Frauen an die Spitze

Frauen finden sich im Jahr 2020 noch immer selten in der Führung von Immobilienunternehmen.

Frauen finden sich im Jahr 2020 noch immer selten in der Führung von Immobilienunternehmen.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Wolfilser

Karriere 28.05.2020
Frauen sind in der Immobilienbranche keine Seltenheit mehr - auf den Führungsebenen bleiben sie aber etwas Besonderes. Ohne Frauenquote wird das vermutlich auch noch länger so bleiben. ... 

Frauen sind in der Immobilienbranche keine Seltenheit mehr - auf den Führungsebenen bleiben sie aber etwas Besonderes. Ohne Frauenquote wird das vermutlich auch noch länger so bleiben. Dabei tun die Unternehmen sich selbst den größten Gefallen, wenn sie ihre Führungsmannschaften stärker durchmischen: Ihr Gewinn kann im Schnitt zweistellig steigen.

Bei JLL Deutschland führt jetzt eine Frau das Unternehmen, bei DIC Asset seit gut drei Jahren. Eine CFO verantwortet Vonovias Finanzen, Patrizia besitzt eine Investmentchefin und die Aareal Bank hat zwei weibliche Vorstandsmitglieder. Swiss Life Asset Managers (SLAM), die Muttergesellschaft von Corpus Sireo und Beos, betraute vergangenes Jahr eine (damals) 33-Jährige mit dem CEO-Job in Deutschland. Bei der LEG klettert der Frauenanteil im Vorstand mit einer Finanzchefin ab Juli auf 33%. Führungsfrauen, so weit das Auge reicht!

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache

Wer sich die nackten Zahlen anschaut, der stellt allerdings fest: Frauen sind auf den obersten Führungsebenen von Unternehmen der deutschen Immobilienbranche wie eh und je eine Rarität. Ja, ihre Anzahl ist gewachsen. Doch die Männer dominieren immer noch die Vorstands- und Geschäftsführungsetagen. Nicht nur, dass Tina Störmer - wohlgemerkt aus gesundheitlichen Gründen - zurück in die Schweiz gewechselt ist und nun zwei männliche Geschäftsführer an der Spitze von SLAM Deutschland stehen. Anne Kavanagh von Patrizia hat sieben männliche Vorstandskollegen, Annette Kröger sitzt im Executive Committee von Allianz Real Estate neun Herren gegenüber. Apleona hat ein Management Board mit acht Positionen - alle mit Männern besetzt. Deutsche Wohnen: vier Vorstandsposten, vier Männer. Die Zahlen sprechen fast überall die gleiche Sprache.

Die Fakten sind deutlich. Sehr deutlich. Nicht, dass die Immobilienbranche im Vergleich mit anderen Branchen eine Ausnahme wäre - aber sie sticht im negativen Sinne hervor. Keine Frau im Vorstand, und keine Frau im Aufsichtsrat: Immobilienunternehmen sind überproportional stark mit einer doppelten Null vertreten. Von 17 börsennotierten Unternehmen, die auf der "doppelschwarzen Liste" der Allbright-Stiftung stehen, lassen sich sechs oder 35,3% der Immobilienbranche zurechnen (Stand September 2019). Bei einem Immobilienanteil von nur 13% unter den untersuchten Börsenunternehmen (21 von 160) ist das ein hoher Wert.

Unternehmen verschenken bares Geld

Dabei verschenken Unternehmen, die Diversität geringschätzen, Geld. Die Praxis lehrt, dass gemischte Führungsteams bessere Ergebnisse abliefern. Das Peterson Institute for International Economics, ein US-Thinktank, kam z.B. schon 2016 in einer internationalen Studie zu dem Fazit: Firmen mit einem Frauenanteil von mindestens 30% auf der obersten Managementebene machen im Schnitt 15% mehr Gewinn als vergleichbare Unternehmen ohne Frauen im Management. Eine brandaktuelle Studie von McKinsey zeigt: Die Unternehmen mit den höchsten Frauenanteilen im Topmanagement sind mit 25%iger Wahrscheinlichkeit profitabler als die Konkurrenz.

Eine Studie, die PwC im vergangenen Jahr für den Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) erstellte, zeigt: Unternehmen mit einem höheren Reifegrad in puncto Diversität wachsen nicht nur mit großer Wahrscheinlichkeit stärker als der Wettbewerb, sondern sind auch innovativer und freuen sich über zufriedenere Kunden und eine geringere Mitarbeiterfluktuation.

Vor allem die Immobilienbranche weiß die stillen Reserven nicht zu heben

Die Immobilienbranche weiß dieses Potenzial nicht zu heben, besagt die Studie des ZIA. So fehlt in der Mehrheit der 138 von PwC befragten Unternehmen eine klare Verantwortlichkeit für das Thema, und nur in einer kleinen Handvoll Firmen hat die Geschäftsführung mehr Vielfalt zur Chefsache erklärt - was meist nötig ist, um eine echte Veränderung einzuleiten.

Es kommt also nicht von ungefähr, dass mehr als jedes zweite Unternehmen einen Frauenanteil von unter 10% auf der Ebene der Geschäftsführung aufweist, und bei mehr als zwei Dritteln der Frauenanteil auch auf den anderen Führungsebenen unter 30% liegt. Es ist nicht absehbar, dass die Branche demnächst aufholt. Denn viele Immobilienunternehmen sind weiter zurückhaltend mit ehrgeizigen Zielen für Frauenanteile im Vorstand oder der Geschäftsführung.

Ziel Null Prozent Frauen

Viele börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Firmen mit mindestens 500 Arbeitnehmern müssen seit 2015 Zielgrößen für den Aufsichtsrat, das Leitungsorgan und die beiden obersten Führungsebenen unterhalb von Vorstand oder Geschäftsführung festlegen. Mehr als ein Drittel (58) der 160 Gesellschaften im DAX, MDAX und SDAX haben sich zuletzt für den Vorstand das Ziel 0% Frauen gesetzt. Zwei davon, u.a. der Onlinehändler Zalando, sind nach einem Shitstorm zurückgerudert. Von den verbliebenen 56 "Doppelnullen" gehören elf, und damit fast 20%, der Immobilienbranche an.

Die Unternehmen sind um gute Gründe nicht verlegen. Beispielhaft sei der Bauträger Instone Real Estate herausgegriffen. Der Wohnungsentwickler erklärt sein Ziel Null auf Anfrage der Immobilien Zeitung mit der "Vertragsdauer der laufenden Vorstandsverträge" und damit, dass das Unternehmen das aktuelle Vorstandsteam auch darüber hinaus halten wolle. Außerdem sei es doch legitim, "dass jede Position vorwiegend nach Qualifizierung und Kompetenz besetzt werden soll - unabhängig vom Geschlecht oder anderen nicht leistungsbezogenen Kriterien". In der Öffentlichkeit vermittle die Quote Null ein falsches Bild: "Als würde sich ein Unternehmen nicht um Frauenförderung kümmern."

Für Männer gibt es ja quasi schon eine Quote

Anne Tischer, Mitgründerin der Initiative Frauen in Führung (FiF), erklärt, warum ihr die Zielquote Null ein Dorn im Auge ist: "Wenn der Status quo 0% ist, kann das Unternehmen begründen, warum die Wahl - trotz intensiver Suche - z.B. auf genau diese vier Männer gefallen ist. Aber eine Zielquote Null ist ein fatales Signal an die eigenen Mitarbeiterinnen sowie an Kandidatinnen."

Dass der oder die Beste den Job kriegt, ganz gleich, welches Geschlecht, ist nicht unbestritten: "Jede Frau, die seit mindestens zehn, 15 Jahren in der Branche arbeitet, hat schon erlebt, dass nicht immer der oder die Bestqualifizierte den Job bekommt, sondern wer ein gutes Netzwerk hat und denjenigen kennt, der den Job vergibt", sagt Tischer. "Es ist kein Zufall, dass so viele Immobilienunternehmen in der Allbright-Liste die Forderungen nach Diversität nicht erfüllen. Die Immobilienwirtschaft hinkt anderen Branchen um fünf bis zehn Jahre hinterher", konstatiert Karin Barthelmes-Wehr, Geschäftsführerin des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft.

"Mit Blick auf das Employer Branding ist ein 0%-Ziel natürlich wahnsinnig ungeschickt"

Sonja Rösch aus dem Management der Agentur PB3C, die auf Immobilienkommunikation spezialisiert ist, ergänzt: "Mit Blick auf das Employer Branding ist ein 0%-Ziel natürlich wahnsinnig ungeschickt." Doch die wenigsten Firmen bringen den Mut auf, den Willen zur Veränderung mit einer Selbstverpflichtung in Gestalt einer Quote zum Ausdruck zu bringen. "Wenn ein Unternehmen etwas wirklich will - z.B. bei der Umsatzentwicklung oder in der Akquise -, setzt es sich messbare Ziele, in der Regel in Form einer Zahl. Alles fängt doch mit dem Commitment an", meint Tischer.

FiF fordert von allen führenden Immobilienunternehmen der verschiedenen Marktsegmente, von der Finanzierung über die Projektentwicklung bis zum Fonds-, Asset- und Property-Management: "Setzt Euch Zielquoten für den Frauenanteil in den obersten drei Führungsebenen und Fristen, innerhalb derer ihr diese erreichen wollt! Bis 2025 soll überall mindestens eine Frau im Vorstand bzw. in der Geschäftsführung sein!" Die Immobilien Zeitung hat Unternehmen, die sich als führend in ihren Marktsegmenten verstehen, nach ihrer Meinung zu dem Forderungskatalog gefragt. Im Wesentlichen zusammengefasst: Wer nicht unbedingt muss, verzichtet meist lieber darauf, sich unbequeme Ziele zu setzen (siehe Tabelle "Unternehmen aus der Immobilienbranche tun sich meist schwer mit freiwilligen Zielvorgaben" weiter unten).

Ohne Quote kaum messbarer Fortschritt

Dass sich ohne Quotenzwang wenig an den herrschenden Verhältnissen ändert, zeigen Zahlen der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR). Für Gesellschaften, die sowohl börsennotiert als auch voll mitbestimmungspflichtig sind, also mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigen, gilt eine harte 30%-Quote für den Aufsichtsrat. Bei diesen hat der Frauenanteil seit 2015 erheblich zugelegt und beträgt mittlerweile rund 34%. Bei den anderen in den DAX-Segmenten notierten Unternehmen verharrt er nur knapp über 20%. Das wichtigste Indiz dafür, dass sich ohne Quote allenfalls punktuell etwas tut, ist: In den Vorständen, für die allesamt noch keine Quote gilt, bewegt sich der Frauenanteil um die 10%. Im Lager der Unternehmen mit der AR-Quote ist er seit 2015 nur unwesentlich stärker geklettert bzw. liegt kaum höher (10,8%) als im Lager (8,9%) der Unternehmen ohne AR-Quote. "Damit ist eine stabile Männerquote von 90% weiterhin gesichert", bilanziert FidAR.

Nicht umsonst hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) Anfang dieses Jahres einen Gesetzentwurf für eine verschärfte Frauenquote vorgelegt. Dieser sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern und mindestens vier Vorstandsmitgliedern künftig mindestens eine Frau im Vorstand haben müssen. Giffey hatte ihre Quote für Vorstände mit dem hohen Anteil von Unternehmen, die sich eine Zielquote Null für den Vorstand setzen, begründet: "Nur mit freiwilligen Bekenntnissen kommen wir nicht weiter."

Frauenquote: Status quo und Zielgrößen
Unternehmen aus der Immobilienbranche tun sich meist schwer mit freiwilligen Zielvorgaben für Frauenquoten - Status quo und Zielgrößen für Frauenanteile auf den operativen Führungsebenen ausgewählter Immobilienunternehmen in Deutschland: zum PDF

An der Quote scheiden sich die Geister. Heike Gündling, früher u.a. COO bei Bilfinger Real Estate und heute Managing Director bei Eucon Digital, ist ganz bei Giffey: "Ich bin für die Quote. Gegen eine schwere Krankheit hilft nur ein schweres Medikament. Wenn man so will, kommen ja auch Männer in der Immobilienbranche oft genug wegen einer - ungeschriebenen - Quote zum Zug: weil sie irgendwann einfach mal dran sind. Nicht jeder Mann in einer Führungsposition macht einen Superjob." PR-Frau Rösch hält dagegen: "Eine Quote bringt nichts. Besser ein mittleres Management für Nachbesetzungen aufbauen. Ich habe in meiner Laufbahn Frauen erlebt, die wegen einer Quote mehrere Hierarchieebenen übersprungen haben - und dann zu kämpfen hatten; sie waren einfach noch nicht bereit."

In den Unternehmen hat die Quote wenige Freunde

Auch die allermeisten Unternehmen zeigen sich wenig begeistert von der Vorstellung fester Frauenanteile für operative Führungsebenen. Swiss Life Asset Managers etwa ist zwar "überzeugt, dass gemischte Teams besser performen". Aber: "Eine starre Quote erachten wir nicht als förderlich." Lieber versuche der Asset-Manager, "durch eine breite Förderung auf allen Ebenen des Unternehmens zu erreichen, dass der Pool von potenziellen Kandidatinnen für Führungsaufgaben immer größer wird und es somit automatisch mehr Frauen in Führungspositionen geben wird." Der Projektentwickler Consus begründet seine Ablehnung einer fixen Zielvorgabe damit, dass eine solche "die ohnehin schwierige Fachkräftesuche weiter einschränken würde". Zudem sei eine Quote auch für die Frauen selbst ein vergiftetes Geschenk: "Unsere weiblichen Führungskräfte haben viele eigene Akzente eingebracht. Dabei mussten sie nicht mit dem Makel von Quotenfrauen kämpfen, sondern werden als qualifizierte Mitglieder des Teams verstanden, sodass die Zusammenarbeit mit den Männern bestens funktioniert."

"Krisen werden gern dafür genutzt, einen Backlash einzuleiten"

Aus Giffeys Quote für Vorstände wird aber ohnehin wahrscheinlich erst einmal nichts. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) drohte laut einem Medienbericht, gegen einen Kabinettsbeschluss zu stimmen. Den Firmen sollten in der Krise weitere Belastungen erspart bleiben. Da ist es fast schon Ironie, dass Altmaiers Ministerium die Schirmherrschaft bei FiF innehat. Gündling warnt: "Krisen werden gern dafür genutzt, einen Backlash einzuleiten. Natürlich hat sich beim Thema Frauen in Führung in der Vergangenheit was getan. Aber speziell die Immobilienbranche ist immer noch sehr männerlastig. Da besteht einfach die Sorge, dass dieses zarte Pflänzchen jetzt in der Krise wieder verdorrt."

Die Krise ist jetzt schon Gift für dieses Pflänzchen. Laut der Hans-Böckler-Stiftung sind Männer und Frauen zwar in etwa gleich stark von Kurzarbeit betroffen. Doch die Frauen haben ihre Arbeitszeit wegen geschlossener Schulen und Kitas deutlich öfter (zusätzlich) reduziert. Dabei setzt sich nicht nur die Arbeitsteilung von vor der Krise fort. Vier von zehn Elternpaaren, die sich die Erziehungsarbeit vorher ungefähr gleich aufteilten, sind zu alten Rollenmustern zurückgekehrt.

"Corona macht die Mängel wieder sichtbar"

Was die Studie anhand von knapp 8.000 Erwerbstätigen zeigt, nimmt Izabela Danner täglich in ihrem Netzwerk wahr. "Die traditionellen Rollen werden wieder oft klassisch gelebt, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht", beobachtet die ehemalige Geschäftsführerin von JLL Deutschland. "Der Mann hängt den ganzen Tag in den Telkos - und die Frau natürlich auch. Denn wer die Verfügbarkeit für den Job nicht gewährleistet, ist ganz schnell weg vom Fenster." Für Frauen ohne Familie ist es vielleicht egal, wenn sie in Corona-Zeiten von morgens bis abends in Zoom-Meetings hängen. "Aber", betont Danner, "wenn kleinere Kinder da sind, dann läuft die Versorgung vorrangig bei den Müttern mit. Für viele ist die Belastung unerträglich geworden."

Danner erzählt von berufstätigen Frauen aus ihrem Bekanntenkreis: "Sie fangen teils um 5 Uhr morgens an - und wenn die Kinder schlafen, müssen sie aufholen, was sie den Tag über nicht geschafft haben. Corona macht die Mängel unserer Arbeitswelt wieder sichtbar - und vor allem klar, dass der Job nicht aus dem persönlichen Kontext herauslösbar ist." So manche Frau droht karrieretechnisch abgehängt zu werden: "Viele Entscheidungen müssen in der Krise schnell getroffen werden; da greift man automatisch zur starren Hierarchie oder zu denen, die rund um die Uhr verfügbar sind. Und das sind in unserer Branche besonders oft Männer."

Wie viele Frauen an der Spitze von Immobilienfirmen stehen, zeigt unsere IZ-Tabelle.

Details zur Initiative unter: www.frauen-in-fuehrung.info

Harald Thomeczek

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Starke Statements für die Geschlechtervielfalt

Janina Stadel und Marius Katzmann im Gespräch mit den Male Allies Manuel Gerlach und Martin Czaja sowie Anne Tischer und Inge Lang von FiF (v.l.).

Janina Stadel und Marius Katzmann im Gespräch mit den Male Allies Manuel Gerlach und Martin Czaja sowie Anne Tischer und Inge Lang von FiF (v.l.).

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Florian Hartmüller

Karriere 11.01.2024
In einer Kampagne des Vereins Frauen in Führung beziehen 40 Männer Stellung zum Thema Diversität im Berufsleben. Sie wollen zu Diskussionen anregen, um langfristig Veränderungen in den ... 

In einer Kampagne des Vereins Frauen in Führung beziehen 40 Männer Stellung zum Thema Diversität im Berufsleben. Sie wollen zu Diskussionen anregen, um langfristig Veränderungen in den Unternehmen der Immobilienwirtschaft herbeizuführen. So soll eine Plattform für den Austausch zwischen allen Sparten der Branche entstehen.

"Gleichberechtigung ist ein Grundrecht", sagt Konstantin Kortmann, Country Head Germany und Head of Markets bei JLL. Er bezieht sich dabei auf Karrierechancen und setzt sich im Rahmen der Kampagne "Male Allies" für mehr Geschlechtervielfalt in der Immobilienwirtschaft ein. Statements wie seines wollen außer ihm noch 39 weitere Männer setzen, 36 von ihnen kommen ebenfalls direkt aus der Branche. So sagt Landmarken-Gründer Norbert Hermanns: "Es ist eine Illusion, dass Männer besser sind als Frauen." Simon Kempf, Geschäftsführer von DLE Land Development, begründet: "Frauen haben andere Problemlöseansätze als Männer."

Gesammelt hat die Statements der Verein Frauen in Führung (FiF). Die Kampagnen-Initiatoren haben sich auf die Suche nach Männern gemacht, die ihre Position zum Thema Geschlechtervielfalt sowohl im Privatleben als auch im Beruf öffentlich teilen, um Diskussionen anzustoßen. Einige von ihnen haben schon konkrete Projekte in ihren Unternehmen angeschoben, die als Basis für mehr Diversität dienen sollen. Zu diesen Maßnahmen zählen Selbstverpflichtungen, die die Zusammensetzung von Führungsteams regeln, Mentoring-Programme oder Benefits zur Kinderbetreuung, durch die sich Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren lassen sollen.

Andere Teilnehmer der Male-Ally-Kampagne teilen einfach nur die Botschaft, dass diverse Teams zum Erfolg eines Unternehmens beitragen und die junge Generation als Mitarbeiter anziehen. "Unser Anliegen war es nicht, die perfekten Male Allies zu finden, sondern Männer, die Veränderung als Anliegen teilen und zum Nachdenken anregen wollen. Ihre Stimmen wollen wir öffentlich sichtbar machen", erklärt Martin Czaja, geschäftsführender Gesellschafter von Inbright Investment und Mitglied im Vorstand des Initiatoren-Vereins.

Fast ein Jahr lang hat der Verein nach den passenden Kandidaten gesucht. "Es bedurfte am Anfang viel Ermutigung, um erste Teilnehmer zu finden. Das Konzept und auch der Begriff ,Male Ally‘ hat Fragen aufgeworfen, die in vielen Gesprächen geklärt werden mussten. Männer aus unserem Netzwerk, von denen wir dachten, sie passen gut zur Kampagne, haben wir direkt angesprochen", erklärt Vereinsvorsitzende Anne Tischer das Vorgehen. Für die Interessenten hat FiF dann einen Fragebogen vorbereitet. Der bildete die Grundlage für persönliche Interviews, die im Rahmen der Kampagne vor wenigen Wochen veröffentlicht wurden.

Einer, der sich den Fragen gestellt hat, ist Johannes Ostwald. Er ist Head of People & Culture bei Tattersall Lorenz Immobilienmanagement, einem Partnerunternehmen von FiF. "Dieser Fragebogen hat mich zum Nachdenken gebracht", berichtet er. Weil die Fragen von den potenziellen Male Allies verlangen, dass sie sich sowohl über Diversität im Privatleben als auch in der Berufswelt Gedanken machen, habe das Ausfüllen viel Zeit gekostet. Doch als HR-Verantwortlicher weiß er: "Diversität ist ein großes und aktuelles Thema bei der Mitarbeitergewinnung und fördert auch die Mitarbeiterbindung. Tattersall Lorenz ist da sehr liberal unterwegs, obwohl wir uns im Property-Management in einer vermeintlich konservativen Sparte bewegen." Doch als er sich selbst auf die Suche nach weiteren Male Allies machen wollte, habe er gemerkt, dass sich nicht jeder mit dem Thema identifizieren kann. "Als ich den Fragebogen intern an Kollegen weitergegeben habe, habe ich bemerkt, dass er für einige eine echte Hürde ist", sagt er.

Auch Czaja hat diese Erfahrung gemacht. "Einige Führungskräfte, die wir angesprochen haben, haben sich bewusst dagegen entschieden. Und zwar aus Sorge, dass ihre Statements nicht zur Unternehmenskultur passen und sie missverstanden werden könnten." Er sieht diese Reaktionen als Zeichen dafür, dass die Rolle eines Male Allys ernst genommen wird. Auch außerhalb der Führungsebenen seien die Initiatoren oft angeeckt. Dabei sei die Mischung aus Männern in Führungspositionen, aus niedrigeren Ebenen und aus Brancheneinsteigern wichtig für die Kampagne. Er soll zeigen, dass Diskussionen zum Thema Gleichberechtigung auf allen Ebenen existieren.

"Besonders offen zeigten sich Männer aus den Bereichen Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Viele sind junge Branchenprofis, und auch HR-Experten konnten wir gewinnen", berichtet Vereinsmitglied Inge Lang, Head of Digital Research, IZ Research. Mit an Bord seien zudem oft Männer, die es sich leisten können, offen zu sprechen, die also hohe Stellungen in den Unternehmen besetzen oder selbstständig sind und deshalb nicht über die Konformität mit der Unternehmenskommunikation nachdenken mussten.

Generell findet Tischer, dass jede Transformation im Unternehmen Aufgabe des Topmanagements ist. "Wenn eine Veränderung von der Spitze nicht gewollt ist, hat sie keine echte Chance, in die Organisation zu kommen. Diversität als Teil der Unternehmenskultur sollte nicht als Selbstzweck präsentiert werden, sondern auch mit den strategischen Zielen des Unternehmens begründet werden." Doch Czaja betont: "Auch Teams und die Belegschaft können etwas bewegen. Was die Mitarbeiter fordern, schafft Problembewusstsein an der Spitze."

Das findet auch Manuel Gerlach, Head of Sales bei der Recogizer Group und Male Ally der ersten Stunde. Er habe schon früh in seiner Karriere immer wieder kleine sexistische Bemerkungen im Berufsalltag wahrgenommen. "Doch ich habe mich damals nicht getraut zu reagieren. Schließlich war ich noch unerfahren und hatte Angst, gerade in Gesprächen mit Kunden. Dabei lebe ich Diversität in meinem Privatleben schon immer – sei es im Bekanntenkreis oder in Bezug auf die Erziehung meines Kindes." Dass das im Beruf anders sein soll, habe er irgendwann nicht mehr hinnehmen wollen. "Das war meine Motivation, mich der Kampagne anzuschließen."

Männer werden zu Diversitätsbotschaftern

Bei bloßen Worten soll es nicht bleiben. "Unser langfristiges Ziel ist es, ein starkes Netzwerk von Männern in der Branche zu haben, von denen wir als Verein wissen, dass wir mit ihnen zusammenarbeiten können, die unsere Ziele unterstützen und die sich aktiv engagieren und einbringen", erklärt Tischer. Konkret geplant sei ein erstes Treffen der Male Allies im Februar. Sie wollen sich zum einen untereinander persönlich kennenlernen, aber auch in einem Workshop zum Thema "Wie setze ich mich als Mann für mehr Frauen in Führung ein?" praxisnahe Ergebnisse erarbeiten. Zudem will der Verein das Thema auch in der Gesprächsreihe "FiF-Talks" aufgreifen und Male Allies zu diesem Onlineformat einladen und in Diskussionen über die Zukunft der Branche einbinden. "Wir müssen Räume und Formate schaffen, in denen sich Männer und Frauen begegnen können. So findet man Gemeinsamkeiten wie etwa den Wunsch nach Veränderung – und dieser ist Ausgangslage dafür, dass die Transformation in den Unternehmen klappt. Das kann über Netzwerke geschehen, oder auch in Unternehmen intern", sagt Tischer.

Janina Stadel und Marius Katzmann

FiF sucht Männer als Frauenbotschafter

Als Male Allies sind acht Herren der Branche unterwegs.

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Karriere 05.10.2023
Als Kampagnenbotschafter setzt sich eine Gruppe von Männern für mehr Geschlechterdiversität in der Branche ein. Der Verein FiF sucht noch Mitstreiter. ... 

Als Kampagnenbotschafter setzt sich eine Gruppe von Männern für mehr Geschlechterdiversität in der Branche ein. Der Verein FiF sucht noch Mitstreiter.

Janina Stadel

Cube bereitet Nachwuchs aufs Führen vor

Der erste Jahrgang hat das Förderprogramm abgeschlossen.

Der erste Jahrgang hat das Förderprogramm abgeschlossen.

Quelle: Cube Real Estate

Karriere 21.09.2023
Wenn Immobilienprojekte von der Planung bis zum Bau umgesetzt werden, müssen oft wenig erfahrene Mitarbeiter Subunternehmer steuern. Um jungen Talenten dafür das nötige Rüstzeug mit auf ... 

Wenn Immobilienprojekte von der Planung bis zum Bau umgesetzt werden, müssen oft wenig erfahrene Mitarbeiter Subunternehmer steuern. Um jungen Talenten dafür das nötige Rüstzeug mit auf den Weg zu geben, hat Projektentwickler Cube Real Estate ein unternehmensinternes Programm zur Führungskräfteentwicklung ins Leben gerufen.

Die Projektentwicklung zählt zu den beliebtesten Disziplinen von Berufseinsteigern in der Immobilienwirtschaft. Doch während im Studium an den Hochschulen vor allem der fachliche Input vermittelt wird, braucht es im Berufsalltag auch Führungskompetenzen. Das weiß Tilman Gartmeier, Gründer und Vorsitzender der Geschäftsführung des Projektentwicklers Cube Real Estate, nur zu gut. Das Unternehmen unterhält eine große Bauabteilung, in der auch teils noch junge Projektverantwortliche große Bauvorhaben begleiten: "Selbst Juniors, die bei uns noch keine Personalverantwortung haben, müssen auf diesen Baustellen extern führen", sagt Gartmeier. "Sie müssen mit verschiedenen Gewerken bei unseren Subunternehmern umgehen können und sich zum Teil gegen deutlich ältere Ansprechpartner durchsetzen."

Solche Situationen sind ein wichtiger Grund, warum Cube Real Estate seit einem Jahr junge, zielstrebige Mitarbeiter im Unternehmen im Weiterbildungslehrgang "Young Talents Programm" fördert. Der erste Jahrgang des Anfang 2022 gestarteten Programms hat dieses nun abgeschlossen und seine Zertifikate erhalten. Ein neuer Jahrgang ist Anfang 2023 gestartet.

Cube Real Estate ist in den vergangenen zehn Jahren vom Start-up zum mittelständischen Akteur im Markt für möblierte Studentenwohnungen und gemischte Quartiersentwicklung aufgestiegen. Rund 100 Mitarbeiter an drei Standorten decken inzwischen die komplette Wertschöpfungskette der Projektentwicklung ab: vom Kauf über die Abwicklung bis zur Fertigstellung. Neben der Zentrale im rheinischen Leverkusen ist das Unternehmen mittlerweile auch in Hamburg und Frankfurt am Main vertreten. Cube wächst weiter stark und braucht deshalb auch ständig neue Führungskräfte in der Projektentwicklung.

Externe Speaker und Coaches geben Input

Noch während der Corona-Pandemie hatten sich Gartmeier und seine Führungskollegen mit dem Trainer und Coach Michael Lorenz von der Managementberatung Grow up aus Gummersbach zusammengesetzt und an einem hausinternen Lehrgang für den Führungsnachwuchs gearbeitet: exklusiv auf den Bedarf von Cube zugeschnitten. "Natürlich gibt es sehr viele externe Angebote zur Führungskräfteentwicklung", sagt Cube-Gründer Gartmeier. "Aber die boten nie zu 100% das, was wir wollten." Zudem sollten sich auch die Talente aus unterschiedlichen Cube-Standorten und -Teams kennenlernen und austauschen. "Das erreicht man nicht, wenn man die Leute einzeln auf Fortbildungen schickt", sagt Gartmeier.

Der Cube-Führung war wichtig, das Programm extern zu validieren, damit die Teilnehmer ein Zertifikat erhalten, das auch andere potenzielle Arbeitgeber akzeptieren. Deshalb arbeitet Cube mit der Hochschule Fresenius zusammen, die das Programm als "Nachhaltige Führungskräfteentwicklung" zertifiziert hat. "Das Schulungsprogramm entspricht allen Anforderungen moderner Lehre", sagt Erwin Hoffmann, Hochschuldozent für Personalentwicklung bei Fresenius und gutachterlicher Begleiter des Programms. Er lobt den methodischen Mix sowie die Mischung aus Selbstlernzeiten und Präsenzterminen.

Zwölf Monate lang treffen sich die Teilnehmer alle vier Wochen für zwei Werktage in einem Schulungshotel und lernen gemeinsam. Input kommt von Coach und Berater Lorenz sowie von externen Speakern – 2022 waren es vier, unter anderem Anne Tischer vom Verein Frauen in Führung, einer Initiative der deutschen Immobilienwirtschaft, und Telekom-Deutschland-Manager Michael Müller-Berg. Für die Zeit zwischen den Blöcken erhalten die Teilnehmer begleitendes Lernmaterial.

Das Programm bringt Mitarbeiter in Kontakt

Die insgesamt acht Module des Cube-Programms behandeln Führungskompetenzen, Verhandlungstraining und Persönlichkeitsentwicklung. "Es geht auch um Selbstführung", sagt Gartmeier. "Die Projektentwicklung lebt von einer guten Selbstorganisation." Weil Cube schon seit geraumer Zeit nach dem Vierfarben-Modell arbeitet, das auch unter den Namen "Insights Discovery Profile" bekannt ist, basiert das Programm ebenfalls darauf. Anhand der beiden Dimensionen "introvertiert versus extravertiert" und "rational versus emotional" werden dabei vier Menschentypen unterschieden und diesen Farben zugeordnet: blau, grün, rot und gelb. "Die Teilnehmer:innen sollen lernen, sich selbst zu erkennen, ihr Gegenüber einzuschätzen und zu antizipieren, was passiert, wenn unterschiedliche Typen aufeinandertreffen", erklärt Gartmeier. Unternehmensberater Lorenz steht den Teilnehmern während der gesamten Zeit als Coach zur Verfügung.

Bewerben kann sich jeder neue Mitarbeiter, egal ob mit Hochschulabschluss oder ohne. Wichtig ist jedoch, dass es sich um junge Mitarbeiter:innen handelt. Der Prozess ist einfach: Die Cube-Führung ruft zum Mitmachen auf, dann bewirbt sich der Nachwuchs mit Motivationsschreiben und einer Powerpoint-Präsentation zur eigenen Person. Die HR-Abteilung filtert formal vor, dann wählen Geschäftsführung und Bereichsleiter in einem gemeinsamen Workshop die Besten aus. "Die Nachfrage ist sehr hoch", sagt Cube-CEO Gartmeier. "Und die Bewerbungen sind oft wirklich gut gemacht." Selbst wenn nicht alle zum Zuge kommen, hilft das Programm Cube. Zum Beispiel beim Recruiting neuer Bewerber, berichtet Gartmeier. "Wir sprechen das regelmäßig in Vorstellungsgesprächen an – und die allermeisten Bewerber:innen spiegeln uns, dass sie dieses Engagement sehr gut finden." Auch die Projektentwicklung stehe nämlich inzwischen vor der Herausforderung, gute Leute zu finden, sagt der Unternehmer.

Am Ende des Lehrgangs legen die Teilnehmer in einem anderthalbtägigen "Development Center" eine Prüfung ab und müssen unter anderem praxisnahe Problemfälle lösen. Der 2022er-Jahrgang musste in einer Postkorbübung Aufgaben richtig priorisieren, einen Fachvortrag halten und ein Mitarbeitergespräch führen.

Bis zu diesem Punkt im Programm gibt der eine oder andere Teilnehmer auf – meist, weil die Doppelbelastung aus Job und begleitender Ausbildung zu viel geworden ist. Am Ende haben sieben Cube-Talente des Jahrgangs 2022 bestanden, Anfang 2023 sind sieben Kolleg:innen in die zweite Runde gestartet. Und das Programm befördert tatsächlich die Karriere, betont CEO Gartmeier. Auch wenn nicht jeder Absolvent aus der ersten Runde jetzt Personalverantwortung bekommen hat – befördert worden sind sie alle.
Der Autor: David Selbach ist Journalist bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

David Selbach