Die Erfahrung macht es und nicht die Software

Auch beim Verkauf von Logistikimmobilien wie der der Hella Werkzeugbau werden Gutachten nachgefragt.

Auch beim Verkauf von Logistikimmobilien wie der der Hella Werkzeugbau werden Gutachten nachgefragt.

Bild: Engel & Völkers

Karriere 31.10.2013
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Immobilienbewertungen werden immer mehr nachgefragt. Der Immobilienkunde benötigt sie für die Finanzierung. Die Bank arbeitet damit bei der Bewertung ihrer Kredite, und jedes Unternehmen, das jährliche Bilanzen vorlegt und Immobilienbesitz hat, muss für diesen auch eine Wertermittlung vorlegen. Doch wer kann solch ein Gutachten liefern? Der Makler? Der Gutachter? Welche Ausbildung ist dafür nötig, und wie sieht es mit der Haftung für diese Bewertung aus? Ein Einblick in die Wertermittlung.

Sie heißen ST-Xenn und K.IM, Basic und Market-Value. Bei deutschen Banken gehört Lora zum Standard, international ist das cashflowbasierte System Argus gefragt. "Manche Gutachter haben bis zu fünf Programme im Büro, weil jeder Kunde ein anderes Produkt benutzt", verrät Steffen Schröder. Er ist öffentlich vereidigter Sachverständiger und als Gutachter tagtäglich damit betraut, Wohn- und Logistikimmobilien, Handels-, Gewerbe- und Bürobauten zu bewerten.

Aus Unsinn kann auf keinen Fall Wahrheit werden

"Die Software allerdings", da ist er sich mit Falk Schollenberger, Managing Partner bei NAI apollo valuation & research, einig, "sagt über die Qualität der letztlichen Bewertung nichts aus." Drastischer ausgedrückt: "Wo Unsinn eingegeben wird, kann keine Wahrheit herauskommen", nennt Schollenberger das Problem beim Namen. Es ist also letztlich nicht das verwendete Programm, das einem Gutachter dazu verhilft, eine stimmige Immobilienbewertung abzugeben, sondern die fundierte Ausbildung und vor allem die eigene Erfahrung. Die braucht er auch, denn er haftet bis zu 30 Jahre lang für seine Aussagen.

Entsprechend sind die meisten Maklerbewertungen keine wirklichen Bewertungen, sondern Einschätzungen, die jene aufgrund ihrer Erfahrung im Markt machen. "Diese einfachste Form der Bewertung wird in unserem Haus oft von erfahrenen Mitarbeitern gemacht, die die jeweilige Gegend und den dortigen Immobilienbestand sehr gut kennen und die Immobilie auch besichtigt haben. Sie ist im ersten Schritt oft sogar kostenfrei", erzählt Alexander Lampert, Geschäftsführer von Engel & Völkers Commercial Hamburg.

Etwas fundierter ist das Meinungsbild, das ein Makler einem Kunden im Rahmen eines normalen Verkaufsprozesses gibt. Es ist meist hinterlegt mit Vergleichsobjekten, basiert aber nicht auf Verfahren der Ermittlungsverordnung. Gutachten, die eine Bank etwa im Rahmen einer Finanzierung einfordert, sind hingegen rechtsverbindlich und müssen von ausgebildeten Sachverständigen bzw. Gutachtern ausgestellt werden. Sie müssen die Wertermittlungsverordnung abbilden und der Gutachter kann für sie haftbar gemacht werden. Noch haftungsanfälliger sind Gutachten, die im Rahmen von Börsengängen erstellt werden, denn hier haftet der ausstellende Sachverständige gegenüber jedem, der diese Aktie zeichnet. Auch bei jährlich erscheinenden Bilanzierungen diverser Unternehmen werden Gutachten gefordert, da mit ihrer Hilfe der Wertverlust bzw. Wertgewinn der im Bestand gehaltenen Immobilien errechnet werden kann.

Ausbildung ja, doch die Erfahrung macht den Meister

Wer als Gutachter solche Arbeiten erledigen kann, ist zumindest aktuell gut im Geschäft. Denn angesichts des florierenden Immobilienmarkts fließen die Aufträge und versprechen ein regelmäßiges hohes Einkommen. Nur, für jeden ist das Geschäft nicht zugänglich. Sachverständige, die Gutachten vorlegen dürfen, müssen eine Ausbildung durchlaufen. Diese endet im Regelfall mit der sachlichen und fachlichen Prüfung seitens der IHK. Eine Mitgliedschaft bei dem internationalen Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) wird insbesondere von internationalen Kunden gefordert und die Kompetenz des Bewerbers beim Eintritt auch hier geprüft. Das so genannte HypZert ist wiederum eine Zertifizierung, die von akkreditierten Ausbildungsstellen abgenommen wird, und auch die Ausbildung per Hochschulstudium ist möglich.

"Es gibt sehr unterschiedliche Anforderungen an die Berufszugehörigkeit", verrät Schröder, "doch sicher ist, dass ein Gutachter multidisziplinäres Wissen haben muss." Neben der Fachausbildung ist zudem die tägliche Bewertungsarbeit eine unabdingbare Voraussetzung für die Qualität der Arbeit. Entsprechend setzen viele Zertifizierungen eine fünf- bis siebenjährige Berufserfahrung voraus. Die muss der Gutachter allerdings erst einmal erwerben.

Klar, dass es sich da auszahlt, wenn jemand wie Falk Schollenberger fundierte Erfahrung aufweisen kann. Schollenberger ist seit 15 Jahren in der Bewertung tätig. Bevor er bei NAI apollo valuation & research einstieg, war er bei Jones Lang LaSalle und zuvor bei Dr. Lübke tätig. Letzterer war damals eines der ersten Unternehmen, das sich mit der Bewertung von Wohnraum beschäftigte. In der Folge war Schollenberger auch bei Jones Lang LaSalle in dem Team dabei, das dort die Wohnraumbewertung erstmals einführte. "Wohnen und Gewerbe sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Bewertungswelten", informiert er. Natürlich müsse man in beiden Fällen viele Details prüfen, das Grundbuch begutachten, Liegenschaftskarten wälzen und natürlich das Objekt besichtigen.

Doch bei Gewerbebauten spiele vor allem der über fünf oder zehn Jahre angelegte Mietvertrag in Verbindung mit der Nachvermietungswahrscheinlichkeit eine Rolle bei der Einschätzung des tatsächlichen Gebäudewertes. Dazu komme der Eingangsbereich, das Entrée, das sowohl im Gewerbeals auch im Wohnsektor über den ersten Eindruck von der Anlage entscheidet. Im Wohnsektor sind zudem noch eine Reihe weiterer Faktoren für den endgültigen Wert des Objekts ausschlaggebend. Der Mieter kann praktisch jeden Tag entscheiden, ob er ausziehen möchte. Zudem gibt es eine ganze Reihe von weichen Faktoren wie den Grundriss der Wohnung oder die Mieterstruktur. "Wer einmal in einem Haus gewohnt hat, in dem ein Nachbar nachts gerne Partys feiert, weiß, wie wichtig jene Struktur ist", lacht Schollenberger. Auch das Vorhanden- oder Nicht-Vorhandensein eines Balkons kann für eine Nachvermietung ausschlaggebend sein.

Eine kleine Wohnung, in der gerade einmal ein Single Platz findet, vermietet sich auch ohne Balkon. Denn der Single zieht einfach aus, wenn er einen Partner gefunden hat, mit dem er zusammenziehen möchte. Eine große Wohnung ohne Balkon ist hingegen kaum vermietbar. Denn sie wird in der Regel von Familien bewohnt, die natürlich langfristiger denken. In ländlichen Gegenden haben hingegen Wohnungen über 100 m2 Wohnfläche keinen Markt, denn hier ist in dieser Größenordnung eher das Haus gefragt. In Häusern ohne Aufzug sind wiederum die obersten Wohnungen preiswerter als jene in Häusern mit Aufzug. "Das ist der so genannte Kraxelbonus", schmunzelt der Immobilienfachmann weiter, "den weiß jeder zu schätzen, der einmal einen Wasserkasten in das oberste Stockwerk geschleppt hat."

Alle diese Feinheiten kann keine Software bewerten. Sie ist lediglich ein Mittel, um die Gedankengänge des Bewerters weiterzugeben. Deshalb sind die Erfahrung und das Wissen jenes Fachmanns im jeweiligen Markt ein unverzichtbares Instrument für eine qualitativ hochwertige Bewertung. "Hilfsmittel ist dabei oft auch das gute alte Excel, mit dem sich viele Daten eingeben lassen, die ansonsten untergehen", erklärt Schollenberger.

Sämtliche Annahmen wollen offengelegt werden

Denn eine wirklich gute Immobilienbewertung muss sämtliche Annahmen offenlegen. Sie muss darstellen, wie der Bewerter zu seinem Ergebnis kommt, und dies auch begründen. Zur Begründung gehört bei der Wohnraumbewertung etwa der fehlende Balkon, beim Einzelhandel hingegen das Vorhandensein direkter Konkurrenz am selben Standort.

Entsprechend besteht ein Gutachten aus drei Bestandteilen. Teil eins beschreibt das Objekt, das der Bewerter am betrachteten Stichtag besichtigt hat. Es wird beschrieben und in der Anlage oft mit Fotos, Grundbuchauszug und mehr dokumentiert. "Der Stichtag des Gutachtens ist wichtig, denn entsprechend der Marktentwicklung kann ein Objekt bereits nach einem Jahr einen komplett anderen Preis erzielen", erläutert Schröder. Im Anschluss steht die Abbildung des Marktes und die Einpassung des Objekts in seinen Eigenschaften in diesen Markt. In diesem Zusammenhang müssen der Ertrags- und Sachwert sowie der Vergleichswert des Objekts nach der Ermittlungsverordnung angegeben werden. Hier finden entsprechende Modelle und Kalkulationen sowie Wertableitungen Platz. Das Ergebnis stellt schließlich die klare Einschätzung des Objekts selbst dar, natürlich in Kombination mit den Zusatzinformationen, die der jeweilige Gutachter im Zusammenhang mit der Bewertung gesammelt hat.

Entsprechend der unterschiedlichen Umfänge der Gutachten differieren die Kosten dafür. Früher wurde nach HOAI abgerechnet, inzwischen sind die Preise frei vereinbar. Weil Gutachter aber für ihre Gutachten haften, müssen sie in ihre Kalkulation auch eine entsprechende Versicherung mit einberechnen, und die kann sehr hoch liegen.

Lohnt es sich also, als Makler auch ins Gutachtergeschäft einzusteigen? Nun, als kurzes Zusatzgeschäft eignet sich dieser Marktzweig sicher nicht, allein schon aufgrund der Versicherungssummen und der nötigen Ausbildung. Sicher ist jedoch, dass gute Gutachter hierzulande gut im Geschäft sind. "Ein Sommerloch", so lächelt Schollenberger, "kenne ich derzeit nicht."

Christine Ryll

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Senior Real Estate Consultant, KPMG Schweiz

Geboren 1995. Kontakt: mschneller@kpmg.com

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Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen Bau und Immobilien. Praktika Projektentwicklung und Immobilienbewertung. M.Sc. Real Estate Development, University of Westminster, London.

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Selbstständige Durchführung einer großen Immobilientransaktion zwei Wochen nach Arbeitsbeginn. Stellvertretende Mandatsleitung und Bewerterin eines Portfolios von 70 Liegenschaften im ersten Arbeitsjahr. Zwölfwöchiges Baustellenpraktikum im Winter.

Ziele

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Sie sind jung, haben tolle Jobs bei tollen Unternehmen - aber das reicht ihnen nicht: Frederik Walbaum, Dominik Talhof und Michael Urmann wollen mehr. Die Welt verändern. Oder doch zumindest die Immobilienbranche, denn die hat einen nicht ganz unwesentlichen Einfluss auf das restliche Weltgeschehen.

Gedacht, getan: Die Youngster, die alle erst Ende 20 sind, sind mit den Vorbereitungen für ein Netzwerk der "Most Aspiring Talents" (MAT) der Branche fertig. Ihre Ziele: Der bei den herkömmlichen Netzwerkveranstaltungen oft unterrepräsentierten Next Generation eine starke Stimme geben. Gegebenheiten nicht einfach hinzunehmen, sondern zu hinterfragen und weiterdenken - und so neue Impulse in den Markt und die bestimmenden Unternehmen zu tragen.

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Urmann sieht in der hiesigen Proptechlandschaft Luft nach oben: "Die ist gut, aber recht dünn besetzt." Wer, wenn nicht die Digital Natives, "die das richtige Mindset mitbringen", wie Walbaum findet, könnte dabei helfen, dieses zarte Pflänzchen zu düngen? Den jungen Männern schwebt ein "hochmotivierter, interdisziplinärer Thinkthank" vor, der über Unternehmensgrenzen und Geschäftsfelder hinausreicht.

Damit das Netzwerk stetig wächst, kürt eine unabhängige Jury - frei nach der Forbes-Liste 30 Under 30 - jedes Jahr 30 Immobilientalente unter 30. Der Startschuss für die Bewerbungsphase ist diesen Montag auf der IZ-Karrierewoche gefallen, der ersten digitalen Jobmesse für die Immobilienwirtschaft. "Es gibt viele Awards, wo Leute für ihr Lebenswerk ausgezeichnet werden oder weil sie ein großartiges Projekt auf die Beine gestellt haben. Wir rücken junge Professionals aus der zweiten Reihe in den Fokus, die die Branche noch bestimmen werden."

Bewerben können sich die Hoffnungsträger in spe seit dieser Woche. Dort füllen alle Kandidaten ein einheitliches Template aus. "Wir suchen Personen, die über den Tellerrand der Branche hinausgucken", stellt Urmann klar. Kandidaten sollten sich tunlichst die Frage gestellt haben: "Wie soll die Immobilienwirtschaft und die Welt im Ganzen aussehen und was kann ich dazu beitragen?" Und auch eine Antwort darauf gefunden haben. Nur einen guten Job zu machen, reicht nicht. Ein wichtiges Element ist: Gesellschaftliches Engagement. Das könnte z.B. die Unterstützung von Schülern oder Studierenden aus finanziell schwachen Familien sein.

Walbaum sähe gern auch ein paar Kandidaten aus anderen Bereichen als dem Investment-, dem Asset-Management oder der Immobilienberatung, "die schon vom Naturell her mehr outgoing sind". Explizit angesprochen fühlen sollen sich u.a. zum Beispiels auch Finanzierer oder Bauingenieurinnen, die in den einschlägigen Netzwerken tendenziell unterrepräsentiert sind.

Letztlich hat aber die siebenköpfige Jury das entscheidende Wort. Für diese haben die Väter des MAT-Awards das eine oder andere prominente Gesicht aus der Branche rekrutiert. In dem Gremium sitzen: Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende RICS Deutschland; Sandra Scholz, Vorstandsmitglied von Commerz Real; Larissa Lapschies, Geschäftsführerin der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft und Gründerin des Nachwuchsnetzwerks Immobilienjunioren; Thomas Beyerle, Managing Director von Catella Property Valuation; Alexander Ubach-Utermöhl, Geschäftsführer von blackprint Booster: Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter bulwiengesa, und Thomas Porten, Herausgeber der Immobilien Zeitung (IZ).

Die IZ ist exklusiver und eng begleitender Medienpartner des Projekts. Der Veranstalter Heuer Dialog, eine Tochter der IZ, wird die Preisverleihung am 23. April 2021 in Berlin organisieren. Diese soll, der Altersklasse entsprechend, nicht so steif wie manches andere Branchenevent, sondern in lockerer Partyatmosphäre über die Bühne gehen.

Die Initiatoren kommen übrigens aus der Welt der Berater, alle mit JLL-Vergangenheit bzw. -Gegenwart. Frederik Walbaum gehörte seinerzeit zum damals mit elf ausgewählten Köpfen bestückten Talentprogramm von JLL. Heute ist er Senior Associate bei PwC Real Estate. Dominik Talhof leitet das Bürovermietungsteam von JLL in Hannover, Michael Urmann ist in der Hannoveraner Niederlassung des Maklerhauses Senior Consultant Investment.

Unterstützung erhalten die drei von ihrem Freund Henry Alves, der sich ums Marketing kümmert. Offiziell treibt der eigens für diesen Zweck gegründete Förderverein der Deutschen Immobilienwirtschaft (FDI) das Projekt voran.

Harald Thomeczek

Mit einem Mentor geht es leichter voran

Mentee Yoon Sun Choi und ihr Mentor Jan Bettink auf der Abschlussveranstaltung des ersten Cross-Mentoring-Jahrgangs im November 2016 in Berlin.

Mentee Yoon Sun Choi und ihr Mentor Jan Bettink auf der Abschlussveranstaltung des ersten Cross-Mentoring-Jahrgangs im November 2016 in Berlin.

Bild: Pictureblind/Jürgen Sendel

Karriere 19.01.2017
Die Immoebs schickt ihr CrossMentoring-Programm im März in die zweite Runde. Was das Förderprogramm bringen kann, zeigt das Beispiel von Yoon Sun Choi. Ihr Mentor Jan Bettink half ihr, ... 

Die Immoebs schickt ihr CrossMentoring-Programm im März in die zweite Runde. Was das Förderprogramm bringen kann, zeigt das Beispiel von Yoon Sun Choi. Ihr Mentor Jan Bettink half ihr, die Weichen in einer beruflichen Umbruchphase neu zu stellen.

Choi war zwar nur eine von wenigen Mentees unter insgesamt 17 Teilnehmern des Pilotprojekts, die das Mentoringprogramm "Immoment" des Alumni-Netzwerks für eine berufliche Neuorientierung nutzen wollten und die ihren damaligen Arbeitgeber darum auch nicht über ihre Teilnahme informierten. Doch gerade deshalb ist die Koreanerin das beste Beispiel für ein gelingendes Mentoring.

Choi kam mit 15 Jahren nach Deutschland, machte ihr Abi an der Internatsschule Schloss Salem, studierte an in Cottbus und Berlin Architektur mit dem Abschluss Diplom-Ingenieurin und sattelte an der Irebs noch einen Abschluss als Immobilienökonomin drauf. Als sie sich im Herbst 2015 für Immoment bewarb, war ihre Entscheidung, ihren Arbeitgeber, wo sie nach einem Trainee-Programm seit September 2011 als Projektmanagerin in der CREM-Abteilung tätig war, zu verlassen, praktisch schon gefallen. "Sie war unzufrieden mit ihrem Job, mit der Pendelei zum 200 Kilometer entfernten Wohnort, war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung", erinnert sich ihr Mentor Bettink, Ex-Chef der Berlin Hyp.

Die Aufgabe, die ihm an diesem Wendepunkt von Chois Karriere zufiel, beschreibt Bettink so: "Ich konnte helfen, Ruhe zu bewahren." Als Choi die Entscheidung, zu kündigen, endgültig getroffen hatte, "wirkte sie wie befreit", erinnert sich ihr Mentor. Doch neben der Unzufriedenheit mit ihrem alten Job und dem nervigen Arbeitsweg hatte die heute 36-jährige Koreanerin noch ein Problem, genauer: zwei. Jedenfalls nahm sie das damals so wahr: "Ich bin Ausländerin, und das sieht man mir an. Und ich bin eine Frau. Beides zusammen kommt in der Immobilienwirtschaft selten vor", sagt die in Seoul Geborene, die übrigens exzellent Deutsch spricht, mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit.

In dem Karriereförderprogramm suchte sie nicht nur einen neutralen Diskussionspartner, mit dem sie unter vier Augen offen über alles reden konnte. Auch die Aussicht auf einen vertrauensvollen Austausch mit Young Professionals aus anderen Unternehmen und vor allem mit Immobilienfrauen, die womöglich ähnliche (negative) Erfahrungen wie sie gemacht hatten, reizte sie. Und tatsächlich waren der Erfahrungsaustausch und die Möglichkeit zur Selbstreflexion, die dieser Austausch mit anderen Mentees bot, für Choi das Wichtigste an dem Programm.

"In den Tandemgesprächen können Nachwuchskräfte den Smalltalk umgehen und direkt Fragen stellen", wirbt Svetlana Gippert, Geschäftsführerin der Immoebs, denn auch für Immoment. Und durch die unternehmens- und generationsübergreifende Vernetzung "entstehen Kontakte fürs Leben!"

Alle vier bis sechs Wochen trafen sich Bettink und Choi in seinem Büro in Berlin. Er reservierte sich gleich zu Beginn des Programms rund zehn Zeitfenster in seinem Terminkalender und nahm sich jeweils zwei, drei Stunden für die vielen Anliegen der Young Professional Zeit. Choi definierte Ziele, bereitete die einzelnen Treffen akribisch vor und protokollierte jede Sitzung. "Ein Mentor hat wenig Zeit, als Mentee muss man die Tandem-Treffen darum sehr genau vorbereiten."

Flankiert wurde die Arbeit des Tandems von drei Rahmenveranstaltungen, auf denen alle Mentees und Mentoren zusammenkamen, sowie von Workshops (u.a. wurden Kooperation und Kommunikation in Stresssituationen in einem Flugsimulator trainiert), Mentee-Stammtischen und einem Präsentationstraining in Form von Einzelcoachings.

Bettink wirkte darauf hin, dass Choi, die nach seinen Worten zuvor an einer "gewissen Selbstunterschätzung" litt, künftig "selbstbewusster an die Dinge herangeht". Die Kombination Frau und Ausländerin sei ja auch ein "Alleinstellungsmerkmal". Er habe daher versucht, ihre Grundeinstellung zu verändern. Bettinks Bemühungen fruchteten anscheinend: Im Juli 2016, also während des Mentoring-Programms, fand Choi eine neue Stelle. Sie arbeitet heute als Projektentwicklerin bei der Gewerbeimmobilien-AG Officefirst in Frankfurt, die die IVG bekanntlich unlängst für 3,3 Mrd. Euro an den US-Finanzinvestor Blackstone verkauft hat.

Es ist nun allerdings nicht so, dass alle Teilnehmer, die das Programm besuchen, sich bereits innerlich von ihrem Arbeitgeber verabschiedet hätten, ganz im Gegenteil. Generell lebe das Programm, betont Gippert, davon, "dass die Arbeitgeber die Teilnahme befürworten und die Teilnehmer ins Programm entsenden". So z.B. setze die Berlin Hyp, einer von mittlerweile sechs Sponsoren des Programms - neben Bernd Heuer & Partner Human Resources, RICS Deutschland sowie neuerdings auch dem ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, Beos und CBRE - Immoment "im Rahmen einer speziellen Spitzenqualifizierung von Young Professionals ein", erklärt Sabine Olejnik, Personalleiterin der Bank. Man habe daher "schon für zwei weitere Jahre eine Beteiligung zugesichert".

Im März 2017 geht Immoment in die zweite Runde, noch können Bewerber auf den Zug aufspringen. Die Teilnahme kostet 1.260 Euro. Im Pilotprojekt übernahmen zahlreiche Arbeitgeber die Kosten. Formale Voraussetzung ist eine Mitgliedschaft bei Immoebs. Wer es ernst meint, muss sich schon die Mühe machen und ein Schreiben aufsetzen, das eine ausgeprägte Motivation erkennen lässt, sich beruflich und persönlich weiterentwickeln zu wollen. "Außerdem muss sich der Bewerber bzw. die Bewerberin in unser Netzwerk einbringen wollen. Eine reine Konsumhaltung ist nicht erwünscht", sagt Immoebs-Geschäftsführerin Gippert.

Die Teilnehmer der ersten Runde wurden offenbar für ihre Mühen belohnt. Gippert zufolge sind "die meisten jetzt deutlich zufriedener als vorher mit ihrer beruflichen Situation", wie eine Evaluation des Pilotjahrgangs ergeben habe. Vier Mentees haben das Unternehmen gewechselt und eine neue Aufgabe übernommen, einer von ihnen sogar Führungsverantwortung. Ein anderer hat sich selbstständig gemacht, wieder ein anderer berichtet von einer "deutlichen" Gehaltserhöhung. Vier Mentees haben eine neue Position bei ihrem bestehenden Arbeitgeber erklommen oder dort eine neue Aufgabe bekommen.

Im nächsten Durchgang von Immoment werden Mentoren und Mentees nicht nur das Rahmenprogramm gemeinsam bestreiten, sondern die Mentoren werden auch an einzelnen Workshops teilnehmen. Fest eingeplant ist z.B. ein Fachtag zur Innovationsmethode Design Thinking für die gesamte Gruppe. Bettink und andere Mentoren der ersten Stunde stellen sich wieder zur Verfügung. Neu dabei ist ZIA-Geschäftsführer Stephan Rabe. Er möchte seinem künftigen Mentee u.a. von der "Hubschrauberperspektive", die der ZIA als Verband hat, profitieren lassen und Lobbyarbeit als Berufsbild in der Immobilienwirtschaft näherbringen. In jedem Fall, so Rabe, der bereits einige Erfahrung als Mentor außerhalb der Immobilienbranche gesammelt hat, "wird das keine Einbahnstraße sein: Als Mentor bekommt man immer auch den Spiegel vorgehalten".

Harald Thomeczek