ECE und Dreso stellen Gros der Neueinstellungen zurück

Steffen Szeidl, Vorstandsmitglied von Drees & Sommer, will Neueinstellungen vorerst nur noch auf "strategisch relevanten" Positionen vornehmen.

Steffen Szeidl, Vorstandsmitglied von Drees & Sommer, will Neueinstellungen vorerst nur noch auf "strategisch relevanten" Positionen vornehmen.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Ulrich Schüppler

Karriere 23.03.2020
Die Wucht der Bekämpfung des Coronavirus trifft auch die Immobilienwirtschaft. Wie hart, weiß niemand. Weil sie nur noch auf Sicht navigieren können, haben sich mindestens zwei große ... 

Die Wucht der Bekämpfung des Coronavirus trifft auch die Immobilienwirtschaft. Wie hart, weiß niemand. Weil sie nur noch auf Sicht navigieren können, haben sich mindestens zwei große Unternehmen Zurückhaltung bei der Einstellung neuer Mitarbeiter auferlegt. Das ist ein erstes Ergebnis einer stichprobenhaften Blitzumfrage der Immobilien Zeitung unter namhaften Immobilienarbeitgebern.

"Gegenwärtig kümmern wir uns mit absoluter Priorität darum, dass alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal ausgelastet sind. Einen großen Teil der geplanten Neueinstellungen haben wir daher auf einen späteren Zeitpunkt verschoben", sagt Steffen Szeidl aus dem Vorstand des Stuttgarter Beratungs- und Planungsunternehmens Drees & Sommer (Dreso).

Zur Zukunftssicherung gehört für ihn und seine Kollegen aus dem Management und Partnerkreis des Unternehmens aber auch, "strategisch relevante Positionen weiterhin zu besetzen". Dazu zählen, so Szeidl, "die Stellen, die unseren übergeordneten Unternehmenszielen dienen, Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche weiter zu verankern". Denn hier sieht Dreso eine langfristig steigende Nachfrage - und damit große Wachstumschancen. Das Unternehmen beschäftigt aktuell ca. 4.300 Menschen an weltweit mehr als 40 Standorten.

ECE stellt nur noch für Spezialpositionen ein

Stark und unmittelbar von der Coronakrise betroffen ist die ECE, deren größtes Standbein das Centermanagement ist. Viele Einzelhändler mussten in den letzten Tagen schließen; geöffnet bleiben dürfen nur Geschäfte, die der Grundversorgung dienen. "Unsere Center laufen aufgrund der aktuellen Beschränkungen für den Einzelhandel nur noch im Teilbetrieb, und das führt auch bei der ECE zu erheblichen Umsatzeinbußen", so ECE-Presssesprecher Lukas Nemela.

Zudem gebe es natürlich große Herausforderungen in der Projektentwicklung. "Wir haben daher in der aktuellen Situation die Neueinstellungen weitgehend heruntergefahren und stellen vorerst nur noch in Einzelfällen für bestimmte Spezialpositionen ein. "Mit der Finanzkraft der Eigentümerfamilie Otto im Rücken sieht sich die ECE mit rund 3.400 Mitarbeitern im In- und Ausland jedoch gut für die Krise gerüstet.

Auch so manches andere große Immobilienunternehmen soll sich, von der Wucht der Ereignisse rund um die Eindämmung des Coronavirus überrollt, in der vergangenen Woche einen regelrechten Rektrutierungsstopp verordnet haben, wie aus Marktkreisen verlautet. Zu groß sei die Unsicherheit der Auswirkungen der Krise z.B. auf die Investmentmärkte.

Consus und Pandion treten (noch) nicht auf die Bremse

Keine Zurückhaltung bei Neueinstellungen erlegen sich die beiden Projektentwickler Pandion aus Köln und Consus aus Berlin auf. Von einem Einstellungsstopp weiß Anette von Zitzewitz, Head of Corporate Communications des Wohnungsentwicklers Consus, nichts. "Im Gegenteil, wir haben Stellen ausgeschrieben und suchen Mitarbeiter, auch auf Projektleiterebene. Wir haben gegenüber unseren Kunden die Verpflichtung, unsere Projekte fertig zu bauen." Bei Consus inklusive der Töchter Consus Swiss Finance (früher SSN Group) und CG Gruppe arbeiten rund 800 Leute.

Neueinstellungen auf ein Minimum beschränken, neue Kollegen in der Probezeit auf den Prüfstand stellen, Kurzarbeit oder gar Entlassungen - die Palette denkbarer Reaktionen auf die Coronakrise an der Personalfront ist breit. Bei Pandion ist all das derzeit kein Thema: "Maßnahmen dieser Art sind bei Pandion weder getroffen noch geplant. Aus unserer Sicht ist es viel zu früh, derartige Entscheidungen jetzt zu treffen", erklärt Rahel Camps, Leiterin Unternehmenskommunikation des Kölner Unternehmens. Bei Pandion entwickeln, bauen und vertreiben rund 180 Kollegen Wohn- und Gewerbeobjekte.

Noch haben nicht alle Unternehmen auf die am Wochenende gestartete IZ-Blitzumfrage zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf Jobs in der deutschen Immobilienwirtschaft reagiert. U.a. stehen noch Antworten von Cushman & Wakefield, CBRE, Instone Real Estate oder Patrizia aus. Sie wollen uns wissen lassen, wie Sie sich auf der Personalseite für mögliche Folgen der Corona-Bekämpfung auf Ihr Geschäft wappnen? Eine Mail (thomeczek@iz.de) oder ein Anruf genügen (0611-97326-38).

Harald Thomeczek

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Was wollen Studierende vom Arbeitsmarkt?

Karriere 14.03.2024
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Die Arbeitsmarktumfrage 2024 der Immobilien Zeitung (IZ) hat begonnen. Bis zum 21. April können Studierende aus immobilienwirtschaftlichen Studiengängen Arbeitgeber bewerten, sowie ihre Vorstellungen bei Gehalt und Tätigkeit angeben.

Beim Einstieg in die Immobilienbranche suchen sich Nachwuchstalente ihren Arbeitgeber ganz bewusst aus. Dafür achten sie auf den Ruf der Unternehmen und fragen gezielt nach Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Aber auch von ihrem Einstiegsgehalt haben sie genaue Vorstellungen. Das zeigte die letztjährige IZ-Arbeitsmarktumfrage, an der mehr als 400 Studenten, die kurz vor ihrem Abschluss standen, teilgenommen haben. Die meisten von ihnen träumten von einer Karriere in der Projektentwicklung und von großen Konzernen erwarteten sie höhere Gehälter als bei mittelständischen Unternehmen.

Doch wie sieht es in diesem Jahr aus? Wie sicher sind sich die Studenten, schon mit Abgabe der Abschlussarbeit einen Job in der Tasche zu haben, und was wollen sie in den ersten Berufsjahren verdienen? Diesen Fragen geht die IZ mit der diesjährigen Umfrage nach, die bis Sonntag, 21. April läuft.

Teilnehmen können Studierende, die in den kommenden vier Semestern ein Studium in einem Fach mit immobilienwirtschaftlichem Bezug an einer Hochschule beenden. Dazu gehören z.B. angehende Architekten und BWLer, Studenten der Fächer Facility-Management und Gebäudetechnik genauso wie die, die Geografie oder auch Immobilienwirtschaft/-management und Bau-/Projektmanagement, Stadtplanung/Raumplanung und Ingenieurwesen belegt haben.

Wer eine gültige Studienbescheinigung hochlädt, kann den Fragebogen online ausfüllen. Die Teilnahme dauert etwa 15 bis 20 Minuten. Damit sich die Mühe lohnt, werden unter allen Teilnehmern Preise verlost. Es winken Abos der Immobilien Zeitung, Tickets für das IZ-Karriereforum, das am 8. Juni in Frankfurt Arbeitgeber und den Nachwuchs zusammenbringt, Eintrittskarten für den Europa Park, Rucksäcke von Got Bag, ein Apple iPad der 10. Generation und Airpods der 3. Generation.

Als Partner unterstützen in diesem Jahr BNP Paribas Real Estate Deutschland, CBRE, Drees & Sommer, die ECE Group, Swiss Life Asset Managers Deutschland, Patrizia, Kaufland Immobilien, die LBBW Immobilien-Gruppe, Art-Invest Real Estate, Commerz Real, HIH Real Estate, Europa Park und die Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (Gif) die Arbeitsmarktumfrage der Immobilien Zeitung.

Janina Stadel

Erfolgreicher ist, wer sie hat – Entscheiderinnen der Immobilienbranche

Karriere 02.03.2023
In allen Segmenten gibt es qualifizierte Frauen, die die Immobilienbranche erfolgreich mitgestalten und in ihren Unternehmen Verantwortung tragen. Umso wichtiger, dass sie sichtbar sind und ... 

In allen Segmenten gibt es qualifizierte Frauen, die die Immobilienbranche erfolgreich mitgestalten und in ihren Unternehmen Verantwortung tragen. Umso wichtiger, dass sie sichtbar sind und sichtbarer werden – trotz ihrer Unterzahl in Führungspositionen.

Am 8. März wird rund um den Globus Weltfrauentag gefeiert. Grund genug für die Immobilien Zeitung (IZ) eine Handvoll Branchenvertreterinnen zu fragen, welche "Sie" aus ihrer Sicht bemerkenswert ist. Herausgekommen ist eine Gruppe von zwanzig Entscheiderinnen der Branche, die sich in der IZ vorstellen. Stellvertretend und als Vorbilder für andere weibliche Immobilienprofis.

Wenn
Sie mehr zu Vita und Statement der Branchenvertreterinnen erfahren möchten, klicken Sie einfach den gewünschten Artikel an.
Tina Reuter
Head of Asset Services EMEA bei Cushman & Wakefield: „Ich genieße es, täglich mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Hintergründen zusammenzuarbeiten.“
Sandra Wehrmann
Vorstandsmitglied bei Degewo: „Die Wohnungswirtschaft ist vielfältig und nah an den Menschen und an gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und auch technischen Entwicklungen.“
Anja Danelsing
Head of Corporate Finance, HR & Business Administration bei Gerchgroup: „Frauen benötigen Vorbilder, die zeigen, dass erfolgreiche Führung nichts mit dem Geschlecht zu tun hat.“

Tina Siebenhaar
Partnerin bei Bryan Cave Leighton Paisner: „Es sind noch immer vor allem Frauen, die sich für das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen. Wenn unsere Branche High Potentials in den zukünftigen Generationen nicht verlieren will, muss sie dieses Thema mehr in den Blick nehmen und Lösungsansätze bieten.“
Beate Kleinewefers
Gründerin Reaworx: „Um vor allem Young Talents auf ihrem Werdegang zu begleiten, braucht es Nahbarkeit, den Dialog auf Augenhöhe und einen gewissen Weitblick. „Out-of-the-bubble“-Denken erfrischt und muss authentisch von einer Mentorin vorgelebt werden.“
Eva Weiß
Geschäftsführerin bei Buwog Bauträger: „Frauen sind ein wesentliches ausgleichendes Element in dieser immer noch männerdominierten Branche.“
Kristina Salamon
CEO bei Dr. Peters Group: „Die Branche braucht mehr Frauen in Führung, weil sie nicht nur andere Blickwinkel einnehmen, zulassen und integrieren, sondern auch meist nicht sich selbst, sondern die Sache in den Mittelpunkt stellen.“

Eva Welzenbach
Geschäftsführerin Advenis: „Frauen stellen 50 Prozent der Weltbevölkerung. Es ist ökonomisch betrachtet eine Verschwendung von Talenten und menschlichen Ressourcen und moralisch gesehen ungerecht und altmodisch, Frauen nicht zu berücksichtigen.“
Sabine Nass
CEO bei Deutsche Teilkauf: „Besonders eine männerdominierte Branche wie die Immobilien- und Finanzbranche braucht analytische sowie zielorientierte Frauen mit Tatendrang, die Themen neu denken und vorantreiben.“
Carolina von Groddeck
Head of Germany bei Savills Investment Management: „Vielfalt und Veränderungsbereitschaft generell – nicht nur durch Frauen – ebnen den Weg für neue Impulse und bereiten damit immer bessere Lösungen im Sinne der Investoren, der Unternehmen, der Gesellschaft, der Umwelt und aller Beteiligten.“
Sandra Stassinet
Abteilungsleiterin Corporate, ESG, Data & Contract Advisory bei Commerz Real: „Nur wenn Menschen Mut und Vertrauen haben, ihre eigene Komfortzone zu verlassen, können sie lernen und wachsen.“

Nadin Bozorgzadeh
Gründerin und Geschäftsführerin von Revicasa: „Wir müssen Sanierungsmaßnahmen nicht mehr als „Projekt“ sondern als „Produkt“ denken, ins Machen zu kommen – nicht nur über die Notwendigkeiten reden, sondern konkret vorangehen und umsetzen.“
Sarah Verheyen
COO/CIO bei Hamborner Reit: „Die Themenfelder unserer Branche sind vielschichtig, komplex und dabei hochspannend: Mir macht es Spaß, unser Unternehmen zu transformieren und zukunftsfähig auszurichten.“
Sabine Keulertz
Gründerin Rike Real Estate: „Ich habe immer in Teams mit einer ausgewogenen Frauen- und Männerquote gearbeitet und damit sehr gute Erfahrungen gemacht – und zum richtigen Mix gehört für mich auch ein Mix der Generationen und Kulturen in der Firma.“
Antje Lubitz
Geschäftsführerin 3PM Services: „Mich hat der Aufbau einer eigenen Firma nach meinen eigenen Wertvorstellungen gereizt. Zudem schätze ich an meinem Job das abwechslungsreiche Arbeitsumfeld und die immer neuen Projekte und Menschen.“

Eva Bujalka
Head of Legal & Compliance bei Caverion: „Frauen in Führungspositionen begünstigen den Dialog zwischen verschiedenen Spielern in der Branche und fördern so spannende Kollaborationen – miteinander, nicht gegeneinander.“
Susan Winter
Geschäftsführerin/Chief Operating Officer bei Quest Funds: „Ich fand es schon immer spannend, etwas neu aufzubauen, Prozesse zu durchdenken und neu zu gestalten.“
Dr. Christine Sasse
Vorstandsmitglied von Dr. Sasse: „Die Branche braucht mehr Frauen in Führung, weil auch Frauen Gebäude nutzen und wir es uns gar nicht leisten können, dass der Arbeitsmarkt die weiblichen Talente nach einer qualifizierten Ausbildung verliert.“
Andrea Gebhard
Präsidentin der Bundesarchitektenkammer: „Die junge Generation macht Hoffnung. Sie ist sehr gut ausgebildet, anspruchsvoll und ungeduldig. Gelebte Chancengleichheit ist längst ein Wirtschaftsfaktor für moderne Gesellschaften.“
Benita Schneider
Geschäftsführerin, Head of Real Estate Asset Management, Europe bei DWS: „Die Branche braucht mehr Frauen in Führung, denn die Mischung macht’s!“

Janina Stadel

Ein Tag mit: Jörg Kotzenbauer

Quelle aller Fotos: Immobilien Zeitung, Urheberin: Janina Stadel

Karriere 12.01.2023
Um den Alltag der Branchenakteure kennen zu lernen, begleitet sie die Immobilien Zeitung einen Tag lang bei der Arbeit. Zum Start der Serie haben wir Jörg Kotzenbauer am Stammsitz der ... 

Um den Alltag der Branchenakteure kennen zu lernen, begleitet sie die Immobilien Zeitung einen Tag lang bei der Arbeit. Zum Start der Serie haben wir Jörg Kotzenbauer am Stammsitz der Zentral Boden Immobilien Gruppe (ZBI) im fränkischen Erlangen besucht und ihm acht Stunden lang bei Meetings, einem Vortrag vor Führungskräften und bei der Mittagspause mit Kollegen über die Schulter geschaut.

Montagmorgens um kurz nach acht füllen sich langsam die Flure der ZBI-Zentrale in der Erlanger Innenstadt. Während sich im Eingangsbereich die ankommenden Mitarbeiter begrüßen und in die Kaffeeküche oder ihre Büros verschwinden, brennt im vierten Stock in Jörg Kotzenbauers Büro schon seit einer halben Stunde das Licht. "Ich bin heute schon etwas früher losgefahren", erklärt der CEO mit Blick auf seinen Fahrradhelm, den er neben einem Sportrucksack auf der Fensterbank hinter seinem Schreibtisch geparkt hat. "Unsere IT wurde übers Wochenende umgestellt. Ich wollte sehen, ob alles läuft, bevor die Kollegen mit der Arbeit starten." Das Thema falle zwar eigentlich nicht in seine Verantwortung, doch weil er für das Personal zuständig ist, sieht er in allen Alltagsgegebenheiten Schnittstellen zu seinen Aufgaben. "Wenn Telefone und E-Mailaccounts nicht reibungslos laufen, kostet das Zeit und Nerven. Das kann unzufrieden machen", sagt er in Bezug auf die rund 180 Mitarbeiter am Standort in Franken.

Kotzenbauer selbst hat sich für einen möglichen IT-Ausfall einen Plan B überlegt. Beim Wochenstart zu spät zu seinem Meeting zu kommen, wollte er vermeiden: Als er gegen halb zehn den Bereichsleiter für Unternehmensentwicklung, Thomas Niethe, durch die verglaste Bürowand ankommen sieht, holt er ein iPad von seinem Schreibtisch und baut es für die anstehende hybride Sitzung mit einer externen Beraterin aus Frankfurt auf seinem Konferenztisch auf. Während der Begrüßung nimmt sich Kotzenbauer eins der Gläser, die zusammen mit vier Wasserkaraffen auf dem Tisch bereit stehen. Er schenkt einen großen Schluck ein, platziert das Glas vor sich auf einem Filzuntersetzer und bietet mit fragendem Blick Niethe ein Getränk an. Der hat inzwischen neben ihm Platz genommen und steckt schon mitten in dem Austausch. Im Schnelldurchlauf halten die Beteiligten in persona und auf dem iPad den aktuellen Stand des Großprojekts Fast Forward fest.

Dieses besteht aus mehreren Maßnahmen, die neue Standards für das Unternehmen und neue Aufgaben für die Teams bringen – und zwar über alle Bereiche hinweg in einem angedachten Zeitraum von nur zwei Jahren. Während Niethe spricht, liegen Kotzenbauers Hände auf der Tischplatte. Um Blickkontakt zu halten, dreht er den Oberkörper im Wechsel zu seinem Kollegen und dem iPad. Er hört zu, verfolgt jedes Wort – so konzentriert, dass er erst beim dritten Blitz bemerkt, dass vor dem Fenster ein Gewitter aufgezogen ist. Beim Donnergrummeln zuckt er kurz zusammen, greift nach seinem Glas, trinkt einen Schluck und meldet sich im Meeting zu Wort. Seine Finger tanzen jetzt über die Tischplatte und scheinen seine Sätze durch Bewegungen zu unterstreichen. Er spricht ein Thema an, das ihn kurz vor dem Monatswechsel beschäftigt. "Ich bin ein bisschen aufgeregt, weil die nächste Mitarbeiterversammlung ansteht", beichtet Kotzenbauer.

Die Online-Treffen für alle 860 Mitarbeiter deutschlandweit zählen zu den Maßnahmen, die Kotzenbauer schon kurz nach Antritt seines Chefpostens 2019 eingeführt hat. "Weil beim letzten Mal die Fragerunde ausgefallen ist, rechne ich jetzt mit Gesprächsbedarf zum Thema Inflation. Die aktuelle Geschäftslage will ich so erklären, dass jeder Mitarbeiter sie versteht", sagt er. Durch diese Transparenz will der CEO erreichen, dass New Work Einzug in den Unternehmensalltag erhält. Die Grundlage dafür definiert er als "Mitarbeitermotivation von innen heraus". Vertrauen in den Arbeitgeber und Spaß an der Arbeit sollen die ZBI schnell voranbringen.

Die Besprechung mit Niethe und der Beraterin endet mit einer Verabredung zum Mittagessen. Niethe zieht einige Notizzettel aus der Innentasche seines Jackets und kündigt an: "Ich hab da für heut‘ Mittag noch ein paar Themen." Dass die beiden ihre gemeinsamen Jour-fixe-Termine in ein Lokal verlegen, passiert oft, denn an seinem Schreibtisch sitzt der CEO nur selten. So selten, dass es hinter dem hüfthohen Tresen neben dem Fenster nicht einmal einen Stuhl gibt. Stattdessen steht dort ein Balancetrainer.

Sitzen will Kotzenbauer im Arbeitsalltag nur bei Besprechungen, "und von denen gibt es in meiner Rolle genug", findet er. Die nächste startet als Alexandra Landmann, die bei ZBI für die Personalentwicklung zuständig ist, und Personal-Bereichsleiterin Jasmine Freiberger zur Tür hereinkommen. Kotzenbauers Augen werden groß, als er sieht, dass die beiden Kekse und Weingummis auf dem Tisch abstellen. Im Raum herrscht normalerweise freie Platzwahl, doch Kotzenbauers Glas aus dem Fast-Forward-Meeting markiert schon seinen Sitzplatz. "Wenn ihr was trinken wollt", setzt er an und steckt sich einen pinkfarbenen Gummi-Dino in den Mund, "dann bedient euch." Als Freiberger und Landmann die ersten Tagespunkte durchgehen, macht sich Kotzenbauer keine Notizen. Stattdessen umklammert er sein Glas mit beiden Händen. Er hält Blickkontakt und nickt regelmäßig, um zu signalisieren, dass er zuhört. Ins Wort fallen will er seinen Kolleginnen nicht, aber Ideen, die ihm gefallen, kommentiert er kurz mit "Das ist gut" oder "Cool". Schließlich bringt der CEO selbst ein Thema ein: eine Veranstaltungsreihe, in der Führungskräfte Leitlinien für ihre Arbeit erstellen. Durch diese Workshops will Kotzenbauer erreichen, dass sich die Führungskräfte mit ihren Vorgehensweisen "committen", wie er es ausdrückt. "Ich kann als Chef keine Unternehmenskultur aufdrücken", sagt er, "Kultur ist etwas, das langsam wächst und an dem alle beteiligt sind. Ich will deshalb dazu einladen, das gemeinsam zu gestalten."

Mit dieser Einstellung konnte er wenige Wochen zuvor Marco Knopp als Chief Administration Officer für die ZBI gewinnen. "Der Teamgedanke wurde mir schon im Vorstellungsgespräch erläutert, und auch, dass das Unternehmen bereit für Veränderungen ist", nennt Knopp die überzeugenden Argumente für seinen Jobwechsel. Er ist nicht der einzige, der erst vor kurzem ins Unternehmen kam. Nach und nach hat Kotzenbauer zusätzliche Rollen geschaffen, weil er Kompetenzen strukturieren und verteilen wollte. "Ich brauche ein Team, in dem jeder ein echter Experte auf seinem Gebiet ist." Umgekehrt sollen seine Mitarbeiter ihn und seine Pläne für die Zukunft des Unternehmens kennen. "Mir ist wichtig, dass jeder von Anfang an weiß, wer ich bin, wo ich herkomme und was ich mit der ZBI erreichen will", erklärt er. Für die Führungskräfte hat er deshalb einen Vortrag vorbereitet.

Obwohl er die Präsentation nicht zum ersten Mal hält, checkt er auf dem Weg in den Konferenzraum noch einmal alle Notizen auf den Karteikarten – "es soll nichts schiefgehen", sagt er. "Natürlich habe ich einige Rhetorik-Seminare hinter mir. Doch wenn ich über mich selbst spreche, dann will ich mich nicht verstellen", beschreibt er seine Nervosität bei diesem speziellen Thema. "Es gehört Vertrauen dazu, Dinge über sich selbst preiszugeben. Deshalb biete ich heute jedem von euch das Du an", stärkt er die Beziehung zu seinem Publikum gleich zum Einstieg.

Pünktlich um zwölf Uhr trinkt Kotzenbauer sein Glas aus, zieht sich sein Sakko über und steckt sein Handy in die Innentasche: Er macht sich auf den Weg zum verabredeten Mittagessen in einer "Suppenküche in der Fressgass‘ von Erlangen", wie er das Lokal im Studentenviertel bezeichnet. Eine Stunde hat er dafür eingeplant. Nach einem Teller Kürbissuppe braucht er Koffein. Er trägt keine Uhr, "weil mich das am Handgelenk stört". Doch der Blick aufs Handy zeigt, dass bis zum nachmittäglichen Boardmeeting noch genug Luft für einen Espresso im Café um die Ecke bleibt. Den trinkt er draußen am Stehtisch mit Niethe und zwei weiteren ZBI-Kollegen, die sie dort zufällig treffen. "Das ist ein Vorteil von Kleinstädten", findet Kotzenbauer. Einen weiteren Blick auf die Uhr braucht der CEO nicht, um zu wissen, wann der Rückweg ansteht. Und die nächste Besprechung startet wieder mit Input zu seinem wichtigsten Thema: Personal.

"Wir müssen standardisierte Mitarbeitergespräche implementieren", stellt Freiberger den neuesten Plan der HR-Abteilung in der nachmittäglichen Sitzung der Führungskräfte vor. Für die Umsetzung hat sie mit Kotzenbauer bereits einen Zeitplan erstellt. "So können wir die Gespräche vergleichbar machen und sichergehen, dass mit jedem Mitarbeiter dieselben Themen besprochen werden", erklärt Kotzenbauer das Ziel. "Außerdem sollen die Mitarbeiter in Zukunft auch Feedback zu ihren Führungskräften geben", kündigt er an. Ob dazu noch jemand Fragen hat, will er direkt wissen. Als sich niemand meldet, bleibt er hartnäckig und spricht die Teilnehmer der Runde einzeln mit Namen an, bis er sicher ist, dass jeder den Fahrplan kennt.

Weiter geht es im engen Kreis der fünfköpfigen Geschäftsführung mit dem "formalen Teil seiner Arbeit", wie Kotzenbauer das wöchentliche Boardmeeting bezeichnet. In den kommenden Stunden wechseln sich im Konferenzraum Adhoc-Fragerunden und Reportings zu Geschäftszahlen aus der Projektentwicklung, dem Facility- und dem Asset-Management ab. Von seinem Drehsessel aus verfolgt Kotzenbauer Tabellen mit Zahlen auf dem Wandbildschirm. Nach einer Stunde muss noch ein Espresso her, und auch das Wasser wird regelmäßig nachgeschenkt. Ansonsten liegen Kotzenbauers Hände ruhig auf dem Tisch neben seinem zugeklappten iPad, während sich die Kollegen um ihn herum immer wieder Notizen auf Blöcken und in Notizbüchern machen. Kotzenbauer hakt nur ein, wenn er Nachfragen hat, greift aber regelmäßig nach seinem Handy, um zu kontrollieren, dass der vorgegebene Zeitrahmen für jeden Redebeitrag eingehalten wird.

Zwar bringt er selbst nur Themen in die Runde ein, bei denen es um Ankaufszahlen und Projektentwicklungen geht, doch den Human Relations räumt er viel Zeit ein. Für ihn, der sich selbst mehr als Manager denn als Immobilienprofi sieht, ist das eine Selbstverständlichkeit. "Ich wollte immer Manager werden, weil ich Menschen mag", begründet er. Das größte Kompliment für ihn sei es, wenn Mitarbeiter von anderen Standorten oder Externe gerne tageweise nach Erlangen kommen, weil sie die Atmosphäre im Haus schätzen. Umgekehrt ist der CEO viel an anderen Standorten unterwegs. "Morgen in Frankfurt, übermorgen in Duisburg. Dort schaue ich mir Projekte an", stellt er am frühen Abend mit Blick auf den Kalender fest – und motiviert sich selbst mit einem der restlichen Weingummis. Seiner Assistentin wünscht er mit einem Winken durch die Zwischentür um halb fünf einen schönen Feierabend, als er mit Blick auf das Handydisplay bemerkt, dass sie bald gehen wird. Ihn selbst zieht es zum Tagesabschluss doch noch an den Stehtisch.

Im Laufe des Tages haben sich dort einige Papiere wie Verträge und Rechnungen angesammelt. Mit prüfendem Blick geht er die Betreffzeilen durch, bevor er die Dokumente unterschreibt und in die Ablage neben der aufgefüllten Wasserkaraffe packt. Während der Zugfahrt am nächsten Tag wäre für den Papierkram keine Zeit, da hat er sich mit einem Kollegen zum Telefonieren verabredet. "Dafür wird es heute bei mir zu spät. Dann lieber morgen früh, damit du nicht so lange im Büro auf mich warten musst", war sein Wortlaut.

Steckbrief
Name: Jörg Kotzenbauer
Alter: 42
Aktuelle Position: CEO der Zentral Boden Immobilien Gruppe (ZBI) seit September 2019
Ausbildung: Jura-Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, BWL-Studium an der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Wohnort: Erlangen
Berufswunsch als Kind: „Kaufmann im großen Stil"
Geheime Leidenschaft: Kauft Schokolade in jeder Stadt, die er besucht

Janina Stadel