EuGH kippt verbindliche Honorarsätze der HOAI

Den Europäischen Gerichtshof haben die Argumente Deutschlands nicht überzeugt.

Den Europäischen Gerichtshof haben die Argumente Deutschlands nicht überzeugt.

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Karriere 04.07.2019
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das bindende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu Fall gebracht. ... 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das bindende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu Fall gebracht.

Nach dem heute Morgen verkündeten Urteil verstößt Deutschland mit den verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie, nach der in einem freien europäischen Binnenmarkt Wettbewerb grundsätzlich auch über den Preis möglich sein soll. Der Argumentation Deutschlands, der feste Preisrahmen der HOAI sei unerlässlichlich für die Bauqualität und den Verbraucherschutz, folgten die Richter nicht. Sie hielten vielmehr dagegen: In allen anderen EU-Mitgliedsstaaten würden auch ohne verbindliche Honorarsätze qualitätsvolle Architektur- und Ingenieurleistungen erbracht.

Deutschland hat nun voraussichtlich bis zu einem Jahr Zeit, auf die Entscheidung des EuGH zu reagieren. Die Bundesarchitektenkammer forderte umgehend, "die Leistungsbilder und Honorarsätze der HOAI mit Zustimmung der Bundesländer zumindest als abgeprüften Referenzrahmen zu erhalten".

Erfolgsaussichten für Aufstockungsklagen gesunken

Unmittelbare Konsequenzen dürfte das EuGH-Urteil aber schon jetzt entfalten: Zum einen sind die Erfolgsaussichten für sogenannte Aufstockungsklagen gesunken. Es kommt immer wieder vor, dass z.B. ein Architekt, der mit seinem Auftraggeber zunächst vertraglich ein Pauschalhonorar unterhalb des HOAI-Mindestsatzes vereinbart hat, im Nachhinein ebendiesen Mindestsatz einzuklagen versucht. Bisher standen die Chancen gut, mit einer solchen Aufstockungsklage erfolgreich zu sein.

Eine zweite direkte Folge des heutigen Urteils: Ein Angebot in einem Vergabeverfahren der öffentlichen Hand auszuschließen, weil es die Mindestsätze der HOAI unterschreitet - oder, was aber seltener vorkommen dürfte - die Höchstsätze überschreitet, dürfte ab heute daher nicht mehr zulässig sein. Darauf weist u.a. die Kanzlei Kapellmann und Partner hin.

Die Entscheidung des EuGH kommt nicht überraschend: Bereits der für den Fall zuständige Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen im Februar 2019 moniert, dass das bindende Preisrecht der HOAI Architekten und Ingenieure in unzulässiger Weise daran hindere, sich über niedrige Preise im Markt zu etablieren.

Interessant ist, dass die europäischen Richter Mindestsätze für Planungsleistungen mit Blick auf den deutschen Markt mit vielen kleinen und mittelgroßen Marktteilnehmern nicht grundsätzlich für das falsche Mittel halten, eine hohe Bauqualität sicherzustellen. Die deutsche Regelung sei jedoch inkohärent: Denn in Deutschland könnten Planungsleistungen nicht nur von Architekten und Ingenieuren, sondern auch von Dienstleistern erbracht werden, die keine entsprechende fachliche Eignung nachweisen müssen. Daraus schließen die Richter: Mindestsätze seien nicht geeignet, eine hohe Planungsqualität zu erreichen, wenn für die Erbringer dieser Leistungen, die ebendiesen Mindestsätzen unterliegen, nicht selbst auch Mindestanforderungen gälten.

Harald Thomeczek

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"Ich bin Gründerin, weil ich Haltung zeigen will"

Heike und Lena Rath.

Heike und Lena Rath.

Karriere 29.02.2024
1994 machte sich die Immobilien-Fachanwältin Heike Rath selbstständig. Inzwischen führt sie zusammen mit ihrer Nichte Lena die Kanzlei Rath Rechtsanwältinnen. ... 

1994 machte sich die Immobilien-Fachanwältin Heike Rath selbstständig. Inzwischen führt sie zusammen mit ihrer Nichte Lena die Kanzlei Rath Rechtsanwältinnen.

"Ich kenne keinen Selbstständigen aus meiner Generation, der weniger als 50 bis 60 Stunden pro Woche gearbeitet hat", sagt Heike Rath. "Um zu gründen, braucht man eine große Bereitschaft, extrem hohen Einsatz zu zeigen", weiß die 62-Jährige aus eigener Erfahrung.

Diese Bereitschaft hat die Anwältin 1994 mitgebracht, als sie als "Einzelkämpferin", wie sie es heute nennt, die Kanzlei ins Leben rief. "Es gab so viele Babyboomer, dass man nur durch Fleiß und viel Einsatz aus der Masse herausstechen konnte, wenn man herausragend begabt war", beschreibt sie die Konkurrenzsituation, der sie in der Anfangszeit ausgesetzt war.

Ihre vorherige Tätigkeit bei der Architektenkammer Hessen gab sie damals auf. Aus dieser Position hat sie aber jede Menge Kontakte mitgebracht, um sich von Anfang an auf das Architekten- und Immobilienrecht spezialisieren zu können. "Dieses Netzwerk war eine gute Voraussetzung für mein Vorhaben", sagt sie. Dass bereits ihre Eltern Unternehmer waren, habe sie geprägt und auf die Arbeitsbelastung vor allem in den ersten Jahren vorbereitet.

"Ich habe zeitweise bis zu 30 Tage im Jahr in Fortbildungen gesteckt, ein Vielfaches dessen, was Pflicht ist", berichtet sie. In ihrem Umfeld habe es dafür nicht immer nur Verständnis gegeben, "aber es ist bis heute mein eigener Anspruch und es macht einfach immer noch Spaß." Belohnt wurde sie damit, dass sie ihren Arbeitseinsatz inzwischen frei gestalten kann. "Das Tolle an der Selbstständigkeit ist, dass man sich seine Arbeit nach eigenen Neigungen aussuchen kann. Dazu gehört auch, Mandanten abzulehnen, weil man sich nicht mit ihren Zielen identifizieren kann, oder einfach nur aus menschlichen Gründen. Man kann Haltung zeigen und das möchte ich, denn ich sehe mich in meinem Beruf als ein Organ der Rechtspflege."

Dass ihre Kanzlei eine kleine Boutique ist, habe sie zudem immer als Vorteil für die Zusammenarbeit mit Architekten gesehen. Weil diese oft auch in kleinen Büros arbeiten, behandeln sie Rath wie ein Mitglied des eigenen Teams. Raths Mandanten vertrauen auf ihre Empfehlungen, wenn für ein Sonderproblem weitere Experten zu Rate gezogen werden müssen. So könne sie mitbestimmen, mit welchen anderen Kanzleien sie zusammenarbeitet.

Genau das schätzt Raths Nichte Lena ebenfalls. Sie sagt: "Spaß an der Arbeit ergibt sich vor allem aus dem Austausch mit den Mandanten, wenn man Bauprofis im größten Stress unterstützen, Gedanken ordnen und konstruktiv an Lösungen arbeiten kann." Deshalb schloss sie sich nach ihrem Examen ihrer Tante an. Zusammen betreiben sie als Partnerinnen die Kanzlei Rath Rechtsanwältinnen in Neu-Isenburg.

Die Wirtschaft braucht mehr Gründerinnen
Die Wirtschaft braucht innovative Geschäftsideen, die Impulse und Lösungsansätze liefern, um ihr Fortbestehen und Wachstum zu sichern. Und Menschen, die sich zutrauen, sie umzusetzen: Gründer:innen. In der Immobilienbranche sind Frauen als Unternehmensgründer unterrepräsentiert – und damit auch ihre Perspektiven.

An Stillstand war für die 43-Jährige seit dieser Entscheidung vor rund zehn Jahren dabei nicht zu denken. "Selbstständigkeit bedeutet für mich, mich weiterzuentwickeln und mit der Zukunft zu befassen und diese zu gestalten. Es gibt so viele Themen wie ESG, nachhaltiges Bauen und Digitalisierung in der Baubranche, an denen kein Vorbeikommen ist, sodass man sie mit Begeisterung angehen sollte. Das bringt Veränderungen mit sich und dabei will ich meine Mandanten unterstützen, damit sie daraus einen Erfolg für sich machen können." Konkret auf ihren Job bezogen bedeutet das, dass sich die Anwältin wie ihre Tante ständig weiterbildet und zwar weit über ihre Kernkompetenzen auf dem Gebiet Bau- und Architektenrecht hinaus.

Dabei behalte sie immer die angrenzenden Branchen im Blick. Mit Begeisterung verfolge sie zum Beispiel Entwicklungen in der IT-Branche und was ambitionierte Start-ups auf die Beine stellen. "Aus diesen Zukunftsthemen ergibt sich automatisch eine neue Sinnhaftigkeit der Arbeit. Man wächst mit seinen Aufgaben, entwickelt sich weiter und entdeckt für sich neue Themen." Ob diese Flexibilität in einer Großkanzlei als Angestellte in diesem Rahmen möglich wären, bezweifelt sie und sagt deshalb: "Den Einstieg in die Kanzlei habe ich nie bereut."

Janina Stadel

Gründerzeit in der Kanzleienszene

Die Anker-May-Gründer (v.l.): Ulrich May, Sydney Gottschalk, Charlotte Plück, Christina Penningroth und Axel Anker.

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Karriere 25.01.2024
Die Berker-Brüder haben die Kanzlei Hauck Schuchardt (Frankfurt) verlassen, ein Team um Axel Anker und Ulrich May ist bei Zirngibl (München) ausgestiegen. Beide sind zuversichtlich, dass ... 

Die Berker-Brüder haben die Kanzlei Hauck Schuchardt (Frankfurt) verlassen, ein Team um Axel Anker und Ulrich May ist bei Zirngibl (München) ausgestiegen. Beide sind zuversichtlich, dass ihnen in Zeiten von "Firesales" die Arbeit nicht ausgeht.

Der Name Zirngibl taucht im Archiv der Immobilien Zeitung (IZ) 45 Mal auf. Die Münchner Immobilienkanzlei beriet 2023 den Asset-Manager 7280 beim Kauf einer Büroimmobilie in Düsseldorf, im selben Jahr war sie Rechtsberater für Bauwerk beim Verkauf eines Holzhybridgebäudes in München an die Kommunale Unfallversicherung Bayern.

Anker May ist in der "Anwaltsstraße" zuhause

Anfang dieses Jahres sorgte die Sozietät selbst für Schlagzeilen. Fünf Mitglieder des Immobilienrechtsteams kehrten Zirngibl den Rücken und gründeten Anker May. Die Gründer der neuen Immobilienrechtskanzlei sind Axel Anker, Ulrich May, Sydney Gottschalk, Christina Penningroth (jeweils Partner) und Charlotte Plück. Auf rund 350 qm hat sich das Start-up in der Max-Joseph-Straße 7 eingerichtet. Unter Münchner Juristen ist das die "Anwaltsstraße", weil viele renommierte Kanzleien dort ihre Büros haben.

Das Motto von Anker May lautet "Immobilie pur". Bei Zirngibl ist Immobilien- und Baurecht nur eines von mehreren Beratungsgebieten. Die Verteilung von Investitionen muss zwischen den Partnern immer wieder neu ausgehandelt werden. "Bei Anker May können wir alle Ressourcen auf eine Sache konzentrieren", sagt Ulrich May. Auch der Besuch einer teuren Immobilienmesse bedürfe nun "keiner Abstimmung" mehr. Die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, sei dadurch erleichtert worden, "dass wir wussten, dass es weitergeht". Fast alle Mandanten aus der Zirngibl-Zeit seien ihnen erhalten geblieben.

Der Arbeit der fünf Gründer bleibt in den neuen Strukturen die gleiche. Nur Baurecht wird erst einmal eine untergeordnete Rolle spielen. "Das Bauthema haben wir vorerst bewusst hinter uns gelassen, wir werden aber mit den ehemaligen Kollegen von Zirngibl kooperieren", versichert May. Zu den Mandanten von Anker May zählen viele Projektentwickler, darunter auch Family-Offices. Einige von denen rechneten sich gerade jetzt etwas aus. "In Deutschland und insbesondere in München gibt es ja zum Glück einige große Familienvermögen. Die kamen jahrelang nicht zum Zug, weil sie die riesigen Faktoren und Preise nicht mitgehen wollten. Deren Zeit ist nun gekommen", sagt May. 2024 werde überhaupt ein "sehr interessantes" Jahr. "Die Finanzierer werden einen Perspektivwechsel vollziehen müssen. Weg von der Frage, wie viel Rendite sie bei einer Finanzierung erzielen, hin zu der Frage, wie man den Schaden etwa durch die Insolvenz einer Projektgesellschaft minimieren kann." Unlängst habe er ein Gespräch mit einer Fondsgesellschaft gehabt. "Die wollen ein Projekt im Bau kaufen. Jetzt gilt es, nur noch die Bank und den Entwickler zu überzeugen."

Allein auf das volatile Transaktionsgeschäft will sich Anker May aber nicht verlassen. "Sie können sich als Immobilienkanzlei nicht nur auf Transaktionen konzentrieren", stellt Christina Penningroth klar. "Das ist oft ein Stop-and-Go und zum Schluss wird dann häufig doch nicht gekauft. Sie brauchen auch laufendes Geschäft." Dazu zählen Beratungsmandate im Bereich Projektentwicklung und Portfolioverwaltung. "Wir nennen das unser Brot- und Buttergeschäft." Derzeit sucht die Kanzlei Verstärkung für das Immobiliensteuerrecht. "Wir wollen diesen Bereich ausbauen."

Berkers & Cie. startet auf 2.000 qm im Hochhaus

Steuern – das ist auch die Kernkompetenz von Berkers & Cie. in Frankfurt. Hinter dieser Neugründung stehen als Eigentümer (Equity-Partner) die Brüder Dominik und Severin Berker, beide Steuerberater. Zusammen mit Gitta Gehring (Rechtsanwältin/Steuerberaterin), Daniel Cehovin (Steuerberater) und Henning Schuchhardt (Steuerberater) haben sie Ende 2023 die renommierte Immobilienkanzlei Hauck Schuchardt (117 Treffer im IZ-Archiv) verlassen. Der Schritt sorgte in der Frankfurter Anwalts- und Steuerberaterszene für einiges Aufsehen, geht doch einer der Namensgeber von Hauck Schuchardt von Bord. Berkers & Cie ist vom Start weg ein mittelständischer Betrieb. Für 72 Beschäftigte wurden 2.000 qm im Global Tower im Frankfurter Bankenviertel gemietet. Die üppige Flächenausstattung in Zeiten des Homeoffice erklärt Dominik Berker so: "Wir haben uns entschieden, jedem Mitarbeiter einen festen Arbeitsplatz in einem eigenen Büro zur Verfügung zu stellen, welches sie neben der Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, täglich nutzen können."

Berkers & Cie. will sich voll auf das Thema Immobilie und Steuern konzentrieren. "Auch in schwierigen Zeiten sind Steuerberatung, Jahresabschlüsse und Buchhaltung erforderlich", sagt Severin Berker. Er nennt das die "konjunkturunabhängige Basisarbeit". Sollte es mit der Branche wieder aufwärts gehen, sei "mit einem zusätzlichen Beratungsbedarf" zu rechnen, etwa durch Transaktionen. Die Zeichen für einen Aufschwung stünden nicht schlecht. EZB-Präsidentin Christine Lagarde habe auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos die erste Senkung des Leitzinses im Sommer in Aussicht gestellt. Glaube man den weiteren Leitzinsprognosen der Volkswirte, "erwarten wir in der zweiten Jahreshälfte erste Stimulierungen für den Investitions- und Transaktionsmarkt", sagt Severin Berker. Kommt es anders, sieht sein Bruder Dominik der näheren Zukunft dennoch gelassen entgegen. "Firesales, Übernahmen, Restrukturierungen" – in diesem Umfeld gebe es jede Menge Beratungsbedarf steuerrechtlicher Art. "Marktkonsolidierungen sind immer ein Feld, auf dem gerade steuerliche Fragestellungen von Relevanz gedeihen. Solche Herausforderungen mögen wir", erklärt er selbstbewusst.

Ansonsten bemühen sich die Brüder, den Weggang von Hauck Schuchardt zu entdramatisieren. "Dass Partner zu anderen Kanzleien oder in die Selbstständigkeit wechseln, ist nun wahrlich kein Novum. Wir beide sind seit mehr als 15 Jahren gemeinsam in der Steuerberatung aktiv. Die Idee, eine eigene Beratung zu gründen, schwirrte uns schon lange im Kopf herum", erläutert Dominik Berker. Seine alte Partnerschaft sah sich dennoch zu einer Pressemitteilung bemüßigt. Hauck Schuchardt habe seine "Strukturen und das Dienstleistungsangebot im Bereich Steuern überarbeitet und neu ausgerichtet". Im Mittelpunkt stehe die verstärkte "Verzahnung von juristischer und steuerrechtlicher Beratung für die Immobilienwirtschaft". Im Zuge dieser strategischen Neuausrichtung hätten zwei Partner aus dem Steuerberatungs-/Buchhaltungsbereich die Kanzlei verlassen, "um auch in Zukunft ihr rein auf traditionelle Steuerberatung ausgerichtetes Geschäft zu betreiben". Der Name der beiden ehemaligen Partner wird nicht genannt.

Christoph von Schwanenflug