Plötzlich ist der ganze Campus im Netz

Hochschulen müssen ihr Onlineangebot massiv ausbauen, um den Studenten zu ermöglichen, auch in Corona-Zeiten ihren Abschluss zu schaffen.

Hochschulen müssen ihr Onlineangebot massiv ausbauen, um den Studenten zu ermöglichen, auch in Corona-Zeiten ihren Abschluss zu schaffen.

Quelle: imago images, Urheber: Cavan Images

Karriere 02.04.2020
Früher eher stiefmütterlich behandelt, nimmt die Digitalisierung an Hochschulen in Corona-Zeiten ungeahnt schnelle Fahrt auf. Studenten und Dozenten treffen sich im Chat- statt im ... 

Früher eher stiefmütterlich behandelt, nimmt die Digitalisierung an Hochschulen in Corona-Zeiten ungeahnt schnelle Fahrt auf. Studenten und Dozenten treffen sich im Chat- statt im Seminarraum - vorausgesetzt, das Netz macht mit. Fraglich bleibt allerdings, wie Prüfungen stattfinden sollen.

Eigentlich hatte Larissa Lapschies, Geschäftsführerin der ADI Akademie Stuttgart, in diesem Jahr gar nicht vor, das Thema digitale Bildungsformate zu forcieren. Schließlich habe eine Umfrage unter den Studierenden ergeben, dass 90% von ihnen es ablehnten, Veranstaltungen online abzubilden. Doch dann kam Corona.

Jetzt verkündet Lapschies: "Der 19. Hamburger Jahrgang ist der erste, der komplett von zu Hause aus gestartet ist." Der Weg dorthin sei ein Kraftakt für alle Beteiligten gewesen, berichtet die Geschäftsführerin. Vorher waren ihre Gedanken zur Bildung der Zukunft eher abstrakt, jetzt brauchte sie plötzlich möglichst einfache Lösungen für die praktische Umsetzung. Dabei ging es nicht nur um pädagogische, sondern auch um technische Fragen - nicht nur zur Praxis an der Hochschule, sondern auch bis zu den Endgeräten der Studenten.

Die ADI sitzt angesichts der aktuellen Herausforderungen mit vielen anderen Hochschulen, die Immobilienstudiengänge anbieten, in einem Boot. Sei es die EBS, die Irebs, das EBZ oder die HfWU Nürtingen-Geislingen. Schon früher haben sie mit digitalen Formaten experimentiert, jetzt müssen sie im großen Stil den Praxistest bestehen.

Die EBS verwendet für ihre Formate ein Tool, das mehr ermöglicht als einen Videochat zwischen Dozent und Studentenschar. Es lassen sich darüber hinaus z.B. Dokumente hochladen, die somit allen zugänglich sind, und Professoren können im eingeblendeten Skript herummalen. "90 Minuten Vorlesung bekommt man auf diese Weise sehr gut hin", erzählt Kerstin Hennig, Leiterin des EBS Real Estate Management Institutes. Danach werde es allerdings schwieriger, die Aufmerksamkeit der Studenten zu binden. "Wir versuchen daher, die längeren Veranstaltungen interaktiv zu gestalten, z.B. mit Gruppenarbeiten." Dazu können sich die Teams jeweils in einen kleineren virtuellen Raum zurückziehen.

Was noch spannend werde, sagt Hennig, sei die digitale Umsetzung solcher Themen wie Design Thinking oder der Einsatz von Gästen aus der Immobilienwirtschaft. Tobias Just, Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter der Irebs Immobilienakademie, fürchtet, dass die Lehrstunden mit Praktikern unter der Veränderung leiden. "Es würde mich wundern, wenn die Leichtigkeit bliebe", sagt er. Denn gerade bei solchen Lehrformaten werden auch Inhalte vermittelt, "die lieber in einem Klassenzimmer bleiben sollen". Dabei lässt sich kein Dozent gerne filmen und aufzeichnen.

Die digitalen Lehrformen stellen zudem die Dozenten vor vielfältige Herausforderungen. Was tun, wenn z.B. auf einer Seite die Bandbreite nicht ausreicht? Und braucht es mehr Entertainer-Qualitäten, wenn der Dozent am Monitor lehrt? Was ist mit den kleinen Gesten, die im persönlichen Dialog den Studenten anzeigen, wenn ein Inhalt prüfungsrelevant ist. Diese gingen am Monitor schnell unter, glaubt Just.

Was ihm aber noch mehr Kopfzerbrechen bereitet, ist die Frage, wie Prüfungen online abgenommen werden sollen. Kerstin Hennig von der EBS berichtet, dass sie bereits per Videochat erfolgreich mündlich geprüft habe. Und Klaus Leuchtmann, Vorstandsvorsitzender des EBZ, überlegt, Prüfungen vor dem heimischen Rechner der Studenten aufzeichnen zu lassen. Just ist gar kein Freund von solchen Ideen. "Dabei können wir keine Gleichstellung garantieren", sagt er. Beispielsweise könnten quengelnde Kinder im Hintergrund oder mangelhafte technische Voraussetzungen die Prüfsituation beeinflussen. Er setzt lieber auf weniger Klausuren und dafür mehr Seminararbeiten, bei denen von Zuhause aus Fallstudien bearbeitet werden müssen. Ähnlich verfährt auch die EBS Business School ab Mai.

Dass die Technik tatsächlich ein nicht zu vernachlässigender Knackpunkt ist, erfahren die Dozenten gerade häufiger. Die Dozenten müssten öfter die virtuellen Klassenräume wechseln, berichtet Leuchtmann aus dem EBZ-Alltag. Und auch HfWU-Rektor Andreas Frey weiß nun: "Tools, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, funktionieren heutzutage oft nicht mehr gut."

Die besten Lösungen für die aktuellen und künftigen Studenten zu finden, ist nun oberstes Ziel jeder Hochschule. Und eine Chance für jede einzelne, sich im Wettbewerb zu beweisen. Denn durch die Digitalisierung werden Inhalte unabhängig vom Lernort vermittelt und somit eine größere Zielgruppe angesprochen. Dass sich die Hochschule allerdings auf lange Sicht komplett ins Netz verlegen lässt, das sieht Hennig noch nicht. Denn auch die Gruppendynamik, die nur beim echten Zusammentreffen entsteht, das persönliche Kennenlernen und der Aufbau von Freundschaften und Kontakten gehörten zum Hochschulalltag. Hennig glaubt: Ein Mix aus digitalen und Präsenzformaten wäre genau das Richtige.

Anke Pipke

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Der Arbeitsmarkt wird enger - Der Berufseinstieg wird wieder zu einer echten Jobsuche

Die Corona-Krise dämpft die Erwartungen - Frage: Wie gut sind deines Erachtens die Chancen auf einen direkten Berufseinstieg nach deinem Studium?

Die Corona-Krise dämpft die Erwartungen - Frage: Wie gut sind deines Erachtens die Chancen auf einen direkten Berufseinstieg nach deinem Studium?

© Immobilien Zeitung; Quelle: IZ-Arbeitsmarktumfrage 2021

Karriere 27.05.2021
Die Aussichten für Berufseinsteiger in der Immobilienbranche sind weiterhin gut. Doch die ganz fetten Jahre sind vorbei: Die Auswahl an Einsteigerjobs ist geschrumpft, die Firmen agieren ... 

Die Aussichten für Berufseinsteiger in der Immobilienbranche sind weiterhin gut. Doch die ganz fetten Jahre sind vorbei: Die Auswahl an Einsteigerjobs ist geschrumpft, die Firmen agieren wählerischer. Es ist mehr Mühe nötig, um den Traumjob nebst passendem Gehalt zu finden. Die Arbeitsmarktumfrage 2021 der Immobilien Zeitung (IZ) zeigt, dass die Erwartungen des Nachwuchses etwas gesunken sind - das Selbstbewusstsein aber bleibt groß.

Die große Mehrheit der Studierenden rechnet sich weiterhin allerbeste Chancen auf einen direkten Berufseinstieg nach dem Studium aus. Rund drei Viertel derer (74%), die sich im Frühjahr 2021 an der Umfrage der IZ beteiligt haben, bewerten ihre Aussichten, nach dem Abschluss vom Fleck weg im Beruf durchzustarten, als gut oder sogar sehr gut.

So unfassbar gut wie vor dem ersten Lockdown, als Unternehmen nicht früh genug um die Studierenden buhlen konnten und gefühlt jedem Absolventen mit Bau- und Immobilien-Know-how der rote Teppich ausgerollt wurde, sind die Perspektiven aber nicht mehr. Und so sind etliche Studierende immobilienwirtschaftlicher Fachrichtungen, die sich den Fragen der IZ-Arbeitsmarktumfrage 2021 gestellt haben, beim Einstieg zu Abstrichen bereit. Allerdings ist auch klar: Absolventen anderer Branchen wären froh über die Jobaussichten, die die Immobilienbranche Berufseinsteigern auch im zweiten Corona-Jahr noch zu bieten hat.

Spurlos geht die Pandemie jedoch an der Immobilienwelt ebenfalls nicht vorbei. Im Jahr 2019 - dem Vor-Corona-Jahr - waren noch 92% der Teilnehmer der damaligen Umfrage überzeugt, locker einen guten Job nach dem Abschluss zu kriegen. Im vergangenen Jahr fiel der erste Lockdown mitten in die Umfrage. Die Zäsur war bereits deutlich sichtbar: 2020 sank der Anteil der Optimisten auf 78%.

Zwei Drittel müssen noch auf Jobsuche gehen

Gute Jobs für Einsteiger gibt es in der Immobilienwirtschaft immer noch viele - allerdings nicht mehr ganz so zahlreich. Gut jeder dritte Studierende - 35,5% oder 147 der 414 Teilnehmer - gibt an, schon eine Stelle für danach zu haben. Umgekehrt heißt das: Fast zwei Drittel müssen sich noch auf Jobsuche machen. Alle Studierenden, die an der Umfrage teilnahmen, werden spätestens 2022 mit dem Studium fertig. Was die diesjährigen Umfrageteilnehmer von den Vorgängergenerationen unterscheidet: Die Gewissheit, zügig ans Ziel zu gelangen, ist so manchem abhanden gekommen.

Natürlich hat Corona nicht jede Assetklasse und nicht jedes Geschäftsmodell getroffen. Doch die Unsicherheit, wie sich die Krise auf die Immobilienmärkte auswirkt, lässt einige Arbeitgeber bei Neubesetzungen vorsichtiger agieren, speziell bei Einsteigern. Diverse Unternehmen zogen im vergangenen Jahr Stellenanzeigen für Studierende zurück - die nun so langsam wieder auf den Jobbörsen erscheinen. Das heißt schon rein mathematisch, dass die Chancen auf einen Direkteinstieg nach dem Studium schrumpfen, weil es weniger Arbeitsplätze bei derselben Anzahl an Absolventen gibt. "Es ist deutlich schwieriger eine neue Arbeitsstelle zu finden, das war vor Corona eigentlich nie ein Problem", resümiert ein Teilnehmer der diesjährigen IZ-Umfrage.

Einige der Erlebnisse, von denen Studentinnen und Studenten derzeit berichten, gab es vor Corona so nicht: Studierende, die zu Beginn ihres Praxissemesters noch keinen Praktikumsplatz haben. Bachelorabsolventen, die ihre Abschlussarbeit um ein Semester verlängern oder gleich einen Master dranhängen, weil sie keinen Job finden. Und es gibt diejenigen, die die Pandemie-Zeit mit Praktika aussitzen, um über diesen Umweg eine Festanstellung zu finden. Auch befristete Verträge für Absolventen sind offenbar Realität geworden.

Die Art und Weise, wie manche Arbeitgeber in der Krise agiert haben, hinterlässt beim Nachwuchs Spuren. Das zeigt unter anderem dieser Umfrage-Kommentar: "Während der Corona--Pandemie konnte man die Vorgehensweisen einiger Unternehmen mitverfolgen: Praktikanten und Werkstudenten etc. wurden entlassen. Das hat mich geprägt und ich habe es im Hinterkopf behalten. Die Angst, den Job zu verlieren, da man noch am Anfang seiner Karriere ist, ist groß."

Abschlussarbeit verlängern, Master dranhängen

Mancher bekamen den Einschnitt am eigenen Leib zu spüren: "Mein Unternehmen musste Mitarbeiter entlassen wegen Corona; dualen Studenten wurde die Übernahmegarantie gekündigt. Auf mich persönlich hat Corona daher einen erheblichen Einfluss, da mir nach meinem Studium wahrscheinlich gekündigt wird, statt dass ich ein Jobangebot erhalte."

Die Krise - es ist das dritte digitale Semester - macht den Studierenden zu schaffen, nicht nur wegen der Distanzvorlesungen ohne Kontakt zu Kommilitonen und Dozenten. -"Dieses Semester gab es ganz viele Absagen für Praktika, einige meiner Kommilitonen suchen immer noch nach einem Praktikumsplatz für das Semester, obwohl es schon am

15. März begonnen hat", sagte Alina Haser, zweite Vorsitzende der Initiative Students Meet Real Estate an der Technischen Hochschule Aschaffenburg, der IZ Ende April. "Dabei suchen diejenigen, bei denen das Praxissemester auf dem Programm steht, schon seit Januar nach einem Platz."

Aufgrund der kleineren und größeren Erschütterungen, für die Corona & Co. in der Immobilienwirtschaft gesorgt haben, hat sich der Fokus in Richtung eines sicheren Arbeitsplatzes verschoben. Das belegen die Antworten vieler Studierender.

Für Existenzängste ist noch kein Platz

Von Existenzängsten sind die Nachwuchskräfte trotzdem nicht getrieben. Der Fachkräftemangel und der demografische Wandel haben sich schließlich nicht einfach in Luft aufgelöst. Wer das nötige Rüstzeug mitbringt, ist sich seiner Sache immer noch sicher: "Die Kombination aus Bachelor, Master und Berufserfahrung ist unschlagbar", schreibt einer der Studenten selbstbewusst. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Sinnhaftigkeit des Jobs und die Unternehmenskultur im Ranking der wichtigsten Punkte bei der Jobwahl weit oben stehen (siehe Grafik "Der Sinn im Job und die Unternehmenskultur sind den Studierenden sehr wichtig") - und nicht die Sicherheit des Arbeitsplatzes.

Wohl dem, der dann noch ein Alleinstellungsmerkmal mitbringt, z.B. in Sachen Digitalisierung. Wie Felix Hauswirth, der dieses Jahr seinen Master in Bauprozessmanagement und Immobilienwirtschaft an der Technischen Universität Dortmund macht. "Auf der digitalen IZ-Karrierewoche im Oktober 2020 haben mich vier Unternehmen von sich aus kontaktiert - ich habe kein einziges angeschrieben." Zwei dieser vier Unternehmen hätten ihm angeboten, den klassischen Bewerbungsprozess mit einem Assessment-Center zu umgehen, und ihn direkt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Das Interesse an seiner Person erklärt sich Hauswirth damit, dass er im Studium sein Faible für Building Information Modeling (BIM) entdeckt hat. Nebenher arbeitet er bei einem kleinen Proptech für BIM-Beratung, das eine Neugründung zweier Lehrender seiner Hochschule ist. "Bei zukunftsträchtigen Themen wie BIM wird eingestellt", sagt Hauswirth. "Immobiliendienstleister, große Wohnungsgesellschaften und Planungsbüros haben BIM für sich entdeckt und stellen eigene Leute ein, die diesen Bereich für sie aufbauen sollen."

Ohne Alleinstellungsmerkmal wird es schwieriger

Es gilt jedoch: Die Kombination aus Bachelor, Master und Berufserfahrung ist ohne Alleinstellungsmerkmal kein Garant mehr dafür, dass die Jobsuche in der Immobilien- und Baubranche zum Selbstläufer wird. Hauswirth kennt Beispiele für erschwerte Startbedingungen aus dem eigenen Umfeld. Ein Freund aus Hamburg habe Abstriche bei seiner Gehaltsvorstellung machen müssen. Ein anderer Freund aus Dresden musste zudem Zugeständnisse bei der konkreten Tätigkeit und der Reputation möglicher Arbeitgeber machen. Dabei haben beide Kumpels einen Masterabschluss in der Tasche. Vor allem der Freund, der "beziehungsbedingt" in den Osten gezogen sei, habe "wirklich gestruggled" und noch ein halbes Jahr nach dem Abschluss nach einem Job in der neuen Heimat gesucht. Dabei war er "mit Abstand Jahrgangsbester" eines dualen Bachelor-Studiums (Bau-ingenieurwesen, Schwerpunkt Holzbau), brachte eine Zimmererlehre und Berufserfahrung als Zimmerer in einer Holzbaufirma im Stuttgarter Einzugsgebiet mit.

Bachelorabsolventen brauchen Eigeninitiative

Wenn sich schon berufserfahrene Masterabsolventen schwer tun, eine Stelle zu finden, dürfte es für Abgänger mit einem Bachelor erst recht nicht leichter geworden sein. "Die Jobsuche ist schwierig", bestätigt denn auch ein Aschaffenburger Bachelorabsolvent des Studiengangs Internationales Immobilienmanagement, der nicht mit Namen genannt werden möchte. "Besonders im Asset-Management und im Investment ist es sehr schwierig, überhaupt eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch zu erhalten. Im Vorstellungsgespräch bei einer Investmentboutique sagte mir der Managing Director, dass er ehrlicherweise vorzugsweise einen Master, am besten einen Master of Science, einstellen würde." Die Quote an Absagen schätzt der Aschaffenburger Absolvent auf 80%, und die Einladungen, sich vorzustellen, resultieren allesamt aus Initiativbewerbungen.

Viele Immobilienunternehmen verspüren angesichts eines ungewissen Ausblicks nicht mehr den ganz großen Druck, sich mit vielversprechenden jungen Köpfen eindecken zu müssen. Nicht nur haben diejenigen mit einem Bachelor als Abschluss tendenziell etwas weniger gute Karten. Die Unternehmen schauen auch bei der Vita und den Noten der Bewerber genauer hin. Außerdem wird der Wettbewerb insgesamt etwas schärfer. "Gute Leute werden immer noch gesucht, mittelmäßige und weniger gute Absolventen haben dagegen Probleme", sagt Stefanie Saß, Geschäftsführerin der auf Nachwuchskräfte für die Bau- und Immobilienbranche spezialisierten Personalberatung Engagingtalents.

Gute Leute werden immer gesucht

Saß arbeitet vor allem für Family-Offices und Projektentwickler. Langeweile verspürt sie nicht: "Ich habe immer noch genug Aufträge von Unternehmen, die Junior-Leute suchen und die normale Headhunter-Provision zu zahlen bereit sind." Dazu passt, dass die Projektentwicklung mit weitem Abstand das beliebteste Betätigungsfeld ist (siehe Grafik "Projektentwicklung ist und bleibt die Königsdisziplin").

Der typische Student will am liebsten in Frankfurt Wohnimmobilien entwickeln. Berlin liegt in der Rangliste gefragter Standorte nur auf Platz fünf hinter der Mainmetropole, Hamburg, München und Stuttgart. Bei den Assetklassen, die als Arbeitsfelder am beliebtesten sind, rangiert das Büro knapp hinter der Wohnung, aber doch sehr deutlich vor dem Laden. Der Einzelhandel wiederum wird immer noch ein bisschen mehr gemocht als die Logistikimmobilie. Betreiber- und Industrieimmobilien folgen mit etwas Abstand.

Eine Masterabsolventin, die nicht nur kaufmännisches, sondern auch technisches Know-how besitzt, kann Saß‘ Aussage über die "guten Leute" bestätigen. Sie erzählt, sie habe nach dem Master sofort eine Traineestelle bei einem namhaften Wohn- und Gewerbeprojektentwickler bzw. Asset-Manager im Rhein-Main-Gebiet ergattert. Geschrieben habe sie nur vier Bewerbungen, jeweils im Development. Das Ergebnis waren drei Vertragsangebote.

Zufrieden war die Absolventin trotzdem nicht ganz. Ihr absoluter Favorit, ein beim Nachwuchs extrem beliebter Asset-Manager und Gewerbeentwickler mit Hauptsitz in Berlin, habe ihr lediglich eine Praktikantenstelle an seinem Standort im Rhein-Main-Gebiet angeboten - zu einem Praktikantengehalt, also ohne Master-Aufschlag. Der Leiter der Frankfurter Niederlassung des Unternehmens habe sich zwar sichtlich um sie bemüht, ihr aber keine schriftliche Zusage für eine Übernahme in ein festes Anstellungsverhältnis nach dem Praktikum machen können. Diese Aussicht war der Einsteigerin zu vage - zumal andere Arbeitgeber deutlich mehr boten. Die Einzige, der es mit der "Lieblingsfirma" so ergangen ist, ist sie nicht.

Jobs gibt es, man muss sie nur suchen

40 Bewerbungen stehen bei Quentin Uttenweiler zu Buche und die Schreibarbeit hat sich für ihn gelohnt. Der 24-jährige -Bachelorabsolvent in Immobilienwirtschaft der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) hat im März eine Stelle als Investment Analyst Real Estate bei Garbe Industrial Real Estate in Hamburg angetreten.

"Die Profs haben uns seit dem ersten Semester immer gesagt, dass die Unternehmen auf die Absolventen zugehen und nicht umgekehrt und dass wir in der Immobilienwirtschaft extrem gute Chancen haben", erzählt Uttenweiler, der seinen Abschluss Ende 2020 gemacht. Lange vorher fing er damit an, Bewerbungen zu verschicken - im Nach-hinein betrachtet in weiser Voraussicht.

80% Absagen, weniger Lohn im Angebot

Denn es hagelte Absagen, Uttenweiler beziffert sie auf ca. 80%. Und bei mancher Zusage für eine Stelle war der junge Mann aus Süddeutschland ziemlich enttäuscht über die angebotenen Gehälter, die bis zu 40% unter seinen Vorstellungen lagen. "Teils wurden Masterabsolventen bevorzugt", erinnert er sich. Bei Garbe habe er einen krisensicheren, weil in einer boomenden Assetklasse beheimateten Arbeitsplatz gefunden.

So viel Erfolg wie Uttenweiler hatten nicht alle Kommilitonen seines Jahrgangs. Von 35 Leuten, die mit ihm fertig geworden sind bzw. es hätten werden sollen, sind bislang nur fünf, sechs in festen Händen. Der große Rest verlängert mangels Möglichkeit zum direkten Berufseinstieg das Bachelorstudium oder lässt sich für die Bachelorarbeit etwas mehr Zeit. Die weiteren Alternativen sind: gleich einen Master anschließen und Werkstudentenjobs.

Aschaffenburgerin Haser sieht die Neigung zum immobilienspezifischen Master jedenfalls wachsen. "Ein Kommilitone von mir schreibt gerade seine Bachelorarbeit, er wird im Sommer fertig. Aber was soll er dann machen?" Sollte er nach dem Abschluss keine Stelle finden, müsste er ein Jahr überbrücken, bis der nächste Masterjahrgang 2022 startet. Also sattelt der Kommilitone vermutlich direkt den Master drauf. "Die Unsicherheit ist groß. Bevor man umsonst plant, plant man lieber einfacher", erklärt Haser. Sie selbst wird 2022 mit ihrem Bachelor in Internationalem Immobilienmanagement fertig. Sie wollte ohnehin den Master machen, aber "jetzt erst recht wegen der verhaltenen Stimmung".

Pirmin Schuster ist schon einen Schritt weiter. Er schließt sein Masterstudium BWL/Bau und Immobilien in Biberach demnächst ab. Bewerbungen hat er noch nicht verschickt. Zwar seien, "gefühlt weniger Ausschreibungen als vor zwei Jahren zu finden", doch weil viele seiner ehemaligen Mitstudierenden aus dem Bachelorstudium auch ohne Master einen "tollen Job gefunden haben", macht er sich keine Sorgen. Einen gewissen Pragmatismus hält Schuster für angebracht. "Ich gehe davon aus, dass Absolventen nicht mehr so wählerisch sein können wie vorher. Eventuell sucht man nicht mehr ausschließlich in seiner Wunschstadt, sondern erweitert den Radius. Auch sollten verschiedene Tätigkeiten infrage kommen." Wichtig findet es Schuster, direkt nach dem Studium überhaupt einen Einstieg in einem Unternehmen zu finden, "auch wenn es möglicherweise noch nicht zu 100% der eigenen Wunschvorstellung entspricht und man einige Abstriche machen muss". Denn nach ein, zwei Jahren, argumentiert er, mag sich der Corona-Sturm verzogen haben und können sich "ganz neue Möglichkeiten eröffnen".

Abstriche beim Gehalt von bis zu 20% denkbar

Annähernd jeder vierte Teilnehmer der diesjährigen IZ-Arbeitsmarktumfrage - 111 von 414 Personen - würde ein geringeres Einstiegsgehalt abnicken als vor einem Jahr. Angesichts des Anstiegs der Gehaltsforderungen vor der Pandemie ist das bemerkenswert. Der Umfang des "Verzichts" reicht von 5% bis 20% bzw. von 3.000 bis 15.000 Euro im Jahr. Der durchschnittliche Gehaltswunsch liegt nun bei 48.900 Euro brutto jährlich - das sind 3,5% weniger als 2020. Die Gehaltsvorstellungen sind dabei nicht nur im Durchschnitt gesunken, sondern quer durch die Bank: bei Bachelor- und Masterabsolventen, bei Männern und Frauen.

"Ja, ich würde mich mit einem geringeren Einstiegsgehalt zufrieden geben als vor Corona, wegen einer gewissen Unsicherheit", räumt denn auch einer der Studenten ein.

Haser allerdings sieht ihren Marktwert nicht geschrumpft. "Meine Gehaltsvorstellung würde ich nicht runterschrauben, die Arbeit wird ja nicht weniger - im Gegenteil." Die junge Frau spricht aus Erfahrung: Sie ist beim Immobilienarm einer großen US-Versicherung als Werkstudentin beschäftigt. So wie sie sehen das viele: In der Immobilienwirtschaft gibt es mehr zu tun als früher, es gibt also keinen Grund, warum die Nachfrage nach qualifiziertem Personal sinken sollte.

Mehr Geduld scheint ebenfalls zu helfen. Ein 25-Jähriger, der im September seinen Master in Immobilienwirtschaft an der Irebs abschließt, hat auf sechs Bewerbungen fünf Absagen erhalten. "Entweder es hieß, ich bin zu früh dran, oder ich bekam gar keine Reaktion." Eine Bewerbung mündete immerhin in eine Werkstudentenstelle im Fondsmanagement einer französischen Großbank. "Ich hatte mich eigentlich für das Traineeprogramm beworben. Im Juni wollen wir uns nochmal zusammensetzen." Bedenken, bis spätestens Anfang 2022 nichts gefunden zu haben, hat der junge Mann nicht.

Der Elan von Tizian Dreizner ist jedenfalls ungebremst. Dreizner schreibt momentan seine Masterarbeit im Fach Facility- und Immobilienmanagement an der Hochschule Anhalt in Dessau. Seine Arbeit beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Corona auf den Immobilienmarkt. Er will im September dann durchstarten. Schon ein halbes Jahr vor seinem Abschluss begann Dreizner damit, Bewerbungen zu schreiben. "Stand heute liege ich genau bei 60", berichtet er. Auf knapp die Hälfte erhielt Dreizner eine Absage: "Die meisten Unternehmen benötigen sofort jemanden."

Elf Mal wurde Dreizner zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Diese mündeten in drei Jobangebote, die Dreizner jedoch ausschlug. Seine Einschätzung der Einstiegschancen in der Immobilienbranche ist unverändert: "Die Marktlage ist immer noch sehr gut, um einen vernünftigen Einstiegsjob zu bekommen."

Es mangelt nicht an Zuversicht

An Zuversicht mangelt es dem Nachwuchs also nicht. Ebenso wenig fehlt ihm das Selbstbewusstsein: "Meine letzten Anstellungen sowie die Masterarbeit mit Audi und meine Spezialisierung auf eine kombinierte ökologisch-ökonomische Investitionssicht auf Immobilien öffnen mir besondere Möglichkeiten", ist Delano Graf überzeugt. Der 26 Jahre alte Masterstudent von der Fachhochschule Münster, Fachrichtung Immobilien- und Facility-Management, sieht die Sache so: "Viele Unternehmen wollen und müssen sich strategisch mit Nachhaltigkeitsthemen auseinander-setzen - hier komme ich ins Spiel." Positives Feedback habe er beispielsweise in einem Assessment-Center von Deloitte erhalten. "Ich weiß mich zu verkaufen und sehe kein Problem, zeitnah einen Job zu finden."

Dazu passt die Aussage eines Teilnehmers der IZ-Umfrage: "Der Immobilienmarkt performt nach wie vor gut, und weiterhin ist viel Geld im Markt. Daher würde ich eine Gehaltsvorstellung zwischen 50.000 und 60.000 Euro immer noch als realistisch einschätzen." Die Sorgenfalten von Immobilienstudenten fallen also doch eher klein aus.

Harald Thomeczek

Virtuelle Tuchfühlung mit potenziellen Arbeitgebern

So manches Meeting auf der IZ-Karrierewoche entwickelte sich von einem Kennenlernen zu einem echten Vorstellungsgespräch.

So manches Meeting auf der IZ-Karrierewoche entwickelte sich von einem Kennenlernen zu einem echten Vorstellungsgespräch.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: New Africa

Karriere 12.11.2020
Es gab schon bessere Zeiten für einen Berufseinstieg in der Immobilienbranche: Halb so viele Arbeitgeber, halb so viele Jobs wie 2019 - das ist die nackte Bilanz der digitalen ... 

Es gab schon bessere Zeiten für einen Berufseinstieg in der Immobilienbranche: Halb so viele Arbeitgeber, halb so viele Jobs wie 2019 - das ist die nackte Bilanz der digitalen IZ-Karrierewoche 2020. Die gute Nachricht: Corona hin oder her, es gibt noch jede Menge Immobilienunternehmen, die einstellen. Den Teilnehmern sind die Einschläge zwar nicht verborgen geblieben, doch die Zuversicht überwiegt.

Keine Ahnung, wo ich mich bewerben soll. Alles hört sich so superspannend an", sagt eine Studentin. Die junge Frau, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, berichtet von "wahnsinnig positiven Gesprächen" mit Corpus Sireo, Commerz Real, HIH, Instone oder Bauwens. Die ambitionierte Nachwuchskraft hat sich nach eigenen Angaben einen guten Überblick verschafft, indem sie auf der Karrierewoche mit fast allen 27 Ausstellern gesprochen hat. Vermisst hat sie ein paar große Namen wie Union Investment oder Drees & Sommer.

"Vor Corona gab es so unfassbar viele Jobs, wie Sand am Meer", erzählt die Anonyma. "Jetzt sagen viele Unternehmen, dass sie aufgrund der Corona-Lage gerade keine Jobs für Einsteiger haben. Dies wurde mir von Kommilitonen bestätigt." Angesichts der vielversprechenden virtuellen Meetings auf der Karrierewoche geht sie dennoch davon aus, dass es für qualifizierte und ehrgeizige Talente genug Chancen auf einen zeitnahen und gut dotierten Einstieg gibt, ob als Trainee oder als Junior. "Eine endgültige Bilanz, ob es trotz Corona noch so einfach ist, eine passende Stelle zu finden, werde ich jedoch erst nach den Rückmeldungen auf meine Bewerbungen ziehen können."

Wer dieses oder kommendes Jahr den Arbeitsmarkt betritt, beobachtet das Suchverhalten potenzieller Arbeitgeber genau: "Was mir bereits im Vorhinein bei der Terminvereinbarung aufgefallen ist: Im Gegensatz zum letzten Jahr haben die Unternehmen von sich aus weniger Terminanfragen geschickt, und auch mein Bewerberprofil wurde weniger oft besucht - was sicher auch daran lag, dass weniger Unternehmen an der Messe teilgenommen haben", bilanziert Annalena Graf. Sie studiert an der Technischen Hochschule Aschaffenburg Immobilienmanagement und visiert ihren Bachelor-Abschluss für 2021 an.

Graf hatte per Matching-Verfahren virtuelle Gespräche mit HIH, Deka Immobilien, alstria und Art-Invest klargemacht. "Bei alstria und HIH hatte ich auf jeden Fall das Gefühl, dass Interesse besteht und die Bereitschaft durchaus da ist, Werkstudenten- und auch Traineestellen zu vergeben", erzählt die Aschaffenburger Studentin. HIH und alstria warben, so der Eindruck von Graf, deutlich mehr um sie als Deka und Art-Invest.

"Jedoch hatte ich bei den Gesprächen mit Deka und Art-Invest auch nicht das Gefühl, dass sie die Bremse angezogen haben, sie haben lediglich weniger aktiv Werbung für ihre Stellen gemacht. Zusammenfassend hatte ich bei keinem der vier Gespräche das Gefühl, dass die Einstellungsbereitschaft derzeit gering ist."

Im Gegensatz dazu hat eine Bachelorabsolventin der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden dieses Gefühl durchaus. Geknickt schaut sie drein, als sie mit dem Verfasser dieser Zeilen videotelefoniert. Im September hat sie ihr Immobilienmanagement-Studium abgeschlossen. Zehn Bewerbungen hat sie schon verschickt - ohne ins Schwarze zu treffen. Die Hoffnung, dass sich das Blatt schnell wenden könnte, hat die IZ-Karrierewoche bei ihr nicht genährt. "Ich hatte nicht den Eindruck, dass die wollen, dass ich da arbeite. Bei manchen hieß es, wegen Corona haben sie im Moment keine Stellen für Berufseinsteiger. Vielleicht Anfang 2021. Ich soll dann nochmal schauen." Angeboten wurden ihr Traineestellen: "Das wäre in Ordnung - aber keine zwei Jahre." Eine Firma biete zum Einstieg nur Praktika an, keine Junior-Stellen: "Ein Praktikum wäre zur Not auch in Ordnung."

Sarah-Madeline Buschmann hat längst einen Job, mit dem sie glücklich ist: Die 28-jährige gelernte Immobilienkauffrau ist Projektleiterin im Bereich Projektentwicklung bei dem kommunalen Hannoveraner Wohnungsunternehmen hanova. Neben dem Job macht sie den Master Real Estate Management an der EBZ, der Abschluss steht 2021 auf dem Programm.

Eines möglichen neuen Jobs wegen hat Buschmann die digitale IZ-Karrierewoche beileibe nicht besucht, vielmehr wohnte sie Young Professional Talks bei, machte sich für ihre Masterarbeit über das Recherche-Toolkit IZ Research schlau, nahm ein Coaching zu agiler Karrieregestaltung wahr und verfolgte den Bewerbungsaufruf für einen Award für Nachwuchskräfte der Immobilienbranche.

Die Angst von Immobilienabsolventen, die in Corona-Zeiten auf den Jobmarkt kommen, keinen - oder nicht den richtigen - Job zu finden und sich vielleicht unter Wert verkaufen zu müssen, kann Buschmann nachvollziehen. "Zum Glück haben wir die Hürde des Berufseinstiegs bereits genommen und sitzen bei einem verlässlichen Unternehmen fest im Sattel", hat sie neulich zu einer Bekannten aus einem anderen städtischen Unternehmen gesagt. "Manchmal heißt es ja, dass kommunale Arbeitgeber nicht so sexy sind - doch in Sachen Beständigkeit sind diese besonders attraktiv, vor allem in der Krise!"

Mehr Vielfalt, weniger Laufkundschaft

Ein virtuelles Dating kann eine Präsenzveranstaltung nicht ersetzen, ist aber in Corona-Zeiten a) besser als nichts und hat b) sogar den einen oder anderen Vorteil gegenüber einer physischen Messe. Julia Faeser, Personalrecruiterin beim Bauträger Instone Real Estate, ist angetan von der "fast gleichmäßigen Verteilung" der Interessenten auf Studenten, Absolventen und Berufserfahrene. Faeser freut sich außerdem darüber, dass "eine Vielzahl an Bewerbern aus technischen Studiengängen" dabei waren - und nicht nur aus den klassischen Immobilienmanagement-Studiengängen. Der Asset-Manager Beos fügt dem Befund einer stärkeren Ausdifferenzierung des Teilnehmerfelds noch eine Facette hinzu: "Während in den Vorjahren primär Interessenten von uns gut bekannten Hochschulen - u.a. Irebs Regenburg, Holzminden, Aschaffenburg und Geislingen - das Karriereforum besuchten, waren in diesem Jahr auch deutschlandweite Universitäten vertreten, die bisher seltener auf der Präsenzveranstaltung in Frankfurt präsent waren, z.B. die Universität Stuttgart oder die RWTH Aachen." Ein weiterer, unübersehbarer Unterschied: In den Hallen der Frankfurter Goethe-Universität können sich die Besucher treiben lassen. "Die Quantität der Gespräche war geringer als auf der Messe, da Laufkundschaft fehlte", sagt Oksana Hübert von der Deka. "Dafür war die Qualität höher." Kaufland vermisste die Laufkundschaft: In den vergangenen Jahren fischte das traditionell große Kaufland-Team bis zu 170 Besucher aus dem Passantenstrom heraus. Vergangenes Jahr kamen so 50 bis 60 vertiefende Gespräche zustande. Dieses Jahr waren es nur um die 20 Gespräche. "Wer da war, war gut - aber es fehlte die Möglichkeit der Ansprache", bilanziert Nadine Sohlich, Personalerin Immobilien/Bau bei Kaufland. Auch Commerz Real gießt etwas Wasser in den Wein: "Der Kontakt mit dem Bewerber kommt nur durch einen vereinbarten Termin zustande. Im jetzigen Format gibt es möglicherweise eine kleine Hemmschwelle für die Bewerber. Und ein informeller Austausch, wie es auf dem IZ-Karriereforum der Fall sein kann, ist leider nicht möglich." Der Austausch mit anderen Unternehmensvertretern kam dem Fonds- und Asset-Manager ebenfalls zu kurz. Erste Bewerbungen im Nachgang zur Karrierewoche sind bei den Ausstellern angekommen. Deka hat eine von zwei versprochenen Bewerbungen erhalten. Kaufland hat an zwei Kandidaten schon Einladungen für Vorstellungsgespräche verschickt - vor Ort in der Zentrale in Neckarsulm. Auch Corpus Sireo erreichten "vielversprechende Bewerbungen, die bereits erfolgreiche Vorstellungsgespräche ergaben". Harald Thomeczek

Harald Thomeczek

Den Nachwuchs in die Pflicht nehmen

Zwischen dem guten und dem schlechten Unternehmer liegt oft nur wenig.

Zwischen dem guten und dem schlechten Unternehmer liegt oft nur wenig.

Urheber: Prof. Dr. Winfried Schwatlo

Karriere 08.10.2020
Nachwuchskräfte der Immobilienbranche sollten schon im Studium lernen, Werte nicht nur für ihr Unternehmen, sondern für die Gesellschaft als Ganzes zu generieren. ... 

Nachwuchskräfte der Immobilienbranche sollten schon im Studium lernen, Werte nicht nur für ihr Unternehmen, sondern für die Gesellschaft als Ganzes zu generieren.

Davon ist zumindest das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) überzeugt. Das ICG bietet Hochschulen mit immobilienwirtschaftlichen Studiengängen deshalb Gastvorlesungen und Unterrichtsmaterial an und unterstützt Studierende bei Abschlussarbeiten. Wertemanagement sollte nicht erst in den Unternehmen erlernt und gelebt werden, sondern bereits in den Curricula und akademischen Aktivitäten fest verankert sein. Die öffentliche Wahrnehmung dieses Themenfelds hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

Compliance, Corporate Governance, Corporate Social Responsibility, nachhaltige Unternehmensführung - wer eine mit vielen abstrakten Begriffen und Anglizismen angereicherte Vortragsvorlage überfliegt, die das ICG erstellt hat, könnte den Eindruck gewinnen: Wertemanagement gehört deshalb an die Hochschulen, weil es staubtrocken und weit weg vom richtigen Leben ist.

Der Bewerter und die Erwartungen des Kunden

Doch weit gefehlt: "Das sind keine Sandkastenspiele ethischer Philosophie", sagt Winfried Schwatlo, Professor für Immobilienwirtschaft mit Wirtschaftsethik und Konfliktmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Im Kern geht es um Verantwortung - und die hat viele Gesichter. "Wer möchte denn mal später als Bewerter arbeiten?", fragte Schwatlo die Studierenden schon vor Corona in seinen Workshops. "Stellen Sie sich vor, Sie haben einen tollen Auftraggeber. Dann kommt eine Krise - und Ihr Auftraggeber hat bestimmte Erwartungen. Da ist der Bewerter ganz schnell in dem Konflikt drin: Wie bewerte ich jetzt?"

Die Konflikte liegen gleichsam auf der Straße. Man muss sie nur aufheben wollen. Schwatlo erzählt von sehr gut besuchten Filmabenden, die z.B. den Titel "Wutsache Miete" tragen oder von Baudramen an der spanischen Küste erzählen. Diskussion garantiert.

Die Übernahme von Verantwortung hat etwas Sinnstiftendes. "Ein großer Teil der jungen Menschen ist auf der Suche nach Purpose", sagt Sven Bienert, der das Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft am Institut für Immobilienwirtschaft (Irebs) an der Universität Regensburg leitet.

Im Spannungsfeld von Gewinn und Moral

Investoren sind zunächst und zumeist auf der Suche nach Rendite. Nicht immer verträgt sich dieses Ziel beispielsweise mit dem Klimaschutz (vergleiche "Keinen Cent fürs Klima"). "Das Kapital gehört letztendlich jemandem, der auch uneingeschränkt darüber entscheiden kann, worin es investiert wird. So wie jeder für sich selbst entscheidet, welches Auto mit welcher Antriebstechnik er kauft", sagt Susanne Eickermann-Riepe, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des ICG. "Es wird auch künftig nicht-nachhaltige Finanzprodukte oder börsennotierte Gesellschaften geben", weiß Eickermann-Riepe. "Diese werden aber zu erkennen sein, da die Transparenz bei der Deklarierung voranschreitet. Wer sich bewusst dafür entscheidet, wird auch die (Neben-)Wirkungen akzeptieren müssen, die dann auf dem Tisch liegen. Wer aber nachhaltige Produkte sucht, der wird sie finden. Produkte mit dezidierter ESG-Strategie, die Mindestausschlüsse formulieren."

ESG ist die Abkürzung für Environmental (CO2-Bilanz etc.) Social (Gesellschaft/Mitarbeiter) Governance (z.B. Steuerungs- und Kontrollprozesse im Unternehmen). Das Themenfeld gewinnt, bilanziert das ICG, kontinuierlich an Bedeutung - nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung, sondern ebenso an den Hochschulen. Der Umsetzungsstand sei jedoch heterogen. Er reiche von einzelnen Gastvorträgen bis hin zu ganzen Vorlesungsreihen, die sich ausschließlich Aspekten nachhaltiger Unternehmensführung widmen. Teils ist der Besuch für die Studierenden Pflicht, teils beruht er auf Freiwilligkeit.

Die Mühen des ICG tragen offenbar Früchte. Schwatlo hat festgestellt, dass sich Studierende heute mehr als früher wirklich für diese Themen interessieren - und dass das 2002 gegründete ICG keine Unbekannte ist, wenn es etwa in Gestalt von Geschäftsführerin Karin Barthelmes-Wehr zu Vortrag und Diskussion vorbeischaut. "Vor sechs, sieben Jahren war das noch anders, da konnten die meisten Studieren den Begriff Compliance nicht definieren." Mit dem altehrwürdigen Verband RICS könne das ICG inzwischen mithalten, meint Schwatlo.

Bienert meint zudem eine wachsende Sensibilität unter den Nachwuchskräften wahrzunehmen: "Wenn die Führung eines Unternehmens vorbestraft ist, schauen die jungen Leute heute genauer hin. Sie wollen mit solchen Sachen nicht in Verbindung gebracht werden."

Harald Thomeczek