Leben oder Bonus? Ganz klar: Leben!

Bei Hemsö in Berlin nimmt man es mit der Kleiderordnung eher locker.

Bei Hemsö in Berlin nimmt man es mit der Kleiderordnung eher locker.

Quelle: Hemsö, Urheber: Jens Nagel

Karriere 04.10.2019
"In anderen Unternehmen könnte ich mehr verdienen", sagt Jens Nagel. Bonus ist für den Deutschlandchef des schwedischen Asset-Managers Hemsö ein Fremdwort. In den Ohren von Jim Hartley, ... 

"In anderen Unternehmen könnte ich mehr verdienen", sagt Jens Nagel. Bonus ist für den Deutschlandchef des schwedischen Asset-Managers Hemsö ein Fremdwort. In den Ohren von Jim Hartley, dem Nordeuropaleiter des britischen Logistikentwicklers Segro, klingt das Wort Bonussystem dagegen vertraut. Nur für die Arbeit lebe er trotzdem nicht, versichert Hartley, ganz im Gegenteil: "Ich bin das beste Beispiel für Work-Life-Balance."

Bevor Jens Nagel heimkehrte, sicherte er sich noch schnell die schwedische Staatsbürgerschaft. Nicht weniger als 15 Jahre hat der Head of German Business des skandinavischen Sozialimmobilieninvestors Hemsö in Schweden gelebt. Vor acht Jahren verließ der gebürtige Westberliner seine Wahlheimat wieder - um für Hemsö ein deutsches Standbein in Berlin aufzubauen. "Für mich war klar, dass ich nie zu einem deutschen Unternehmen gehe, wenn ich zurückkomme", sagt Nagel trocken.

In Deutschland überlagere der Job vieles, "der Mensch definiert sich über seinen Beruf". In Schweden ernte jemand, der damit angebe, er habe "letzte Woche 80 Stunden gearbeitet", statt anerkennender Blicke nur die spöttische Frage: "Biste ein No-Lifer, oder was?" Überstunden von Mitarbeitern würden auf Dauer dem Chef angelastet. Seine fünf Kollegen im Berliner Büro und auch er selbst kämen mit den vertraglich vereinbarten 40 Stunden jedenfalls super zurecht. Er selbst spare sich "den ganzen Corporate-Bullshit" und arbeite auch als Geschäftsführer zu 95% operativ. "Ist doch Imponiergehabe, wenn mir einer erzählt, er war bis halb neun im Büro. Der hat doch nicht so lang durchgeknüppelt."

Der Übergang zwischen Arbeit und Privatleben verlaufe in Schweden "oft fließend". Eine Anwesenheitspflicht im Büro gebe es meist nicht, Homeoffice sei "fast immer möglich". Fünf Wochen Urlaub im Sommer seien quasi Standard. Damit sich nicht zu viele unerledigte Aufgaben auftürmen, setze sich der Schwede in seinem langen Sommerurlaub einen Tag die Woche an den Schreibtisch.

Auch die Entscheidungskultur ist in Schweden ganz anders. "In Deutschland weiß es der Chef am besten, die Mitarbeiter werden in die Entscheidungsfindung meistens nicht eingebunden", sagt Nagel. In Schweden entscheidet - am Ende natürlich auch der Chef. Aber: "Wenn ich als Chef etwas verändern will, binde ich meine Leute von Anfang an in den Entscheidungsprozess mit ein. Erstens ist die Basis ja der Spezialist fürs operative Geschäft, und zweitens erspart es mir später Friktionen, wenn ich die Mitarbeiter initial einbinde - gerade wenn sie in der Entscheidungsphase nicht alles zu 100% mittragen."

Auch die Maßstäbe für persönlichen Erfolg, versichert Nagel, seien andere als in Deutschland. "Vorgesetzte sehen die Anzahl der ihnen untergeordneten Mitarbeiter oder den Umsatz, den sie verantworten, nicht als Kriterien für Erfolg im Job. Entscheidend ist, dass die selbst gesetzten Ziele erreicht werden." Und noch ein Differenzierungsmerkmal: Fette Extrabeute winkt Leitwölfen zumindest bei Hemsö nicht. "Boni sind für die Geschäftsleitung ausgeschlossen, nur Mitarbeiter können einen Bonus von bis zu einem Monatsgehalt erhalten", so Nagel. "In anderen Unternehmen könnte ich mehr verdienen", konstatiert der Deutschlandchef von Hemsö nüchtern.

Wenn sich Begeisterung für einen Arbeitgeber in Jahren der Unternehmenszugehörigkeit messen lässt, dann ist Nagel schon ganz gut dabei - wird aber von Jim Hartley um Längen geschlagen. Hartley ist Business Unit Director Northern Europe bei Segro. Das ist schon die achte Rolle, die er bei dem britischen Logistikimmobilienentwickler bekleidet. Das Unternehmen hatte ihn vor 18 Jahren frisch von der Uni weg verpflichtet. Einen anderen Arbeitgeber hat Hartley nie gesehen. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Paris und führt von dort aus die Segro-Länderteams in Deutschland - Düsseldorf, Hamburg und München - und den Niederlanden (Amsterdam) und ist auch für das Geschäft in Österreich zuständig.

Die meisten von Hartleys 42 Untergebenen sitzen in Düsseldorf, aber nicht alle an einem festen Schreibtisch: Etwa 60% bis 70% der Belegschaft seien ziemlich mobil unterwegs, weshalb nicht für jeden Mitarbeiter - mit Ausnahme von Querschnittsfunktionen, die die ganze Woche im Büro verbringen - ein eigener Arbeitsplatz vorgehalten werde. Segro verfolge daher eine "clear desk policy": Wer sein Tagewerk verrichtet hat, soll dem nächsten Kollegenden den Schreibtisch blank hinterlassen.

Ein 13. Monatsgehalt gibt es bei Segro nicht, aber dafür Boni. Zwischen 20% und 75% können sich Fach- und Führungskräfte dazuverdienen. Wenn die selbst gesteckten Ziele übertroffen werden, ist sogar mehr drin. "Das läuft sehr mechanisch ab", versichert Hartley. Statt Wohltaten nach Gutsherrenart zu verteilen, werde jeder Kollege nach transparenten und klaren Regeln bewertet.

Nicht ganz so klar festgelegt ist die Kleiderordnung bei Segro. "Wir überlassen das weitgehend unseren Kollegen", sagt Hartley - wobei: Zerrissene Jeans und Flip-Flops, merkt der Nordeuropachef an, sind bei den börsengelisteten Briten eher nicht opportun. Die Krawatte müsse zwar nicht jeden Tag ins Büro mit, aber Business Casual - z.B. Anzug mit Hemd ohne Krawatte - solle es schon sein. Bei Hemsö sieht man das weniger eng: Hier sind T-Shirt, Shorts und Sneaker willkommen. Hauptsache, das Ergebnis stimmt.

Dass er bis zur Rente bei Segro bleibt, will Hartley nicht ausschließen - nicht allein wegen des schnöden Mammons: "Ich bin das beste Beispiel für Work-Life-Balance", frohlockt er mit Blick auf sein beruflich-privates Flottieren zwischen Paris, London und den Segro-Büros in Deutschland und Holland. "Ich bin nicht etwa zu faul, um mich woanders zu bewerben."

Harald Thomeczek

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Junge Corporate Real Estate Manager vernetzen sich seit der Corona-Pandemie verstärkt im Verband Core Net Global (CNG). Sie suchen dort den Austausch mit Kollegen auf der gleichen Karrierestufe und holen sich Tipps von erfahrenen Seniors, die für Unternehmen und Konzerne weltweit in den Immobilienabteilungen tätig sind.

Rund 240 Mitglieder zählt das Chapter Central Europe des Netzwerks Core Net Global (CNG), zu dem neben Deutschland, Österreich und der Schweiz auch Polen, Rumänien und Bulgarien gehören. Allesamt sind Corporate Real Estate Manager und kümmern sich um die unternehmenseigenen Immobilien von Konzernen und Firmen in Europa.

Etwa 15% von ihnen bilden gemeinsam die Young Leaders, die Nachwuchsgruppe innerhalb des Netzwerks. Die Sparte für bis 35-Jährige gibt es bereits seit zehn Jahren, berichtet ihr Vorsitzender Sipho Fuhr. Doch erst seit der Corona-Pandemie hat ihre Gruppenstärke deutlich zugelegt. Fuhr, der sich außerhalb der Verbandsarbeit als Managing Director bei der Bauakademie-Gruppe mit immobiliennahen Daten und Services befasst, erklärt, dass die Zahl der Young Leaders seitdem um mehr als 20% gestiegen ist und weitere Interessenten bereits in den Startlöchern stehen.

Dass das Interesse am Austausch unter den jungen Nachwuchskräften aus dem Bereich Corporate Real Estate Management ausgerechnet in den vergangenen drei Jahren so stark zugenommen hat, wundert Maike Hermes nicht. Die 35-Jährige ist bei den Young Leaders chapterweite Ansprechpartnerin für alle Angelegenheiten rund um die Themen Diversität, Inklusion und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Zu CNG kam sie 2018 und knüpft seitdem bei Treffen und internationalen Summits Kontakte zu Geschäftsführern und erfahrenen Seniors. Weil sie derzeit in Elternzeit ist, informiert das Netzwerk sie über aktuelle Trends und Herausforderungen. Später wird Hermes als Portfoliomanagerin wieder in ein Düsseldorfer Industrieunternehmen zurückkehren.

Die Corona-Pandemie brachte mehr Sichtbarkeit

Dort konnte sie mit dem Ausbruch der Pandemie eine zunehmende Sichtbarkeit ihrer Abteilung für den Gesamtkonzern beobachten. "Ich habe das Gefühl, dass sich die Bedeutung von Immobilienmanagern innerhalb der Konzerne in den vergangenen Jahren verändert hat. Dabei würde ich sagen, dass wir innerhalb der Unternehmen stärker in beratender Funktion bei Entscheidungsfindungen eingebunden werden. So kann man schon als Nachwuchskraft viel Einblick in die Unternehmensstrategie bekommen." Ausschlaggebender Punkt war für sie damals die Organisation von Homeoffice. "Veränderungen in der Unternehmensstrategie wirken sich auch auf die Immobilienstrategie aus", erklärt sie. Sie sieht sich und ihre Abteilung als Eigentümervertreter, die dafür sorgen, dass die Nutzungsmöglichkeiten der Gebäude an die Businessaktivitäten des Unternehmens angepasst werden. Empathie für die Bedürfnisse des Kerngeschäfts aufzubringen, ist für Hermes dabei die Hauptaufgabe der Immobilienmanager.

Dafür holen sich die Young Leaders regelmäßig Inspiration bei anderen Verbandsmitgliedern, die sich gegenseitig Einblicke in ihre Arbeit und vor allem die Immobilien ihres Unternehmens geben. So öffneten etwa Mitarbeiter eines Industrieunternehmens den Nachwuchskräften nicht nur die Türen zu ihrer Immobilie, sie stellten auch die Notfallpläne für einen Versorgungsmangel vor, beispielsweise bei Gasknappheit. Aber auch Best-Practice-Beispiele zum Umgang mit KI-Tools tauschen die Young Leaders regelmäßig aus, ebenso teilen sie ihre Erfahrungen damit, wie Dienstleistungen von externen Unternehmen eingespart werden können.

Beim Austausch bleiben die Nachwuchskräfte aber nicht immer unter sich. Gleichzeitig holen sie sich Tipps von erfahrenen Kollegen. Diese können auch ganz konkret mit dem Thema Karriereweg zu tun haben, etwa in Form von Ratschlägen zum Umgang mit Feedback von Vorgesetzten.

Auch die Young-Leaders-Gruppe selbst bietet verschiedene Anreize für ein besonderes Engagement. "Ich habe eigentlich einen kaufmännischen Hintergrund und bin durch Zufall in die Immobilienbranche gekommen", berichtet CNG-Mitglied Kristof Adam von seinen Anfängen. "Inzwischen bin ich bei Thyssenkrupp verantwortlich für alle Transaktionen weltweit." Um sich über seine Kernthemen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und die für Corporates so wichtige Nutzerorientierung auszutauschen, stieg er vor drei Jahren in das Netzwerk ein und wurde in dieser Zeit zum ersten deutschen Global Young Leader of the Year gewählt. Dafür schlägt jedes Chapter ein Mitglied vor, der Titel wird weltweit vergeben. "Dadurch habe ich innerhalb des Netzwerks noch mehr Sichtbarkeit bekommen, also auch mehr Sichtbarkeit für meine Themen, die mich auch beruflich beschäftigen. Zudem kann ich Vorbild sein für andere Young Leaders und sie motivieren, sich noch mehr zu vernetzen." Dafür hat das Netzwerk sogar die Frequenz der Treffen und virtuellen Veranstaltungen erhöht. Wie Young-Leaders-Vorsitzender Fuhr erklärt, sei das zuletzt nötig gewesen, weil der Austauschbedarf der Mitglieder, die sich allesamt im ersten Drittel ihrer Karriere befinden, so stark angestiegen ist.

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René Schappner macht jetzt sein eigenes Ding. Der frühere Head of Hotel bei Colliers hat gemeinsam mit Quinten T. Slama das Beratungsunternehmen Quercus & Acer gegründet.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte das Maklerhaus Colliers den Geschäftsbereich Hotel in Deutschland komplett aufgegeben und sich vom gesamten Team unter der Leitung von Schappner getrennt. Rund 30 Beschäftigte sollen von dem Schnitt betroffen sein.

Zur Begründung hieß es damals, Colliers wolle sich in der aktuellen Marktlage auf das Kerngeschäft konzentrieren. Nicht rentable Unternehmensbereiche würden zurückgefahren. Schappner war seit Juni 2019 als Head of Hotel und Geschäftsführer für Colliers in Deutschland tätig.

Jetzt also der Neubeginn. Quercus & Acer bietet Kunden Unterstützung bei Hoteltransaktionen inklusive Beratung an. Der Fokus liege auf institutionellen Investoren sowie privaten Anlegern aus ganz Europa, insbesondere in der DACH-Region, teilt Schappner mit und verweist auf 23 Jahre Erfahrung in den Bereichen Hotelimmobilien, Transaktionen und Projektentwicklung bei Colliers, JLL und der Hotelgruppe IHG.

Geschäftspartner Slama war laut eigener Angaben an zahlreichen Hotelprojekten für internationale Hotelgruppen wie Fairmont, Kempinski und Marriott beteiligt und hat Erfahrung in den Segmenten Hotel-Neupositionierungen, Transaktionen und Eröffnungen.

Peter Dietz