Es wird weiter auch im Büro gearbeitet

Der persönliche Austausch mit Kollegen im Büro bleibt wichtig - mit oder ohne mehr Homeoffice in den Unternehmen.

Der persönliche Austausch mit Kollegen im Büro bleibt wichtig - mit oder ohne mehr Homeoffice in den Unternehmen.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: JustLife

Karriere 25.03.2021
Investitionen in Immobilien sind eine Wette auf die Zukunft. Nicht ohne Grund hat sich das Thema Homeoffice und Büronachfrage zu einem Dauerbrenner von Befragungen und Diskussionsrunden in ... 

Investitionen in Immobilien sind eine Wette auf die Zukunft. Nicht ohne Grund hat sich das Thema Homeoffice und Büronachfrage zu einem Dauerbrenner von Befragungen und Diskussionsrunden in der Immobilienbranche gemausert. Harte Parameter fehlen jedoch. Diesem Mangel wollte KGAL Research mit einer Auswertung von Stellenanzeigen abhelfen. Ob die Ergebnisse dieser Analyse die ganze Wahrheit ans Licht bringen, ist unter Personalberatern zumindest umstritten.

Wie sich der Bedarf an Büroflächen entwickelt, falls Homeoffice, mobiles Arbeiten & Co. sich in Deutschland dauerhaft in der Arbeitswelt etablieren, fragen sich viele Marktteilnehmer. Auch wenn das eine nicht unbedingt drastisch einbrechen muss, wenn das andere deutlich zunimmt: Eine gewisse Korrelation dürfte bestehen. Derzeit ist Heimarbeit weit verbreitet. Axel Drwenski, Head of Research von KGAL, wollte herausfinden, ob sich die grundsätzliche Bereitschaft der Arbeitgeber hierfür durch die Corona-Zeit auch langfristig signifikant erhöht.

Um eine Antwort zu finden, hat er mit Unterstützung der Datenforscher von der Münchner KI-Company Glanos viele Stellenanzeigen unter die Lupe genommen, sehr viele. Genauer gesagt wurden 7,8 Mio. Jobannoncen, die zwischen Anfang 2019 und Januar 2021 veröffentlicht wurden, daraufhin untersucht, ob sie Wörter aus dem Dunstkreis der Arbeit in den eigenen vier Wänden enthielten: Homeoffice, mobiles Arbeiten, Telearbeit, Remote Work usw. Drwenskis Gedanke hinter der umfangreichen Datenanalyse: "Wenn Homeoffice in Zukunft wirklich so eine große Rolle spielen wird, wie manche glauben, müsste man das doch daran ablesen, dass es im größeren Stil angeboten wird."

Das Ergebnis der Untersuchung, das Drwenski und Glanos vorstellen, dürfte Büroinvestoren und Bestandshalter aufatmen lassen - Drwenskis Kollegen aus dem Asset-Management von KGAL eingeschlossen, die sich um 43 Büroimmobilien mit 1.228.000 m² Fläche kümmern. Im Durchschnitt boten die rekrutierenden Unternehmen gerade mal in 3,5% der untersuchten Anzeigen ihren potenziellen künftigen Mitarbeitern in der ersten Ansprache die Möglichkeit zum Homeoffice an.

Im zeitlichen Verlauf klettert der Anteil an Jobs mit expliziter Homeoffice-Option zwar, von einer regelrechten Explosion ist aber nichts zu erkennen. Lag er im letzten coronafreien Jahr 2019 im Schnitt bei etwas über 3%, legte er bis Dezember 2020 - quasi im Gleichschritt mit den verschärften Corona-Restriktionen - auf 5,5% zu. Glanos filterte lediglich White-Collar-Jobs, die traditionell im Büro erledigt werden.

Nur 5% der Anzeigen werben mit Homeoffice

Seine Ausgangsfrage sieht Drwenski damit ziemlich eindeutig beantwortet: Nein, die grundsätzliche Bereitschaft von Arbeitgebern, ihren Büromitarbeitern mobiles Arbeiten langfristig zu ermöglichen, habe sich durch Corona nicht signifikant erhöht. "Das ist offensichtlich kein Thema, mit dem die Unternehmen offensiv werben. Natürlich ist Homeoffice gekommen, um zu bleiben - nur nicht in einem Ausmaß, dass es große Folgen für den Büromarkt hätte. Und selbst, wenn künftig im Extremfall beispielsweise 20% Fläche weniger gebraucht wird, kann der Markt das aushalten. Klar wird es Immobilien geben, die an Wert verlieren oder gar nicht mehr in den Markt reinpassen. Andere, gut positionierte Immobilen dagegen werden sogar im Wert steigen."

So plausibel Drwenskis Argumentation sein mag, einen kleinen Haken hat sie: Ob aus dem (Nicht-)Vorhandensein von Wörtern rund ums Thema Homeoffice darauf geschlossen werden kann, dass mobiles Arbeiten Nischenphänomen bleiben und das Büro seine angestammte Rolle als alleiniger oder zumindest Hauptarbeitsplatz behalten wird, darf zumindest bezweifelt werden. "Dieser Schluss kann aus unserer Sicht nicht gezogen werden, nein", sagt Felix Birkhofer, Niederlassungsleiter der auf die Bau- und Immobilienwirtschaft spezialisierten Personalberatung Cobalt in Frankfurt und Düsseldorf. "Homeoffice ist als Baustein einer attraktiven Position zu selbstverständlich geworden, um es explizit zu erwähnen."

Als Kind der Corona-Krise nimmt Cobalt-Mann Birkhofer Homeoffice nicht wahr. In jedem Fall habe die vielerorts erzwungene Heimarbeit eine natürliche Entwicklung aber beschleunigt: "Wo sich Unternehmen noch vor wenigen Jahren reflexhaft einer Einführung widersetzt haben, sind viele nun positiv überrascht."

Diesen Effekt hat auch Kathrin von Hardenberg bei ihren Kunden wahrgenommen. "Die Bereitschaft ist gestiegen, einen höheren Anteil an mobilem Arbeiten bzw. Homeoffice zu gewähren", sagt die Geschäftsführerin von Indigo Headhunters aus Frankfurt. "Dennoch gehen bei weitem nicht alle proaktiv damit nach draußen, um das Thema zu vermarkten." Von Hardenberg wundert es daher auch nicht, dass es in den meisten Stellenbeschreibungen fehlt. Sie räumt zwar ein, dass die Erwartungen von Kandidaten und Kunden in diesem Punkt "noch deutlich auseinanderliegen" und dass sich kaum ein Kandidat ausschließlich im Heimbüro sieht - "aber dass wir nach der Pandemie einen höheren Anteil an Homeoffice-Tagen in vielen Unternehmen sehen werden, halte ich für höchst wahrscheinlich". Besonders bei wichtigen Jobs schrumpfe der Kandidatenpool beträchtlich, wenn eine Firma die Arbeit von zuhause von vornherein ausschließt. "Das ist nicht zeitgemäß und transportiert ein schlechtes Bild des Unternehmens in den Markt."

"Die Homeoffice-Quote wird sicherlich leicht ansteigen, jedoch über ein gewisses Schattendasein nicht hinauskommen", ist sich Christoph Hartmann, Managing Partner von Deininger Consulting in Düsseldorf, sicher. Sobald sich das Infektionsgeschehen verringere, werden die Unternehmen auf eine Rückkehr in die Büros bestehen, vor allem bei Mitarbeitern ohne Führungsverantwortung.

Speziell Firmen aus der Immobilienwelt fremdeln nach Erfahrung von Hartmann mit dem Thema Homeoffice. Diese Arbeitgeber würden von der Furcht geplagt, dass ihnen "eine gewisse Kontrollfunktion über die Mitarbeiter abhanden kommt". Auch nach einem Jahr Corona-Krise sei Homeoffice "als dezidierter Punkt in einem Arbeitsvertrag sehr schwierig umsetzbar und wird vom Großteil der Unternehmen innerhalb der deutschen Immobilien- und Bauwirtschaft - wenn möglich - vermieden".

KGAL-Researcher Drwenski hatte schon vor Corona ein Arbeitszimmer in seinem Haus im hessischen Limburg. Nach Grünwald bei München, wo sein Arbeitgeber sitzt, musste er nur zweimal im Monat fahren. Wäre es anders, wäre der dreifache Vater und langjährige Head of Research des Wiesbadener Asset-Managers Commerz Real vielleicht nicht in den tiefen Süden gewechselt.

Harald Thomeczek

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"Beteiligungen reizen Führungskräfte mit Gestalterdrang"

Christoph Hartmann ist  Personalberater und Headhunter.

Christoph Hartmann ist Personalberater und Headhunter.

Quelle: Christoph Hartmann

Karriere 02.02.2023
In seinem Job als Headhunter sucht Christoph Hartmann nach geeigneten Kandidaten für Führungspositionen in der Immobilienwirtschaft. In den vergangenen Monaten konnte der geschäftsführende ... 

In seinem Job als Headhunter sucht Christoph Hartmann nach geeigneten Kandidaten für Führungspositionen in der Immobilienwirtschaft. In den vergangenen Monaten konnte der geschäftsführende Gesellschafter der Personalberatung Deininger Consulting beobachten, dass die Wechselbereitschaft steigt, vor allem bei Kandidaten, die selbst unternehmerisch tätig werden wollen.

Immobilien Zeitung: Herr Hartmann, als Personalberater und Headhunter besteht ihre tägliche Arbeit darin, geeignete Kandidaten für Stellen zu finden – vor allem für Positionen mit Führungsverantwortung. Wie offen sind Kandidaten derzeit für einen Wechsel innerhalb der Immobilienwirtschaft?

Christoph Hartmann: Gerade bei Kandidaten in High-Level-Positionen hat die Wechselbereitschaft nach meinen Beobachtungen seit dem Herbst wieder zugenommen. Immer häufiger kommen Kandidaten mit Führungserfahrung sogar auf mich zu und erkundigen sich nach interessanten Stellen. Obwohl sie fest im Job sind, behalten sie den Markt vorsichtig im Auge, weil sie offen sind für eine neue Rolle. Doch um die sichere Stelle aufzugeben, muss die neue ihren Bedingungen und Vorstellungen entsprechen. Dazu zählt häufig, dass der Wechsel neue Herausforderungen mit sich bringen muss.

IZ: Woher kommt dieses beobachtende Verhalten?

Hartmann: In vielen Fällen hängt das mit den Gegebenheiten zusammen, die sich im Moment auf die tägliche Arbeit von Führungskräften auswirken. Die Inflation, steigende Energiekosten, Zinsentwicklungen und Materialknappheit führen im Alltagsgeschäft dazu, dass viele Aufgaben anspruchsvoller und somit auch stressiger werden. Man muss darauf als guter Manager reagieren. Das wiederum weckt in vielen Fällen die Motivation, selbst unternehmerisch tätig zu werden.

IZ: Was genau bedeutet das für Unternehmen, die erfahrene Führungspersönlichkeiten für sich gewinnen oder sogar gezielt abwerben wollen?

Hartmann: Nur mit einem höheren Gehalt lassen sich die wenigsten locken. In den vergangenen zehn, zwölf Jahren haben High-Levels in der Immobilienwirtschaft mit einer Kombination aus Fixgehalt und Boni gut verdient. Dieses Gehaltskonzept ist also nichts Neues. Beteiligungen hingegen reizen Führungskräfte mit Gestalterdrang. Während Gehalt und Boni vom Arbeitgeber festgelegt werden, sind Anteilseigner selbst verantwortlich für den finanziellen Erfolg eines Unternehmens und somit auch für den eigenen.

IZ: Die Gesellschafterrolle wird also attraktiver als die bloße Geschäftsführerposition?

Hartmann: Geschäftsanteile versprechen Entscheidungsfähigkeit und neue Herausforderungen – nicht zuletzt, weil der Kandidat mehr Verantwortung für die Zukunft eines Unternehmens übernimmt. Das gilt zum Beispiel für die Projektentwicklung. In diesem Zweig haben wir in der Immobilienwirtschaft viele mittelständische Unternehmen, die zum Teil noch vom Gründer selbst geführt werden. Kommt es hier zu einer Nachfolge, verlangen einige Kandidaten schon beim Erstgespräch, am Unternehmen beteiligt zu werden.

IZ: Wie offen sind diese Unternehmen dafür, Anteile an gute Kandidaten abzugeben?

Hartmann: Gerade wer ein Unternehmen über Jahre hinweg selbst aufgebaut hat, dem fällt es schwer, am Ende der Karriere richtig loszulassen. Viele, die einen Nachfolger suchen, wollen gerne noch eine Zeit lang mitmischen, auch wenn sie offiziell nicht mehr Geschäftsführer sind. Deshalb sind sie oft nicht bereit, Anteile abzugeben. Doch ohne die volle Verantwortung kann sich die nachfolgende Generation in den Führungsebenen nicht selbstständig weiterentwickeln. Und auch auf niedrigeren Ebenen kommt Frustration auf, weil Mitarbeiter das Gefühl haben, dass das Unternehmen stagniert und sie langfristig keine Veränderungen mehr sehen. Der ein oder andere sieht sich dann schon mal nach einem neuen Job um.

IZ: Von wie vielen Anteilen genau sprechen wir da in der Regel?

Hartmann: Eine typische Spanne, die Unternehmen anbieten oder Kandidaten fordern, gibt es nicht. Die Größe des Unternehmens und die Vorstellungen des Kandidaten sind nur zwei von vielen Aspekten, die in eine Einigung mit reinspielen und ganz unterschiedlich ausfallen können. Oftmals geht es für den Bewerber bei seiner Forderung weniger um die Zahl auf dem Papier, sondern viel mehr um die Möglichkeit, überhaupt beteiligt zu werden, weil das dem Wunsch, selbst unternehmerisch tätig zu werden, entgegenkommt. Gerade wenn eine Stelle schnell nachbesetzt werden muss, sind die Erwartungen in den Unternehmen oft hoch. Eine Schonfrist zur Eingewöhnung in die neue Rolle während der ersten 100 Tage gibt es oft nicht mehr. Wenn der Arbeitgeber erwartet, dass sofort performt wird, sind Beteiligungen für den Mitarbeiter eine große Motivation.

IZ: Es gibt also Verhandlungsspielraum?

Hartmann: Es müssen nicht immer Anteile am Unternehmen selbst sein. In der Projektentwicklung kann auch eine Beteiligung an einem Vorhaben reizvoll wirken, etwa am Verkaufspreis oder am Miet- und/oder am Verkaufserfolg. Im Investment sind Beteiligungen an Fonds denkbar. Eine weitere Möglichkeit ist es, vertraglich festzuhalten, dass über die genaue Höhe der Anteile erst nach einiger Zeit verhandelt wird, etwa wenn der Kandidat schon zwei bis drei Jahre die Position besetzt und seine Fähigkeiten als Manager in diesem Zeitraum unter Beweis gestellt hat.

IZ: Was gilt es in diesen Fällen zu beachten?

Hartmann: Absprachen dieser Art sollten grundsätzlich vertraglich und von Anfang an festgehalten werden. Das gilt nicht nur für Beteiligungen in der Zukunft, sondern auch für eine variable Vergütung wie Boni. Werden diese nicht im Vornherein festgesetzt, hat das Unternehmen viel Handlungsspielraum. Doch ein Bonus, der kleiner ausfällt, als vom Mitarbeiter erhofft, ist nicht selten ein Wechselgrund.

IZ: Und wenn der Mitarbeiter das Unternehmen dennoch wieder verlässt?

Hartmann: Die Anteile kauft das Unternehmen in der Regel zurück – meist jedoch ohne damit Gewinn zu machen. In den meisten Fällen bindet das Konzept die Führungskraft aber langfristig ans Unternehmen, weil sie sich als Beteiligter viel stärker mit dem jeweiligen Haus identifiziert.

IZ: Vielen Dank, Herr Hartmann, für das Gespräch.

Das Interview führte Janina Stadel.

Janina Stadel

Headhunter lauern Trends auf

Christoph Hartmann analysiert die Bedürfnisse von Klienten und Kandidaten.

Christoph Hartmann analysiert die Bedürfnisse von Klienten und Kandidaten.

Martin Joppen GmbH

Karriere 04.10.2022
Auch wenn sie keine Geschäfte in, sondern mit der Branche machen, sind gute Marktkenntnisse für Personalberater ein Muss. Auf der Expo Real suchen sie Einblicke in aktuelle Entwicklungen. ... 

Auch wenn sie keine Geschäfte in, sondern mit der Branche machen, sind gute Marktkenntnisse für Personalberater ein Muss. Auf der Expo Real suchen sie Einblicke in aktuelle Entwicklungen.

Als eine "Zeitenwende" bezeichnet Christoph Hartmann die aktuelle Lage in der Immobilienwirtschaft. Der geschäftsführende Gesellschafter von Deininger Consulting nutzt die Messe, um aktuelle Trends und Stimmungen in unterschiedlichen Bereichen der Branche aufzuspüren. "Wir haben es mit fundamentalen Veränderungen zu tun", beschreibt er die letzten Monate und nennt Zinsentwicklungen und Inflation als Beispiele für Umstände, die sich auf die Personalentwicklung in den Unternehmen auswirken könnten. "Deshalb ist es in diesem Jahr umso wichtiger, ein Gefühl für die Stimmung zu bekommen und dabei auf verschiedene Segmente wie Developer, Makler und Investoren einzugehen", lautet seine Mission für die Expo Real.

Die Messe habe für dieses Vorhaben deshalb einen hohen Stellenwert für den Personalberater, weil sowohl mögliche Klienten als auch vielversprechende Kandidaten zusammenkommen. Aus Gründen der Vertraulichkeit spreche Hartmann nicht jeden direkt an, den er ins Visier nimmt. Doch mit Kontaktaufnahmen durch Headhunter könnten einige Akteure in den kommenden Wochen trotzdem rechnen. "Eine kurze Begegnung kann der Aufhänger für ein nachfolgendes Gespräch sein", sagt Hartmann und betont, auch die Bedürfnisse von Kandidaten, etwa in Bezug auf das Thema Work-Life-Balance, analysieren zu wollen.

Janina Stadel

Kandidaten brauchen frühe Bindung an den Arbeitgeber

Personalberater Christoph Hartmann.

Personalberater Christoph Hartmann.

Quelle: Christoph Hartmann

Karriere 08.09.2022
Weil sie das Risiko eines Jobwechsels scheuen, lassen sich im Moment nur wenige Kandidaten von Stellenangeboten in der Immobilienwirtschaft locken. Doch enger Kontakt schon während des ... 

Weil sie das Risiko eines Jobwechsels scheuen, lassen sich im Moment nur wenige Kandidaten von Stellenangeboten in der Immobilienwirtschaft locken. Doch enger Kontakt schon während des Recruitingprozesses kann helfen, Bindung zum Unternehmen aufzubauen, und weckt beim Bewerber ein Gefühl von Sicherheit.

Mit Blick auf die zurückliegenden Boomjahre der Immobilien- und Bauwirtschaft gibt es mindestens zwei Ursachen für den Personalmangel", sagt Christoph Hartmann. Als Personalberater vermittelt der geschäftsführende Gesellschafter von Deininger Consulting seit 17 Jahren Kandidaten an Unternehmen aus den Bereichen Immobilien, Bau, Infrastruktur und Private Equity. Dabei stößt er seit einiger Zeit immer wieder auf zwei Kernprobleme bei der Suche nach geeigneten Kandidaten für offene Stellen in der Immobilienwirtschaft. "Zum einen kam bisher in bestimmten Bereichen die Ausbildung generell nicht hinterher. Zum Beispiel war und ist der Bedarf an Projektentwicklern groß." Dabei sieht er das Problem nicht an mangelnden Studenten, sondern darin, dass die Studiengänge teilweise zu lange dauern, um alle freien Stellen auf einen Schlag besetzen zu können.

Kandidaten suchen Sicherheit im Beruf

"Das zweite Thema ist, dass es für viele zu besetzende Stellen potenzielle Kandidaten gibt. Doch diese müssen Unternehmen erst einmal für sich gewinnen und dann auch halten. Das ist eine Generationen-Herausforderung. Während sich früher die Arbeitgeber zumeist ihre Kandidaten aussuchen konnten, ist es jetzt oft umgekehrt." Grund dafür sei, dass seit Ausbruch der Corona-Pandemie und wegen wirtschaftlichen Unsicherheiten durch den Ukraine-Krieg viele nicht bereit sind, ein berufliches Risiko einzugehen. "Die Wechselbereitschaft ist im Moment bei vielen nicht so hoch, weil die Leute zufrieden sind mit ihrer Stelle und Unsicherheiten durch einen Wechsel scheuen", so Hartmanns Eindruck.

Um geeignete Kandidaten dennoch von einem Wechsel zu überzeugen, hat der Personalberater seine Strategien beim Recruiting angepasst. Davon musste er die Unternehmen, die ihn mit der Personalsuche beauftragen, zunächst überzeugen, denn auch sie spielen eine immer stärkere Rolle bei der Überzeugungsarbeit. "Wenn Arbeitgeber einen interessanten Kandidaten für sich gewinnen wollen, müssen sie schnell und wertschätzend sein", fasst Hartmann die neue Herangehensweise zusammen.

Einen Kandidaten zwischen zwei Bewerbungsschritten mehrere Wochen warten zu lassen, sei für ihn ein No-Go, denn "zu groß ist die Gefahr, dass er in dieser Zeit ein weiteres Angebot erhält". Den gesamten Prozess zügig zu durchlaufen sei vor allem deshalb wichtig geworden, weil er für die meisten Positionen aus mehr Schritten besteht als noch vor einigen Jahren. Hartmann nimmt dabei eine Moderatorenrolle ein und vermittelt zwischen beiden Parteien. Auf der einen Seite trage er die Erwartungen an eine Stelle an seine Auftraggeber weiter, auf der anderen Seite bereite er die Kandidaten auf Case-Study-Aufgaben oder Assessmentcenter-Szenarien vor, die immer häufiger Teil des Bewerbungsprozesses werden. "Ich rate Unternehmen immer, Kandidaten mit einigen Bullet-Points zu ihren Strategien zu locken. Auch wie Teamarbeit bei ihnen aussieht und ob das Unternehmen vielleicht schon mal eine Auszeichnung gewonnen hat, können dabei gute Argumente sein." Gleichzeitig helfe er den Unternehmen bei der Auswahl von Case-Study-Aufgaben, deren Lösung durch den Kandidaten auch wirklich aussagekräftig ist.

Weil die Fallstudien-Beispiele aber auch den Kandidaten ein genaueres Bild über die Arbeit in einem Unternehmen ermöglichen, sei an diesem Punkt des Bewerbungsverfahrens die Gefahr eines Absprungs am größten. Vor allem bei den Ende-20- bis Mitte-30-Jährigen beobachtet der Personalberater das immer häufiger. "Die Absprungrate hat generell in den vergangenen Jahren zugenommen", sagt er.

"Für einen Arbeitgeber ist es deshalb wichtig, einen Kandidaten möglichst früh im Prozess an sich zu binden. Die Entscheidung für einen Wechsel ist längst nicht mehr so endgültig, wie es noch in der vorherigen Generation war", schildert er. So komme es inzwischen sogar vor, dass nach der Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags Stellen nicht angetreten werden. "Wenn der aktuelle Arbeitgeber aktiv wird, und den Kandidaten davon überzeugt, doch zu bleiben, kann der neue zwar auf einen Antritt bestehen, aber dem Kandidaten bleibt immer noch die Option nach wenigen Tagen zu kündigen und zur alten Stelle zurückzukehren", berichtet er von Ausnahmefällen.

Um dem vorzubeugen, sollten Arbeitgeber schon vor dem Einstieg "Bonding" betreiben rät Hartmann. Gemeint ist ein enger Kontakt, der kontinuierlich gehalten wird, etwa in der Zeit, in der der Kandidat noch durch eine lange Kündigungsfrist an seinen aktuellen Job gebunden ist. "Dem Kandidaten muss eine Orientierung im Bewerbungs- und Wechselprozess geboten werden. Das kann zum Beispiel geschehen, indem man ihn zu ersten Terminen einlädt, etwa um das Team kennenzulernen."

Zudem sei auch die Umzugsbereitschaft gesunken. "Gerade Stellen, die nicht remote machbar sind, sind schwerer zu besetzen als noch vor wenigen Jahren." Das betreffe sowohl junge Kandidaten als auch erfahrene, die sich mit Kind und Familie fest an einem Standort eingelebt haben. "Wer mit einer Stelle zufrieden ist, lässt sich nur ungern auf den Umzugsstress und die damit verbundenen Kosten ein", weiß Hartmann und führt aus, dass je nach Konstellation auch der Partner einen neuen Job finden muss, Kinder die Schule wechseln und Sportvereine zurückgelassen werden. Abhilfe können sogenannte "Umzugspakete" schaffen, die Unternehmen als individuelle Benefits anbieten. "Unterstützung bei den Umzugskosten, Kontakte zu Schulen oder zu Mitarbeitern am Standort können Teil dieser Starthilfe sein", zählt Hartmann auf. Ein großer Homeoffice-Anteil und flexible Arbeitszeiten könnten zudem einen Standortwechsel für die gesamte Familie vermeiden. "Ortsunabhängiges und zeitunabhängiges Arbeiten sind deshalb Benefits, auf die immer mehr Kandidaten bestehen – auch in Positionen, in denen das vor der Corona-Pandemie unvorstellbar gewesen wäre", sagt Hartmann.

Janina Stadel