Der richtige Dreh für die Kollegensuche

Der Mann mit der Pferdemaske ist ein Hingucker, Blau ist ein Hingucker. "Blau ist wow", sagt Gegenbauer, und rückt seine Unternehmensfarbe in den Fokus der Kampagne.

Der Mann mit der Pferdemaske ist ein Hingucker, Blau ist ein Hingucker. "Blau ist wow", sagt Gegenbauer, und rückt seine Unternehmensfarbe in den Fokus der Kampagne.

Quelle: mc-quadrat im Auftrag von Gegenbauer

Karriere 12.09.2019
Wer etwas zu zeigen hat, tut das heutzutage gerne per Video. Auch das Employer-Branding findet zunehmend auf YouTube statt. Von Facility-Managern über Baufirmen bis hin zu ... 

Wer etwas zu zeigen hat, tut das heutzutage gerne per Video. Auch das Employer-Branding findet zunehmend auf YouTube statt. Von Facility-Managern über Baufirmen bis hin zu Beratungshäusern - alle versuchen auf unterschiedliche Weise, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren.

Rezo - ein Name, den man selbst in der Offline-Welt seit der Europawahl kennt. Der YouTuber hat es mit seiner harten Kritik an der CDU geschafft, in die Schlagzeilen zu kommen, sogar in althergebrachten Zeitungen zum Anfassen. Während sich die Zahl der Print-Leser kaum exakt erfassen lässt, beeindruckt die Aufmerksamkeit, die Rezos Video auf YouTube erlangt hat: etwa 16 Mio. Aufrufe.

Die Reaktionen auf das Rezo-Video zeigen, dass YouTube, Videos und Bewegtbilder aus dem Alltag der Bevölkerung nicht mehr wegzudenken sind. Vor allem Männer und Frauen im Alter von 18 bis 34 Jahren gehören zur Hauptnutzergruppe des Videoportals. Aus Sicht der Personaler also meist jene, die sich im Berufsleben noch orientieren. Somit ist YouTube eine Chance, sich Berufseinsteigern und Young Professionals im Video als Arbeitgeber zu präsentieren.

Einige Unternehmen aus der Immobilienbranche nutzen bereits diese Möglichkeit. Zu den aktivsten Branchenzweigen dürfte das Facility-Management gehören. Caverion ist mit seiner mehrteiligen Weltraum-Saga noch in Erinnerung (zum Nachlesen: "Caverion schraubt am Warp-Antrieb", IZ 9/16). In ähnlichem Maßstab angelegt als große Employer-Branding-Kampagne mit Kinospot und Werbung im öffentlichen Raum ist aktuell "Blau ist wow" von Gegenbauer. Seit Februar 2019 und derzeit in Münchner Multiplex-Kinos sowie auf YouTube ist der Werbespot zu sehen. Im Videoportal zählt er inzwischen etwa 1,3 Mio. Aufrufe.

"Blau ist doch eigentlich nur ne Farbe, oder? Falsch. Blau ist viel mehr." So startet der 50-Sekünder, in dem der Zuschauer in Kombination mit blaudominierten und dynamischen Bildern samt fetziger Musik erfährt: "Blau ist der Himmel, das Wasser, blau ist Deine Zunge." Aber auch: "Blau ist der Gang durch Deine alte Schule, der gemähte Rasen, die warme Heizung, das saubere Büro, der fette Bass beim Konzert. Blau ist hoch über der Stadt (Bild: Fensterputzer am Hochhaus) und tief unter der Erde (Bild: Prüfung der Gebäudetechnik). Blau ist Vielfalt und Zusammenhalt. (...) Blau ist unsere Farbe und unser Stolz. Blau ist Dein Style. Blau ist unser Style. Blau ist wow - Gegenbauer."

Mit diesem Spot will der Facility-Manager gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: sowohl nach innen als auch nach außen wirken, junge wie erfahrene Arbeitskräfte, Vertreter unterer wie höherer Hierarchien erreichen. Es gehe darum, die Werte des fast 100-jährigen Unternehmens zu präsentieren, Stolz und Identifikation auszulösen, berichtet Tom Kalányos, Leiter Digitale Medien bei Gegenbauer. Damit soll sich die Mitarbeiterbindung erhöhen - abseits vom sonst vielerorts üblichen Mittel der Lohnerhöhungen, die in dieser Branche wegen der knappen Margen nur schwer umsetzbar sind. Dazu trägt auch bei, dass etwa ein Dutzend der Personen, die im Spot zu sehen sind, Original-Mitarbeiter Gegenbauers sind.

Dass die Kampagne "Blau ist wow" zieht, macht Kalányos nicht nur an den vielen Aufrufen auf YouTube fest, sondern auch an den Besucherzahlen der unternehmenseigenen Corporate- und Karriere-Webseite. Seit der Spot zu sehen ist, gebe es dort ein Wachstum von 20% bis 25%. Zudem werde Kalányos bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter oft auf die Kampagne und den Kurzfilm angesprochen. Mindestens so stolz macht es ihn, wenn Kollegen den Spot z.B. bei Pitches zur Präsentation des Unternehmens vor (potenziellen) Kunden einsetzen.

Der personelle, zeitliche wie finanzielle Einsatz für diese Kampagne ist beträchtlich. Das dreiköpfige Team Digitale Medien hat sie zusammen mit der Agentur mc-Quadrat realisiert, die Planung reicht bis ins Jahr 2025 - bis zur Feier der 100-jährigen Unternehmensgeschichte. Nächstes Jahr werde eine weitere Stufe der Kampagne gezündet, berichtet Kalányos. Er will noch nicht zu viel verraten, nur das: "Dann wird es darum gehen, weitere Kollegen zu aktivieren und sie zu Botschaftern für die Marke Gegenbauer zu machen."

Genau das macht gerade Wettbewerber Piepenbrock. Der Facility-Manager stellt in kurzen Zwei-Minuten-Spots seine Mitarbeiter als "Piepenbrocker" vor. Mit dabei ist z.B. Daniel Erdmann, Objektleiter für die Niederlassung Göttingen. Er berichtet frei von der Leber weg, wie vielfältig seine Arbeit sei, was er an seinem Berufsalltag schätze, dass das Geld immer pünktlich komme und er sich auf seinen Meisterbrief im Gebäudereinigerhandwerk freue. Erdmann ist seit 20 Jahren bei Piepenbrock, ein Neuzugang im Vergleich dazu ist derweil Jonas Vetter, Implementierungsmanager des Technischen Managements für Großkunden. Er erzählt vom Einstieg ins Großunternehmen und dem Teamspirit.

Dieses Format, im Video engagierte und zufriedene Mitarbeiter zu Wort kommen zu lassen, ist weit verbreitet und bietet sich auch für kleinere und mittelständische Unternehmen und Firmen aus anderen Branchenzweigen an. Die Limburger Bauunternehmung Albert Weil zum Beispiel ließ einen Azubi, einen Polier und einen Bauleiter erzählen, wie es auf einer Baustelle zugeht. In einem anderen Spot berichten drei Mitarbeiter, auf welchen unterschiedlichen Wegen sie nach dem Studium allesamt bei Albert Weil gelandet sind. Damit will die Baufirma nicht nur die Vielfalt möglicher Einsatzgebiete zeigen, sondern auch einen möglichst authentischen Einblick in die Unternehmenskultur bieten. Der Zuschauer bekommt einen Eindruck, welche Stimmung im Team herrscht, mit welchen Geräten auf der Baustelle gearbeitet wird und wie die Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter sind. Künftig will Albert Weil nach eigenen Angaben noch mehr Videos à la "Ein Tag mit ..." initiieren.

Einen komplett anderen Weg, Nachwuchskräfte und Young Professionals für sich als Mitarbeiter zu gewinnen, geht aktuell BNP Paribas Real Estate (BNPPRE). Der Immobilienberater hat seine vierteilige Videoreihe "The Secret to" veröffentlicht. Die ersten drei Titel suggerieren, dass es auf den ersten Blick um praktische Tipps für den Business-Alltag geht: "Keine Angst vor Smalltalk", "Beim Geschäftsessen punkten" und "Auf Geschäftsreisen bestens vorbereitet". Im letzten Teil kommt BNPPRE dann zum wesentlichen Punkt: "Wann es Zeit wird, den Job zu wechseln". Die Videos sind keine dröge Anleitung, in welcher Reihenfolge z.B. das Hemd zu falten, der Ärmel in welchem Winkel zu legen ist. Vielmehr sind es humorige Episoden, in denen auch ein Teil des echten BNPPRE-Teams zu sehen ist. "Wir wollen damit zeigen, wie wir ticken", erzählt Philipp Benseler, Head of Human Resources bei BNPPRE. Er erinnert sich, dass zu früheren Zeiten in Videos eher die Informationen im Vordergrund standen, heutzutage gehe es mehr ums Storytelling. Informationen auf unterhaltsame Art und Weise und Unternehmenswerte eher implizit zu vermitteln, steht dabei im Fokus.

Während die kurzen Spots von "The Secret to" aktuell auf etwa 3.000 bis 4.000 Aufrufe kommen, hat das Video vom jüngsten Event Adventure@BNPPRE mit angehenden Nachwuchskräften eine deutlich größere Resonanz erzeugt (siehe "Recruiting mit dem Extra-Kick", IZ 4/19). Satte 315.000 Aufrufe wurden bis jetzt gezählt. Junge Menschen in lockerer Atmosphäre, Abenteuer und Adrenalin sind offenbar gute Zutaten für ein aufmerksamkeitsstarkes Video.

YouTube erreicht Milliarden Menschen

Das Online-Videoportal YouTube, das ein Tochterunternehmen von Google ist, zählte Anfang 2019 monatlich rund 1,9 Mrd. Nutzer weltweit. In der Onlinestudie von ARD und ZDF für das Jahr 2018 gaben 83% der befragten 14- bis 29-Jährigen an, ein Videoportal mindestens einmal wöchentlich zu nutzen, 47% schauten sich die Videos mindestens ebenso oft auf Facebook an. Das Statista-Ranking der beliebtesten YouTube-Channels weltweit führt dato das indische Musiklabel T-series mit 110,47 Mio. Abonnenten an, gefolgt von der Einzelperson Pewdiepie mit 100,8 Mio. Abos. Das meistgesehene Video ist laut Statista derweil der Spot zum Song Despacito von Luis Fonsi feat. Daddy Yankee mit 6,4 Mrd. Aufrufen. Es führt sogar die Liste der beliebtesten Videos an, wenn man auf die vergebenen Likes schaut. Da kommt das Video auf 34 Mio. Daumen nach oben. Nach unten zeigen nur 4,2 Mio. Kommentiert wurde es 3 Mio. Mal. api

Anke Pipke

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Bei Apoprojekt regiert die Pinnwand

Im Big Room treffen sich regelmäßig die Führungskräfte von Apoprojekt.

Im Big Room treffen sich regelmäßig die Führungskräfte von Apoprojekt.

Quelle: Apoprojekt

Karriere 22.02.2024
Um Transparenz zwischen verschiedenen Abteilungen zu schaffen, hat Geschäftsführer Stephan Winn bei Apoprojekt die Führungsmethode Lean Management eingeführt. Eine große Zettelwand im ... 

Um Transparenz zwischen verschiedenen Abteilungen zu schaffen, hat Geschäftsführer Stephan Winn bei Apoprojekt die Führungsmethode Lean Management eingeführt. Eine große Zettelwand im sogenannten Big Room hilft den Führungskräften seitdem, den Überblick über Kapazitäten und Projektziele zu behalten.

Methodik darf nicht Sinn und Verstand ausschalten. Sie muss als unterstützendes Werkzeug verstanden und eingesetzt werden", lautet das Credo von Stephan Winn. Als Geschäftsführer beim Entwickler Apoprojekt will er seinen Mitarbeitern immer wieder vor Augen führen, warum sie etwas tun, nämlich um Mehrwerte für ihre Kunden zu schaffen. Um sicherzustellen, dass in der Hauptverwaltung alle Führungskräfte dieses Ziel im Blick behalten, hat Winn eine Management-Methode eingeführt, die bei anderen nur im operativen Geschäft Anwendung findet: Lean Management.

Auf die Idee, die Führungsmethodik komplett umzukrempeln, kam Winn 2020, als das Unternehmen mitten im Wachstum steckte. Er wollte eine Möglichkeit schaffen, alle Akteure, die an einem Projekt beteiligt sind, ständig auf dem Laufenden über aktuelle Entwicklungen zu halten. Ein externer Berater hatte das Lean Management für das operative Projektgeschäft vorgeschlagen. Dadurch sollten Zwischenstände eines Bauprojekts und nächste Schritte veranschaulicht werden. Und zwar ganz praktisch über Übersichtstafeln. "So konnten wir die Realisierungsprozesse komplexer Revitalisierungen von der Planung bis zur baulichen Ausführung stabilisieren", sagt Winn. Denn Hauptziel der Methode, die ursprünglich aus der Automotive-Branche stammt, sei die Steigerung von Kosten- und Terminsicherheiten durch verbesserte Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten, die Zugriff auf die Veranschaulichung haben.

"In der Hauptverwaltung können wir in jedes Planungs- und Bauprojekt schauen. Egal, wo wir in Deutschland gerade tätig sind. Wir erkennen terminliche, qualitative und monetäre Risiken und können entsprechende Maßnahmen ableiten. Aber niemand konnte von den Standorten aus nachvollziehen, welche Projekte wir in den Bereichen der Hauptverwaltung gerade bearbeiten. Das haben wir mit Einführung der Management- Methodik verändert. Denn interdisziplinäre Projekte gibt es in einem Unternehmen wie Apoprojekt in allen Bereichen – auch auf der Hauptverwaltungsebene", sagt Winn.

So wurde 2021 in der Hamburger Zentrale zunächst ein einfaches klassisches Büro umfunktioniert. Dort wurde Platz geschaffen, um mit Zetteln Ideen und Ziele von verschiedenen Mitarbeiter an einer Übersichtswand zu präsentieren. "Das erste größere Projekt, das wir auf Hauptverwaltungsebene mit dieser Methode umgesetzt haben, war der Jahresabschluss 2022 in der kaufmännischen Verwaltung", sagt Winn. Und tatsächlich konnte die Aufgabe vier Wochen schneller abgeschlossen werden als in den Jahren zuvor. "Da wurde uns allen der Mehrwert klar", sagt Winn.

Seit Anfang 2023 treffen sich Führungskräfte deshalb alle zwei Wochen im anschließend geschaffenen Big Room in der Unternehmenszentrale. Dort steht eine große Pinnwand bereit, auf der die Teams alle ihre Ziele und Schritte durch bunte Zettel im Blick behalten können. Angepinnt werden sowohl strategische Ziele für die kommenden zwei bis fünf Jahre als auch taktische, die Schritt für Schritt auf die strategischen einzahlen sollen.

"Als wir damit begannen, stand häufig nur die reine Anzahl und inhaltliche Qualität der definierten Ziele im Vordergrund", berichtet Winn. Bis zu zehn Zettel habe er zu manchen Meetings mitgebracht, doch gerade in der Anfangszeit habe er schnell gemerkt, dass das Übermaß an Kleinstzielen oft blockiert. "Wenn alle anfangen, zehn neue Ideen anzupacken, obwohl eigentlich nur Kapazitäten für eine da sind, dann bringt man am Ende nichts zur Umsetzung", so Winns Erkenntnis. Stattdessen haben er und seine Mannschaft im ersten Jahr mit dem Big Room vor allem eine Erkenntnis erlangt: Es kommt auf das richtige Priorisieren an.

Unternehmensziele werden für alle sichtbar

Inzwischen gebe es feste Strukturen beim Abarbeiten der angepinnten Zettel, bei ihrer Besprechung und beim Überdenken. So sei ein klarer Rahmen dafür entstanden, wie im Unternehmen agiert wird, was langfristig zu mehr Sicherheit beim Fällen von Entscheidungen führte. Bei Onboardings soll die Visualisierung außerdem helfen, neuen Kollegen die Unternehmensziele klarzumachen.

Weil Abteilungsleiter aus allen Bereichen an den Sitzungen im Big Room teilnehmen – selbst wenn ein Thema gerade gar nicht ihre tägliche Arbeit betrifft –, haben inzwischen alle Manager eine klare Vorstellung davon, welche Kapazitäten die einzelnen Abteilungen haben, und können dadurch einschätzen, wie realistisch ein Zeitplan zum Erreichen des nächsten Meilensteins ist. "Doch genau mit dieser Transparenz mussten einige am Anfang erst einmal klarkommen", sagt Winn. Dass Fortschritte kleingliedrig besprochen werden, war vor der Einführung der Pinnwand nicht üblich im Unternehmen, ebenso wenig die genaue Besprechung von Fehlern und Möglichkeiten, sie zu korrigieren oder in der Zukunft zu vermeiden. "So hat sich unsere gesamte Fehlerkultur geändert", beschreibt Winn eine weitere Folge, die sich aus der Arbeitsmethode ergeben hat.

Dass es viele Monate gedauert hat, bis das Team richtig auf die Arbeit mit dem Ideenboard eingespielt war, sieht Winn im Nachhinein als wertvoll an. "Hätten wir einen externen Experten zu Rate gezogen, hätten wir am Anfang wahrscheinlich viele Fehler vermeiden und schneller feste Strukturen aufbauen können. Doch gerade weil diese Anfangsschwierigkeiten von uns selbst ausgemerzt werden mussten, haben wir nicht nur einen gesunden Changeprozess durchlebt, sondern auch einen Weg gefunden, der genau zu uns passt. Die dadurch entstandene Flexibilität wird auch in Zukunft eine erfolgreiche Weiterentwicklung sicherstellen."

Janina Stadel

Gemeinsame Werte sorgen für Zusammenhalt

Zusammenhalt in der Belegschaft fördert Teamwork.

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Quelle: stock.adobe.com, Urheber: BGStock72

Karriere 09.11.2023
Mitarbeiterbefragungen und Engagement-Kennzahlen zeigen, ob eine Unternehmenskultur funktioniert. Diese soll gerade in herausfordernden Zeiten für Zusammenhalt in der Belegschaft sorgen, ... 

Mitarbeiterbefragungen und Engagement-Kennzahlen zeigen, ob eine Unternehmenskultur funktioniert. Diese soll gerade in herausfordernden Zeiten für Zusammenhalt in der Belegschaft sorgen, muss aber ständig und auf allen Ebenen gelebt werden.

"Wenn man über Kultur redet, muss man auch über Performance sprechen. Organisationen sind schließlich kein Bällebad. Sie stehen unter Ergebnisdruck und in der Verantwortung, Ergebnisse hervorzubringen", sagt Alexander Knälmann, Gründer und Geschäftsführer von Apoprojekt. Seit der Gründung 2007 ist das Hamburger Bestandsentwicklungsunternehmen vom Zwei-Mann-Betrieb auf rund 500 Mitarbeiter gewachsen und will durch Werte wie Vertrauen, Sicherheit, Kompetenz, Verantwortung, Gemeinschaft und Dynamik den Zusammenhalt in der Belegschaft stärken. "Um als Unternehmen erfolgreich zu sein, müssen wir ein Umfeld schaffen, das durch Vertrauen und Spaß an der Zusammenarbeit zu wirtschaftlichem Erfolg führt", sagt Geschäftsführer Knälmann. Wenn es um die Werte seines Unternehmens geht, schaut er deshalb genau hin.

Zwei bis drei Mal pro Jahr wird die Zufriedenheit der Angestellten über einen sogenannten Engagement-Index gemessen. Dafür geben die Beschäftigten auf einer Skala an, wie viel Energie sie in ihre Aufgaben stecken, und wie viel Spaß sie dabei haben. Je höher der Score, desto zufriedener und motivierter ist die Person. Die absoluten Zahlen seien allerdings gar nicht so wichtig, sondern der Verlauf, sagt Knälmann: "Alle Führungskräfte erhalten die Ergebnisse ihres Teams. Sacken die Punkte beim Wert Zufriedenheit ab, stehen sie selbst in der Verantwortung, Verbesserungspotenziale zu erkennen."

Damit alle Beteiligten wissen, welche Werte ihrem Tun zugrunde liegen sollen, hat die Personalabteilung Maßnahmen wie Onboardings im Köcher, bei denen die Unternehmenswerte vermittelt werden. "Am wichtigsten ist jedoch der Arbeitsalltag", sagt Knälmann. Hier sollen die 65 Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen. In Seminaren lernen sie, wie sie ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld schaffen, Zusammenarbeit fördern und dafür sorgen, dass ihre Teammitglieder Spaß haben. So ist ein gemeinsames Feierabendbier auf der Terrasse nicht nur geduldet, sondern gewünscht.

Um einen abstrakten Wert wie "Vertrauen" greifbar zu machen, hat die Geschäftsführung daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet, die auch im Führungskräfteleitbild stehen. Teamleitungen sollen regelmäßig Feedback geben, zu ihrem Wort stehen und die Meinung anderer respektieren. Macht jemand einen Fehler, gibt es Unterstützung statt Maßregelung, beispielsweise durch Gespräche.

Die Unternehmenskultur muss greifbar sein

Verliert sich eine Führungskraft im Mikromanagement, widerspricht sie damit den Unternehmenswerten Vertrauen und Verantwortung: "Wenn eine Führungskraft jede Rechnung selbst freigeben will, zeugt das von Misstrauen", nennt Knälmann ein Beispiel. "Wir trauen unseren Mitarbeitenden viel zu und wollen sie nicht überwachen. Von unseren Führungskräften erwarten wir, dass sie unser Vertrauen in sie an ihr Team weitergeben und diese Werte wirklich leben." Das macht sich schon bei der Besetzung von Führungspositionen bemerkbar. Angehende leitende Angestellte müssen ein Assessment-Center absolvieren, in dem Leadership-Fähigkeiten, Persönlichkeitsmerkmale und die eigene Haltung zu Führungsherausforderungen getestet werden, etwa durch Präsentationsaufgaben, Rollenspiele und Interviews.

Beim Gewerbeimmobilienmakler Avison Young lautet die Leitvision: "Wir wollen nachhaltige Werte schaffen in den Bereichen People, Unternehmen und Umwelt", sagt Katharina Biermann, Geschäftsführerin in Deutschland und Standortleiterin in Berlin. Deshalb ist soziales Engagement bei Avison Young fester Bestandteil der Unternehmenskultur. Beim jährlichen "Day of Giving" helfen Mitarbeitende weltweit beispielsweise in Notunterkünften und geben Essen aus. "Werte vermittelt man nicht auf Marketingfolien, sondern durch das, was man tut", sagt Biermann.

Avison Young nutzt Townhall-Calls, um mit den Mitarbeitern immer wieder über Unternehmenswerte zu sprechen. "Gerade in unsicheren und herausfordernden Zeiten ist es wichtig, dass man sich in Erinnerung ruft, wofür man steht und warum man zur Arbeit kommt", sagt Biermann. In der jährlichen Mitarbeiter-Engagement-Umfrage fragt das Unternehmen ab, ob die Beschäftigten die Vision mittragen und sich über die Unternehmenswerte gut informiert fühlen.

Damit Sorgen und Nöte von Mitarbeitern nicht im Verborgenen bleiben, hört bei Apoprojekt einer ganz genau hin: der "Betriebspfarrer". Er ist zwar kein richtiger Geistlicher, aber hat "so feine Antennen für seine Mitmenschen, dass ich ihn gerne so nenne", sagt Geschäftsführer Knälmann. Der Kollege ist in der HR angesiedelt und organisiert unter anderem Onboarding-Events, führt Teamworkshops durch und sitzt mit in Konfliktgesprächen. "Sein Job ist es, an neuralgischen Punkten in Erscheinung zu treten, sodass alle ihn kennen und mit ihm ins Gespräch kommen können." Er hört in die Organisation hinein, hat Zeit dafür, sich mit den Menschen hinzusetzen und ein Gefühl für die Stimmung in der Firma zu bekommen – wie ein gut vernetzter Dorfpfarrer. Denn ganz ohne Gefühl geht es in der Unternehmenskultur dann doch nicht 

Die Autorin: Anna Friedrich ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Anna Friedrich