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Die Branche ist in bei den Azubis

Unter den Ausbildungsberufen haben einige aus der Bau- und  Immobilienbranche die Nase vorn.

Unter den Ausbildungsberufen haben einige aus der Bau- und Immobilienbranche die Nase vorn.

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Karriere 29.09.2022
Weil Berufe in der Bau- und Immobilienwirtschaft bei Jugendlichen als krisensicher und gut bezahlt gelten, steigt die Nachfrage nach Lehrstellen in der Branche. ... 

Weil Berufe in der Bau- und Immobilienwirtschaft bei Jugendlichen als krisensicher und gut bezahlt gelten, steigt die Nachfrage nach Lehrstellen in der Branche.

Knapp 21% weniger Bewerbungen für Lehrstellen haben Jugendliche im Vergleich zu 2016 im vergangenen Jahr geschrieben. Die Gründe dafür liegen zum einen im demografischen Wandel, denn die Jahrgänge werden kleiner und somit auch der Pool an Schulabsolventen, die für eine Ausbildung infrage kommen. Zum anderen verlassen immer mehr die Schule mit dem Abitur in der Tasche und qualifizieren sich damit für ein Hochschulstudium.

Doch während Berufe wie Metzger, Friseur sowie Tätigkeiten in der Gastronomie und Hotellerie nach Lebensmittelskandalen in der Presse und Stellenstreichungen während der Lockdowns immer unbeliebter werden, nimmt das Interesse, in die Immobilien- und Baubranche einzusteigen, bei jungen Leuten zu. Zu diesem Ergebnis kommt eine Langzeitstudie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, für die Bewerberzahlen und abgeschlossene Ausbildungsverträge seit 2016 miteinander verglichen wurden. Das Fazit der Autoren: Die Bau- und Immobilienbranche lockt mit guten Gehältern, die zum Teil über dem Median aller Berufe liegen, sie verspricht Aufstiegs- und Karrierechancen und gilt als krisensicher und sinnstiftend beim Nachwuchs.

Diese Einstellung beobachtet auch der Handelsimmobilien-Spezialist MEC. Dort starteten im September zum ersten Mal zwei junge Frauen eine dreijährige Lehre zur Immobilienkauffrau. Das Unternehmen bietet die Ausbildung zusätzlich zu dualen Bachelor-Studiengängen an, um die Zielgruppe von qualifizierten Bewerbern zu verbreitern und Mitarbeiter schon in jungen Jahren an sich als Arbeitgeber zu binden.

Mit Erfolg: Rund 60 Interessierte reichten im Premierenjahr ihre Bewerbungsunterlagen ein. Mit dem Zulauf waren die Verantwortlichen zufrieden und organisierten einen Bewerbertag als spezielles Auswahlverfahren, bei dem die Kandidaten nach einer Vorauswahl in der Düsseldorfer Zentrale Aufgaben lösen mussten. Das Ziel war es, durch verschiedene Einzel- und Gruppenaufgaben herauszufinden, wie sich die jungen Talente im Team verhalten und mit Stresssituationen umgehen. "Mit den erbrachten Leistungen waren wir sehr zufrieden, sodass uns die finale Auswahl letztendlich nicht gerade leicht fiel. Am Ende haben wir daher auch berücksichtigt, welche der Kandidatinnen und Kandidaten sich am besten mit unserer wertebasierten Unternehmenskultur identifizieren", berichtet Ausbildungsbeauftragte Gina Wiening.

"Der primäre Ausbildungsort ist unsere Düsseldorfer Zentrale. Hier durchlaufen unsere Auszubildenden alle für das Berufsbild relevanten Abteilungen", erklärt sie das Konzept der Ausbildung. In jeder Abteilung bekommen die Azubis drei Monate lang Einblicke in die Praxis. Zusätzlich besuchen sie Handelsstandorte, um sich vor Ort mit dem Kerngeschäft des Unternehmens, dem Management von Handelsimmobilien, vertraut zu machen. "Da sie alle relevanten Fachbereiche durchlaufen, lernen sie die MEC von Grund auf kennen", sagt Wiening. Wichtig sei das, um die Nachwuchskräfte auf ihre weitere Karriere im Haus vorzubereiten, denn nach den drei Lehrjahren hat MEC noch einiges mit ihnen vor.

"Unser Ziel ist es, sie nach ihrem erfolgreichen Abschluss in verwaltungsbezogenen Positionen einzusetzen und somit langfristig ins Unternehmen zu integrieren", spricht die Ausbildungsbeauftragte über die Zukunftspläne. Doch bis die ersten Lehrstellen ausgeschrieben werden konnten, musste MEC nicht nur den Ablauf im Unternehmen organisieren, sondern auch einen passenden Partner für den theoretischen Teil der Ausbildung finden.

Weil in Düsseldorf keine Berufsschule die Ausbildung begleiten konnte, wich das Unternehmen auf eine Kooperation mit dem Europäischen Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ) in Bochum aus. Der Anfahrtsweg musste bei der Gestaltung der Zeitpläne im Betrieb mitgedacht werden. "Das Bildungszentrum bietet Blockunterricht und die Möglichkeit, vor Ort zu übernachten", erklärt Wiening. Für die Auszubildenden bedeutet das nun alle drei Wochen einen Wechsel zwischen den Schulungen in Bochum und der Ausbildung im Betrieb.

Früher Einstieg sorgt für Bindung an Arbeitgeber

Beim Beratungsunternehmen BNP Paribas Real Estate gibt es mehr Auszubildende als Studierende. Obwohl das Interesse an einem dualen Studium seit Jahren kontinuierlich steigt, stehen in diesem Jahr neun dualen Studenten 14 Azubis gegenüber. Während ein Fachabitur für ein duales Studium Voraussetzung ist und erste Berufserfahrungen oder Praktika erwünscht sind, ist der Einstieg als Azubi mit einem guten Realschulabschluss möglich. Der Nachwuchs lernt dann in beiden Fällen Kollegen, Kunden und den Markt im Unternehmen kennen und baut sich ein Netzwerk auf, um nach dem Abschluss "bestens für eine langfristige Karriere vorbereitet zu sein".

Deutschlandweit entschieden sich im vergangenen Jahr fast 2.670 Bewerber für eine Ausbildung ohne Studium, die sie für eine berufliche Tätigkeit in Immobilienvertrieb oder -verwaltung qualifiziert. Das sind fast 13% mehr als fünf Jahre zuvor. "Immobilienkauffrau und Immobilienkaufmann sind weiterhin beliebte Berufsbilder", heißt es von Strabag Property and Facility Services. Dort besteht für die fünf angebotenen Azubistellen pro Jahr kein Bewerbermangel.

Nachhaltige Technik lockt junge Auszubildende an

Noch stärker gestiegen ist das Interesse an technischen Berufen, die junge Leute mit der Reduzierung von CO2-Ausstößen in Gebäuden und somit mit dem Thema Nachhaltigkeit assoziieren. So etwa in der Bautechnik und im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Insgesamt kamen die Berufe auf knapp über 31.000 Interessenten im letzten Ausbildungsjahr, das Interesse ist in den Sparten seit 2016 um rund 20% gestiegen. Die Autoren der IW- Studie sehen zudem die verstärkte mediale Präsenz von Handwerker- und Technikerberufen in Social Media als einen Grund für die erhöhte Bewerberzahl.

Beim Unternehmen Caverion, Anbieter von technischer Gebäudeausrüstung, Facility-Services und Energiedienstleistungen, starteten in diesem Jahr 60 Jugendliche ihre Ausbildung, "so viele wie seit Jahren nicht mehr", bestätigt eine Unternehmenssprecherin. Strabag Property and Facility Services besetzte 2022 allein zwölf Azubistellen für Kältemechatroniker. Durch den Einsatz von Nachwuchskräften erhofft sich das Unternehmen eine höhere Innovationsfähigkeit, will Fachkräftemangel vorbeugen und Fehlbesetzungen minimieren, wenn Wechsler aus anderen Unternehmen geholt werden müssen.

Der technische Gebäudedienstleister Spie setzt auf regionale Nähe, um möglichst viele geeignete Azubi-Kandidaten für sich zu gewinnen. Dafür bietet das Unternehmen seine 36 technischen und kaufmännischen Ausbildungen an rund 90 Standorten in ganz Deutschland an, "sodass die jungen Talente sie auch ganz in ihrer Nähe beziehungsweise in ihrer Wunschregion finden", erklärt Bianca Stöhr, Leiterin People, Culture & CSR für Deutschland und Zentraleuropa. Zusammen mit den zehn Bachelorstudiengängen, die das Unternehmen zusätzlich anbietet, kommt Spie jährlich auf rund 300 neue Nachwuchskräfte. "In Zukunft möchten wir noch stärker auf den eigenen Nachwuchs setzen und wollen eine Ausbildungsquote von 10%", kündigt Stöhr an.

Hohe Übernahmequote bei allen Unternehmen

In der Baubranche verbuchte der Tiefbau den größten Bewerberzuwachs. Die Zahl der Interessenten ist seit 2016 um mehr als 40% gestiegen. Darauf reagieren die Unternehmen mit einem ständig wachsenden Ausbildungsangebot. Der Soka Ausbildungs- und Fachkräftereport der Bauwirtschaft verweist auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die einen Zuwachs an angebotenen Stellen von 1,3% im Hoch- und im Tiefbau allein im Jahr 2021 anzeigen. Beim Bauunternehmen Züblin sind die ausbildenden Direktionen deshalb permanent dran, mehr Stellen zu schaffen und die Zielberufsbilder zu verfeinern. Die Übernahmequote der inzwischen fast 40 auszubildenden Spezialtiefbauer pro Jahr liegt im Unternehmen bei 80%.

Die dauerhafte Bindung des Nachwuchses ans Unternehmen ist für die ausbildenden Betriebe die größte Motivation, Lehrstellen anzubieten. Die Quote an direkten Übernahmen von Azubis lag bei Spie in den vergangenen Jahren bei 90%. "Die weiteren 10% entscheiden sich meist für die direkte Weiterbildung zum Meister oder für ein weiterführendes Studium", erklärt Stöhr, "diesen Weg unterstützen wir sehr gerne, halten den Kontakt – und freuen uns darauf, die ehemaligen Auszubildenden danach wieder bei uns zu begrüßen."

Janina Stadel

So lässt sich die Generation Z über Jobanzeigen ködern

Berufseinsteiger schätzen smarte Bewerbungen, die sie mobil erledigen können.

Berufseinsteiger schätzen smarte Bewerbungen, die sie mobil erledigen können.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: EdNurg

Karriere 29.09.2022
Keine falschen Versprechungen, dafür digitales und flexibles Arbeiten und von Anfang an mit Verantwortung ausgestattet: Die selbstbewusste Generation Z hat besondere Wertvorstellungen und ... 

Keine falschen Versprechungen, dafür digitales und flexibles Arbeiten und von Anfang an mit Verantwortung ausgestattet: Die selbstbewusste Generation Z hat besondere Wertvorstellungen und möchte damit bereits in Jobanzeigen abgeholt werden. Doch die Anreize und Benefits müssen sich im Berufsalltag auch wiederfinden lassen.

Sie sind nach 1994 geboren, mit dem Smartphone aufgewachsen und den ganzen Tag auf Social Media unterwegs. Sie hinterfragen Konsum und sorgen sich um die Ressourcen dieser Welt. Die sogenannte Generation Z (Gen Z) hat ihr Leben komplett digital organisiert. Ihre Vorstellungen und Ansprüche von Arbeit, einer Jobausschreibung, aber auch eines Bewerbungsprozesses, sind anders als die von früheren Generationen. Jobanzeigen lesen sie in Portalen oder in Social-Media-Kanälen, sie bewerben sich nicht unbedingt vom Schreibtisch aus, sondern erledigen das mitunter in der U-Bahn. Umso wichtiger ist es, Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen nicht nur über die Inhalte der Jobanzeigen so anzusprechen, dass sie sich abgeholt fühlen, sondern auch den Bewerbungsprozess smart zu gestalten.

In Zeiten massiven Personalmangels benötigen Unternehmen Human-Resources-Strategien, die nicht nur an die Erwartungen des Berufsnachwuchses andocken, sondern auch stimmiger Teil der Arbeitgebermarke werden. Nur dann können sie auch Gen-Z-gemäß ausschreiben. "Ich gehe tatsächlich über die Inhalte der Stellenanzeige ganz bewusst darauf ein, was diese Generation braucht", bestätigt Svetlana Stockmann, selbst 40 Jahre alt und Chief People Officer der Ziegert Group.

Unternehmenskultur muss sichtbar werden

Vier sogenannte Treiberwerte hat das Immobilienunternehmen mit Sitz in Berlin über Recherchen und Erfahrungen definiert, die sich sowohl in den Stellenanzeigen und auf der Karriereseite als auch in der Unternehmenskultur niederschlagen sollen. Unter dem Stichwort Purpose versteht die Ziegert Group, dass jede Position nachvollziehbar als sinnstiftend wahrgenommen werden soll. Flexibilität darf nicht nur ausgeschrieben, sondern muss gelebt werden – etwa bei den Arbeitszeiten und dadurch, dass der Arbeitstag nach eigenen Bedürfnissen zeitlich eingeteilt werden darf. Mit Blick auf Social-Media-Profile achtet Ziegert bei der Vergabe von Jobtiteln auf deren Außenwirkung und Diversität, Chancengleichheit gilt auf allen Ebenen sowie in allen Lebensphasen. Dabei beinhaltet dieser Wert nicht nur eine Frauenquote, sondern auch unterschiedliche Nationalitäten, von denen 45 unter den 300 Teammitgliedern der Unternehmensgruppe vertreten sind.

Gut ein Viertel von ihnen ist der Gen Z zuzurechnen. "Wir haben zum Glück kaum Probleme, Stellen mit passenden Kandidat:innen zu besetzen, die wir nach Diversity-Kriterien auswählen." sagt Stockmann und schreibt das auch der Tatsache zu, dass auf der Karriereseite des Unternehmens Jobs und Unternehmen anfassbar werden, indem etwa das Team mit Fotos vorgestellt wird.

Silke Bley, Talent Acquisition Managerin bei Arcadis Deutschland, einem 1.300 Mitarbeiter starken Anbieter von Beratungs-, Projektmanagement- und Ingenieurleistungen, lernt aus dem Dialog mit der Gen Z, die Ausschreibungen immer passender zu gestalten. Die 47-Jährige räumt dieser Zielgruppe in den Recruiting-Prozessen viel Raum ein. Sie besucht etwa Karrieretage und führt Gespräche mit Bewerbern und Mitarbeitern.

"Wichtig ist für die Gen Z, auch in der Anzeige, alles rund um Digitalisierung", sagt Bley. Gleiches gelte für Flexibilität – und das dürfe nicht so missverstanden werden, dass "man immer und überall erreichbar sein muss". Die Arcadis-Managerin versteht darunter beispielsweise die Offenheit, Arbeitsmodelle zu diskutieren. "Junge Mitarbeitende wollen mit wenig und gezieltem Aufwand weit kommen. Wir müssen klare Karrierepfade aufzeigen." Daher gehört für Bley sowohl in die Stellenanzeige als auch auf die Karriereseite das Angebot, auf Mentoren zurückgreifen zu können. "Erfahrene Sparringspartner sind gewünscht, junge Leute brauchen Support."

Grundsätzlich immer wichtiger wird sowohl für Kandidaten als auch für Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit in den Stellenanzeigen. Die Gen Z erwartet hier eine Positionierung, Inhalte und Antworten. Sowohl Ziegert als auch Arcadis sehen sich zunehmend gut aufgestellt. Das fängt bei Firmenradleasing und ÖPNV-Zuschuss an und geht über soziales Engagement bis hin dazu, dass Unternehmen ihr komplettes Tätigkeitsfeld schrittweise und nachweislich ressourcenschonender ausrichten – und dies außerdem transparent kommunizieren.

Eine digitale Generation rechnet darüber hinaus mit einem smarten Bewerbungsprozess. Drees & Sommer, in der Immobilienwirtschaft als Berater, Planer und Projektmanager aktiv, achtet auf "schnelle und direkte Rückmeldungen". Wie richtig das Unternehmen damit liegt, bestätigt Celine Ganzmann. Die 22-Jährige hat sich viele Monate mit dem Thema Bewerben beschäftigt, als sie ihr duales Studium in Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Immobilienwirtschaft beim Projektentwickler Rüstig Immobilien nahe Nürnberg absolvierte. "Lange Bewerbungsprozesse mit vielen Interviews und Assessmentcenter bis hin zur Entscheidung" widerstreben ihr. Grundsätzlich gefällt ihr, wenn Angebote "von Anfang an durchdacht sind" und Corporate Benefits auf die Lebenssituation ihrer Generation zugeschnitten sind. Jobticket, Teamevents oder ein Gesundheitszuschuss passen für sie besser als ein Hinweis auf Kita-Zuschuss.

Personalberater Frank Groß von Immopersonal Consulting, mit 56 Jahren relativ weit weg von der Gen Z, wird oft als Schnittstelle zwischen Kandidaten und Unternehmen zur Vorauswahl eingesetzt. Er appelliert an beide Seiten: "Macht euch die Mühe, euch ernsthaft miteinander auseinanderzusetzen!" Für Unternehmen bedeutet das, keine falschen Versprechen zu einer Arbeitskultur zu machen, die es gar nicht gibt. Bewerbern legt er ans Herz, über die Stellenanzeige hinaus zum Unternehmen zu recherchieren, bevor es zum ersten Kennenlernen kommt. Für den Berater gehört zudem das Thema Weiterbildung und -entwicklung in die Ausschreibung.

Oft für Verwunderung und sogar Konflikte beim Berufsstart sorgt die Vorstellung der Gen Z, von Anfang an voll im Tätigkeitsfeld mit dabei zu sein. Genau das will Drees & Sommer deshalb ermöglichen. Cornelia Mühlegger, die bei Drees & Sommer in der Talent Akquise tätig ist, betont: "Wir wissen, dass die junge Generation großen Wert darauf legt, möglichst früh Verantwortung in Projekten zu übernehmen und im Team auf Augenhöhe zu agieren."

Das Unternehmen stellt daher in allen Kanälen "das Leitbild ‚Machen dürfen‘ in den Mittelpunkt". Über die Unternehmenskultur sollen sich Mitarbeitende grundsätzlich als Unternehmer im Unternehmen verstehen, auch der Nachwuchs. Um Jobs greifbar zu machen, führt beispielsweise die Stellenausschreibung "Junior Consultant Real Estate" zu einem Video, in dem die Jobperspektiven von Mitarbeitern erläutert werden. Sie bewegen sich dabei in den Räumen der von Drees & Sommer und zeigen ihren Arbeitsplatz.

Die Anforderungen an junge Bewerber in der Anzeige nehmen im Vergleich zu höher qualifizierten Jobs keinen so großen Raum ein. Zu Recht nach Einschätzung von Karin Bacher, die als selbstständige Beraterin branchenübergreifend auf Employer-Branding und die Integration der jungen Generation spezialisiert ist. Bacher, 57 Jahre alt und somit in der gleichen Altersklasse wie Berater Groß, erläutert: "Die Anforderungen sind weiterhin wichtig, damit Bewerbende wissen, was gefordert wird. Allerdings in der Regel erst in einer nächsten Stufe. Bedeutet: In der Ausschreibung soll die Aufmerksamkeit geweckt werden. Auf der HR-Seite oder einer eigens erstellten Landingpage sollten die vertiefenden Informationen zu finden sein. Also darf ,Call to Action‘ nicht fehlen, etwa über einen QR-Code." Als Beispiel nennt sie einen kurzen Fragebogen, um Profile zu checken, zu dem sie einem ihrer Kunden geraten hat. Dieser kann über Whatsapp beantwortet werden, die Handlungsschwelle ist somit niedrig.

Solche digitalen Zugänge bieten Unternehmen zudem die Chance zu lernen, über welche Wege die Gen Z Kontakt aufnimmt – was bei Printanzeigen früher nicht möglich war. Die Ziegert Group beobachtet daher über intensives Tracking, über welche Portale und Kanäle die Bewerber kommen. Linkedin sei ganz vorne dabei, sagt Svetlana Stockmann. Weniger Kandidaten kommen über Fachportale, wo das Unternehmen dennoch gelistet sein möchte. Es sei wichtig, auch in diesem Umfeld vertreten zu sein.

#/ZZ#

Die Autorin:Alexandra Leibfried arbeitet als Leitung Content bei Career Pionier, einer Beteiligung der Immobilien Zeitung.

Alexandra Leibfried

Bewerberpools helfen Stellen zu besetzen

Kontakte aus Bewerberdatenbanken können erste Anlaufstellen sein, wenn Positionen besetzt werden müssen.

Kontakte aus Bewerberdatenbanken können erste Anlaufstellen sein, wenn Positionen besetzt werden müssen.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Syda Productions

Karriere 29.09.2022
Mit Bewerberpools bauen sich Recruiter eine Pipeline mit vielversprechenden Kandidaten auf, auf die sie zurückgreifen können, wenn sich eine passende Stelle im Unternehmen für sie ... 

Mit Bewerberpools bauen sich Recruiter eine Pipeline mit vielversprechenden Kandidaten auf, auf die sie zurückgreifen können, wenn sich eine passende Stelle im Unternehmen für sie ergibt. Damit die möglichen künftigen Kollegen das Interesse nicht verlieren, halten die Personaler ständigen Kontakt. Und laden auch mal zum Kaffeetrinken ein.

Um sich geeignete Kandidaten für spätere Vakanzen warm zu halten, legen Personalabteilungen Datenbanken mit Kontakten an. So können sie auf frühere Bewerber oder solche, die initiativ auf das Unternehmen zukamen, zurückgreifen, wenn sich eine passende Stelle für sie ergibt. Damit sie den Überblick nicht verlieren, müssen sie die Datensätze regelmäßig pflegen. Doch die Mühe lohnt sich für viele Unternehmen, denn wer immer genügend Kandidaten in der Pipeline hat, muss nicht mehr aktiv auf die Suche gehen.

Kontakte dürfen nicht abbrechen

In den Datenbanken, den sogenannten Bewerberpools, speichern Personaler Informationen von Fach- und Führungskräften, mit denen sie schon einmal Kontakt hatten oder die sich für das Unternehmen interessieren. Das Beratungs- und Planungsunternehmen Drees & Sommer beispielsweise füllt seinen Pool unter anderem mit Bewerbern, die aufgrund fehlender Berufserfahrung, falschem Standort oder weil es gerade keine passende Vakanz gab, abgelehnt wurden. Auch diejenigen, die zum Unternehmen passen könnten, aber ihre Bewerbung zurückgezogen oder ein konkretes Jobangebot abgelehnt haben, sind Teil des Pools. "Grundsätzlich versuchen wir, jeden Bewerber in den Pool aufzunehmen, der künftig für uns von Interesse sein könnte", sagt Amelie Kristin Gryska, Spezialistin Talent Acquisition bei Drees & Sommer. Das heißt: Vom Praktikanten bis zum Top-Manager ist hier jeder dabei. Je mehr Potenzial den Pool füllt, desto größer ist später die Auswahl für die Personaler, wenn sie eine Stelle zu besetzen haben.

Der Immobilienmakler und -dienstleister JLL hat seinen Bewerberpool mit Menschen "unterschiedlicher Fähigkeiten und Erfahrungen" gefüllt, sagt Christian Quach, Leiter Talent Acquisition. Dazu zählen sowohl Studenten als auch Management-Anwärter sowie Führungskräfte. Wie ausgewogen das Verhältnis zwischen Anfängern und Experten in der Liste ist, kann JLL nicht beziffern. Doch: Egal welches Erfahrungslevel, das JLL-Recruiting-Team setzt sich in regelmäßigen Abständen mit ihnen in Verbindung. So halten die Personaler die Informationen im System aktuell – und stärken die Beziehung zu den Kandidaten.

Zu vielversprechenden Köpfen suchen die Personalverantwortlichen auch persönlichen Kontakt – die ein oder der andere wird auf einen Kaffee eingeladen, wie Quach verrät. In den Genuss kommen wohl vor allem diejenigen, die auf eine Vakanz passen könnten – das Kaffee-Date könnte sozusagen die Eintrittskarte in den Bewerbungsprozess werden.

JLL setzt zusätzlich auf sein "Talentnetzwerk": Während im Bewerberpool nur diejenigen drin sind, die sich schon einmal bei JLL beworben haben, ist das Talentnetzwerk für alle geöffnet. Wer sich für eine Laufbahn bei dem Unternehmen interessiert, kann sich auf der Karriereseite online registrieren und erhält per Mail unter anderem Newsletter, Informationen zu Fachthemen oder Veranstaltungseinladungen.

Ständiger Nachschub ist notwendig

Damit der Pool immer gut gefüllt bleibt, müssen Unternehmen dranbleiben und dafür sorgen, dass Interessierte das Angebot kennen. Viele Branchenfirmen nutzen für die Suche nach neuen Teammitgliedern zum Beispiel Jobmessen, Ausstellungen, Universitätskooperationen und Karriere-Webseiten, um potenzielle Fachkräfte abzufangen. JLL bewirbt sein Talentnetzwerk zusätzlich über Facebook, Linkedin und die eigene Website. Um den Überblick zu behalten, setzt JLL auf systematisch geordnete Daten. Mit welcher Software das Unternehmen arbeitet, möchte es zwar nicht sagen, aber Fakt ist: Der Markt für Talent-Management-Programme ist groß. Zahlreiche Anbieter wie Recruitee, Softgarden und Talention bieten Software-Lösungen rund um die Akquise an. Auch das Karriere-Portal Linkedin hat sich mit dem Recruiting-Tool Talent Solutions in den Markt eingeklinkt. Viele Unternehmen entwickeln zudem eigene Lösungen.

So wie Drees & Sommer: "Früher haben wir Bewerberpools über unser Bewerbermanagementsystem erstellt, allerdings war uns das zu passiv", sagt Recruiterin Gryska. Deshalb hat das Unternehmen ein eigenes System implementiert, das losgelöst von dem Tool für das Bewerbermanagement funktioniert – das Talent-Relationship-System. Das Bewerbermanagement dient nun nur noch dazu, die eingehenden Bewerbungen zu organisieren – nicht aber der Pflege der Liste möglicher Kandidaten. Wen Drees & Sommer in sein Netzwerk aufnehmen möchte, der kommt ins Talent-Relationship-System der Stuttgarter.

Das Unternehmen will so die Ansprache möglichst individuell gestalten. Das heißt: Ehemalige Praktikanten bekommen eine Mail mit offenen Werkstudentenstellen, eine Führungskraft erhält eher Neuigkeiten aus der für sie relevanten Abteilung. Gryska erklärt: "Wir nutzen einen zielgruppenspezifischen Redaktionsplan, um über Neuigkeiten aus der Drees-&-Sommer-Gruppe zu informieren und in Verbindung zu bleiben."

Ein wichtigste Maßgabe ist, dass der Bewerber-Pool muss die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) berücksichtigen muss. Die meisten Bewerbermanagementsysteme bieten zwar eine integrierte Pool-Funktion an, sagt Gryska, "hier muss allerdings die Datenschutzrichtlinie geprüft werden, wenn die Daten der Bewerber über den Bewerbungsprozess hinaus gespeichert werden sollen." Drees & Sommer holt die Einwilligung ihrer Bewerber per E-Mail-Link ein. Die Informationen bleiben anschließend zwei Jahre gespeichert, vorausgesetzt die Kandidaten ziehen ihr Einverständnis nicht vorzeitig zurück. "Dritte erfahren nicht von der Aufnahme in den Pool", betont Gryska. Hier gelte strengste Vertraulichkeit.

Pool-Kandidaten werden nach einiger Zeit aufgefordert, ihre Angaben zu aktualisieren. "Das ist aber kein Muss", sagt Gryska. "Grundsätzlich verstehen wir es immer als Aufgabe der Recruiter, die Kandidaten zu kontaktieren und herauszufinden, ob eine Stelle zum Kandidaten passt und Interesse besteht." Wie viele Bewerber so zum Unternehmen kommen, will sie nicht sagen. Nur so viel: Es werden immer mehr. Auch JLL hält sich bei konkreten Zahlen bedeckt. Für das Unternehmen sei der Talentpool aber ein "wichtiges Instrument".

Die Autorin: Anna Friedrich ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Anna Friedrich

"Führungskräfte, die sich nicht für Menschen interessieren, scheitern"

Alcay Kamis führt die SGH Bad Oeynhausen seit November 2020.

Alcay Kamis führt die SGH Bad Oeynhausen seit November 2020.

Urheber: Christian Schwier

Karriere 29.09.2022
Bei der Städtischen gemeinnützigen Heimstätten- Gesellschaft (SGH) Bad Oeynhausen ist Kommunikation Chefsache. Geschäftsführer Alcay Kamis tauscht sich regelmäßig mit seinen ... 

Bei der Städtischen gemeinnützigen Heimstätten- Gesellschaft (SGH) Bad Oeynhausen ist Kommunikation Chefsache. Geschäftsführer Alcay Kamis tauscht sich regelmäßig mit seinen Mitarbeitern aus und betrachtet Personalgespräche nicht nur als seine Aufgabe, sondern auch als die Grundlage seines Führungsstils.

Immobilien Zeitung: Herr Kamis, was reizt Sie an Ihrem Job besonders?

Alcay Kamis: Wenn ich im privaten Umfeld erzähle, dass ich in der Wohnungswirtschaft tätig bin, denken viele an einen Makler. Die Branche ist nach außen hin eine große Unbekannte, doch mich haben die kaufmännischen Herausforderungen gereizt. Außerdem habe ich schnell gelernt, dass es um mehr geht als um das bloße Produkt Wohnung. Mich interessiert vor allem die Fragestellung, welchen Einfluss ein Wohnumfeld auf Bildungsbiografien haben kann. Dabei geht es nicht nur um bloße Geschäftsberichte, sondern es kommen soziologische, ökonomische und soziale Aspekte zusammen. Denn durch mein Investitionsverhalten kann ich dafür Sorge tragen, welche Ausrichtung ein Quartier langfristig bekommt.

IZ: Wie viel Verantwortung tragen Sie dabei bei der verhältnismäßig kleinen SGH Bad Oeynhausen?

Kamis: Bad Oeynhausen zählt 50.000 Einwohner und wir haben derzeit rund 1.250 Wohneineinheiten im Bestand. Damit machen wir 15% des Bestands im Geschossbau vor Ort aus.

IZ: Und wie wirkt sich die Unternehmensgröße auf Ihre Rolle als Führungskraft aus?

Kamis: Ich profitiere von kurzen Entscheidungswegen. Als ich die Position angenommen habe, hat mir das die Möglichkeit geboten, mir in relativ kurzer Zeit einen Überblick über das Personal zu verschaffen. Vor allem aber konnte ich Mitarbeitergespräche mit jedem einzelnen führen.

IZ: Sie haben Ihre Rolle als Geschäftsführer also mit Mitarbeitergesprächen gestartet?

Kamis: Ich musste erst einmal Ziele für das Unternehmen definieren, um diese anpacken zu können. Ich musste feststellen, dass viele Strukturen gar nicht klar definiert und dokumentiert waren. Gemeinsam mussten wir diese erarbeiten. Dafür musste ich wissen, welchen Beitrag jeder einzelne im Team zuletzt geleistet hat, um ableiten zu können, welche Anforderungen er in Zukunft erfüllen soll. Das ging nur in Gesprächen, bei denen ich viel zuhören musste. Mein Job und mein Tag müssen zu 80% aus Kommunikation bestehen. Führungskräfte, die sich nicht für Menschen interessieren, scheitern.

IZ: Das bedeutet, bei Ihnen steht der Austausch bis heute regelmäßig an?

Kamis: Ja. Zum einen gibt es individuelle Meetings mit den jeweiligen Fachbereichen und zum anderen fachbereichsübergreifende Treffen mit dem gesamten Team. Darüber hinaus tägliche Gespräche in alle Richtungen. Wenn Mitarbeiter Gesprächsbedarf haben, suchen sie mich aktiv auf. Aber ich gehe auch selbst regelmäßig durch die Büros und zeige mich als Ansprechpartner.

IZ: Warum sind Ihnen Gespräche so wichtig?

Kamis: Wenn der Geschäftsführer direkt kommuniziert, entsteht weniger Raum für Missverständnisse. Außerdem zeugt es von Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Wenn Informationen zeitgleich an alle übermittelt werden, entsteht wenig Raum für Flurfunk und wenig Futter für die Gerüchteküche. Zudem steigert es die Motivation von Mitarbeitern, wenn über Erfolge im Unternehmen möglichst schnell berichtet wird.

IZ: Wie laufen diese Gespräche bei Ihnen ab?

Kamis: Wenn ich jemanden für eine Stunde in mein Büro einlade, muss derjenige in dieser Zeit auch im Mittelpunkt stehen. Auf keinen Fall darf man vorgefertigte Fragebögen abarbeiten. Auf die ersten Gespräche konnte sich deshalb niemand vorbereiten, weshalb einige zunächst etwas Angst davor hatten. Wenn jemand eine Frage nicht beantworten konnte, habe ich ihm Zeit zum Nachdenken gegeben und das Thema bei einem Folgetreffen wieder aufgenommen. Zwischen den Gesprächen habe ich die Inhalte selbst reflektiert und mir auch Hilfe geholt, um Formulierungen vorzubereiten, denn ich wollte sichergehen, dass alles, was ich sage, auch richtig verstanden wird. Zudem protokolliere ich Gespräche nicht, sondern mache mir nur Randnotizen. Diese kann jeder Mitarbeiter einsehen und ich kann darauf zurückgreifen, sodass keine Themen, die dem Mitarbeiter wichtig sind, verloren gehen.

IZ: Es geht also auch um Feedback?

Kamis: In den persönlichen Gesprächen gebe und nehme ich Feedback. Ich erkundige ich mich danach, wofür ein Mitarbeiter steht, was also seine Werte und Normen sind, aber auch seine Erwartungen. Ich möchte erfahren, was ein Mitarbeiter bereit ist zu geben und ob er weiß, was von ihm erwartet wird. Dann ist es wichtig, zu wissen, ob ihm alle Mittel zur Verfügung stehen, die er für seine Aufgaben braucht, und ob er jeden Tag Gelegenheit dazu hat, das zu tun, was er am besten kann. Umgekehrt habe ich erfahren, dass meine Mitarbeiter sich von mir Transparenz, Offenheit und klare Entscheidungen wünschen.

IZ: Wie motivieren Sie Mitarbeiter, neue Aufgaben und Herausforderungen anzunehmen?

Kamis: Motivation muss vom Mitarbeiter ausgehen. Meine Aufgabe als Führungskraft ist es, dafür zu sorgen, dass sie im Job nicht demotiviert werden. Dabei musste ich den Mitarbeitern klarmachen, dass es nicht um die Beurteilung dessen geht, was sie zuletzt geleistet haben, sondern wie sie sich in Zukunft einbringen sollen.

IZ: Welche Auswirkungen hatte das bisher auf Karriereschritte im Unternehmen?

Kamis: Das Organigramm wurde seit meinem Einstieg maßgeblich umgebaut. Wir haben neue Stellen und Aufgabenprofile entwickelt. Die Mitarbeiter sahen das als Möglichkeit, sich persönlich weiterzuentwickeln, statt Dienst nach Vorschrift zu machen, und Beförderungen als Vertrauensvorschuss zu verstehen, der ihnen neue Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten gibt, um aktiv an der Unternehmensentwicklung mitzuwirken.

IZ: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janina Stadel.

Janina Stadel

Flexible Arbeitszeiten steigern Effizienz und Arbeitgeberattraktivität

Die Konzentration von Mitarbeitern hängt von der Tageszeit ab.

Die Konzentration von Mitarbeitern hängt von der Tageszeit ab.

stock.adobe.com, Urheber: VectorMine

Karriere 29.09.2022
Hybride Arbeitszeitmodelle sind längst in der Branche angekommen. Bei JLL und Commerz Real dürfen sich Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten nahezu selbst aussuchen – allerdings in einem ... 

Hybride Arbeitszeitmodelle sind längst in der Branche angekommen. Bei JLL und Commerz Real dürfen sich Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten nahezu selbst aussuchen – allerdings in einem festgesteckten Rahmen. Die Unternehmen punkten damit als Arbeitgeber und können sogar bessere Leistungen von ihren Beschäftigten erwarten.

Mit Arbeitszeitmodellen, die zum individuellen Lebensstil der Mitarbeiter passen, wollen Unternehmen als Arbeitgeber punkten. Viele bieten ihren Mitarbeitern schon seit Jahren die Möglichkeit an, ihren Arbeitstag so zu gestalten, dass Aufgaben auf passende Uhrzeiten gelegt und Pausen nach Bedarf genommen werden können. Doch seit den Homeoffice-Regelungen während der Corona-Pandemie haben viele das mögliche Zeitfenster noch weiter ausgebaut. Die meisten setzen dabei auf eine Gleitzeit, die einen gewissen Rahmen vorgibt, innerhalb dessen das tägliche Stundenziel erreicht werden kann. Und diese Gleitzeit ist bei einigen Unternehmen deutlich größer geworden, als sie es noch vor einigen Jahren war.

Beim Beratungsunternehmen JLL sind dadurch inzwischen Arbeitszeiten zwischen 7 und 21 Uhr möglich, beim Vermögensverwalter Commerz Real können die Mitarbeiter schon um 6 Uhr am Morgen anfangen oder bis 23 Uhr im Büro bleiben. Zudem haben viele Unternehmen neue Teilzeitmodelle geschaffen und bieten sogenanntes Jobsharing an, bei dem sich zwei Mitarbeiter eine Stelle teilen und die damit verbunden Aufgaben untereinander aufteilen.

Der Grund dafür, dass sich immer mehr auf alternative Arbeitszeitmodelle einlassen, liegt auf der Hand: Sie sind angewiesen auf Nachwuchs- und Fachkräfte – und müssen sich bei ihnen als attraktive Arbeitgeber beweisen. Fast drei Viertel aller Beschäftigten wollen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten, wie die Umfrage "People at Work 2022: A Global Workforce View" vom ADP Research Institute zeigt. Besonders am Herzen liegt Flexibilität einerseits jungen Leuten zwischen 18 und 24 Jahren, andererseits älteren Beschäftigten über 55 Jahre. In der Immobilienbranche dürften diese Werte noch höher sein – vor allem die Berufe des Maklers und Vertrieblers sind durch unterschiedliche Vor-Ort-Termine schließlich per Definition auf Flexibilität aufgebaut.

Bei JLL macht man keinen Hehl daraus, dass es bei dem Zeitmodell auch darum geht, einen positiven Eindruck auf dem Arbeitsmarkt zu hinterlassen und vielversprechende Kandidaten von sich zu überzeugen. Zwar gibt es schon seit einigen Jahren flexible Arbeitszeiten, aber Corona hat das hybride Arbeiten – zu dem nicht nur orts-, sondern ebenso zeitunabhängiges Arbeiten gehört – vorangetrieben. Auch bei Commerz Real hat die Pandemie der Flexibilität im Unternehmen noch einmal einen Schub gegeben. Die Commerzbank-Tochter will damit die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter unterstützen: "Allein die Möglichkeit zu haben, in Randzeiten liegengebliebene Arbeit zu erledigen oder in Einzelfällen auf einen Wochentag wegen privater Verpflichtungen komplett verzichten und hierfür auf einen Samstag auszuweichen zu können, reduziert den Druck und die Belastung bei den Mitarbeitenden", sagt Christiane Wolfram, Bereichsleiterin People & Culture bei Commerz Real.

Das weiß auch Ulrike Hellert. Sie ist Arbeitspsychologin und Wirtschaftswissenschaftlerin an der FOM-Hochschule in Nürnberg und sagt: "Jeder Mensch kann sich zu unterschiedlichen Zeiten besonders gut konzentrieren. Zwar ist es den meisten auch außerhalb dieser Zeiten möglich zu arbeiten – doch das erfordert mehr Anstrengung." Wann ein Mitarbeiter besonders gut arbeiten kann, hängt vom sogenannten Chronotyp ab, also von der inneren biologischen Uhr. Manche arbeiten morgens besser, andere abends. "Flexible Arbeitszeiten fördern die Produktivität der Mitarbeiter", sagt Hellert. "Und das kommt dann natürlich wiederum dem Arbeitgeber zugute."

Bei JLL kann wohl auch deshalb nahezu jeder arbeiten, wann er möchte – solange er sich an die gesetzlichen Vorgaben hält. Das Arbeitszeitgesetz schreibt nämlich vor, dass Mitarbeiter in der Regel nur acht Stunden pro Tag arbeiten. Pausen sind ebenfalls klar geregelt: Wer an einem Arbeitstag auf sechs bis neun Stunden kommt, dem steht eine Ruhezeit von 30 Minuten zu. An Tagen, an denen die neun Stunden überschritten werden, sind es 45 Minuten. Spätestens nach sechs Stunden muss die Arbeit unterbrochen werden. Am Ende des Tages müssen elf Stunden zwischen dem Feierabend und dem nächsten Arbeitstag frei bleiben.

Um das messen zu können, muss die Arbeitszeit dokumentiert werden – auch bei Vertrauensarbeitszeit, beim mobilen Arbeiten und im Homeoffice. Das hatte der Europäische Gerichtshof bereits im Mai 2019 (Az. C-5/18) klargestellt und die nationalen Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert. Passiert ist seither allerdings nichts. Das Bundesarbeitsgericht bringt nun mit einem Beschluss vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) wieder Schwung in die Sache. Es hält fest, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, "ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann". Wie das genau aussehen muss, ist noch offen.

Das letzte Wort haben die Vorgesetzten

Neben der Erfassung der Arbeitszeit stellt auch das Abstimmen, wer wann arbeitet, Herausforderungen an die Organisation. Bei JLL gibt es eine klare Regelung: Das letzte Wort hat der jeweilige Vorgesetzte. Der entscheidet darüber, ob genügend Mitarbeiter für Kollegen und Kunden erreichbar sind. "Für Mitarbeiter, die vor Ort bei unseren Kunden arbeiten, sind natürlich die jeweiligen Kundenanforderungen zu berücksichtigen", sagt Personalchefin Patricia Offermanns. Am Ende gilt also wohl doch: Der Kunde ist König und bestimmt zumindest teilweise die Erreichbarkeit der Mitarbeiter. Allgemeingültige Empfehlungen "von oben" sind weder bei JLL noch bei Commerz Real verordnet, jedes Team kann seine Guidelines für Arbeitszeiten selbst gestalten. Auch Empfehlungen, wann welche Arbeit erledigt werden sollte, werden nicht ausgesprochen.

Bei Commerz Real gibt es lediglich die einheitliche Vorgabe, dass Teambesprechungen und Dienstveranstaltungen vor 9 und nach 17 Uhr nach Möglichkeit vermieden werden sollen. "In Einzelfällen können zudem innerhalb von Bereichen, Abteilungen oder Teams Service-Zeiten festgelegt werden”, erklärt Personalerin Wolfram. Service-Zeiten sind die Zeiten, in denen der Arbeitsbereich mit einer Mindestanzahl von Mitarbeitern besetzt sein muss, um die betrieblichen Anforderungen mit "vertretbaren Einschränkungen" erfüllen zu können. Die Service- Zeiten liegen immer zwischen 6 und 23 Uhr. Wenn ein Kollege krank oder im Urlaub ist, kümmert sich der Vorgesetzte um die Vertretung in Absprache mit den Teammitgliedern. Das ist auch bei JLL so: "Dies muss nicht unbedingt bedeuten, dass andere Arbeitszeiten gelten, am Ende kommt es ja auf das Ergebnis an und nicht darauf, wann genau am Tag die Aufgaben erledigt werden", heißt es vom Unternehmen. Im Einzelfall könne es dann aber auch mal zu Änderungen der üblichen Arbeitszeit kommen.

All diese Flexibilität ist jedoch nicht für jeden Mitarbeiter das Richtige. Arbeitspsychologin Hellert unterscheidet bei Mitarbeitern zwischen Segmentierern und Integrierern. Während erstere klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit brauchen, tendieren Integrierer dazu, diese Grenzen zu verwischen – und beiden kann es mit ihrem Vorgehen gut gehen.

Thomas Rigotti, Professor für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Mainz, bestätigt: "Jeder Mensch hat einen individuellen Drang nach Flexibilität." Während der eine sein Diensthandy nach Feierabend also am liebsten ausgeschaltet in die Ecke legt, kann es den anderen sogar stressen, nicht auch am Wochenende mindestens einmal seine Mails zu checken. Rigotti glaubt daher nicht, dass flexible Arbeitszeiten zum "Verbummeln" von Aufgaben führen könnten – jedenfalls nicht allein. "Dazu kann nur eine hohe Autonomie gepaart mit Orientierungslosigkeit führen", sagt er. "Und Orientierungslosigkeit rührt meist daher, dass Unternehmen die Ziele ihrer Mitarbeiter nicht klar genug definieren oder kommunizieren." Ein wenig Struktur braucht es, bei aller Flexibilität, dann doch.

Die Autorin: Celine Schäfer ist Journalistin in der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Celine Schäfer

Gute Zeiten für Recruiter im Mittelstand

Fachleute zieht es zunehmend in Richtung Mittelstand.

Fachleute zieht es zunehmend in Richtung Mittelstand.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: pressmaster

Karriere 29.09.2022
Weil sie wechselwilligen Kandidaten ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, haben mittelständische Unternehmen seit einigen Monaten leichtes Spiel bei der Mitarbeitersuche. Zum einen steigt ... 

Weil sie wechselwilligen Kandidaten ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, haben mittelständische Unternehmen seit einigen Monaten leichtes Spiel bei der Mitarbeitersuche. Zum einen steigt die Zahl der Bewerbungen, zum anderen verändern sich die Profile der Bewerber.

Lieferengpässe und veränderte Zinssätze zwingen viele Unternehmen – allen voran Projektentwickler – in die Knie. Wenn Projekte zurückgestellt werden oder sich Strategien im Bereich Transaktionen umkehren, wirkt sich das auf den Personalbedarf aus. "Für Projektentwickler, die gut aufgestellt sind, bieten sich nun jedoch gute Chancen, sowohl im Projektankauf als auch bei der Personalgewinnung", stellt Sascha Köneke, Senior Berater bei Westwind Real Estate Executive Search, seit einigen Wochen beim Recruiting und beim Headhunting fest. Zwar nehme die Wechselbereitschaft aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage im Moment tendenziell ab, weil nur wenige Kandidaten bereit sind, ein berufliches und somit ein finanzielles Risiko einzugehen. Doch "gute Unternehmen sind immer attraktiv", fasst Köneke zusammen und erklärt: "Festzuhalten bleibt, dass der Faktor Stabilität an Bedeutung gewinnt." Der Personalberater bezieht sich damit auf Unternehmen, die für Bewerber jetzt deshalb interessant werden, weil sie in den vergangenen Jahren wenig risikoreich investiert haben und daher eine durchgehende Finanzierungslage aufweisen können. "Start-ups, die vor der Pandemie zu beliebten Kandidatenzielen zählten, sowie risikoaffinere Akteure haben in dieser Hinsicht gegenüber etablierten Unternehmen an Attraktivität verloren", zieht Köneke ein Fazit. Und er ergänzt: "Dadurch ergeben sich auch für solide Mittelständler außerhalb von Metropolregionen bei der Fachkräftesuche Chancen qualifiziertes Personal zu gewinnen."

Wer weniger ankauft, der braucht mehr Asset- und Property-Manager

Diesen Trend bestätigt John Bothe. Er ist Geschäftsführer der mittelständischen Silberlake Real Estate Group, die gerade auf großer Rekrutierungsmission ist – erfolgreich. "In den letzten sechs Monaten ist die Zahl vielversprechender Bewerber bei uns gestiegen", berichtet er. Je nach ausgeschriebener Position kämen inzwischen etwa drei- bis viermal so viele Interessenten auf das Unternehmen zu als noch vor einem halben Jahr. "Wir sehen diese Situation als gute Möglichkeit, uns auf Mitarbeiterseite weiterzuentwickeln", sagt der Geschäftsführer. Denn das familiengeführte Unternehmen sei aufgrund neuer Mandate auf Wachstumskurs in allen Geschäftsbereichen, die die Projektentwicklung, Bestandswohnungen sowie Property- und Asset-Management umfassen.

Dabei habe sich nicht nur die Zahl der Bewerbungen bei Silberlake erhöht. "Wir merken, dass im Moment das Interesse von Kandidaten steigt, die sich bis vor einiger Zeit gar nicht bei einem Unternehmen unserer Größe beworben hätten", sagt Bothe, der die Unternehmensgruppe mit rund 80 Mitarbeitern leitet. Unter den Interessenten sieht er einige Kandidaten, die von großen Konzernen abwandern, und beschreibt die Großen als Unternehmen, die "in den vergangenen Jahren risikohaft in Immobilien investiert haben". Silberlake hingegen habe seit der Gründung 2015 auf "sehr konventionelle Finanzierungen" gesetzt. "Das kommt uns nun als Sicherheit zu Gute."

Gerade bei jungen Immobilienleuten sieht er noch einen weiteren Aspekt, der einen Arbeitgeber mit unter 150 Mitarbeitern derzeit attraktiv mache. "Im Mittelstand gab es im Vergleich zu Konzernen schon immer flachere Hierarchien und kürzere Kommunikationswege – und zwar bis hin zum Chef. So bleiben Talente nicht unbemerkt und die Chance auf einen schnellen Aufstieg im Unternehmen steigt", sagt Bothe. "Wer jung und motiviert ist, sieht darin die Chance, sich selbst gut weiterentwickeln zu können", fasst er zusammen. Das gelte insbesondere im Bereich der ESG-Themen (ESG steht für Environmental Social Governance). Silberlake baut seine Angebote hier derzeit aus. Der Geschäftsführer weiß deshalb, dass Experten auf diesem Gebiet schwer zu bekommen sind. "Nicht zuletzt ist die ganze Herausforderung rund um diesen Themenkomplex noch neu in der Branche. Das macht es umso schwerer, erfahrene Kandidaten zu finden." Weil sich aber immer mehr motivierte Menschen bei Silberlake bewerben, will das Unternehmen in sie investieren und durch entsprechende Fortbildungen eigene Fachleute heranziehen.

Die Mittelständler locken Kandidaten mit sicheren Arbeitsplätzen

Führungskräfte sucht das Unternehmen aktiv mit der Hilfe von Headhunter. Auch in den Netzwerken des bestehenden Teams und der Führungskräfte sei Silberlake in der letzten Zeit vermehrt fündig geworden. Um Kandidaten abzuwerben, setzt das Unternehmen darauf, gezielt die Unternehmensphilosophie zu kommunizieren. Dafür zeigen sich laut Bothe immer mehr Kontakte offen und lassen sich auf einen Wechsel in den Mittelstand ein, obgleich der so eigentlich gar nicht geplant war.

Noch vor kurzem haben für viele Positionen auf niedrigeren Ebenen, beispielsweise für Tätigkeiten als Hausmeister, Techniker oder auch in der Buchhaltung, vor allem Quereinsteiger eine Bewerbung bei Silberlake eingereicht haben, so Bothe. Inzwischen beobachte er, dass sich die Quote an Bewerbern mit immobilienspezifischer Ausbildung erhöht. Besonders wechselwillig seien Kandidaten für Positionen im kaufmännischen Bereich. Bothe vermutet, "wer bedingt durch seine Aufgaben Einblicke in die Zahlen und die Auftrags- und Finanzlage seines Arbeitgebers hat, dem fallen kleinste Veränderungen auf. Wer jetzt clever ist, weiß diese Veränderungen einzuschätzen und schaut sich mit Weitsicht nach etwas anderem um, bevor eine Kündigungswelle durch Stellenabbau im eigenen Unternehmen eintritt."

David Peter, CEO und Gründer der Connex-Gruppe, rechnet in den kommenden ein bis zwei Jahren damit, dass sich vor allem Strategieänderungen von großen Wohnungskonzernen auf deren Mitarbeiterstrukturen auswirken. Dadurch betreffe eine Umorientierung vor allem Spezialisten aus bestimmten Fachgebieten. "Dadurch, dass sich die Strategien großer Unternehmen von Ankauf zu Verkauf ändern, werden sich einige Ankaufspezialisten entweder innerhalb der Unternehmen umorientieren müssen oder sich etwas Neues suchen, wenn Stellen abgebaut werden", sagt Peter. Gleichzeitig rechnet er damit, dass Mitarbeiter im Asset- und Property-Management, die schon jetzt schwerer zu finden seien als andere Berufsbilder, zunehmend an Bedeutung gewinnen werden, weil Unternehmen einen stärkeren Fokus auf die Bestandspflege legen werden statt einzukaufen. "Hier wird der Bedarf eher noch weiter steigen", prophezeit der Connex-Chef.

Bei Connex seien im Moment rund 30 Festangestellte tätig. Viel größer soll das Team nach Peters Wünschen nicht werden, "um Reibungsverluste bei Übergaben zwischen einzelnen Abteilungen zu vermeiden." Auf Halde Fachkräfte einstellen will er deshalb nicht, auch weil er damit rechnet, dass die Auswahl für die Arbeitgeber bald noch weiter steigen könnte. Zudem kann er sich vorstellen, dass der Mittelstand für diejenigen attraktiver wird, die sich weiterentwickeln wollen, oder für Berufseinsteiger. In seiner eigenen Firma besetze er Positionen oft danach, wer für eine Aufgabe passt, statt nach vorgegebenen Karrierestufen, wodurch viele Stellen immer wieder intern besetzt würden.

Zudem hat Peter eine weitere Gruppe von Fachkräften ins Auge gefasst, um eine große Auswahl an Kandidaten für sein Unternehmen zu haben: Handwerker und Ingenieure, die aus der Ukraine nach Deutschland kommen und hier langfristig eine Arbeit suchen. Als Mittelständler sieht er gute Chancen, diese Handwerker als Subunternehmer für sich zu gewinnen, "weil die Bearbeitung von Auftragsrechnungen im Mittelstand schneller geht als bei großen Konzernen", begründet er. Diese Pläne stecken jedoch noch in den Kinderschuhen, da aufwendige Behördengänge die Strategie derzeit noch ausbremsen. Erste Kontakte habe eine Mitarbeiterin aber schon hergestellt. "Sie ist Ukrainerin und somit gab es keine Sprachbarrieren. Sie hat einigen Ukrainern bei der Einreise geholfen. Dass sie die Kontakte hergestellt hat, obwohl es nicht ihre Aufgabe gewesen wäre, ist ein Zeichen dafür, dass es bei einem Team nicht nur auf die Größe, sondern vor allem auf die Motivation ankommt."

Janina Stadel

Isabella Chacón Troidl

Isabella Chacón Troidl liebt die Kunst und  gemeinsame Stunden mit der Familie.

Isabella Chacón Troidl liebt die Kunst und gemeinsame Stunden mit der Familie.

Quelle: privat

Karriere 29.09.2022
Ihre Kindheit verbrachte Isabella Chacón Troidl größtenteils in Weiden in der Oberpfalz. Seit 2018 ist sie Chief Investment Officer und Geschäftsführerin bei BNP Paribas Real ... 

Ihre Kindheit verbrachte Isabella Chacón Troidl größtenteils in Weiden in der Oberpfalz. Seit 2018 ist sie Chief Investment Officer und Geschäftsführerin bei BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany. Sie liebt diese Rolle, aber noch mehr ihre Familie und die Zeit, die sie mit ihr verbringt. Ihre dritte Leidenschaft ist die Kunst. Sie hat dagegen kein Faible fürs Autofahren und nutzt für den Weg zur Arbeit den ÖPNV. So gesehen ist es nur konsequent, dass der Gesprächspartner ihrer Wahl Robert Habeck heißt und sie mit Volker Wissing gerne mal die Rollen tauschen würde.

Wie und wo wohnen Sie zurzeit?

Ich wohne in München. Das Haus – eine zweckmäßige Doppelhaushälfte aus den 1980ern – gehört uns. In unserem pflegeleichten Garten können die Kinder spielen. In der Einfahrt üben sie gelegentlich Dunkings, wobei der Größere da klar im Vorteil ist. Und unser Minivorgarten erfüllt ebenfalls seinen Zweck: den Blick ins Grüne. Unser Haus ist effizient, pragmatisch und zentral – damit passt es zu unserem aktuellen Lebensabschnitt. Die Einkäufe kann ich von dort aus zu Fuß erledigen. Um die Ecke haben wir ein öffentliches Schwimmbad mit Rutsche. Und die Anbindung an den ÖPNV lässt nichts zu wünschen übrig. Mit der U-Bahn bin ich in neun Minuten am Odeonsplatz. Und wenn Sie mich fragen, ob es denn „nachhaltig“ ist? Ich denke, wie fast beim ganzen Gebäudebestand in Deutschland ist da noch Luft nach oben.

Wo ist Ihr Lieblingsplatz in der Wohnung? Und warum?

Das ändert sich je nach Stimmung. Mal ist es die Terrasse, wo ich mit meinem Mann gern den Abend ausklingen lasse. Es kann aber auch die Küche sein oder zur Vorlese-Session das Zimmer meiner Jungs.

Haben Sie bei dieser Immobilie oder einer anderen beim Bau schon einmal selbst mit Hand angelegt? Wenn ja: wie genau und wie häufig?

Nein, mir fehlt jegliche handwerkliche Begabung. Ich habe zwei linke Hände. Ich glaube, alle sind froh, wenn ich das sein lasse.

Wie und wo möchten Sie im Alter gerne wohnen?

Wie: in einer energetisch effizienten Immobilie mit einem sinnvollen Schnitt. Außerdem sollte sie Platz für Bilder bieten. Mein Mann und ich mögen moderne Kunst. Die darf dann schon mal plakativ die Wand füllen. Wo: in zentraler Lage. Eine Wohnung am Gärtnerplatz, mitten im Leben. Von dort aus könnte man später auch toll mit dem Rollator zum Theater oder in die Bar.

Was muss das perfekte Haus oder die perfekte Wohnung unbedingt haben?

Eine zentrale Lage und eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Idealerweise sollte alles Wichtige in höchstens 15 Minuten erreichbar sein. Ja, das mag jetzt streberhaft klingen, aber ich möchte meinen CO2-Fußabdruck so schlank wie möglich halten. Und ich hasse Autofahren.

Mit wem würden Sie gerne mal für einen Tag das Leben tauschen? Warum?

Mit dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Ich könnte mich persönlich in den Austausch bezüglich einer schnellen, nachhaltigen Mobilitätswende einbringen. Außerdem könnten es meine Kolleginnen und Kollegen am Ende spannend finden, mich mal für einen Tag los zu sein. Wäre dann quasi eine Win-win-Situation.

Und mit welcher noch lebenden Persönlichkeit würden Sie gerne einmal einen Abend verbringen? Warum?

Robert Habeck. Mit wem, wenn nicht mit ihm, könnte ich einen Plan entwerfen, wie Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam die dringend notwendige und zügige Transformation herbeiführen. Gern inklusive der Definition gezielter Fördermaßnahmen durch die EU und Deutschland. Denn eines ist klar: Weder Staat noch Wirtschaft können die Transformation im Alleingang stemmen.

Wann, wo und womit haben Sie als Erwachsene zum ersten Mal Geld verdient?

Wann ist man erwachsen? Mit 14 – in meinem ersten Job als Softeis-Verkäuferin. Ich war leider manchmal auch meine beste Kundin.

Wie haben Sie von dort aus den Weg in die Immobilienbranche gefunden, in der Sie heute mitmischen?

Zufällig und komplett in Eigenregie. Ich habe zunächst eine juristische Ausbildung absolviert. Einen Mentor hatte ich nicht. Dafür habe ich mir aus eigenem Antrieb und mit Begeisterung ein starkes Netzwerk aufgebaut. So kam dann eins zum anderen. Deshalb ist es mir so wichtig, Kolleginnen in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen.

Was braucht man Ihrer Einschätzung nach, um es in Ihrem Job zu etwas zu bringen?

Gesunder Menschenverstand ist schon mal eine gute Voraussetzung. Außerdem braucht es Interesse an gesellschaftlichen Veränderungen, Begeisterung für Architektur und den Austausch mit Menschen. Auch die Bereitschaft, lebenslang dazuzulernen, ist eine wichtige Voraussetzung. Die Immobilienbranche verändert sich ständig. Eine Herausforderung folgt der nächsten. Die muss man annehmen wollen.

Wie feiern Sie Ihre Erfolge?

Erfolge zu feiern, finde ich wichtig – gern spontan, aus der Situation heraus. So wird das bei BNP Paribas auch gelebt. Wobei das Ausmaß der Feier an sich nicht so wichtig ist. Vielmehr sollten sich alle Feiernden darin einig sein, dass ein echter Erfolg vorliegt.

Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?

Analytisch. Misserfolge entstehen aus Fehlern und die lassen sich nicht immer vermeiden. Also versuche ich, offen und transparent mit ihnen umzugehen. Denn dann haben sie etwas Positives – treiben Weiterentwicklungen voran, ebnen den Boden für Innovationen und helfen dabei, Lücken im System zu finden. Jede Transformation braucht Mut – und man kann nur mutig sein, wenn es eine positive Fehlerkultur gibt, die gelebt und auch gefeiert wird.

Was stört Sie in der Immobilienbranche (am meisten)?

Standardisierung und Transparenz entwickeln sich noch zu langsam. Wir könnten viel verändern, stehen uns aber oft selbst im Weg.

Und was finden Sie besonders gut?

Der Slogan des ZIA bringt es recht gut auf den Punkt: Wir geben Leben Raum. Das heißt, wir Immobilienprofis sind Gestalter, und in dieser Rolle werden wir immer besser. ESG trägt dazu einen ganz wesentlichen Teil bei. Manche mag das nerven, aber das muss es auch. Wir müssen ein richtig großes Rad drehen, und da ist es mit „ESG-Kosmetik“ nicht getan. Schließlich gilt es, unseren Lebensraum zu erhalten. Das schwierige Umfeld, das wir gerade erleben, zwingt die Branche mehr denn je dazu, sich zu professionalisieren. Hier passiert gerade richtig viel und das ist klasse.

Baulöwe, Miethai, Heuschrecke: Leute, die mit Immobilien Geld verdienen (wollen), haben nicht immer den besten Ruf. Zu Recht?

Wow, die habe ich gar nicht mehr im aktiven Wortschatz! An diesen angestaubten Begriffen sieht man, dass teilweise keine Differenzierung stattfindet. Okay, in den vergangenen Jahren konnte man auch ohne größere Anstrengung erfolgreich sein. Aber das ändert sich ja gerade. In einer angespannten Marktsituation, wie wir sie jetzt erleben, braucht es Professionalität und nachhaltige Geschäftsmodelle. Das führt zwangsläufig zu Veränderungen und die werden der Branche guttun.

Sie würden jungen Leuten raten, den Weg in die Immobilienwirtschaft einzuschlagen, weil ...

… sie eine spannende und vielseitige Welt bietet. Man lernt die unterschiedlichsten Menschen und Orte kennen. Außerdem hat man ständig mit gesamtgesellschaftlichen Themen zu tun und kann Lebensräume selbst mitgestalten. Wer wissbegierig ist und nichts schlimmer findet, als sich im Job zu langweilen, ist hier gut aufgehoben. Und Geduld wäre auch wichtig, denn in der Branche mahlen die Mühlen auch mal langsamer.

Was wären Sie heute gerne, wenn nicht Immobilienprofi?

Vielleicht eine Künstlerin wie Fujiko Nakaya – ihre Nebelskulpturen im Haus der Kunst sind ein Ereignis. Allerdings fehlt mir die nötige Portion Talent.

Haben Sie eine Lieblingsimmobilie?

Die Fuggerei in Augsburg – die noch heute bestehende älteste Sozialsiedlung der Welt. Jakob Fugger war bereits im 16. Jahrhundert ein echter Visionär. Was er damals ins Leben gerufen hat, nennen wir heute Impact-Investing.

Und welches Gebäude in Deutschland würden Sie gerne abreißen und warum?

Keines, da ich versuchen würde, es energetisch zu sanieren.

Was bringt Sie privat auf die Palme? Und was beruflich?

Gesellschaftliche Rücksichtslosigkeit – privat wie beruflich.

Wo oder wie können Sie sich besonders gut entspannen oder abschalten?

Wenn ich in fremde Welten eintauchen kann – beispielsweise im Urlaub oder auf Ausstellungen. Auch wenn ich gemeinsam Zeit mit meiner Familie und mit Freunden verbringe, komme ich zur Ruhe.

Für welches private Vergnügen haben Sie zu wenig Zeit?

Leider für alle.

Nennen Sie einen Ihrer Lieblingssongs.

Für mich gibt es nicht „den einen“ Song – das hängt eher von der Situation ab. Mal ist es „Space Oddity“ von David Bowie, mal „No Good“ von The Prodigy. Und auf der Wiesn ist „T.N.T.“ von AC/DC unschlagbar.

Wenn Sie an Ihren letzten Urlaub denken, denken Sie an was?

Zeit mit meiner Familie für gemeinsame Erkundungen. Ich liebe es, Neues zu entdecken.

Homeoffice, Büro oder mobil in der Bahn? Wo arbeiten Sie am häufigsten, wo am liebsten und warum?

Für mich kommt es nicht auf den geografischen Ort an. Ich kann überall gut arbeiten, Hauptsache, es ist ein kreativer Austausch mit Menschen möglich.

Wie gehen Sie am liebsten aus? Eher zum Essen im Restaurant, tanzen in der Diskothek oder mit Kulturprogramm? Und in welcher konkreten Location kann man Sie öfter mal antreffen?

Mal rustikal in den Biergarten, mal schick ins Restaurant. Und kulturell – ich glaube, das erwähnte ich schon – gehe ich gern in gut kuratierte Kunstausstellungen. Man trifft mich also ab und an im Haus der Kunst, wo ich nach dem Ausstellungsbesuch gern einen Abstecher in die „Goldene Bar“ mache. Da lasse ich Nebelkunst und Co entspannt hinter mir und gönne mir auf dem Boden der Tatsachen einen Kaffee.

Verraten Sie uns auch noch Ihr Lieblingsgericht?

Handgemachter Kartoffelreibekuchen. Wobei … ich denke, die asiatische Küche läuft dem guten alten Lieblingsgericht aus der frühen Kindheit demnächst den Rang ab.

Gibt es etwas im Ausland, was Sie in Deutschland vermissen?

Elefanten in freier Wildbahn. Die intelligenten Dickhäuter sind meine absoluten Lieblingstiere.

Sie haben 100.000 Euro zur freien Verfügung und müssen das Geld komplett ausgeben – welchen Traum erfüllen Sie sich?

Ich habe keine wirklich großen materiellen Träume. Grundsätzlich würde ich eher in PropTechs – zum Beispiel im Bereich Wasserstoff – investieren, weil diese dazu beitragen, den Klimawandel zu bremsen. Auch Organisationen, die Menschen Chancen erschließen und ihnen unabhängig vom Einkommen und Bildungsgrad der Eltern einen sozialen Aufstieg ermöglichen, wären Optionen für ein solches Investment.

Das Interview führte Janina Stadel

Janina Stadel