Karriere-News

Ein Tag mit: Jörg Kotzenbauer

Quelle aller Fotos: Immobilien Zeitung, Urheberin: Janina Stadel

Karriere 12.01.2023
Um den Alltag der Branchenakteure kennen zu lernen, begleitet sie die Immobilien Zeitung einen Tag lang bei der Arbeit. Zum Start der Serie haben wir Jörg Kotzenbauer am Stammsitz der ... 

Um den Alltag der Branchenakteure kennen zu lernen, begleitet sie die Immobilien Zeitung einen Tag lang bei der Arbeit. Zum Start der Serie haben wir Jörg Kotzenbauer am Stammsitz der Zentral Boden Immobilien Gruppe (ZBI) im fränkischen Erlangen besucht und ihm acht Stunden lang bei Meetings, einem Vortrag vor Führungskräften und bei der Mittagspause mit Kollegen über die Schulter geschaut.

Montagmorgens um kurz nach acht füllen sich langsam die Flure der ZBI-Zentrale in der Erlanger Innenstadt. Während sich im Eingangsbereich die ankommenden Mitarbeiter begrüßen und in die Kaffeeküche oder ihre Büros verschwinden, brennt im vierten Stock in Jörg Kotzenbauers Büro schon seit einer halben Stunde das Licht. "Ich bin heute schon etwas früher losgefahren", erklärt der CEO mit Blick auf seinen Fahrradhelm, den er neben einem Sportrucksack auf der Fensterbank hinter seinem Schreibtisch geparkt hat. "Unsere IT wurde übers Wochenende umgestellt. Ich wollte sehen, ob alles läuft, bevor die Kollegen mit der Arbeit starten." Das Thema falle zwar eigentlich nicht in seine Verantwortung, doch weil er für das Personal zuständig ist, sieht er in allen Alltagsgegebenheiten Schnittstellen zu seinen Aufgaben. "Wenn Telefone und E-Mailaccounts nicht reibungslos laufen, kostet das Zeit und Nerven. Das kann unzufrieden machen", sagt er in Bezug auf die rund 180 Mitarbeiter am Standort in Franken.

Kotzenbauer selbst hat sich für einen möglichen IT-Ausfall einen Plan B überlegt. Beim Wochenstart zu spät zu seinem Meeting zu kommen, wollte er vermeiden: Als er gegen halb zehn den Bereichsleiter für Unternehmensentwicklung, Thomas Niethe, durch die verglaste Bürowand ankommen sieht, holt er ein iPad von seinem Schreibtisch und baut es für die anstehende hybride Sitzung mit einer externen Beraterin aus Frankfurt auf seinem Konferenztisch auf. Während der Begrüßung nimmt sich Kotzenbauer eins der Gläser, die zusammen mit vier Wasserkaraffen auf dem Tisch bereit stehen. Er schenkt einen großen Schluck ein, platziert das Glas vor sich auf einem Filzuntersetzer und bietet mit fragendem Blick Niethe ein Getränk an. Der hat inzwischen neben ihm Platz genommen und steckt schon mitten in dem Austausch. Im Schnelldurchlauf halten die Beteiligten in persona und auf dem iPad den aktuellen Stand des Großprojekts Fast Forward fest.

Dieses besteht aus mehreren Maßnahmen, die neue Standards für das Unternehmen und neue Aufgaben für die Teams bringen – und zwar über alle Bereiche hinweg in einem angedachten Zeitraum von nur zwei Jahren. Während Niethe spricht, liegen Kotzenbauers Hände auf der Tischplatte. Um Blickkontakt zu halten, dreht er den Oberkörper im Wechsel zu seinem Kollegen und dem iPad. Er hört zu, verfolgt jedes Wort – so konzentriert, dass er erst beim dritten Blitz bemerkt, dass vor dem Fenster ein Gewitter aufgezogen ist. Beim Donnergrummeln zuckt er kurz zusammen, greift nach seinem Glas, trinkt einen Schluck und meldet sich im Meeting zu Wort. Seine Finger tanzen jetzt über die Tischplatte und scheinen seine Sätze durch Bewegungen zu unterstreichen. Er spricht ein Thema an, das ihn kurz vor dem Monatswechsel beschäftigt. "Ich bin ein bisschen aufgeregt, weil die nächste Mitarbeiterversammlung ansteht", beichtet Kotzenbauer.

Die Online-Treffen für alle 860 Mitarbeiter deutschlandweit zählen zu den Maßnahmen, die Kotzenbauer schon kurz nach Antritt seines Chefpostens 2019 eingeführt hat. "Weil beim letzten Mal die Fragerunde ausgefallen ist, rechne ich jetzt mit Gesprächsbedarf zum Thema Inflation. Die aktuelle Geschäftslage will ich so erklären, dass jeder Mitarbeiter sie versteht", sagt er. Durch diese Transparenz will der CEO erreichen, dass New Work Einzug in den Unternehmensalltag erhält. Die Grundlage dafür definiert er als "Mitarbeitermotivation von innen heraus". Vertrauen in den Arbeitgeber und Spaß an der Arbeit sollen die ZBI schnell voranbringen.

Die Besprechung mit Niethe und der Beraterin endet mit einer Verabredung zum Mittagessen. Niethe zieht einige Notizzettel aus der Innentasche seines Jackets und kündigt an: "Ich hab da für heut‘ Mittag noch ein paar Themen." Dass die beiden ihre gemeinsamen Jour-fixe-Termine in ein Lokal verlegen, passiert oft, denn an seinem Schreibtisch sitzt der CEO nur selten. So selten, dass es hinter dem hüfthohen Tresen neben dem Fenster nicht einmal einen Stuhl gibt. Stattdessen steht dort ein Balancetrainer.

Sitzen will Kotzenbauer im Arbeitsalltag nur bei Besprechungen, "und von denen gibt es in meiner Rolle genug", findet er. Die nächste startet als Alexandra Landmann, die bei ZBI für die Personalentwicklung zuständig ist, und Personal-Bereichsleiterin Jasmine Freiberger zur Tür hereinkommen. Kotzenbauers Augen werden groß, als er sieht, dass die beiden Kekse und Weingummis auf dem Tisch abstellen. Im Raum herrscht normalerweise freie Platzwahl, doch Kotzenbauers Glas aus dem Fast-Forward-Meeting markiert schon seinen Sitzplatz. "Wenn ihr was trinken wollt", setzt er an und steckt sich einen pinkfarbenen Gummi-Dino in den Mund, "dann bedient euch." Als Freiberger und Landmann die ersten Tagespunkte durchgehen, macht sich Kotzenbauer keine Notizen. Stattdessen umklammert er sein Glas mit beiden Händen. Er hält Blickkontakt und nickt regelmäßig, um zu signalisieren, dass er zuhört. Ins Wort fallen will er seinen Kolleginnen nicht, aber Ideen, die ihm gefallen, kommentiert er kurz mit "Das ist gut" oder "Cool". Schließlich bringt der CEO selbst ein Thema ein: eine Veranstaltungsreihe, in der Führungskräfte Leitlinien für ihre Arbeit erstellen. Durch diese Workshops will Kotzenbauer erreichen, dass sich die Führungskräfte mit ihren Vorgehensweisen "committen", wie er es ausdrückt. "Ich kann als Chef keine Unternehmenskultur aufdrücken", sagt er, "Kultur ist etwas, das langsam wächst und an dem alle beteiligt sind. Ich will deshalb dazu einladen, das gemeinsam zu gestalten."

Mit dieser Einstellung konnte er wenige Wochen zuvor Marco Knopp als Chief Administration Officer für die ZBI gewinnen. "Der Teamgedanke wurde mir schon im Vorstellungsgespräch erläutert, und auch, dass das Unternehmen bereit für Veränderungen ist", nennt Knopp die überzeugenden Argumente für seinen Jobwechsel. Er ist nicht der einzige, der erst vor kurzem ins Unternehmen kam. Nach und nach hat Kotzenbauer zusätzliche Rollen geschaffen, weil er Kompetenzen strukturieren und verteilen wollte. "Ich brauche ein Team, in dem jeder ein echter Experte auf seinem Gebiet ist." Umgekehrt sollen seine Mitarbeiter ihn und seine Pläne für die Zukunft des Unternehmens kennen. "Mir ist wichtig, dass jeder von Anfang an weiß, wer ich bin, wo ich herkomme und was ich mit der ZBI erreichen will", erklärt er. Für die Führungskräfte hat er deshalb einen Vortrag vorbereitet.

Obwohl er die Präsentation nicht zum ersten Mal hält, checkt er auf dem Weg in den Konferenzraum noch einmal alle Notizen auf den Karteikarten – "es soll nichts schiefgehen", sagt er. "Natürlich habe ich einige Rhetorik-Seminare hinter mir. Doch wenn ich über mich selbst spreche, dann will ich mich nicht verstellen", beschreibt er seine Nervosität bei diesem speziellen Thema. "Es gehört Vertrauen dazu, Dinge über sich selbst preiszugeben. Deshalb biete ich heute jedem von euch das Du an", stärkt er die Beziehung zu seinem Publikum gleich zum Einstieg.

Pünktlich um zwölf Uhr trinkt Kotzenbauer sein Glas aus, zieht sich sein Sakko über und steckt sein Handy in die Innentasche: Er macht sich auf den Weg zum verabredeten Mittagessen in einer "Suppenküche in der Fressgass‘ von Erlangen", wie er das Lokal im Studentenviertel bezeichnet. Eine Stunde hat er dafür eingeplant. Nach einem Teller Kürbissuppe braucht er Koffein. Er trägt keine Uhr, "weil mich das am Handgelenk stört". Doch der Blick aufs Handy zeigt, dass bis zum nachmittäglichen Boardmeeting noch genug Luft für einen Espresso im Café um die Ecke bleibt. Den trinkt er draußen am Stehtisch mit Niethe und zwei weiteren ZBI-Kollegen, die sie dort zufällig treffen. "Das ist ein Vorteil von Kleinstädten", findet Kotzenbauer. Einen weiteren Blick auf die Uhr braucht der CEO nicht, um zu wissen, wann der Rückweg ansteht. Und die nächste Besprechung startet wieder mit Input zu seinem wichtigsten Thema: Personal.

"Wir müssen standardisierte Mitarbeitergespräche implementieren", stellt Freiberger den neuesten Plan der HR-Abteilung in der nachmittäglichen Sitzung der Führungskräfte vor. Für die Umsetzung hat sie mit Kotzenbauer bereits einen Zeitplan erstellt. "So können wir die Gespräche vergleichbar machen und sichergehen, dass mit jedem Mitarbeiter dieselben Themen besprochen werden", erklärt Kotzenbauer das Ziel. "Außerdem sollen die Mitarbeiter in Zukunft auch Feedback zu ihren Führungskräften geben", kündigt er an. Ob dazu noch jemand Fragen hat, will er direkt wissen. Als sich niemand meldet, bleibt er hartnäckig und spricht die Teilnehmer der Runde einzeln mit Namen an, bis er sicher ist, dass jeder den Fahrplan kennt.

Weiter geht es im engen Kreis der fünfköpfigen Geschäftsführung mit dem "formalen Teil seiner Arbeit", wie Kotzenbauer das wöchentliche Boardmeeting bezeichnet. In den kommenden Stunden wechseln sich im Konferenzraum Adhoc-Fragerunden und Reportings zu Geschäftszahlen aus der Projektentwicklung, dem Facility- und dem Asset-Management ab. Von seinem Drehsessel aus verfolgt Kotzenbauer Tabellen mit Zahlen auf dem Wandbildschirm. Nach einer Stunde muss noch ein Espresso her, und auch das Wasser wird regelmäßig nachgeschenkt. Ansonsten liegen Kotzenbauers Hände ruhig auf dem Tisch neben seinem zugeklappten iPad, während sich die Kollegen um ihn herum immer wieder Notizen auf Blöcken und in Notizbüchern machen. Kotzenbauer hakt nur ein, wenn er Nachfragen hat, greift aber regelmäßig nach seinem Handy, um zu kontrollieren, dass der vorgegebene Zeitrahmen für jeden Redebeitrag eingehalten wird.

Zwar bringt er selbst nur Themen in die Runde ein, bei denen es um Ankaufszahlen und Projektentwicklungen geht, doch den Human Relations räumt er viel Zeit ein. Für ihn, der sich selbst mehr als Manager denn als Immobilienprofi sieht, ist das eine Selbstverständlichkeit. "Ich wollte immer Manager werden, weil ich Menschen mag", begründet er. Das größte Kompliment für ihn sei es, wenn Mitarbeiter von anderen Standorten oder Externe gerne tageweise nach Erlangen kommen, weil sie die Atmosphäre im Haus schätzen. Umgekehrt ist der CEO viel an anderen Standorten unterwegs. "Morgen in Frankfurt, übermorgen in Duisburg. Dort schaue ich mir Projekte an", stellt er am frühen Abend mit Blick auf den Kalender fest – und motiviert sich selbst mit einem der restlichen Weingummis. Seiner Assistentin wünscht er mit einem Winken durch die Zwischentür um halb fünf einen schönen Feierabend, als er mit Blick auf das Handydisplay bemerkt, dass sie bald gehen wird. Ihn selbst zieht es zum Tagesabschluss doch noch an den Stehtisch.

Im Laufe des Tages haben sich dort einige Papiere wie Verträge und Rechnungen angesammelt. Mit prüfendem Blick geht er die Betreffzeilen durch, bevor er die Dokumente unterschreibt und in die Ablage neben der aufgefüllten Wasserkaraffe packt. Während der Zugfahrt am nächsten Tag wäre für den Papierkram keine Zeit, da hat er sich mit einem Kollegen zum Telefonieren verabredet. "Dafür wird es heute bei mir zu spät. Dann lieber morgen früh, damit du nicht so lange im Büro auf mich warten musst", war sein Wortlaut.

Steckbrief
Name: Jörg Kotzenbauer
Alter: 42
Aktuelle Position: CEO der Zentral Boden Immobilien Gruppe (ZBI) seit September 2019
Ausbildung: Jura-Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, BWL-Studium an der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Wohnort: Erlangen
Berufswunsch als Kind: „Kaufmann im großen Stil"
Geheime Leidenschaft: Kauft Schokolade in jeder Stadt, die er besucht

Janina Stadel

Mein Highlight 2022: Energieberatung? Darf doch jeder.

Brigitte Mallmann-Bansa.

Brigitte Mallmann-Bansa.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Robin Göckes

Karriere 01.01.2023
Ich erinnere mich am liebsten an den Artikel von Janina Stadel über Energieberater. Die Idee dahinter: Wer sinnvoll energetisch sanieren und am besten auch passende Fördermittel bekommen ... 

Ich erinnere mich am liebsten an den Artikel von Janina Stadel über Energieberater. Die Idee dahinter: Wer sinnvoll energetisch sanieren und am besten auch passende Fördermittel bekommen will, braucht jemanden, der dabei berät. Schließlich kennen sich nur die wenigstens damit aus.

Völlig egal, welche Assetklasse: Ohne Hilfe und Fachwissen geht bei energetischen Themen wenig. Doch je länger die Recherche lief und je mehr Details wir ausgegraben haben, desto verwirrender wurde das Ganze. Der Artikel klamüsert das Chaos auseinander und zeigt außerdem, wo die Politik es versäumt, für Klarheit zu sorgen. Dabei wäre es doch dringend nötig, wenn die Klimaziele wenigstens annähernd erreichbar sein sollen.
Energieberatung? Darf doch jeder.
Über den Energieverbrauch von Gebäuden diskutiert die Immobilienbranche seit Jahren. Wegen der steigenden Kosten spricht jetzt die ganze Nation vom Energiesparen zuhause und im Büro. Doch es ist schwierig, die passende Unterstützung zu finden. Die Bezeichnung Energieberater ist nicht geschützt, von den qualifizierten gibt es zu wenige und die Unterschiede in den Kompetenzen können eine Förderung vereiteln.
Brigitte Mallmann-Bansa

"Frauen am Bau sind doppelt unsichtbar"

Nicole Parlow.

Nicole Parlow.

Quelle: Lothar M.Peter

Karriere 22.12.2022
Erst Profifußballerin, dann Bauingenieurin: Nicole Parlow schafft für Frauen Vorbilder, wo sich sonst vor allem Männer tummeln. Beruflich hat sich die Potsdamerin dem Bestandsumbau ... 

Erst Profifußballerin, dann Bauingenieurin: Nicole Parlow schafft für Frauen Vorbilder, wo sich sonst vor allem Männer tummeln. Beruflich hat sich die Potsdamerin dem Bestandsumbau verschrieben – die alten Pläne und Gemäuer in ihrer Einfachheit sind für sie der Inbegriff nachhaltigen Bauens.

Immobilien Zeitung: Frau Parlow, Sie haben gemeinsam mit einer Kollegin die Ausstellung Queens of structure entworfen, die Bauingenieurinnen hinter bekannten Bauwerken vorstellt. Wie kam es dazu?

Nicole Parlow: Eine Kollegin und ich waren in einer Ingenieursausstellung in Salzburg, in der 95% Männer und ihre Werke gezeigt wurden und ungefähr zwei Frauen. Das geht nicht. Frauen sind im Ingenieurwesen doppelt unsichtbar, denn der Beruf steht in der Öffentlichkeit ohnehin immer hinter den Architektinnen und Architekten. Mies van der Rohe und Hans Scharoun kennt jeder, aber im Ingenieurwesen sieht es mit prominenten Namen mau aus. Das führt unter anderem dazu, dass weniger Leute Bauingenieurwesen studieren wollen als Architektur.

IZ: Wie erklären Sie einer Studieninteressentin kurz und einfach, was eine Bauingenieurin macht?

Parlow: Eine Bauingenieurin sorgt dafür, dass ein Gebäude stehen bleibt und dass es funktioniert. Wir setzen theoretische Gedanken in die Praxis um: Nur dank der Ingenieurtechnik kann die schöne Optik eines Gebäudes wirken.

IZ: Wie kam es dann zu der Ausstellung?

Parlow: Als ich in Vereine wie den Architekten- und Ingenieurverein (AIV) zu Berlin-Brandenburg eingetreten bin, bin ich fast nur auf Männer gestoßen. Ich fand das irgendwie komisch. Um etwas ändern zu können, bin ich in den Vorstand gegangen und war dort die jüngste Frau. Dabei respektiere ich die erfahrenen Herren absolut, ich kann viel von ihnen lernen. Andersherum muss man an die denken, die nachkommen: Wie kann eine junge Frau zum Beispiel dazu gebracht werden, in eine Vorstandssituation reinzugehen, um ihre Themen zu besprechen, wenn es dort keine jungen Frauen gibt? Dann kam die Möglichkeit, die Queens of structure als Beitrag zum WIA Festival in Berlin zu zeigen (siehe "Bauingenieurin mit Ball-Erfahrung" auf dieser Seite). Noch während dieses Zeitraums trudelten Anfragen ein – und jetzt touren wir seit mehr als einem Jahr durch Deutschland und die Schweiz.

IZ: Hat sich eigentlich etwas verändert seit Ihrem Eintritt in den AIV?

"Frauen haben keine Vorbilder im Bauwesen"

Parlow: Wahrscheinlich nicht. Aber ich habe schon den Eindruck, dass es die jungen Mitglieder gut finden, eine Vertretung im Vorstand zu haben. Und wir haben definitiv ein Nachwuchsproblem. Mit der Ausstellung war es ähnlich: Wir wollten Vorbilder schaffen. Angehende Bauingenieurinnen haben in der Regel keine Professorinnen, die sie als Vorbild nehmen können. Sie wissen gar nicht, dass man auch als Frau in dem Beruf erfolgreich sein kann.

IZ: Wie sind Sie Bauingenieurin geworden?

Parlow: Das war Zufall. Ich war als Profifußballerin im Kader, mein Betreuer fragte nach meinen Interessen außerhalb vom Sport und ich sagte, Mathe finde ich gut. Da sagte er, da weiß ich was, ich schreibe dich ein. Und da ich Sachen gern durchziehe, bin ich dabei geblieben. Wobei ich erst mit meiner Diplomarbeit den Spaß am Bauingenieurwesen entdeckt habe, als ich eine alte Halle auf ihre Materialien hin untersuchte und den Umbau zu einer Reithalle konzipierte. Zum Ende des Studiums waren bei uns noch 20% Frauen, worüber ich mir damals gar nicht so viele Gedanken gemacht habe.

IZ: Um den Frauenanteil in der Branche zu heben, müsste man weit vor dem Studium ansetzen. Welche Möglichkeiten sehen Sie?

Parlow: Das fängt für mich damit an, wie wir unsere Kinder großziehen. Nach wie vor ist es so, dass es bei Jungs in Ordnung ist, wenn sie laut, wild und dreckig sind. Bei Mädchen wird das nicht so gern gesehen. Unsere Rollenvorstellung ist immer noch sehr beengt, da müssten wir ansetzen – und Mädchen mitgeben: Ihr dürft alles tun.

IZ: Mit wem arbeiten Sie lieber zusammen, Frauen oder Männern?

Parlow: Ich freue mich, wenn es halbe-halbe ist. Männer haben oftmals etwas sehr Gelassenes, manchmal ist das angenehm. Frauen sind sehr ehrgeizig und sehr bedacht und dabei sehr effektiv, das finde ich gut.

IZ: Zurück zu den Inhalten des Bauingenieurwesens. Sie arbeiten als Tragwerksplanerinan hochkomplexen Projekten, bei denen sich von Architektur bis zu Haustechnik alle koordinieren müssen. Inwiefern trägt Building Information Modeling (BIM) dazu bei, dass diese Koordination gelingt?

Parlow:Ich bin keine so große Freundin der Digitalisierung. Wir arbeiten nur noch mit 3D-Modellen, ein einfaches Tragwerk kann in der Regel gar nicht mehr verstanden werden, weil es so kompliziert ist. Dabei würde es oft reichen, auf die Grundrisse zu schauen und vielleicht per Hand Notizen und Verbesserungen hineinzuschreiben – während man bei 3D oft etwas übersieht. Das gleichzeitige Arbeiten ist ein Wunsch, um Zeit zu sparen, in Wirklichkeit kann es ein K.-o.-Kriterium sein. Wenn wir zum Beispiel unser Tragwerk in das Modell hineinlegen und der Haustechniker drei Tage später seine Durchbruchstechnik einträgt, bemerken wir das vielleicht gar nicht und dann haben wir in Stützen Durchbrüche. Ich denke, mehr mit 2D und Methoden der vergangenen zehn Jahre zu arbeiten und dafür besser miteinander zu sprechen, hilft einem Projekt mehr.

IZ: Man könnte ja auch BIM nutzen und miteinander sprechen.

Parlow: BIM bedeutet, an einem Modell zu arbeiten. Aber ein Haustechniker braucht ein anderes Modell als das, das wir brauchen. Ein Architekt benötigt wieder etwas anderes, man arbeitet also nur verschiedene Modelle ineinander ein und alles wird unübersichtlich. Das kostet Nerven und Geld, und beides findet sich nicht in den Honoraren.

IZ: Geht es denn wenigstens schneller?

Parlow: Früher dauerte es bei unseren Projekten zwei Jahre, bis der Rohbau stand, jetzt sind wir bei vier bis fünf Jahren. Das liegt natürlich nicht nur an BIM, sondern an der allgemein stark gewachsenen Komplexität von Bauvorhaben. Wirtschaftlich ist das ein großes Problem.

IZ: Welche Ideen haben Sie, um dem entgegenzuwirken?

Parlow: Das ist schwierig. Die Baubranche ist ja recht gut durch Corona gekommen, was zur Folge hat, dass die Unternehmen allesamt überlastet sind. Man macht das Nötigste, aber oft sehr schnell, dann ist der Bauherr nicht zufrieden und wechselt die Baufirma. Das zieht wiederum Änderungen nach sich, weil andere Fachplaner neue Vorstellungen haben. Bauherren sind leider auch nicht mehr so entscheidungsfreudig wie früher. Für Architekten wird es schwieriger, Projekte in der Gänze zu überblicken – die Problemlage ist vielschichtig.

IZ: Dazu kommen regelmäßige Gesetzesänderungen …

Parlow: … die das Ganze weiter verkomplizieren. Allein die Energieeinsparverordnung verändert sich gefühlt alle zwei Jahre, da kann man kaum auf dem Stand bleiben. Wir wandeln uns so sehr, nicht unbedingt immer zum Guten. Wenn ich das mit dem Altbau vergleiche, in dem wir hier sitzen: So etwas könnten wir gar nicht mehr bauen heute.

IZ: Warum?

Parlow: Wir haben heute strenge Anforderungen an den Schallschutz, was mit Holzbalkendeckenkonstruktionen fast nicht zu leisten ist, außer man packt dann oben noch einmal eine Betonschicht drauf. Das nächste Thema ist der Brandschutz: Fangen wir an, diesen Holzbau aufwändig zu verkleiden, weil die Normung noch gar nicht so weit ist, solche Gebäudeklassen zuzulassen? Die Politik spricht viel über Nachhaltigkeit, aber es fehlt schon an den ersten Stellen von Genehmigungsverfahren.

"Einfacher bauen würde es viel günstiger machen"

IZ: Noch mal gefragt: Wo sehen Sie eine Lösung, um diese Spirale zu durchbrechen?

Parlow: Einfach bauen! Der Altbau, in dem wir sitzen, ist ein gutes Beispiel: Es gab immer Wände, die übereinanderstehen, Holzbalkendecken, mit einem Blick verstehe ich die ganze Konstruktion. Damit wir dahin kommen könnten, müssten Normen vereinfacht und Verordnungen zurückgeschraubt werden. Dadurch würden wir das Bauen so viel günstiger machen. Wir versuchen das immer, unseren Bauherren mitzugeben: Wenn wir es schaffen, in einem Raster zu arbeiten, dann schaffen wir es vielleicht auch, flexibel zu sein. Das heißt, wenn das Gebäude in 20 Jahren umgenutzt werden soll, kann vielleicht der Trockenbau herausgenommen werden und die Konstruktion als solche bleibt bestehen. So baut man ressourcenschonend. In 20 Jahren sind die Gebäude, die wir heute bauen, Bestand. Wenn die so kompliziert sind, dass sie keiner mehr versteht, bringt es nichts – und dann ist es auch unerheblich, ob sie mit 3D geplant werden. Die Computerprogramme von heute kann man in 20 Jahren ohnehin nicht mehr verwenden.

IZ: Wie viel versprechen Sie sich von den vom Bund forcierten Materialkatastern?

Parlow: Ich glaube, die sind nicht durchsetzbar, wenn wir nicht so bauen wie zu DDR-Zeiten – bei WBS 70 gab es einen Materialkatalog für jede Wand und jede Decke, das kann ich heute noch nachschlagen. Das würde bedeuten, dass alle dasselbe machen müssten, und das wird nicht passieren.

IZ: Aber genau das serielle Bauen will die Bauministerin doch stärken.

Parlow: Was ist seriell bauen? Allein wenn ich seriell mit Holz baue, gibt es verschiedene Hersteller und Plattenträgersysteme mit Materialkennwerten. Für den Moment kann das das Bauen beschleunigen, aber langfristig gedacht finde ich das nicht. Vielleicht gibt es in ein paar Jahrzehnten diese Plattenträgerhersteller gar nicht mehr, und ich komme nicht mehr an Ersatzteile.

IZ: Sie arbeiten seit 15 Jahren als Bauingenieurin. Wie versuchen Sie, trotz der Komplexität ihrem Plädoyer für Einfachheit zu folgen?

Parlow: Ich fokussiere mich auf den Bestand. Gerade bearbeite ich die alte Geschützgießerei in Berlin-Spandau. Dort wurden im Krieg Geschütze hergestellt. Da finden sich hochwertige gusseiserne Stützen und einfache Deckenkonstruktionen, die man wunderbar umnutzen kann. Da geht mir das Herz auf – wenn man durch einfache Strukturen ein schönes Gebäude konstruiert hat, dessen Basis wir in die Zukunft weitertragen können.

IZ: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Kristina Pezzei.

Bauingenieurin mit Ball-Erfahrung

Nicole Parlow leitet gemeinsam mit Christian Müller ein Büro für Tragwerksplanung in Berlin. Das Unternehmen sitzt in einem Gründerzeitaltbau im Westen Berlins – ein Gebäude, das Parlow gern als Musterbeispiel für einfaches Bauen nutzt: Ihre Spezialität und ihre Leidenschaft gelten Bestandsumbauten. Die 38-Jährige studierte Bauingenieurwesen in Potsdam, nachdem sie wegen einer Knieverletzung die Karriere als Profifußballerin aufgeben musste. Zuvor stand sie für Turbine Potsdam im Mittelfeld. Parlow ist verheiratet und hat eine Tochter.

Die Ausstellung Queens of structure porträtiert die Ingenieurinnen hinter prominenten Bauwerken. Sie war zunächst als einmaliger Beitrag zum Festival Women in Architecture (WIA) in Berlin gedacht. Als sich Anfragen aus dem deutschsprachigen Raum häuften, beschlossen Parlow und ihre Mit-Initiatorinnen, die Schau wandern zu lassen. Die nächsten Stationen sind Rapperswil (März/April 2023), München, Vatersdorf, Landshut und Nürnberg (Juni – August 2023), Stuttgart (vermutlich Ende 2023/Anfang 2024) und Weimar (voraussichtlich April – Juli 2024).

Kristina Pezzei

Kristina Pezzei

Dank persönlichen Treffen in der Branche angekommen

Leonie Tauscher.

Leonie Tauscher.

Urheberin: Dina Knorr

Karriere 22.12.2022
Im Dezember 2021 ist Leonie Tauscher als Young Professional dem Ruf eines Headhunters gefolgt und stieg ins Asset-Management ein. In den vergangenen Monaten hat sie viele Gelegenheiten zum ... 

Im Dezember 2021 ist Leonie Tauscher als Young Professional dem Ruf eines Headhunters gefolgt und stieg ins Asset-Management ein. In den vergangenen Monaten hat sie viele Gelegenheiten zum Netzwerken genutzt, um in der Branche Fuß zu fassen.

Nach ihrem Wechsel von einer Hausverwaltung mit Sitz in Mannheim hat Leonie Tauscher ihr erstes Jahr als Asset-Managerin im Logistiksegment bei Mileway als wachstumsstark wahrgenommen. "Ich hätte nicht gedacht, dass das Portfolio eines so jungen Unternehmens in wenigen Monaten so stark anwächst", sagt sie. Trotz Einstieg in eine Junior-Position habe sie von Tag eins an eigene Assets zugewiesen bekommen. "Jetzt, zwölf Monate später, sind es schon sieben", berichtet die 26-Jährige. "Seit Corona ist Logistik ein gefragtes Asset", sagt sie mit Blick auf rund 40 Mitarbeiter in Deutschland und 450 europaweit, die das Unternehmen drei Jahre nach seinem Start zählt.

Den Großteil ihrer Kollegen hat die Young Professional im Spätsommer bei einem Teamevent in Amsterdam kennengelernt. "Das war eins meiner Highlights, denn man konnte endlich alle persönlich treffen", sagt sie und betont: "Was ich in meinem ersten Jahr gelernt habe, ist, dass Netzwerken in der Branche das A und O ist."

In dieser Beziehung sei sie froh gewesen, dass nach der Corona-Pause Veranstaltungen in Präsenz 2022 wieder fast uneingeschränkt möglich waren. "Nicht selten habe ich bei Abendveranstaltungen Leute getroffen, die ich am Morgen noch am Telefon hatte", teilt sie ihre Erfahrungen. "In erster Linie geht es mir bei After-Works darum, einen schönen Abend zu haben. Doch es kommt immer mal wieder vor, dass man später, zurück am Schreibtisch, auf diese Kontakte zurückgreifen kann", sagt sie. "Das macht mich manchmal schneller als andere und ich muss mich nicht auf Fremde verlassen, sondern kenne Player aus unterschiedlichen Sparten der Branche, denen ich vertraue." Dabei habe sie im Austausch mit anderen gemerkt, dass vor allem Berufseinsteiger und Young Professionals wie sie die Angebote in den Metropolstädten das ganze Jahr über regelmäßig nutzten.

Dank ihres Netzwerks fühle sie sich inzwischen gut in der Branche angekommen. "Aber es gibt im Asset-Management noch mehr zu entdecken", kündigt sie an. "Ich würde gerne meine Beziehungen zu Kollegen von anderen Standorten vertiefen und zeitweise mit ihnen im europäischen Ausland zusammenarbeiten. In Ländern mit anderen Infrastrukturen könnten wir uns noch einiges zum Thema Last Mile abgucken. Dieses Thema wird die Logistik noch weit über 2022 hinaus begleiten", gibt sie einen Ausblick.

Ihre persönliche Herausforderung für 2023 sieht sie in der theoretischen Ausbildung: "Ich studiere im Moment berufsbegleitend BWL mit Vertiefung in Financial Management in Frankfurt. Im nächsten Jahr werde ich meine Bachelor-Thesis schreiben." Das Studium neben dem Vollzeitjob war eine Herausforderung für Tauscher in diesem Jahr. Doch weil das Asset-Management ganz unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringe, sah sie darin eine Notwendigkeit, um nach ihrem Erststudium in Ingenieurwesen und Architektur auch auf kaufmännische Herausforderungen reagieren zu können.

Janina Stadel

"Alles ist so verlaufen, wie ich es erwartet hatte"

Julia Steinmetz .

Julia Steinmetz .

Quelle: Apleona Real Estate

Karriere 22.12.2022
Als Julia Steinmetz in die Apleona-Geschäftsführung aufstieg, wollte sie für frischen Wind sorgen. Nach ihrem ersten Jahr im Job bekommt sie für den eingeschlagenen Weg viel Zuspruch. ... 

Als Julia Steinmetz in die Apleona-Geschäftsführung aufstieg, wollte sie für frischen Wind sorgen. Nach ihrem ersten Jahr im Job bekommt sie für den eingeschlagenen Weg viel Zuspruch. Für 2023 denkt sie über ein "Überlebenscamp" nach.

Zu Jahresbeginn ist Julia Steinmetz in die Geschäftsführung von Apleona Real Estate Management aufgestiegen. Von ihrem Vorgänger Ralf Lehmann übernahm sie damals direkt die Verantwortung für das Property-Management in Deutschland. Später folgten noch das Centre of Expertise in Warschau, von dem aus buchhalterische Leistungen für den deutschen Markt angeboten werden, und das sich im Aufbau befindliche Österreich-Geschäft.

"Alles ist so verlaufen, wie ich es erwartet hatte", sagt Steinmetz. Dazu trug auch das gute Verhältnis zu ihrem Vorgänger bei. Mit dessen Hilfe konnte sie sich schon auf ihrer alten Position als Head of Retail and Centre Management auf die auf sie zukommenden Aufgaben vorbereiten. Die 41-Jährige ist seit 2019 im Unternehmen und nun für rund 400 Mitarbeiter verantwortlich, davon 90 in Polen und 35 in Österreich. "Man kann nur erfolgreich sein, wenn man ein Team hat, das motiviert ist, das zusammengeschweißt ist", sagt Steinmetz. Daher hat sie in diesem Jahr verschiedene Teambuildingveranstaltungen organisiert. Dazu gehörte etwa das Renovieren eines Pavillons in einer Seniorenresidenz. Für das kommende Jahr gibt es Ideen für Besuche in einem Escape Room oder einem "Überlebenscamp", wo gemeinschaftliches Arbeiten gefragt ist. "Wertschätzung" ist Steinmetz wichtig.

Die Zahlen sprechen für ihr Vorgehen. So sei die Akquise zuletzt "sehr erfolgreich" verlaufen, mit acht Aufträgen, die zusammen auf ein Volumen von 17,4 Mio. Euro kommen. Eine positive Erfahrung war für Steinmetz, dass nach den Corona-Beschränkungen in diesem Jahr wieder viele Veranstaltungen und persönliche Treffen mit Kunden möglich waren. Mit Verantwortlichen des Logistikspezialisten Mileway, der einen Auftrag für das Property-Management von mehr als 130 Immobilien erteilt hat, gab es eine Restauranttour durch Frankfurt. Hinzu kommen Panels, bei denen Steinmetz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit werben konnte.

Daneben will sie zeigen, dass Apleona mehr ist als das bekannte technische Facility-Management. Denn auch Quartiers- und Centermanagement sowie Aufgaben im Zusammenhang mit Vermietungen gehören zum Leistungskatalog. Wichtig ist ihr an der neuen Position, "dass ich meinen Footprint hinterlasse". Schließlich gehöre sie einer anderen Generation als ihr Vorgänger an. Zu dem "frischen Wind", den Steinmetz bringen will, gehört auch, dass sie Führungspositionen mit Frauen besetzt hat und das auch künftig tun will. Das komme in der Belegschaft gut an. "Viele junge Kolleginnen haben mich angeschrieben. Sie finden es super, dass nun eine Frau in der Geschäftsführung ist." Das zeige den Mitarbeiterinnen, dass es auch für sie möglich ist, in eine vergleichbare Position aufzusteigen.

Florian Hartmüller

"Wir hatten uns vorgestellt, dass der Markt 2022 wieder Schwung aufnimmt"

Alexander Berg.

Alexander Berg.

Quelle: Kleespies GmbH & Co. KG

Karriere 22.12.2022
Alexander Berg ist seit einem Jahr Marketingchef beim Bau- und Bauträgerunternehmen Kleespies. Das ist etwas besonderes – weil es vor ihm gar keine Marketingabteilung gab. Entsprechend ... 

Alexander Berg ist seit einem Jahr Marketingchef beim Bau- und Bauträgerunternehmen Kleespies. Das ist etwas besonderes – weil es vor ihm gar keine Marketingabteilung gab. Entsprechend breit fällt sein Tätigkeitsbericht aus.

Zum Jahresbeginn 2022 ist Alexander Berg als Marketingchef beim Bau- und Bauträgerunternehmen Kleespies im hessischen Jossgrund angetreten. Das familiengeführte Unternehmen besteht seit über 70 Jahren und bietet alle Leistungen rund um den Bau an, von der Vorentwurfsplanung bis zur Erstellung der Außenanlage. "Architekten, Projektentwickler, Bauplaner, kaufmännische Mitarbeiter:innen für alle Aufgabenstellungen beim Bau haben wir im Unternehmen", erklärt Berg. "Die Geschäftsführung, in vierter Generation mittlerweile, dachte sich, dass es an der Zeit ist, auch Marketing und Vertrieb selbst in die Hand zu nehmen." Zuvor hatte Kleespies für den Vertrieb vor allem von Eigentumswohnungen mit externen Maklern zusammengearbeitet.

Das Jahr 2022 hat Berg daher insbesondere damit verbracht, die nötigen Strukturen im Haus aufzubauen. Das reichte von der Neugestaltung der Webseite und dem Einstieg in Social Media bis zu Details wie Visitenkarten, Kugelschreiber und den Kekse, die die Kunden zum Kaffee bekommen. Bei manchem altgedienten Baufachmann war die Überzeugungskraft Bergs gefragt, um klarzumachen, dass Marketing nicht bloß schmückendes Beiwerk ist, sondern erheblich zum wirtschaftlichen Erfolg beiträgt. "Aber inzwischen ziehen alle sehr gut mit", bilanziert er mit einem Augenzwinkern.

Berg hat als Radiojournalist begonnen, ist dann in die Public Relations gewechselt und war zuletzt sechs Jahre bei der Sparkassen-Finanzgruppe tätig. Dabei hatte er bereits viel mit Immobilien zu tun. Bei Kleespies bringt er seine Fachkenntnis auf einer neuen Ebene ein. "Ich arbeite jetzt viel näher am Endkunden als zuvor. Vor allem aber reizt mich, das Marketing in einem Unternehmen von Grund auf neu aufzubauen und hier meine Ideen verwirklichen zu können. Das ist viel Arbeit, aber eine spannende Herausforderung." Dafür nimmt er auch in Kauf, nun von seiner Heimat Frankfurt aus in den Spessart zu pendeln – gerade im Mittelgebirgswinter eine nicht immer einfache Aufgabe.

Die Begeisterung für die kreative Schwerpunktsetzung hat er sich seit Januar erhalten, auch wenn nicht alles nach Wunsch verlief. "Ich habe mir das eigentlich so vorgestellt, dass wir aus Corona herauskommen, 2022 der Markt wieder Schwung aufnimmt und wir dann mit dem neuen Marketing im Vertrieb richtig viel umsetzen können. Das hat so leider nicht funktioniert", räumt Berg ein. Wie die gesamte Branche merkt auch Kleespies den deutlichen Einbruch auf dem Wohnungsmarkt. "Das schlägt schon etwas auf die Stimmung", sagt Berg. Kundenkontakte seien durchaus vorhanden, nur bleibe die Kaufentscheidung oft aus.

Der Marketingchef bleibt aber zuversichtlich, ebenso wie das gesamte Unternehmen. Auch wenn das Tempo wegen der Zurückhaltung der Kunden gebremst ist, geht es mit der Entwicklung des Landwehrquartiers in Hattersheim im ersten Bauabschnitt weiter. Drei weitere Baufelder sollen folgen. Darüber hinaus entwickelt Kleespies auch kleinere Objekte bis hinab zu sieben Wohneinheiten. Dass der Markt viel komplizierter geworden ist, schreckt Berg für die nächsten zwölf Monate nicht ab. Er ist überzeugt, dass Wohnungsentwicklungen und damit auch seine Marketing- und Vertriebsarbeit eine Zukunft haben – gerade im Rhein-Main-Gebiet. "Ich gehe davon aus, dass die Leute im neuen Jahr zuversichtlicher werden und in Wohnungen investieren. Schließlich bin ich selbst ein positiv eingestellter Mensch."

Volker Thies

Die neue Freiheit ist befriedigend – trotz allem

Frank Preuss.

Frank Preuss.

Quelle: Auvidis AG

Karriere 22.12.2022
Frank Preuss ist Gründer des auf Sozialwohnungsbau spezialisierten Entwicklers Auvidis. Vor einem Jahr hat er das Unternehmen ins Leben gerufen. Zuvor war er in leitender Funktion bei der ... 

Frank Preuss ist Gründer des auf Sozialwohnungsbau spezialisierten Entwicklers Auvidis. Vor einem Jahr hat er das Unternehmen ins Leben gerufen. Zuvor war er in leitender Funktion bei der Gröner Group. Den Schritt in die Selbstständigkeit bereut er nicht.

Er schlafe jetzt ruhiger als vorher, sagt Frank Preuss, und das erstaunt dann doch: Vor einem Jahr ist der Manager aus dem Angestelltendasein in leitender Funktion bei der Gröner Group in die Selbstständigkeit gewechselt. Statt einem fixen Gehalt zum Monatsende warten auf Preuss seither die tägliche Verantwortung für eine Handvoll Mitarbeiter und die Zukunft seines eigenen Unternehmens Auvidis. Bei seinem vorigen Arbeitgeber sei es sehr dynamisch zugegangen, schiebt der 51-Jährige erklärend hinterher. "Man wusste oft morgens nicht, was der Tag bringt." Den Wechsel habe er nie bereut, zugleich bleibe er der Gruppe freundschaftlich verbunden und profitiere nach wie vor von dem Erfahrungsschatz, den er sich im Lauf der Zeit beim früheren Arbeitgeber erworben habe.

Jetzt genieße er einen neuen Freiheitsgrad, der sehr befriedigend sei. Freilich habe Preuss in den ersten Monaten des ausklingenden Jahres auch beängstigende Momente erlebt – mit mancher Überraschung hätten sein Team und er bei der Unternehmensgründung nicht gerechnet. Der Ukraine-Krieg mit seinen Folgen traf Auvidis genauso wie andere aus der Branche. "Keiner dachte vor einem Jahr an so einen Zinsanstieg. Und keiner dachte an Krieg."

Auvidis konzentriert sich auf nachhaltigen Sozialwohnungsbau. Unter den gegebenen Umständen sei der Zeitpunkt zum Sprung in die Selbstständigkeit ideal gewesen. Auvidis sei unmittelbar in die neue Realität gestolpert und habe den ursprünglichen Geschäftsplan rasch anpassen können, sagt Preuss. Statt der wegen des Zinsanstiegs wenig lukrativen Bestandsakquise fokussiert sich der Gründer nun auf Projektentwicklung, setzt sich mit Vorfertigung auseinander und hält nach Brownfields Ausschau.

Derzeit hat Auvidis Preuss zufolge knapp 50.000 qm in der Entwicklung, Tendenz wachsend. Wenn es so weitergeht, werde sich das Team im kommenden Jahr auf zehn Mitarbeiter nahezu verdoppeln, prognostiziert der Unternehmenschef. Die Projekte liegen in einem großzügigen Kreis um Köln. Diesen Unterschied zum früheren, bundesweit orientierten Berufsleben, genießt Preuss sehr: "Ich arbeite jetzt weitgehend von einem Standort aus, das bringt eine ganz andere Lebensqualität mit sich", sagt er.

Kristina Pezzei

Erst der Krieg, dann die Insolvenz

Sinje-Swala  Buschmann.  Quelle: Comfort Hamburg  GmbH

Sinje-Swala Buschmann. Quelle: Comfort Hamburg GmbH

Quelle: Comfort Hamburg GmbH

Karriere 22.12.2022
Im Februar 2022 übernahm Sinje-Swala Buschmann die Geschäftsführung des Maklerunternehmens Comfort Hamburg. Sieben Monate später meldeten Teile der Comfort-Gruppe Insolvenz an. ... 

Im Februar 2022 übernahm Sinje-Swala Buschmann die Geschäftsführung des Maklerunternehmens Comfort Hamburg. Sieben Monate später meldeten Teile der Comfort-Gruppe Insolvenz an.

Immobilien Zeitung: Wenn Sie auf das Jahr 2022 zurückblicken, welche neuen Erkenntnisse haben Sie in Ihrer jetzigen Position gewonnen?

Sinje-Swala Buschmann: 2022 hat uns gezeigt, dass auch Dinge, die man für praktisch unmöglich gehalten hat, passieren können. Weder den Angriff auf die Ukraine zu Beginn des Jahres noch die Insolvenz von Teilen der Comfort-Gruppe Anfang September hätte ich vor einem Jahr um diese Zeit für möglich gehalten.

IZ: Was war das beherrschende Thema des Jahres 2022?

Buschmann: Natürlich der Krieg in der Ukraine und die Folgen für die Menschen dort, aber auch für uns alle. Aus immobilienwirtschaftlicher Sicht die Verschlechterung des Konsumklimas, die gestiegenen Zinsen und die daraus resultierende Verschlechterung der Marktsituation, insbesondere für einzelhandelsgenutzte Immobilien.

IZ: Welche Emotionen verbinden Sie mit dem zu Ende gehenden Jahr? Welches war Ihr überraschendstes Erlebnis?

Buschmann: Vor allen Dingen Wut, Trauer, Entsetzen und Ungläubigkeit angesichts des Krieges. Tatsächlich kam dann die Tatsache, dass Teile der Comfort-Gruppe Anfang September einen Antrag auf Regelinsolvenz stellen mussten, für mich vollkommen überraschend.

IZ: Wie sah Ihr schönster bzw. Ihr schrecklichster Moment 2022 aus?

Buschmann: Den Begriff "schön" würde ich eher auf private Momente mit meinem Sohn anwenden wollen. Davon gab es glücklicherweise eine ganze Menge. Beruflich habe ich mich sehr über das Zusammenspiel des Teams und die gute Stimmung bei Comfort in Hamburg gefreut.

Was die schrecklichsten Momente angeht, muss ich immer wieder auf die gleichen Dinge zurückkommen, namentlich den Krieg und die Insolvenz der Comfort. Das liegt natürlich daran, dass diese so außergewöhnlich und prägend waren und noch immer sind.

IZ: Und was erwarten Sie für 2023 bzw. was wünschen Sie Ihren Mitarbeitern bzw. den Lesern der IZ?

Buschmann: Ich hoffe inständig, dass der Krieg gegen die Ukraine zu Ende geht und wir wieder zu einem friedlicheren Miteinander zurückfinden. Dabei wünsche ich uns allen, dass wir die Folgen dieses Krieges gemeinsam bewältigen können.

IZ: Frau Buschmann, vielen Dank für das Gespräch.

Christoph von Schwanenflug

Strategische Themen bleiben

Inga Schwarz.

Inga Schwarz.

Quelle: BNP Paribas Real Estate

Karriere 22.12.2022
Inga Schwarz‘ Thema ist das Immobilienresearch. Nach zehn Jahren bei Cushman & Wakefield leitete sie fünf Jahre lang das Research bei Avison Young. 2020 wechselte sie zu BNPPRE und ... 

Inga Schwarz‘ Thema ist das Immobilienresearch. Nach zehn Jahren bei Cushman & Wakefield leitete sie fünf Jahre lang das Research bei Avison Young. 2020 wechselte sie zu BNPPRE und löste dort 2022 Chefresearcher Wolfgang Schneider an der Spitze ab.

Mit großem Schwung und Lust auf das Neue, das das Jahr 2022 bringen würde, ging Inga Schwarz Anfang Januar ihre Position als Head of Research beim Maklerhaus BNP Paribas Real Estate an. Aber schon acht Wochen später hieß es: umdenken. "Ich musste erst einmal persönlich verarbeiten, dass in Kontinentaleuropa plötzlich wieder Krieg geführt wird", sagt sie. Danach war die Researcherin professionell gefordert. "Das völlig neue Marktumfeld hat überall zu Verunsicherung geführt, an einigen Stellen auch zu großer Aufgeregtheit. Ich war glücklich, in einem Haus zu arbeiten, in dem die Kollegen im Umfeld über mehr als 20 Jahre Branchenerfahrung angesammelt haben."

Schwarz ist, was Immobilienzyklen angeht, kein Frischling. Den deutschen Immobilienmarkt analysiert sie schon seit gut zwei Dekaden, die momentane Marktphase ist für sie "die aufregendste Zeit der letzten 15 Jahre". Für die Datensammler wurde es noch aufregender, als zum Sommer hin der Transaktionsmarkt in Deutschland teilweise einfror. Die Verkäufer hofften, trotz der Zeitenwende noch ihre Werte aus dem goldenen Nullzinsjahr 2021 realisieren zu können, aber die Käufer streikten – entsprechend wenige Deals kamen zustande.

"Mit Angebotspreisen haben wir im Research nicht gearbeitet", stellt Schwarz klar. "Es gab ja weiterhin Marktevidenzen, mehrere Großtransaktionen fanden trotzdem noch statt und in den B-Städten lagen die Vorstellungen von Verkäufern und Käufern weniger weit auseinander als in den Metropolen."

Anspruchsvoll war es, den Kunden die aus den Daten gewonnene Evidenz möglichst verdaulich zu vermitteln. "Wir haben gemerkt, dass es auf die sorgfältige sprachliche Begleitung der Marktzahlen ankam. Es war nötig, auf die Langfrist-Perspektive hinzuweisen, um zu zeigen, was für eine Hochphase der Markt hinter sich hat."

"Strategische Themen vorantreiben" lautete Schwarz‘ Zielvorgabe zu Jahresbeginn. Daran haben Krieg, Inflation und Zinskapriolen nichts geändert – die großen Fragen rund um ESG, Mobilität und Infrastruktur werden die Immobilienbranche permanent begleiten und nehmen auch im Research eine zentrale Rolle ein. Ideen dazu will Schwarz über Weihnachten ausbrüten. Beim Wintersport kommen ihr die guten Gedanken. "Auf Skitouren finde ich die Ruhe dafür. Vor allem wenn es bergauf geht."

Monika Leykam