Frauenanteil: Bei vielen Immobilien-AGs steht die Null

Frauen an der Spitze: ein seltenes Bild, nicht nur in Immobilienunternehmen.

Frauen an der Spitze: ein seltenes Bild, nicht nur in Immobilienunternehmen.

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Karriere 15.04.2019
Die Aufsichtsräte von einem Drittel der 160 börsennotierten Unternehmen in den Indizes DAX, MDax und SDax haben sich einen Frauenanteil von 0% im Vorstand zum Ziel gesetzt. Zu den ... 

Die Aufsichtsräte von einem Drittel der 160 börsennotierten Unternehmen in den Indizes DAX, MDax und SDax haben sich einen Frauenanteil von 0% im Vorstand zum Ziel gesetzt. Zu den Gesellschaften, bei denen - um ein geflügeltes Wort aus der Welt des Fußballs zu bemühen - die Null stehen muss, gehört auch eine ganze Reihe von Unternehmen, die mit Immobilien Geld verdienen. Das lässt sich im aktuellen AllBright-Bericht über die Frauenanteile in Vorständen und Aufsichtsräten nachlesen.

Besagte 160 börsennotierte Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, feste Zielgrößen für den Frauenanteil in ihren Vorständen zu veröffentlichen, aktuell für den Zeitraum bis Ende Juni 2022. Es ist dabei allerdings möglich, als Zielgröße Null anzugeben. Tatsächlich planen 76 derjenigen Unternehmen, die noch keine Frauen im Vorstand haben, nicht, im genannten Zeitraum daran etwas zu ändern, heißt es im AllBright-Bericht.

Zielgröße von 0% nicht unterschreiten

Ziemlich genau jedes dritte Unternehmen - in summa 53 - formuliert sogar ausdrücklich das Ziel 0%. Zu den Unternehmen, bei denen die Null steht, gehören auch Adler Real Estate, Alstria Office Reit, Deutsche Wohnen, Hochtief, Hypoport, LEG Immobilien, Nemetschek und TLG Immobilien. TLG z.B. schreibt im Corporate-Governance-Bericht von März 2018 etwa: "Für den Vorstand der TLG Immobilien AG liegt die Mindestzielgröße für den Frauenanteil bei Null." Diese Zielgröße solle "nicht unterschritten" werden.

Tantiemen für Führungskräfte an Frauenförderung koppeln

"Die Festlegung einer Zielgröße Null für den Vorstand ist nicht mehr zeitgemäß", findet Bärbel Schomberg, Vizepräsidentin des Branchenverbands Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) und Vorsitzende des ZIA-Ausschusses Diversity. Der ZIA und das ICG Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft raten zur Lektüre der im AllBright-Bericht aufgeführten Handlungsempfehlungen, wie Unternehmen den Rekrutierungsprozess für Vorstände noch mehr professionalisieren und so den Frauenanteil erhöhen können. "Ein Instrument für mehr Frauenförderung", schlägt Schomberg vor, könne z.B. sein, "die bestehende Führungsebene über die Tantiemenregelung für die Förderung der Frauen im eigenen Team zu verpflichten".

Oft fehlt der Wille

Manuela Better, Vorstandsfrau der DekaBank und des ICG, rät: "Ein professionelles Mentoring-Programm hilft dabei, Frauen nach vorne zu bringen." Sie weiß aber auch, woran es oft hapert: "Hierfür braucht es jedoch auch die Überzeugung und den Willen in den Unternehmen selbst, die Anzahl von Frauen in Aufsichts- und Beiräten wie Geschäftsführungs- und Vorstandsgremien in der deutschen Immobilienwirtschaft deutlich zu erhöhen."

Der Fairness halber sei gesagt: In den 160 untersuchten Börsenunternehmen gehören nur 8,8% aller Vorstandsgesichter einer Frau (Stand: 1. Februar 2019). In den Aufsichtsräten sind Frauen immerhin zu 30% vertreten. Dabei ist nur etwa die Hälfte der 160 Firmen von der gesetzlichen Geschlechterquote von 30%, die seit 2015 für die Aufsichtsräte gilt, betroffen.

Closed Shop Aufsichtsrat

Viele Immobilienunternehmen wollen es mit Frauen im Aufsichtsrat anscheinend nicht übertreiben. Unter den 20 Firmen, die ein rein männlich besetztes Kontrollgremium besitzen, finden sich überproportional viele - nämlich sieben - aus dem Immobilienuniversum. Namentlich sind das Adler Real Estate, Ado Properties, Corestate Capital, DIC Asset, Hypoport, Nemetschek und Patrizia Immobilien. Unter den 20 Firmen, die einen Frauenanteil von 40% oder mehr im Aufsichtsrat vorweisen können, findet sich dagegen nur ein einziges Unternehmen mit ausgeprägter Immobilienaffinität: der Finanzierer Aareal Bank. Auch im Vorstand von Aareal ist jeder dritte Kopf ein weiblicher.

Harald Thomeczek

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Frauenanteil in Vorständen bleibt bei Immobilienfirmen gering

Karriere 18.10.2023
Drei börsennotierte Unternehmen aus der Immobilienwirtschaft haben es auf die grüne Liste der Allbright Stiftung geschafft. Sie haben im Vorstand einen Frauenanteil von mindestens 40%. ... 

Drei börsennotierte Unternehmen aus der Immobilienwirtschaft haben es auf die grüne Liste der Allbright Stiftung geschafft. Sie haben im Vorstand einen Frauenanteil von mindestens 40%.

Die Allbright Stiftung hat den Frauenanteil der Vorstände der 160 in DAX, MDAX und SDAX notierten Unternehmen untersucht und die Ergebnisse in drei Listen festgehalten, die anzeigen, wie gut durchmischt die Geschlechter in den Führungsriegen sind. Auf die grüne Liste schafften es branchenübergreifend ingesamt 16 Unternehmen, deren Frauenanteil im Vorstand bei mindestens 40% liegt. Darunter findet sich der Vermögensverwalter DWS Group, die auf Gewerbeimmobilien spezialisierte Hamborner Reit und das Wohnungsunternehmen TAG Immobilien, wobei die Vorstände von Hamborner Reit und TAG je nur aus zwei Personen bestehen.

Unter den 78 Unternehmen aus allen Branchen auf der gelben Liste, die mindestens eine Frau im Vorstand haben, stammen vier aus der Bau- und Immobilienwirtschaft, nämlich das Wohnungsunternehmen LEG Immobilien, der Baukonzern Hochtief, der Gewerbeimmobilieninvestor Aroundtown und das Wohnimmobilienunternehmen Grand City Properties.

66 Unternehmen führt die Allbright Stiftung auf einer roten Liste. Sie hatten zum Zeitpunkt der Auswertung im September keine Frau im Vorstand. Dazu zählt das Wohnungsunternehmen Vonovia. Helene von Roeder hatte kurz vor dem Stichtag im Sommer ihre Position als Chief Transformation Officer aufgegeben. Seit Oktober ist mit Ruth Werhahn jedoch wieder eine Vorstandsposition mit einer weiblichen Chief Human Ressources besetzt. Ebenfalls ohne Frau waren laut der Allbright Studie im September die Vorstände der Deutschen Pfandbriefbank und des Augsburger Investmentmanagers Patrizia.

Janina Stadel

Feedback im Alltag fördert Vertrauen unter Kollegen

Moderierte Gespräche animieren  zu mehr Offenheit.

Moderierte Gespräche animieren zu mehr Offenheit.

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Karriere 10.08.2023
Der offene Umgang mit Kritik gilt im Berufsalltag als Zeichen des Vertrauens unter Kollegen und zu Vorgesetzten. Die List-Gruppe bietet deshalb moderierte Gespräche mit Coaches an, um ... 

Der offene Umgang mit Kritik gilt im Berufsalltag als Zeichen des Vertrauens unter Kollegen und zu Vorgesetzten. Die List-Gruppe bietet deshalb moderierte Gespräche mit Coaches an, um Probleme in offener Runde schnell zu lösen und so die Zufriedenheit in den Teams zu steigern. Bei LEG Immobilien werden Rückmeldungen und Wünsche in den Alltag integriert. Dazu werden Mitarbeiter schon bei ihrem Onboarding animiert.

Karoline Donaubauer arbeitet in einer Personalabteilung – hat aber mit der klassische HR-Arbeit gar nicht viel zu tun: Sie wurde als Coachin bei der List-Gruppe angestellt. Die kleine Abteilung "Coaches" hat sich in dem rund 600 Mitarbeiter starken Unternehmen auf Feedbacks und Reflexionsprozesse spezialisiert. Sie agiert also abseits von strukturierten Jahresdialogen und Review-Gesprächen nach dem Onboarding oder der Probezeit. Stattdessen kümmert sich Donaubauer zusammen mit einer Kollegin um alles, was über das Fachliche hinausgeht: "Wir möchten den Menschen und den Teams Raum und Zeit geben, um sich mit zwischenmenschlichen Fragen zu beschäftigten", sagt sie.

Dafür bietet sie Workshops an, in denen sich alles um die Zusammenarbeit mit Kollegen dreht. Prozesse werden diskutiert, die im Team etabliert werden könnten, und die Rollen einzelner Abteilungen für das Gesamtunternehmen werden reflektiert. Das hat sich im Unternehmen schnell herumgesprochen. Die Nachfrage nach Workshopterminen ist so groß, dass die Wartezeit inzwischen vier bis acht Wochen beträgt.

Doch die Sitzungen führen zum Teil dazu, dass ganz neue Routinen im Unternehmen angestoßen werden, so zum Beispiel Kick-offs für Baustellenteams und Baustellenretrospektiven, die die Coaches moderieren. Gibt es eine neue Baustelle, werden in einem Workshop zuerst die Rollen innerhalb des zuständigen Teams geklärt und Prozesse abgesprochen, erzählt Donaubauer.

In der Retrospektive sitzen alle beteiligten Teams – oft um die zwölf Mitarbeiter aus Vertrieb, Projektleitung, Bauleitung und After Sales – mehrere Stunden zusammen und besprechen: Was lief gut? Was nicht? "Am Anfang schweigen die Leute, sind eher skeptisch", sagt Donaubauer. Wenn es um Kritik geht, müsse erfahrungsgemäß immer zuerst einer die Bombe platzen lassen. Das sei meist die Projektleitung. "Danach öffnen sich alle anderen auch und es wird spannend."

Die Ergebnisse werden unternehmensweit zur Verfügung gestellt. Zuletzt kam etwa heraus, dass der Projektleiter bestimmte Informationen nicht rechtzeitig vom Vertrieb bekommen hatte. Ein wiederkehrender Termin für Nachfragen löste das Problem.

Aufgeschobene Kritik sorgt für schlechte Laune

Klartext sprechen ist jedoch oft schwer und nicht alle Unternehmen haben ein etabliertes Feedbacksystem oder einen Coach, der die Gesprächsrunden moderiert. Deswegen ist es wichtig, dass Führungskräfte darin geschult werden, konstruktiv und wertschätzend mit ihren Teams zu sprechen. Die freie Beraterin Theresa Maxeiner hat in ihrer Arbeit hunderte Führungskräfte und auch Arbeitnehmer genau darin gecoacht. Ihr Tipp: Finger weg vom berühmten Feedback-Sandwich. Das ist eine Methode, die Kritik zwischen zwei nette Aussagen verpackt. Maxeiner hat das Sachbuch "Danke für nix" geschrieben. Ihrer Erfahrung nach empfinden die meisten Menschen das Lob nicht als Wertschätzung, sondern eher als Warnung, dass da gleich eine verbale Ohrfeige kommt.

Ihr Fazit: Wenn Feedback konstruktiv formuliert wird, braucht es dieses Sandwich nicht. Mittlerweile gibt es für Feedback nämlich einen noch passenderen Begriff: "Feedforward". Der Fokus liegt nicht mehr darauf, was in der Vergangenheit hätte besser laufen können, sondern auf klaren Erwartungen für die Zukunft.

Um eine Erwartung deutlich zu formulieren, müssen drei Dinge voneinander getrennt werden: Eine Beobachtung wie "Als ich gestern das Meeting geleitet habe, hast du häufig mit deiner Sitznachbarin gesprochen", eine Wirkung wie "Dadurch habe ich mich nicht wertgeschätzt gefühlt" und ein Wunsch für die Zukunft, der am Ende stehen sollte. Er kann lauten: "Ich freue mich, wenn du dem Team und mir in einem Meeting deine Aufmerksamkeit schenkst." Maxeiners Rat: Damit Feedbackgespräche nicht per se als Bedrohung wahrgenommen werden, lohne es sich, gute Leistungen im Alltag zu loben, Erwartungen direkt zu formulieren, Feedback also spontan zu geben und nicht nur im Rahmen von festgelegten Terminen. Führungskräfte sollten ihr Team zudem stets konkret nach Feedback fragen. Dabei sollten sie Mitarbeiter dazu auffordern, einen Punkt zu benennen, den sie gut finden, und einen weiteren, den sie für verbesserungswürdig halten.

"In manchen Unternehmen wird ständig um den heißen Brei geredet", weiß die Feedback-Expertin. Sie kennt Fälle, in denen mäßige Ergebnisse und schlechte Zusammenarbeit totgeschwiegen oder monatelang bis zu einem Jahresgespräch unterdrückt werden. Dabei gehöre Feedback in den Joballtag. Offene Kritik durch Mitarbeiter sollten Vorgesetzte als ein Zeichen für Vertrauen sehen, sagt Maxeiner. Sie zeige, dass die Mitarbeiter keine Angst vor negativen Konsequenzen haben, wenn sie ehrlich sind. Zudem könne durch spontanes Feedback viel Schlechtes aus dem Weg geräumt und eine brodelnde Gerüchteküche vermieden werden. Maxeiner rät deshalb vor allem Führungskräften dazu, sich für die Offenheit von Mitarbeitern auch zu bedanken.

Spontane Rückmeldungen gibt auch Kerstin Wrobel. Sie ist Leiterin Personal beim fast 2.000 Mitarbeiter starken Wohnungsunternehmen LEG Immobilien mit Sitz in Düsseldorf. Wrobel findet regelmäßiges Feedback in kurzen Gesprächen essenziell. Schon beim Onboarding werden Führungskräfte im Unternehmen deshalb sensibilisiert, dass Feedback konkret, respektvoll und konstruktiv erfolgen soll. Besonders wichtig ist es Wrobel, dass unter Kollegen auch negative Kritik ausgesprochen wird, und er fordert selbst Rückmeldungen ein.

Die LEG-Personalerin bittet zum Beispiel nach jedem Bewerbungsgespräch die anwesende Führungskraft um Rückmeldung zu ihrer eigenen Gesprächsführung. Eine Antwort, die sie weitergebracht hat, war: "Ich fand gut, wie du die Benefits vorgestellt hast, aber bei der Vorstellung unseres Unternehmens hätte ich gern mehr Redeanteil gehabt." Künftig achtet die Personalleiterin also darauf, dass sich die jeweiligen Fachkräfte den Bewerbern intensiver selbst vorstellen können.

Die Autorin: Jeanne Wellnitz ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Jeanne Wellnitz

Bei LEG regen Mentoren den Austausch an

Bei den Mentoren-Treffen bestimmen die Mitarbeiterinnen die Gesprächsthemen.

Bei den Mentoren-Treffen bestimmen die Mitarbeiterinnen die Gesprächsthemen.

Quelle: Imago, Urheber: Westend61

Karriere 20.01.2022
Mit einem einjährigen Mentoren-Programm sollen Mitarbeiterinnen von LEG Immobilien herausfinden, ob der Wechsel in eine Führungsposition für sie infrage kommt. Durch den regelmäßigen ... 

Mit einem einjährigen Mentoren-Programm sollen Mitarbeiterinnen von LEG Immobilien herausfinden, ob der Wechsel in eine Führungsposition für sie infrage kommt. Durch den regelmäßigen Austausch zwischen Teilnehmerinnen und Führungskräften haben sich die Netzwerke innerhalb des Unternehmens nach einigen Monaten verstärkt, und zwar über verschiedene Abteilungen und Positionen hinweg.

Armin Hutner trifft sich regelmäßig mit einer Mitarbeiterin zu Gesprächen und zum Austausch über den Berufsalltag und über Karrierechancen. Hutner, der bei LEG Immobilien als Bereichsleiter seit 2019 unter anderem fürs Personal verantwortlich ist, ist Mentor in einem einjährigen Programm, das er Anfang 2021 ins Leben gerufen hat. Auslöser dafür war eine Analyse der Personalzusammensetzung im Unternehmen. Rund 1.770 Mitarbeiter zählt LEG Immobilien aktuell, etwa 35% davon sind Frauen. Dieser geringe Anteil macht sich laut Hutner vor allem in höheren Positionen bemerkbar. "Mit Blick auf unsere Führungsebenen haben wir gemerkt, dass es in den oberen Etagen nur wenige Frauen gibt", berichtet er.

Mit dem Programm will er dem auf lange Sicht entgegenwirken. "Dabei geht es nicht um kurzfristige Karrierechancen", betont Hutner. Vielmehr wolle man durch den Austausch zwischen Mitarbeiterinnen und Führungskräften herausfinden, was Frauen derzeit davon abhält, sich für eine höhere Position innerhalb des Unternehmens zu bewerben. Deshalb achten die Organisatoren streng darauf, dass keine Mentee, wie Hutner die Teilnehmerinnen nennt, im Programm mit einem unmittelbaren Vorgesetzten als Mentor zusammenarbeitet. Während die Teilnehmerinnen herausfinden sollen, ob eine Führungsposition für sie infrage kommt und welche Aufgaben sie sich in Zukunft für die eigene Karriere vorstellen könnten, wollen die Führungskräfte, die sie als Mentoren begleiten, sehen, an welchen Stellen es in einzelnen Abteilungen hakt. Hutner selbst verfolgt als Mentor drei Hauptziele. "Ich will dabei unterstützen, die Arbeitsweisen im Unternehmen besser zu verstehen. Zudem soll meine Mentee ihre eigene berufliche Entwicklung hinterfragen und das Netzwerk innerhalb des Unternehmens soll gestärkt werden."

Letzteres geschehe fast ein Jahr nach Start des Programms bereits auf mehreren Ebenen. Zum einen im direkten Austausch zwischen den Mentees, die sich regelmäßig zu Gesprächen treffen und so Mitarbeiterinnen aus anderen Abteilungen kennen lernen, zum anderen habe sich zwischen den Mentoren eine neue Gesprächsdynamik entwickelt, berichtet Hutner. "Was die Mentoren von ihren Mentees erzählt bekommen, wird vertraulich behandelt. Doch wenn wir den Input von den Mitarbeiterinnen bekommen, können wir manchmal auch Dinge anstoßen und Änderungen oder Gespräche in Gang setzen", sagt Hutner.

Gegenseitiges Vertrauen ist das A und O

Mit seiner Mentee habe er schon im ersten Kennenlerngespräch ein gutes Verhältnis aufgebaut. "Wir waren knapp eineinhalb Stunden spazieren. Ich wollte bewusst ein Treffen im Büro vermeiden. Und tatsächlich haben wir schon nach zehn Minuten über Privates gesprochen, über unsere Partner und Kinder. Das hat das Vertrauen sehr gestärkt", erinnert er sich an das erste gemeinsame Meeting. "Zuerst hat meine Mentee sich mit ganzen Powerpoint-Präsentationen auf unsere Treffen vorbereitet – das hat mir gezeigt, dass sie ernsthaftes Interesse hat – und mir einen Überblick über die Themen gegeben, die sie gerne mit mir besprechen würde. Doch inzwischen sind es ganz lockere Treffen." Meistens sprechen die beiden über den Berufsalltag, "und daraus ergeben sich unsere Gespräche". Manchmal müsse er aber auch außerhalb der Treffen Zeit in das Programm investieren. "Wenn eine Mentee um eine Einschätzung bittet, dann bereitet ein Mentor das natürlich vor", nennt er ein Beispiel. Und auch den ein oder anderen Sondertermin haben die Mentoren schon organisiert.

Einblicke in den Alltag von Führungskräften

Ein solcher Termin steht demnächst bei Nathalie Christians an. "Ich werde meinen Mentor einen Tag lang bei der Arbeit begleiten", kündigt die Personalreferentin an. Sie ist seit 2021 bei der LEG und leitet selbst ein fünf-köpfiges Team. Als Mentee, kurz nach ihrem Einstieg ins Unternehmen, verfolgt die 32-Jährige konkrete Ziele: "Ich erhoffe mir dadurch Einblicke in das Unternehmen zu bekommen, die ich in meiner aktuellen Position nicht habe." Ihre Neugier richte sich v.a. auf den Tagesablauf und die konkreten Aufgaben des Führungspersonals. Der Start des Programms sei ihr noch schwergefallen. "Ich hatte zunächst Hemmungen, mit einem Vorstand offen über meine persönlichen und beruflichen Themen zu sprechen und auch von Bedenken im Unternehmen zu erzählen, oder sogar Kritik zu äußern." Inzwischen sei dies aber nicht mehr der Fall. "Mittlerweile haben wir ein sehr vertrauensvolles und offenes Verhältnis. Im Austausch suchen wir gegenseitig die Einschätzungen des anderen und fragen konkret nach Feedback, oder was der andere von bestimmten Situationen hält."

Fragen, die sie an ihren Mentor hat, notiert sich Christians vor den Treffen in einem Notizbuch. Sie ist dabei vor allem auf der Suche nach Feedback, das ihr helfen soll, ein besseres Bild von sich selbst zu bekommen. Dass ihr Mentor kein direkter Vorgesetzter ist, komme ihr dabei zugute. "Ich habe mir vor einiger Zeit die Frage gestellt, wo ich in meiner Karriere hinwill. Ob ich weiter aufsteigen, oder neue Aufgaben übernehmen möchte", sagt die 32-Jährige. "In meinem bisherigen Berufsleben gab es immer viel Feedback für meine Arbeit durch direkte Vorgesetzte. Durch das Programm wollte ich Einschätzungen von außen bekommen", beschreibt die Personalreferentin. "Das Feedback jetzt ist nicht nur an meine Aufgaben gebunden. Ich wollte mehr wissen über meine Wirkung auf andere." Am wertvollsten seien für sie Tipps und Strategien zum Umgang mit Kollegen und zur richtigen Gesprächsführung. Dabei habe sie schon einige Vorschläge bekommen, die sie direkt im Berufsalltag umsetzen konnte.

Durch das Programm habe sie auch mehr Kontakt zu anderen Abteilungen im Haus. "Die Mentees sind ganz bunt gewürfelt und kommen aus jeder Sparte der LEG. Dadurch lernt man nicht nur die anderen als Mensch, sondern auch deren Arbeit und Abteilungen kennen, denn wir Mentees treffen uns auch untereinander", erzählt sie. So gibt es neben Teilnehmerinnen aus Christians‘ Abteilung Personal u.a. auch Mentees, die sich im Unternehmen mit den Bereichen Strategie und Organisation sowie mit Recht und Compliance beschäftigen, und eine Teamleiterin aus einer Niederlassung. "Kurze Anrufe in andere Abteilungen gehen jetzt schneller, weil man direkt weiß, wer Ansprechpartner ist", nennt Christians ein Beispiel dafür, wie sich die Vernetzung im Alltag auswirkt.

Drei Wunschmentoren konnte Christians zum Start des Programms benennen. Ein Motivationsschreiben war dann ihr Schlüssel, um teilnehmen zu können. Um das Kennenlernen zu vereinfachen und Hemmungen abzubauen, startete das Programm im Frühjahr nach rund sechs Monaten Vorbereitung mit einem gemeinsamen Kick-off-Treffen. Ein ähnliches Event fand zum Austausch in der Jahresmitte noch einmal statt. Dafür wurde ein Coach eingeladen, der Gespräche professionell moderierte, um Anregungen für die Ausgestaltung der zweiten Programmhälfte gezielt zu sammeln. "Die weiteren Treffen fallen ganz unterschiedlich aus", hat Christians von anderen Teilnehmerinnen erfahren. "Die Rahmen für die Gespräche legen die Pärchen selbst fest. Teils sprechen sie sich wöchentlich kurz, oder nur einmal im Monat. Jeder so, wie er es braucht." Sie selbst treffe ihren Mentor alle paar Wochen zum Spaziergang oder Abendessen, zusätzlich telefonieren sie regelmäßig miteinander. Was genau besprochen wird, bestimmt sie. So wurde es zum Start in einem Papier festgehalten, um sicherzustellen, dass alle Fragen und Wünsche der Mentees Beachtung finden.

Insgesamt haben bei der ersten Runde 15 Frauen teilgenommen, denen je ein Mentor zugeteilt war. Weil das Interesse so hoch war, haben sich einige, die keinen Platz mehr im Programm gefunden haben, direkt fürs nächste Jahr beworben. Auch wenn die Plätze begehrt sind, ist sich Hutner als Initiator sicher, dass die Aufteilung in kleine Zweier-Gruppen auch in Zukunft bestehen bleiben soll, damit beide genügend Zeit haben, sich kennenzulernen und ihre Gespräche ins Rollen zu bringen.



Janina Stadel