"Wir brauchen frische Kräfte für unsere Wachstumsstrategie"

Noch vereint: Emea-CEO Guy Grainger (links) und Timo Tschammler.

Noch vereint: Emea-CEO Guy Grainger (links) und Timo Tschammler.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheberin: Gerda Gericke

Karriere 19.12.2019
JLL hat zahlreiche Abgänge in Deutschland zu verkraften. Europachef Guy Grainger schaltet auf Angriff, u.a. mit Investitionen in Köpfe. Das Transaktionsgeschäft soll hierzulande nicht an ... 

JLL hat zahlreiche Abgänge in Deutschland zu verkraften. Europachef Guy Grainger schaltet auf Angriff, u.a. mit Investitionen in Köpfe. Das Transaktionsgeschäft soll hierzulande nicht an Bedeutung einbüßen. Der scheidende Deutschlandchef Timo Tschammler bereitet sich derweil auf eine Weltreise vor.

Immobilien Zeitung: Meine Herren, JLL durchläuft eine Umstrukturierung in Deutschland. Bis vor kurzem konnten Sie keine Fragen dazu beantworten. Warum?

Timo Tschammler: Wir konnten, wollten jedoch die Dinge erst in Ordnung bringen und unsere Führungskräfte und Mitarbeiter über die neue Führungsstruktur informieren, ehe wir darüber mit der Presse reden.

IZ: Reden wir! Unsere Titelstory aus der vorvergangenen Woche dreht sich um den personellen Aderlass auf allen Ebenen, den JLL zuletzt in Deutschland erlebt hat - oder würden Sie das bestreiten?

Guy Grainger: Unsere Wettbewerber haben ihre Personalkapazitäten in Bereichen, die besondere Beachtung in der Öffentlichkeit erfahren - z.B. Capital Markets und Leasing -, ausgebaut. Trotzdem sind wir enttäuscht über die Zahl von Abgängen. Im nächsten Jahr wird sich das Blatt wenden - und wenn es so weit ist, will ich davon auch in Ihrer Zeitung lesen.

IZ: Ist das Ihre Erklärung für die vielen Abgänge: der wildernde Wettbewerb?

Grainger: Wenn Sie Marktführer sind, werden Sie von Wettbewerbern automatisch als Quelle für Verstärkungen betrachtet. Aber wir werden ihnen antworten.

IZ: Welche Pläne hegen Sie für Deutschland?

Grainger: Warten Sie ab! Fest steht, dass wir in unser Geschäft in Deutschland investieren werden, d.h. in Menschen und Technologie. Wir investieren derzeit immens in die weltweite Aufstellung unseres Unternehmens. Ein Beispiel ist die Akquisition des US-amerikanischen Dienstleisters HFF im Juli dieses Jahres. Dieser Kauf wird unser Investmentgeschäft auch in Deutschland nachhaltig stärken.

IZ: Was unterscheidet die neue Struktur mit Strategy Board und Operations Board vom alten deutschen Management Board - abgesehen von der unterschiedlichen personellen Besetzung? Da draußen am Markt und in Ihrem eigenen Unternehmen hat das noch nicht jeder verstanden.

Tschammler: Wir haben Verantwortlichkeiten, die vorher komplett beim Management Board lagen, unter den beiden neuen Gremien aufgeteilt.

Grainger: Die neue Führungsstruktur ist die Basis für eine klarere Wachstumsstrategie. Wir wollen unsere weltweiten Investitionen in die organisatorische und technologische Aufstellung unseres Unternehmens optimal nutzen. Unsere neue Führungsstruktur wird dies sicherstellen - im Sinne unserer Kunden und Mitarbeiter. Unser Geschäft und das unserer Kunden verändern sich. Wir stellen uns diesem Wandel.

IZ: Was ist mit den drei offenen Positionen im neuen Operations Board? Bisher steht nur Yama Mahasher, ein 32-jähriges Eigengewächs, als COO fest.

Tschammler: Henning Kloos bleibt CFO. Peter Orend, der dem Management Board bisher als CFO für das Cluster Northern Europe angehört, bleibt ebenfalls. Henning Kloos wird an ihn berichten.

IZ: Und wer wird neuer Deutschland-CEO?

Grainger: Wir wollen nichts überstürzen und spielen alle Möglichkeiten durch.

IZ: Wer folgt auf HR-Chefin Izabela Danner?

Grainger: Auch da läuft die Suche noch.

IZ: War der Umbau der Führungsebene von langer Hand geplant?

Grainger: Ja.

"Wir arbeiten daran, die Friktionen zu glätten"

IZ: Lassen Sie uns über die Gründe für den personellen Aderlass sprechen. Nummer eins: Ende 2018 wurden das Jobtitelsystem weltweit vereinheitlicht. Bestehende Besonderheiten z.B. in Deutschland waren schlagartig passé.

Grainger: Wir wollten die Mobilität unserer 90.000 Mitarbeiter weltweit zwischen Regionen und Geschäftsbereichen erhöhen, und wir wollten die Transparenz gegenüber unseren Mitarbeitern in der Frage erhöhen, wie sie die Karriereleiter hinaufsteigen können. Zugegeben, für Menschen, die schon lange für uns arbeiten, war das ein großer Schritt. In einigen Ländern sorgten die Veränderungen bei den Jobtiteln für mehr Spannungen als in anderen. Letztes Jahr war ziemlich disruptiv. Wir arbeiten noch daran, diese Friktionen zu glätten. Am Ende zählt folgendes: Unsere Mitarbeiter, unsere Kunden und unsere Anteilseigner wollen ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell.

IZ: In Deutschland scheinen die Friktionen besonders heftig ausgefallen zu sein.

Tschammler: In Deutschland hatten wir teilweise andere Titel als in anderen Ländern. Diese alten Titel wurden nun in die neuen, einheitlichen Titel übersetzt. Alle ehemaligen Principals z.B. tragen jetzt den Titel Director und sind damit sehr glücklich. Andere, die diesen Titel schon vorher hatten, sind weniger happy: Sie beklagen, dass es jetzt mehr Direktoren gibt. Das ist eine Frage der Perspektive.

IZ: Die Führungskräfte haben jetzt bei Beförderungen weniger zu sagen als vorher.

Tschammler: Vorher konnten die Führungskräfte Kandidaten für eine Beförderung vorschlagen. Diese mussten sich dann in einem Bewerbungsverfahren vor ihrem Vorgesetzten und anderen Führungskräften beweisen. Was sich geändert hat, ist, dass eine Beförderung nicht mehr vom Erfolg in einer solchen Bewerbungssituation abhängig ist. Das neue System ist weniger willkürlich.

IZ: Ein weiterer Grund für die vielen Abgänge ist der Umbau des Provisionssystems.

Tschammler: Zunächst haben wir die Boni zum Teil an andere Faktoren als den reinen Umsatz gekoppelt, etwa das Verhalten gegenüber Kollegen und Kunden, die Kundenzufriedenheit und Teamwork, Werteorientierung, Datenqualität oder Nachhaltigkeitsziele. Früher wusste ein Makler genau, wie viel Bonus er bekommt, wenn er einen bestimmten Umsatz macht. Das haben wir geändert. Es war eine Entscheidung der deutschen Führungsmannschaft, zu der ich nach wie vor stehe. In anderen Maklerhäusern geht es nur um Umsatz.

IZ: Aus fixen, garantierten Prozentbeträgen wurde jedenfalls auf diese Weise eine Kann-Regelung mit einem gewissen Ermessensspielraum.

Tschammler: Wir haben diese Veränderung auch bei den Führungskräften vorgenommen, bis zu mir als CEO. Denn wir wollten auch ihr Verhalten ändern, nicht nur das der Makler.

IZ: Haben Sie das denn nicht kommuniziert? Manch einer fühlte sich überrumpelt.

Tschammler: Selbstverständlich haben wir dies bei der ursprünglichen, vor mehreren Jahren durchgeführten Einführung des Ermessensmodells kommuniziert. Tatsächlich kenne ich einen Einzelfall, wo jemand den neuen Vertrag anscheinend unterschrieben hat, ohne ihn sich genau anzugucken - und ein Jahr später kam er zu mir und wollte wissen, wo die Veränderung herkommt.

IZ: Stichwort Datenqualität: Maklern machen ausgedehnte Reportingpflichten zu schaffen.

Tschammler: Daten sind die entscheidende Währung unserer Zeit.

"Natürlich brauchen wir Rainmaker"

IZ: Der Markt fragt sich, wie es bei JLL weitergeht. Jemand, mit dem ich für die Titelstory sprach, hat mich überspitzt gefragt: "Braucht JLL keine Rainmaker, sondern setzt lieber auf eine Armee der Namenlosen?"

Grainger: Natürlich brauchen wir Rainmaker. Wir sind sehr glücklich, solche Leute in unseren Reihen zu wissen. Wir wollen mehr von der Sorte.

IZ: Setzt JLL strategisch auf jüngere Leute? Am Markt wird kräftig spekuliert, ob JLL vielleicht sogar davon profitiert, wenn teure Top-Kräfte zur Konkurrenz abwandern und bei Ihnen jüngere Kräfte nachrücken, die nicht so teuer sind. Wenn sich der Markt eintrübt, schlagen bei der Konkurrenz die hohen Personalkosten durch ...

Grainger: Nein, wir tauschen erfahrene Kräfte definitiv nicht systematisch durch Jüngere aus.

"Wir sind stolz auf interne Nachfolger"

Tschammler: Bei der Besetzung einer Position bevorzugen wir nur bei gleicher Eignung Nachwuchskräfte. Es gibt keine Strategie, die besagen würde: Wenn wir die Möglichkeit haben, nehmen wir lieber interne Nachwuchskräfte, um den Senioritätsgrad im Unternehmen herunterzufahren. Wir sind stolz darauf, sehr häufig auf prädestinierte interne Nachfolger zurückgreifen zu können.

IZ: In letzter Zeit haben Sie die Lücken, die die Abgänge von Führungskräften gerissen haben, auffallend häufig mit Eigengewächsen geschlossen.

Grainger: Unsere eigenen Leute sollen sich bei uns entwickeln und Karriere machen. Wir haben dieses Jahr aber auch viele neue Leute eingestellt. Und nächstes Jahr werden Sie viele weitere Neueinstellungen bei uns sehen.

IZ: JLL hat keine Probleme, Topleute von außerhalb anzuheuern?

Grainger: (lacht und zeigt auf das Cover der IZ-Ausgabe mit der JLL-Titelstory) Das hier hilft uns nicht gerade … Wir haben sehr viel investiert, in neue Geschäftsfelder, in neue Technologie. Diese Investitionen versetzen uns in die Lage, eine Wachstumsstrategie in Deutschland zu fahren. Und um diese Strategie umzusetzen, werden wir frische Kräfte benötigen. Die Weichen haben wir schon mit der neuen Führungsstruktur gestellt. Machen Sie sich darauf gefasst!

IZ: JLL gilt unter Studenten mit Immobilienbezug in Deutschland seit Jahren als Toparbeitgeber. Was macht Sie sicher, dass dieses Image erhalten bleibt?

Grainger: Es wäre arrogant, das zu behaupten. Natürlich wollen wir ein attraktives Umfeld für junge Leute schaffen. Das ist eine Daueraufgabe.

IZ: Auch die strategische Ausrichtung von JLL sorgt für Gesprächsstoff. Global hat JLL unter der Führung von Christian Ulbrich den Schwerpunkt vom dealgetriebenen Maklergeschäft auf das vertragsgebundene Corporate-Dienstleistungsgeschäft verlagert. In Deutschland erzielte JLL im Jahr 2018 mehr als 50% des Umsatzes in Höhe von 226 Mio. Euro mit Dienstleistungen außerhalb des klassischen Maklergeschäfts.

Tschammler: Ja, unsere Wunschvorstellung ist, eine Balance - mehr oder weniger fifty-fifty - aus transaktionsgetriebenem und nicht-transaktionsgetriebenem Geschäft zu haben. Denn wenn die Investmentvolumina und damit auch unsere Umsätze sinken, können wir uns auf unsere Defensive mit wiederkehrenden Einnahmen verlassen.

IZ: Die Bedeutung des Transaktionsgeschäfts schrumpft in Deutschland nicht zugunsten nicht-transaktionsgetriebener Services?

Grainger: Nein. Im asiatisch-pazifischen Raum, z.B. in China, ist der Consultancy-Bereich deutlich größer als das Maklergeschäft. Aber hier in Europa wird das Transaktionsgeschäft weiterhin eine große Rolle spielen, vielleicht die größte, ganz besonders in Deutschland. Wenn die Wahrnehmung eine andere ist, ist diese Wahrnehmung falsch. Wir stärken alle Bereiche: Corporate Solutions, das Transaktionsgeschäft mit sämtlichen Finanzdienstleistungen und die Tech- und Digitallösungen.

IZ: Den Corporate-Bereich bauen Sie nach dem Verlust des Deutsche-Bank-Mandats um.

Grainger: Wir passen unser Dienstleistungsangebot besser an die Bedürfnisse der Kunden an. Hier in Deutschland spielt das Corporate- und Occupier-Business bislang keine große Rolle. Die Outsourcing-Kultur bei deutschen Unternehmen ist nicht so ausgeprägt.

IZ: Die Deutsche Bank ist ein Gegenbeispiel ...

Grainger: Wir leben eben in einer wettbewerbsorientierten Welt. Der Pitch war hart, und CBRE hat ihn gewonnen. Wir haben CBRE dieses Jahr aber auch ein Mandat abgejagt, von der Barclays-Bank, mit Schwerpunkt auf UK.

IZ: Herr Tschammler, Sie hören offiziell Ende März 2020 auf. Was haben Sie vor?

Tschammler: In einer vergleichbaren Position bei einem Wettbewerber werden Sie mich nicht wiedersehen. Es gibt keinen Grund, zum Wettbewerb zu gehen: Ich habe den Job, den ich immer wollte. Zu kündigen, war keine Entscheidung gegen JLL, sondern eine Entscheidung für ein neues Leben. Während meines Garden Leave werde ich mit meiner Frau fünfeinhalb Monate auf Weltreise gehen. Beruflich will ich mehr unternehmerisch tätig werden und in einen anderen Bereich der Immobilienbranche eintauchen.

IZ: Danke für das Gespräch, meine Herren!

Die Fragen stellte Harald Thomeczek.

Harald Thomeczek

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ESG-Berater Westbridge Advisory verleiht seine Mitarbeitenden

Ein Jobwechsel auf Zeit bietet Mitarbeitern neue Einblicke.

Ein Jobwechsel auf Zeit bietet Mitarbeitern neue Einblicke.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Thurstan Hinrichsen/peopleimages.com

Karriere 23.02.2023
Personal für einen begrenzten Zeitraum in ein anderes Unternehmens zu entsenden, ist in einigen Branchen gang und gäbe. Von diesem Prinzip, dem sogenannten "Secondment", können auch Unternehmen ... 

Personal für einen begrenzten Zeitraum in ein anderes Unternehmens zu entsenden, ist in einigen Branchen gang und gäbe. Von diesem Prinzip, dem sogenannten "Secondment", können auch Unternehmen in der Immobilienwirtschaft profitieren. Denn zum einen entlastet es vorübergehend die eigene Payroll und zum anderen können Mitarbeiter sich neues Wissen aneignen.

Wer einen Tapetenwechsel braucht, muss nicht gleich seinen Job kündigen: Mitarbeitende können beispielsweise für eine Zeit ins Ausland wechseln oder sich bei einer anderen Organisation neue Kompetenzen aneignen. Bei Großkanzleien ist diese Secondment genannte Praxis bereits erprobt: Sie schicken ihre Anwälte zu wichtigen Kunden, wenn diese Personal benötigen, oder sie versetzen ihre Associates ins Ausland, wo sie sich in einem internationalen Umfeld fortbilden. Auch in der Immobilienwirtschaft ist Secondment inzwischen angekommen.

Vor allem für Projektentwickler ist es angesichts der schwankenden Auftragslage aktuell eine Herausforderung, ihr Personal voll auszulasten. Statt Stellen abzubauen und geschätzte Mitarbeitende zu verlieren, könnten sie einige Fachkräfte "verleihen" und sie nach einer gewissen Zeit zurückzukommen. Das entlastet die eigene Payroll und sichert trotzdem einen Arbeitsplatz. Wenn sich die wirtschaftliche Situation wieder stabilisiert hat, kehrt der Arbeitnehmer bestenfalls mit zusätzlichem Know-how, größerem Erfahrungsschatz und ausgebauten Fähigkeiten zurück. Expertenwissen lässt sich vergleichsweise einfach "handeln": Transaktions- und Investmentmanager könnten beispielsweise in ein Sachverständigenbüro gehen. Property-Manager wären in der Lage, bei einem Nachhaltigkeitsberater anfangen.

Secondment fördert die Personalentwicklung

"Secondment ist kein vorübergehendes Loswerden von Mitarbeitern", sagt Yama Mahasher, Geschäftsführer des ESG-Beratungshauses Westbridge Advisory und ehemaliger Chief Operating Officer von JLL. "Es ist vielmehr ein wichtiger Bestandteil der Personalentwicklungsstrategie. Mitarbeiter wollen gestalten und auch mal etwas Neues kennenlernen." Seit Anfang Januar hat er zwei seiner Mitarbeitenden an das Digital-Start-up Quantrefy ausgeliehen, an dem Westbridge mit 50% beteiligt ist. Quantrefy hat eine ESG-Plattform für die Immobilienbranche entwickelt, die eine Echtzeitberechnung von Nachhaltigkeits-Scorings ermöglicht. Die beiden Westbridge-Mitarbeitenden sollen dort bis zum Ende des Sommers die Bereiche Operations und Finance kennenlernen.

Nach acht Monaten kehren sie wieder zu Westbridge zurück. "Wir leihen unsere Mitarbeiter für mindestens sechs Monate aus", sagt Mahasher. Bei einem kürzeren Zeitraum würde sich deren Außeneinsatz kaum lohnen, denn allein das Onboarding dauert mehrere Wochen. Falls der Einsatz länger dauern soll, ist Mahasher gesprächsbereit: "Mehr als zwei Jahre sollten es aber nicht sein." Wichtig ist, dass die ausgeliehenen Mitarbeitenden wissen, wo sie hingehören. "Je länger die Mitarbeiter weg sind, desto schwieriger ist es, regelmäßig Kontakt zu halten. Natürlich ist die Gefahr da, dass Entsandte nicht zurückkommen. Aber da bin ich relativ entspannt", sagt Mahasher. "Selbst wenn wir dadurch einen wichtigen Mitarbeiter verlieren, gewinnen wir allein durch das Angebot von Secondment womöglich neue Talente dazu." Denn Westbridge möchte nicht nur verleihen, sondern auch Mitarbeitende anderer Unternehmen bei sich begrüßen. "So können wir zu einem gewissen Teil in speziellen Jobprofilen Vakanzen reduzieren und gleichzeitig Asset-Manager im Bereich Nachhaltigkeit ausbilden", sagt Mahasher.

Das Unternehmen wächst stark – allein von September bis Dezember 2022 ist das Team von 100 auf 150 Mitarbeitende ausgebaut worden. Und in den ersten sechs Wochen dieses Jahres sind noch einmal 20 Leute hinzugekommen. Im laufenden Jahr möchte Mahasher weitere 60 bis 100 Stellen schaffen. "Vor allem Senior-Positionen sind schwer zu besetzen, hier ist Secondment für uns besonders attraktiv", sagt er. Sein nächster Schritt ist es, Partner und Kunden zu identifizieren, die sich dafür eignen könnten.

Vertraglich ist Secondment eine klassische befristete Arbeitnehmerüberlassung. Ist diese nicht konzernintern, muss vor der Umsetzung eine Erlaubnis durch die zuständige Agentur für Arbeit eingeholt werden. Auch zwischen den Unternehmen gilt es, einige Punkte klar vertraglich zu regeln: Manche Arbeitgeber teilen sich die Personalkosten, andere zahlen das Gehalt komplett plus eine Prämie an den alten Arbeitgeber. Mahasher erwartet, dass die neue Firma Zusatzkosten übernimmt – beispielsweise für Fahrt- oder Wohnkosten bei einem Standortwechsel. Er entsendet nur Mitarbeitende, die er schon lange kennt. Und: Sie müssen es auch wollen. "Unsere beiden Entsendeten waren im ersten Moment überrascht, weil sie von Secondment noch nie gehört hatten", sagt Mahasher. Als er ihnen das Prinzip erklärte, waren sie begeistert: "Sie hatten total Lust darauf, sich mit neuen Bereichen auseinanderzusetzen, ein neues Skillset aufzubauen und ein Digitalunternehmen kennenzulernen." Inzwischen plant er schon die zweite Überlassung.

Die Autorin: Anna Friedrich ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Anna Friedrich

Energieberatung? Darf doch jeder.

Der Titel Energieberater verrät nichts über den Beruf und die Qualifikation.

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Karriere 03.11.2022
Über den Energieverbrauch von Gebäuden diskutiert die Immobilienbranche seit Jahren. Wegen der steigenden Kosten spricht jetzt die ganze Nation vom Energiesparen zuhause und im Büro. ... 

Über den Energieverbrauch von Gebäuden diskutiert die Immobilienbranche seit Jahren. Wegen der steigenden Kosten spricht jetzt die ganze Nation vom Energiesparen zuhause und im Büro. Doch es ist schwierig, die passende Unterstützung zu finden. Die Bezeichnung Energieberater ist nicht geschützt, von den qualifizierten gibt es zu wenige und die Unterschiede in den Kompetenzen können eine Förderung vereiteln.

Es wird kalt in Deutschland und jedes Grad mehr, das in den Wohnstuben für Behaglichkeit sorgen soll, muss teuer erkauft werden. Die steigenden Gas- und Energiekosten haben die Energieeffizienz des Wohnbestands im vergangenen halben Jahr stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt als alle Debatten über Klimawandel und ESG zuvor. Aus dem Appell zum Energiesparen wird eine wirtschaftliche Notwendigkeit. In einer Studie der DLE Land Development gab im Spätsommer jeder Dritte von mehr als 1.000 Befragten an, sich schon mit einzelnen Sanierungsmaßnahmen beschäftigt zu haben. Neben dem Umweltschutz spielen die Nebenkosten eine große Rolle bei denen, die sich jetzt für Modernisierungen interessieren. "Große Vermieter wie Wohnungsgesellschaften wollen ihre Wohnungen energetisch sanieren, um werterhaltend Sanierungsstau zu beseitigen, ESG-Kriterien zu erfüllen und langfristig durch niedrigere Nebenkosten stärker von den Kaltmieten profitieren zu können", sagt Gisela Renner, die seit 25 Jahren als Energieberaterin Eigentümer berät und ganze Konzepte für langfristige Einsparungen erstellt. "Selbstnutzer in Ein- oder Zweifamilienhäusern geht es hingegen vornehmlich um monatliche Einsparungen für Heizkosten – gerade jetzt, wo Gas knapp wird und Energiekosten steigen", sagt sie.

Die Nachfrage steigt mit den Energiepreisen

Glücklich können sich also all jene schätzen, die ihre Immobilien schon fit gemacht haben für die Energiewende. Für den willigen Rest gilt: Die Fachleute, die helfen können, sind rar – und nicht so einfach zu identifizieren.

In der DLE-Umfrage äußerten 70% der Befragten den Wunsch nach einer individuellen Beratung, bevor sie Maßnahmen auf gut Glück ergreifen. Für mehr als jeden zweiten geht es dabei vor allem um Informationen zu möglichen Fördermitteln, die einen Umbau für Privateigentümer günstiger oder überhaupt erst bezahlbar machen.

"Das Kernproblem bei der Suche nach einem passenden Energieberater liegt darin, dass es sich nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung handelt – und sich deshalb prinzipiell jeder so nennen und als solcher tätig werden kann", warnt Luca Danillo Arenz, Geschäftsführer des Mainzer Ingenieurbüros für Bauphysik ARCenergie. Daraus ergibt sich ein wahrer Wust unterschiedlich qualifizierter Personen mit mal mehr, mal weniger Sachverstand, die sich Energieberater nennen.

Eine Orientierung ist schwierig – aber möglich. Es helfen Suchmaschinen von Portalen wie energieberatung-wohngebaeude.de, Baupal, von der Verbraucherzentrale und von Branchenverbänden. Deren Bezeichnungen lauten Gebäudeenergieberater im Handwerk (HWK) oder Energieeffizienz-Experten. Wenn diese für ihre Kunden Fördermittel beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) beantragen dürfen, findet sich in deren Titel ein Hinweis auf die Bafa.

Um diesen tragen zu dürfen, muss eine Fortbildung zum Berater absolviert werden. Zu dieser wird nur zugelassen, wer einen Meisterbrief eines baurelevanten Handwerks oder ein abgeschlossenes Studium in Architektur, Hochbau, technischer Gebäudeausrüstung, Bauphysik, Elektrotechnik oder ähnliches vorweisen kann. Mit der dann möglichen Registrierung beim Bafa als Berater, können sie dort Fördermittel für Sanierungen beantragen. Wie viele Berater bundesweit auf die Fördermittel zugreifen können, gibt das Bafa nicht preis.

Für eine schnelle Beratung gibt es jedoch zu wenige Experten auf der Liste. "Bis zu drei Monate Wartezeit auf einen Termin für die Erstellung eines individuellen Sanierungsfahrplans sind keine Seltenheit", sagt Julian Schwark. Schwark ist Leiter des Ressorts Energie beim Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnung (ZIV). Nach seinen Zählungen bieten fast 11.000 seiner Kollegen bundesweit diese und ähnliche Leistungen an – zusätzlich zu ihrem eigentlichen Geschäft. "Seit rund zehn Jahren lassen sich die Meister in unserer Branche fast standardmäßig zu Gebäudeenergieberatern im Handwerk fortbilden. Unser Berufsbild hat sich dadurch verbreitert", sagt Schwark. Vor allem für Einzelmaßnahmen wie einen Heizungstausch holen sich seine Kunden oft direkt beim Schornsteinfeger Rat, wenn er zu einem Routinetermin ohnehin im Haus ist. Sie setzen dabei nicht nur auf die Beratung, sondern haben auch die Fördermittel im Blick, die z.B. im Falle eines Heizungstauschs bis zu 45% der Kosten ausmachen können.

Energiefachleute aller Art können sich nicht über eine zu geringe Auftragslage beschweren. Für die Erstellung des individuellen Sanierungsfahrplans mit Vorortbesuch und ersten Berechnungen veranschlagen die meisten von ihnen etwa zwei Arbeitstage. Mit durchschnittlich 120 bis 160 Euro Stundensatz lassen sie sich diese gut bezahlen. Das Bafa hat die Arbeit der Energieberater, die bei ihm registriert sind, im Jahr 2021 mehr als 32.000 Mal bezuschusst – und die Tendenz steigt: 2022 gab es bis Mitte Oktober schon mehr als 57.500 Mal Fördergeld. Je nach Größe des Wohngebäudes können das bis zu 1.700 Euro pro Auftrag sein.

Einen festen Preiskatalog für die Energieberater gibt es nicht. Die Verbraucherzentrale rät, dass die Fördersumme bei etwa 80% der Kosten liegen sollte. Bei der Wahl des Beistands sei trotz Bafa-Qualifizierung Vorsicht geboten, warnt ARCenergie-Chef Arenz. "Wird die Beratung zu günstig angeboten, ist das ein Hinweis darauf, dass sich der Berater nicht genug Zeit nimmt, um mehrere Möglichkeiten miteinander zu vergleichen und Alternativen mit einzuplanen, falls sich Fördergelder zwischen den einzelnen Sanierungsschritten ändern." So könnte die Rechnung schnell höher ausfallen als nötig und sich nach Abschluss der Sanierung nicht immer das bestmögliche Ergebnis einstellen.

Arenz fürchtet, dass mit der gestiegenen Nachfrage in den letzten Jahren ein Preiskampf entstanden ist, der manche dazu veranlasst, die Beratungen mit möglichst wenig Zeitaufwand zu erledigen. Auch unterscheiden sich, so Arenz, die Kenntnisse der Berater stark. Je nach dem, mit welcher Grundqualifikation sie in die Fortbildung gestartet sind und welche Weiterbildungen sie seitdem belegt haben. Doch eine zweite Meinung kann ins Geld gehen, denn wenn der Besitzer nicht wechselt, bezuschusst das Bafa den Fahrplan pro Immobilie nur alle vier Jahre.

Die endgültige Grenze für Bafa-Berater ist erreicht, wenn es um Fördermittel geht, die nicht das Amt, sondern die bundeseigene Förderbank KfW zur Verfügung stellt. Die zinsgünstigen Kredite mit niedriger Tilgungsrate, die für den Bau, Kauf oder Umbau zum Effizienzhaus genutzt werden können, darf seit 2014 nämlich nur beantragen, wer einen Eintrag auf der Energieeffizienz-Experten-Liste der Deutschen Energie-Agentur (Dena) vorweisen kann.

Diese Liste zählte in den vergangenen Jahren konstant um die 13.000 Einträge – bundesweit, wie ein Sprecher der Dena bestätigt. Dem stehen knapp 20 Mio. Wohngebäude in Deutschland gegenüber. "Grundsätzlich beobachten wir, dass die Experten sehr lange bei uns bleiben", sagt er. Doch eine Eintragung, die mit einer Aufnahmegebühr von 100 Euro und jährlichen Beiträgen von 120 bis 170 Euro verbunden ist, gilt anders als der unbefristete Bafa-Eintrag vorerst nur für drei Jahre. Für eine Verlängerung müssen Fortbildungen und Referenzprojekte nachgewiesen werden, und zwar für jede der möglichen Eintragungskategorien.

Sowohl die Dena-Liste als auch die Bafa-Liste unterscheiden zwischen Experten für Wohngebäude, Nichtwohngebäude und Immobilien mit besonders schützenswerter Bausubstanz. Von 43 Dena-gelisteten Energieberatern für Wohngebäude in Frankfurt, können zum Beispiel nur 17 Bundesförderungen für denkmalgeschützte Wohnungen beantragen. Das drücken diese zumeist über das Kürzel WTA aus, das auf eine Zusatzqualifikation durch die Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege hinweist.

Per Auftrag den Platz auf der Liste sichern

Energieberaterin Renner beobachtet als Leiterin des Arbeitskreises Berufsbild beim Verband Gebäudeenergieberater Ingenieure Handwerker (GIH), dass immer mehr Dena-qualifizierte Berater der Tätigkeit in Vollzeit nachgehen, um die Nachfrage zu stillen und den Umfang an Weiterbildungen zu meistern. Aktuelle Fachthemen seien z.B. der Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden und Nachhaltigkeit von Baustoffen und Anlagentechnik. Hinzu kommt laut Renner die sich ständig veränderte Förderlandschaft, die im Blick zu halten ist. "Weil die drei Jahre auf der Liste schnell vorbei sind, kann die Auswahl der Aufträge bei manchen zur Strategie werden, um rechtzeitig passende Projekte nachweisen zu können", sagt Renner. Sie weiß: "Verzögerungen durch Lieferengpässe oder geplatzte Finanzierungen können dazu führen, dass ein Berater schnell ohne passendes Projekt dasteht." Mit anderen Worten: Mancher Auftrag wird nicht angenommen, weil er dem Energieberater nicht nutzt.

Branchenkenner und Verbandsmitglieder schätzen, dass nur die Hälfte der Dena-gelisteten Experten gar nicht aktiv ist. Entweder, weil sie die Tätigkeit seit der letzten Eintragung aufgegeben haben, weil sie aus Kosten- oder Zeitgründen nur ausgewählte Leistungen anbieten oder den Titel nur als "Aufwertung für den eigenen Lebenslauf" beantragt haben. Für die meisten Handwerker lohnt sich die Dena-Listung nicht, sagt ZIV-Mann Schwark. So sind zum Beispiel viele Schornsteinfeger mit den Beratungen zu Bafa-Fördermitteln und dem Ausstellen von Energieausweisen, die seit der Novelle der Energiesparverordnung (EnEV) seit Mai 2014 Pflicht beim Verkauf und der Vermietung von Immobilien sind, als Energieberater ohnehin stark ausgebucht.

Renner sieht die Listen zwar als geeignetes erstes Mittel um einen qualifizierten und seriösen Berater zu erkennen, wünscht sich langfristig aber mehr Sicherheit "sowohl für die Berater als auch für ihre Kunden". Ihr Verband mit rund 3.000 Mitgliedern bundesweit setzt sich deshalb für eine standardisierte Berufsausbildung ein. Sie soll die Qualifikationen und Fördermöglichkeiten vereinheitlichen und dadurch auf Beraterseite Bürokratie abbauen und mehr Transparenz auf Kundenseite schaffen. "Nicht zuletzt könnte die Tätigkeit eine klare Aufwertung erfahren, wodurch sich mehr junge Leute für den Beruf in Vollzeit interessieren würden und der Nachwuchs gesichert wäre", argumentiert Renner weiter und verweist auf eine Branchenumfrage, in der rund 20% der befragten Energieberater deutschlandweit angaben, dass sie sich mit mehr als 60 Jahren auf die Rente zubewegen.

Fördermittel gibt es nicht bei jedem Berater

Die Bundesstelle für Energieeffizienz (BfEE) setzt auf eine andere Methode, um schnell die Zahl der verfügbaren Berater nach oben zu treiben. In Koordination mit dem Bafa entstand 2020 die "Qualifikationsprüfung Quereinsteiger Energieberatung". Sie soll einen alternativen Zugang zur Tätigkeit – und somit eine weitere Möglichkeit sich auf die Liste eintragen zu lassen – für diejenigen darstellen, die weder Meistertitel noch Studienabschluss vorweisen können. Mit drei Jahren Berufserfahrung im baurelevanten Umfeld können sie nach 200 Unterrichtseinheiten Fortbildung eine Prüfung beim Bafa ablegen. Anschließend dürfen sie als Energieberater Fördermittel für Einzelmaßnahmen wie Heizungstausch, Fenster und Türen, Wärmedämmung und Lüftungen für ihre Kunden beantragen.

Dass zunächst eine Prüfung bestanden werden muss, schätzen die Verbände mit Blick auf die Qualitätssicherung. Weil die Schornsteinfeger ihre Gesellen seit einigen Jahren auf die Methoden und erforderlichen Kenntnisse in der Energieberatung vorbereiten, sehen viele Meister die Quereinsteigerlösung als Möglichkeit, Beratungsleistungen zukünftig durch eigene bestehende Mitarbeiter aufstocken zu können. Denn laut Branchenumfragen arbeiten bisher mehr als 75% der Energieberater selbstständig. Sie schließen sich immer häufiger zu spezialisierten Büros zusammen und die Handwerksbetriebe haben es schwer bei der Suche nach Bewerbern.

Das bestätigen der technische Gebäudeausstatter Caverion und ESG-Dienstleister Westbridge Argentus. "Der Bedarf an Energieberatern ist sehr groß – Tendenz steigend. Das Angebot an Arbeitskräften in diesem Bereich ist aufgrund wenig ausgebildeter Kandidaten jedoch leider überschaubar", sagt Yama Mahasher, Geschäftsführer von Westbridge Argentus. Von den neun Energieberatern seines Unternehmens ist nur einer bei der Dena gelistet. Ähnlich sehen die Zahlen bei Arenz’ Firma ARCenergie aus. Er bildet seine Energieberater über ein Traineeprogramm inzwischen selbst aus.

Janina Stadel

Future of Real Estate

Karriere 19.05.2022