „Ich suche einen Praktikumsplatz“, hat Bachelor-Studentin Teresa einen festen Plan. Wegen der Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie habe sie noch keine Gelegenheit gehabt, sich eine passende Stelle zu suchen, obwohl sie schon kurz vor dem Abschluss steht. Weil ihre Lehrveranstaltungen auf Onlineformate umgelegt wurden, habe ihr zudem in den vergangenen Semestern der Austausch mit Kommilitonen im Fach Immobilienmanagement gefehlt, um Erfahrungsberichte über Praktika in Hochschulnähe aus erster Hand zu erhalten. Auf der Messe sucht sie alle Unternehmen auf, die für sie passende Stellen anboten. Einen Fragenkatalog an die Arbeitgeber hat sie zuhause schon vorbereitet. Neben möglichen Zeitrahmen für ein Praktikum interessieren sie die Vergütung und Übernahmemöglichkeiten.

„Viele kommen mit ganz konkreten Fragen her“, stellt Holger Hosang, Managing Partner Transaction & Asset Management bei Sonar Real Estate, fest. Neben den genauen Aufgabengebieten werde von den Besuchern des IZ-Karriereforums die Frage nach möglichen Standorten am häufigsten gestellt. „Vor allem nach Berlin scheint es viele nach dem Abschluss zu ziehen“, lautet seine Bilanz. Wenn der Einsatzort zu weit vom eigenen Zuhause entfernt ist, so berichten mehrere Aussteller, sei das Thema Homeoffice schnell im Gespräch gewesen.

Ein dualer Student, der namentlich nicht genannt werden möchte, ist auf der Suche nach einer neuen Aufgabe für die Zukunft. Seine Bewerbungsunterlagen ließ er im Vorfeld beim CV-Check überprüfen und professionelle Bewerbungsfotos am Messetag vom Fotografen schießen. Er habe schon während des Studiums beschlossen, dass er aus der Wohnungswirtschaft wechseln will. „Das hängt auch mit dem Arbeitgeber zusammen“, sagt er. „Es herrscht ein traditioneller Führungsstil und meine Aufgaben sind immer die gleichen“, spricht er von wenig Abwechslung. Mit den Ausstellern will er deshalb nicht nur über offene Stellen und Möglichkeiten eines berufsbegleitenden Masters sprechen, sondern auch ihre Unternehmensphilosophien kennen lernen. Auf seiner Wunschliste stehen flache Hierarchien, flexible Arbeitszeiten und schnelle Aufstiegsmöglichkeiten. Früh Verantwortung zu übernehmen schrecke ihn bei der Jobwahl nicht ab. Aus Angst, der jetzige Arbeitgeber könnte von seinen Wechselwünschen erfahren, kommt eine direkte Kontaktaufnahme zu anderen Unternehmen für ihn jedoch nicht infrage.

Am Stand des Immobilienberaters CBRE sieht ein Trainee genau im direkten Aufeinandertreffen den Mehrwert der Karrieremesse. „Man nutzt die Unverbindlichkeit“, sagt er. Er selbst habe sich online auf seine jetzige Position beworben, aber schon zu Studentenzeiten persönliche Kontakte zu Unternehmen auf Messen geknüpft. Als Aussteller beobachtet er, dass viele Besucher ähnlich vorgehen und nicht nur über offene Stellen, sondern auch über persönliche Werdegänge gesprochen wird. „Es geht beim Austausch mit Mitarbeitern nicht immer nur um die konkrete Suche, sondern auch darum, sich ein Unternehmen für die Zukunft einzuprägen.“

Janina Stadel

Are you MAT? Ja!

Bei der Preisverleihung Ende April in Berlin war der Jubel der MATs 2022 groß.

Bei der Preisverleihung Ende April in Berlin war der Jubel der MATs 2022 groß.

Quelle: Förderverein der Deutschen Immobilienwirtschaft, Urheber: Thomas Rosenthal

Karriere 05.05.2022
Mit den nächsten 30 Mitgliedern startet das Nachwuchsnetzwerk der Most Aspiring Talents (MATs) in das zweite Arbeitsjahr. Gemeinsam wollen sie Ideen als Inspiration für die gesamte ... 

Mit den nächsten 30 Mitgliedern startet das Nachwuchsnetzwerk der Most Aspiring Talents (MATs) in das zweite Arbeitsjahr. Gemeinsam wollen sie Ideen als Inspiration für die gesamte Immobilienwirtschaft entwickeln und konkrete Lösungsansätze für die Herausforderungen der Branche finden. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Disziplinen der Branche soll der Schlüssel dazu sein.

Neugierig lassen die alten MATs aus dem vergangenen Jahr ihre Blicke beim Einlass zur MAT-Award-Verleihung in Berlin immer wieder in Richtung Eingangstür schweifen. "Hast du schon jemanden entdeckt, den du kennst?", fragen sie sich gegenseitig, als sie am Abend der Verkündung der neuen Netzwerk-Mitglieder auf den zweiten Jahrgang warten. "Letztes Jahr war ich der einzige in meinem Umfeld, der sich beworben hatte. In diesem Jahr kenne ich sechs Leute, die eine Bewerbung abgeschickt haben", erzählt MAT-Mitglied Tobias Burkhart beim Warten auf die Kandidaten 2022 und war gespannt, ob ein Bekannter zur Verleihung des zweiten MAT-Awards durch den Förderverein der Deutschen Immobilienwirtschaft erscheinen würde. Die 30 Nachwuchstalente bis 30 Jahre, die am Abend mit der Auszeichnung nach Hause gehen durften, werden wie ihre Vorgänger automatisch in das MAT- Netzwerk aufgenommen und starten gemeinsam mit den 30 bestehenden Mitgliedern des Jahrgangs 2021 in ein neues Arbeitsjahr.

Der Award als Türöffner ins Netzwerk

"Ich habe die Aktivitäten der MATs das ganze Jahr über verfolgt ? vor allem über Social Media ? und ich wollte ein Teil davon werden", erklärt Lisa Bek ihre Motivation, sich zu bewerben. Im letzten Jahr habe sie es schon einmal versucht, aber für eine Nominierung habe es nicht gereicht. "Ich habe mir in der zweiten Runde mehr Mühe gegeben. Meine Visionen sind die gleichen geblieben, aber ich habe die Zeit genutzt und meine Ziele und Vorstellungen im Bewerbungsschreiben besser auf den Punkt gebracht", fasst sie ihre Vorbereitungen zusammen. Mehr als sieben Stunden, so schätzt Bek, hat sie investiert, um neben dem Pflichtfragebogen auch ein Vorstellungsvideo und Empfehlungsschreiben einzureichen. Beruflich will sie mehr bezahlbares Wohnen in Deutschland schaffen. Mit den MATs will sie Lösungsansätze finden, die die Branche inspirieren sollen. "Wir können allein nicht die Welt verändern, aber wir können als Gruppe diejenigen überzeugen, die an den Stellschrauben drehen, und somit als junges Netzwerk ein Schlüssel für Veränderung sein", ist die neue MAT überzeugt. Dabei wünscht Bek sich vor allem einen Generationenwechsel in den Management- und Chefetagen. Sie selbst ist 27 und COO des Unternehmens Wohnraum: "Führen ist keine Altersfrage, sondern eine Frage von Kompetenzen und Mut."

Das Nachwuchsnetzwerk teilt diese Ansicht. Als die Mitglieder des ersten Jahrgangs auf der Bühne ihre bisherigen Arbeitsergebnisse präsentierten, sprachen sie auch New Work als ganzheitliches Arbeitskonzept an und forderten mehr Diversität in Unternehmen. Denn der Austausch unter den MATs beschränkt sich nicht auf ihre bisherigen beruflichen Erfolge. Stattdessen wollen die Mitglieder ihre unterschiedlichen Perspektiven aus dem Berufsalltag einbringen, um neue Leitsätze für die Arbeitswelt und eine soziale und nachhaltige Immobilienwirtschaft zu gestalten.

Engagement über den Job hinaus

Um die Frage "Are you MAT?" mit einem Ja beantworten zu können, mussten die Anwärter in den Bewerbungen ihr soziales Engagement über den Job hinaus und ehrenamtliche Tätigkeiten nachweisen können. Anne Tischer, Gründerin und Vorsitzende des Vereins Frauen in Führung (FiF), schätzt dieses Alleinstellungsmerkmal am Netzwerk. Gemeinsam mit Timo Tschammler unterstützte sie in diesem Jahr zum ersten Mal die bestehende Jury, die sich aus den Branchen- und Netzwerkprofis Andreas Schulten, Thomas Porten, Thomas Beyerle, Susanne Eickermann-Riepe, Larissa Lapschies, Sandra Scholz und Andreas Ubach-Utermöhl zusammensetzt. Gemeinsam suchten sie aus mehr als 160 Einreichungen die 30 besten Kandidaten für den zweiten Jahrgang aus. "Motivation, Engagement und der Einsatz für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung machen zusammen 50% der Bewerbung aus", betont Tischer. Dass sich das im Handeln der Gruppe widerspiegelt, könne sie aufgrund einer ideellen Partnerschaft der MATs mit ihrem Verein bestätigen. "Wir setzen uns mit FiF für eine moderne Führungskultur ein. Genau das fordern auch die MATs", sieht sie eine Parallele.

Die Stichworte Nachhaltigkeit, ESG, Digitalisierung und Diversität haben sie und ihre Jury-Kollegen in fast jeder Bewerbung gelesen. Dem Gremium aber sei wichtig gewesen, in welchem Zusammenhang die Wörter fielen, betonte Tischers Jurykollege Schulten gegenüber den Kandidaten. Dabei wollten die Juroren vor allem konkrete Ideen lesen und sehen, "wie die Kandidaten die Begriffe mit Leben füllen", beschreibt er die Kandidatenauswahl. Den MATs und allen, die sich im kommenden Jahr bewerben wollen, gibt er einen Tipp, der sowohl für das Anschreiben als auch für die weiteren Netzwerkaktivitäten gilt: "Sagt nicht nur, dass ihr etwas verändern wollt, sondern sagt ganz konkret, wie ihr etwas verändern wollt!"

Erste Ideen dafür liefern am Abend der großen MAT-Party Gastredner auf der Bühne. Arnd Boekhoff, Projektleiter der Viva con Agua Stiftung und Vorstand beim Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland, stellte das Projekt Villa Viva vor. Dabei handelt es sich um ein Gästehaus in Hamburg, dessen Einnahmen genutzt werden sollen, um Menschen auf der ganzen Welt mit Trinkwasser zu versorgen. Michael Braungart, Geschäftsführer von Braungart Epea ? Internationale Umweltforschung, bot Input zum Thema Cradle-to-Cradle-Baustoffe. Timo Tschammler berichtete von seiner Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine, etwa davon, wie er ein Hotel zur Unterkunft umfunktionierte und von abenteuerlichen Evakuierungen der Menschen aus dem Kriegsgebiet.

Die MATs aus beiden Jahrgängen legen noch an dem Abend los mit dem Netzwerken: Gleich nach dem Kennenlernen zwischen "Alt" und "Neu" tauschen sie die ersten Eindrücke unter anderem zu den vorgestellten Projekten aus. In den kommenden Monaten wollen sie zusammenwachsen. Wie bei den ersten 30 MATs setzt sich auch der zweite Jahrgang aus jungen Talenten zusammen, die in unterschiedlichen Disziplinen der Branche tätig sind. So finden sich unter ihnen u.a. Projektentwickler, Start-up-Gründer, Digitalisierungs- und Investmentexperten. Sie befassen sich beruflich beispielsweise mit der Umnutzung von Kirchengebäuden, generationenübergreifenden Wohnkonzepten, flexiblen Arbeitsmodellen und Quartiersentwürfen für die Zukunft.

Mit anderen Netzwerken aus der Immobilienbranche werden sie ihre Ideen beim Netzwerktreffen NextImmoGen anlässlich des IZ-Karriereforums am 21. Mai in Frankfurt teilen. Wenige Wochen später wollen sie einer gemeinsamen Einladung des Immobilienverbands Deutschland (IVD) und des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) nach Berlin folgen. Bei der mehrtägigen Veranstaltung soll es darum gehen, welche Rolle die Next Gen in Verbänden, Branchenorganisationen und Parteien einnehmen kann. "Wir werden dabei auch der Frage auf den Grund gehen, welche Rolle Lobbyismus in einer Basisdemokratie einnimmt und wie diese in der Immobilienwirtschaft gelebt wird", setzt MAT-Initiator Frederik Walbaum den Maßstab für eine Wertedebatte.

Janina Stadel