Wenn der Verwalter aus Sofia anruft

IntelliWay-Chef Sergey Koynov ist seit 2012 an Bord und hat, wie er sagt, keine Probleme, in Bulgarien und in Deutschland qualifiziertes Personal für die Verwaltungstätigkeiten zu bekommen.

IntelliWay-Chef Sergey Koynov ist seit 2012 an Bord und hat, wie er sagt, keine Probleme, in Bulgarien und in Deutschland qualifiziertes Personal für die Verwaltungstätigkeiten zu bekommen.

Quelle: IntelliWay

Karriere 16.07.2020
IntelliWay bietet seit 2012 in Deutschland Property- und Facility-Management-Dienstleistungen an. Das Besondere ist, dass der Großteil der Aufgaben nicht im Frankfurter Büro erledigt ... 

IntelliWay bietet seit 2012 in Deutschland Property- und Facility-Management-Dienstleistungen an. Das Besondere ist, dass der Großteil der Aufgaben nicht im Frankfurter Büro erledigt wird, sondern in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. CEO Sergey Koynov erklärt, woher er qualifizierte Mitarbeiter nimmt und wie er sie schult. Und auch, wie schwer es war, die Kunden vom Outsourcing der Verwaltung ins Ausland zu überzeugen.

Immobilien Zeitung: Herr Koynov, wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der bulgarischen Vertretung von IntelliWay?

Sergey Koynov: Die Vertretung in Frankfurt fungiert als Vertragspartner für unsere Kunden mit einem Werkvertrag nach deutschem Recht und beauftragt die Filiale in Sofia. Aber praktisch alle Dienstleistungen werden in Bulgarien erbracht. Nur die Finanzbuchhaltung und das Controlling werden von Deutschland aus gesteuert.

IZ: Wie werden die bulgarischen Mitarbeiter auf ihre Arbeit vorbereitet? Schließlich müssen sie mit den deutschen Regeln und Gegebenheiten bestens vertraut sein.

Koynov: Die Mitarbeiter wurden anfangs durch unsere Muttergesellschaft Ten Brinke intensiv geschult, beispielsweise zur deutschen Betriebskostenverordnung. Heute werden sie von unseren Kunden selbst ausgebildet. Deshalb sind wir immer auf dem neuesten Stand. Unsere verantwortlichen Mitarbeiter sind den deutschen Kunden übrigens bestens bekannt. Die Schulungen sind auf die Property-Management-Bedürfnisse der jeweiligen Kunden zugeschnitten.

Die Schulungen finden in beiden Ländern statt

IZ: Wo finden diese Schulungen statt?

Koynov: Sowohl in Deutschland als auch in Bulgarien. Deutsche Teams kommen regelmäßig nach Sofia und unsere Mitarbeiter besuchen auch unsere Kunden in Deutschland. In der derzeitigen Covid-19-Lage ist es allerdings ein wenig komplizierter. Seit einigen Wochen stehen die virtuellen Lernmethoden stärker im Vordergrund.

IZ: Wie viele Unternehmen in Bulgarien bieten derzeit Outsourcing-Dienstleistungen an? Haben Sie viel Konkurrenz?

Koynov: Es gibt hierzulande etwa 600 solcher Firmen. 100 davon arbeiten aktiv für deutsche Unternehmen, auch für namhafte Firmen wie SAP. Sie sind aber nicht spezialisiert auf den Immobilien-Facility- und Property-Management-Bereich. Das machen nur wir. Ich beispielsweise war sechs Jahre lang Geschäftsführer von Cushman & Wakefield in dieser Region. Später war ich für die Projektentwicklung von Bürogebäuden zuständig. Und ich war bei einem Büro- und Gewerbeimmobilienfonds in Sofia tätig. Ich kenne die Branche und verstehe sehr gut, was unsere Kunden benötigen, weil auch ich mit entsprechenden Dienstleistern zusammengearbeitet habe.

IZ: Wo werben Sie Ihre Mitarbeiter an? Nur in Bulgarien? Oder auch gezielt in Deutschland?

Koynov: In Bulgarien gibt es derzeit über 230.000 Studenten. Etwa zwei Drittel davon haben gute bis sehr gute Deutsch- oder Englischkenntnisse. Es gibt 96 Sprachgymnasien. In Deutschland studieren etwa 12.500 bulgarische Studenten. Wir haben gerade drei Bulgaren, die in Berlin tätig waren, bei uns angestellt. Alle unsere Mitarbeiter haben studiert - meist Betriebswirtschaftslehre oder Bauingenieurswesen, zwölf davon in Deutschland. Nach dem Start in unserem Unternehmen werden sie zunächst in den Immobiliengrundlagen geschult und dann in Bezug auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse spezialisiert.

"Wir haben eine sehr aktive Personalabteilung"

IZ: Ist es schwer, deutschsprachige Mitarbeiter zu gewinnen?

Koynov: Deutschsprachige Mitarbeiter sind gesucht auf dem hiesigen Arbeitsmarkt. Wir haben eine sehr aktive Personalabteilung, um auch Leute von anderen Unternehmen zu gewinnen. Das gelingt uns aus unserer Sicht recht gut, da der Immobilienbereich attraktiv zu sein scheint.

IZ: Wie sicher sind die Kundendaten bei Ihnen?

Koynov: Zunächst einmal haben wir die gleichen gesetzlichen Datenschutz-Standards wie in Deutschland. Dennoch ist für die Kunden alles nach deutschem Recht und in einem deutschen Vertrag geregelt. Wir arbeiten innerhalb der Systeme der Kunden über VPN- oder Citrix-Systeme. Die Daten bleiben deshalb immer beim Kunden selbst und er schaltet letztlich nur die relevanten Daten frei. Sie werden genau darüber informiert, welcher Mitarbeiter wann im entsprechenden System gearbeitet hat. Es findet ein Kennenlernprozess statt. Im Prinzip wird unser IntelliWay-Mitarbeiter ein Teil des jeweiligen deutschen Unternehmens.

IZ: Müssen Sie beim deutschen Mittelstand viel Überzeugungsarbeit leisten? Denn diese Unternehmen gelten als besonders zögerlich beim Auslagern von Property-Management-Dienstleistungen. Und dann auch noch ins Ausland? Das ist quasi Doppel-Outsourcing.

Koynov: Viele Unternehmen in Deutschland leiden unter Personalmangel vor allem im Property-Management-Bereich. Nehmen wir beispielsweise die Betriebskostenabrechnung. Das ist oft eine große zeitintensive Belastung für die Unternehmen. Aber ja, zunächst war es enorm schwer, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Der Vorteil ist aber, dass die Branche letztlich klein ist und sich gute Dienstleistungen schnell herumsprechen. Wir setzen auf Mundpropaganda. Das klappt wirklich gut. Unser Türöffner war anfangs Ten Brinke, der jetzt ja noch Gesellschafter bei uns ist. Wir haben mittlerweile bereits drei von den zehn größten deutschen Property-Management-Unternehmen auf der Kundenliste.

IZ: Wie haben Sie letzten Endes Ihre deutschen Kunden überzeugt?

Koynov: Sie werden sich wundern, nicht der Preis war das Wichtigste. Es hat sich herausgestellt, dass es eher die Qualität und die Schnelligkeit ist.

IZ: In Ihrer Firmenbroschüre betonen Sie, dass Bulgarien ein Land mit christlichen Werten sei. Meinen Sie, dass das für deutsche Kunden eine wichtige Information ist?

Koynov: Zu Beginn unserer Geschäftstätigkeit bin ich nach Indien gereist, wo es tausende Unternehmen gibt, die dieses Geschäft machen. Dort ist mir aufgefallen, wie unterschiedlich die Werte dort im Vergleich zu Europa sind. Es ist sogar vorgekommen, dass Kunden vertröstet worden sind, wenn es ein Dienstleistungsmitarbeiter nicht zum Arbeitsplatz geschafft hat. Dann hat er vorgeschlagen, dass eben sein Bruder die Arbeit übernehmen kann. Es geht uns bei dieser Formulierung eher um die Betonung europäischer Kulturvorstellungen, denen wir eng verbunden sind. Wir wollen damit herausstellen, dass sich die Werte zwischen Deutschland und Bulgarien kaum unterscheiden.

IZ: Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Ihr Unternehmen? Und welche Erwartungen haben Sie durch diese Situation an Ihr Geschäft?

Koynov: Wir spüren bislang keine Auswirkungen auf das Geschäft. Es hat uns aber gezeigt, dass wir auch mit Distanz, beispielsweise von zu Hause aus, gut arbeiten können. Videokonferenzen funktionieren hervorragend und kommen noch stärker zum Einsatz. Die Kommunikation auch mit den deutschen Kunden ist noch persönlicher geworden. Warum? Die oft konservativen deutschen Mittelständler öffnen sich den digitalen Wegen und schalten viel häufiger als vor der Krise ihre Videokamera an. Wir sehen häufiger die Gesichter unserer Kunden.

IZ: Welche Ziele haben Sie sich für die kommenden drei Jahre vorgenommen?

Koynov: In diesem Jahr haben wir schon viel von dem erreicht, was wir erreichen wollten. Unser Ziel ist es, in den kommenden drei bis fünf Jahren die Zahl unserer Kunden zu verdreifachen. Unser einziger Fokus wird dabei nach wie vor der Property-Management-Markt in Deutschland sein.

IZ: Herr Koynov, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Daniel Rohrig.

Daniel Rohrig

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In Krisen darf auch der Businesstalk im Netz politisch werden

Mit Postings zu gesellschaftlichen Themen schauen wir über die eigene Bubble hinaus.

Mit Postings zu gesellschaftlichen Themen schauen wir über die eigene Bubble hinaus.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: ASDF

Karriere 07.03.2024
In Businessnetzwerken wird nicht nur zu Geschäftsthemen gepostet. Gerade in Krisenzeiten beherrschen auch andere Diskussionen den Online-Austausch. ... 

In Businessnetzwerken wird nicht nur zu Geschäftsthemen gepostet. Gerade in Krisenzeiten beherrschen auch andere Diskussionen den Online-Austausch.

Als Unternehmen stehen wir für Vielfalt und Diversität und stellen uns gegen jede Form der Diskriminierung und des Hasses", postete Susanne Tattersall, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Immobilienverwaltung Tattersall-Lorenz, vor einigen Wochen bei Linkedin. Dem Statement fügte sie Presseberichte über Demonstrationen gegen Rechtsextremismus an. In dieser Zeit war sie nicht die Einzige, die sich auf der eigentlichen Businessplattform zu politischen Themen äußerte.

Dem Online-Statement vorausgegangen war die Veröffentlichung über ein Geheimtreffen zwischen Rechtsextremen und Mitgliedern der AfD in Potsdam durch das Recherchenetzwerk Correctiv. Die Meldung sorgte deutschlandweit für Aufsehen. "Die Veröffentlichung war für viele ein Weckruf", sagt Diplom-Psychologin Birgit Langebartels. Sie ist Mitautorin einer Studie des Markt- und Medienforschungsinstituts Rheingold mit Sitz in Köln, das zu Beginn des Jahres die Reaktionen der Deutschen auf den Politikskandal untersucht hat. Das Ergebnis: 29% planten eine Teilnahme an einer Demonstration, 61% haben zumindest das Gefühl, dass sich durch die Demonstrationen in Deutschland etwas bewegt.

Die große Aufmerksamkeit, die die Correctiv-Recherche erfuhr, führt Langebartels auf die Besonderheit des Ereignisses zurück. "Es handelte sich um ein übergeordnetes Thema, das sehr grundlegend ist und jeden betrifft." Das umfasst also auch jene Menschen, die ihr Geld in der Immobilienwirtschaft verdienen, weswegen auch von dort die Reaktionen nicht ausblieben. So betonte etwa der geschäftsführende Gesellschafter Arnulf Piepenbrock, dass in seiner gleichnamigen Unternehmensgruppe täglich rund 27.000 Menschen aus 128 Ländern zusammenarbeiten und die tägliche Arbeit von ihren unterschiedlichen Perspektiven, Lebenswegen und Fähigkeiten profitiere. "Für uns ist diese Diversität nicht bedrohlich, sondern wertvoll", äußerte er in einem öffentlichen Statement. Vonovia-Vorstandsvorsitzender Rolf Buch begründete seine Online-Posts mit Blick auf die Kundschaft des Wohnungsunternehmens. "Bei uns wohnen über eine Million Menschen Seite an Seite in den Quartieren – ihre Herkunft spielt keine Rolle. Und so soll es auch bleiben", schrieb er bei Linkedin.

Wenn das Wir-Gefühl die Schockstarre ablöst

Langebartels und ihre Kollegen beobachteten während ihrer Studie ein enormes Austauschbedürfnis zwischen Anhängern unterschiedlicher politischer Lager. "Während Krisen – und von denen gab es in den letzten Jahren einige – verfielen viele Menschen in eine Schockstarre und ein Gefühl der Handlungsunfähigkeit. Miteinander für eine Sache einzustehen, hat uns das Gefühl zurückgegeben, gemeinsam etwas bewegen zu können." Ihrer Forschung zufolge ist damit auch der Wunsch aufgekommen, sich über die eigene digitale Wahrnehmungsblase hinauszubewegen und sich zu vernetzen.

"Diese Demonstrationen haben zu einem zuvor lange vermissten gesellschaftlichen Wir-Gefühl geführt. Wenn man während einer Demo mit einem unbekannten Gleichgesinnten ins Gespräch kommt, verstärkt sich dieses Gefühl", sagt die Psychologin. Dieses Bedürfnis verlagerte sich für einige in die Online-Welt. Die Postings zu Demos, zur eigenen Mitarbeiterzusammensetzung oder gar Selfies von Kollegen-Teams bei einem Protest ernteten nicht nur Reaktionen und Likes, sondern führten zu intensiven Gesprächen in den Kommentarfeldern.

"Eine konsequente Trennung zwischen dem Berufsleben und der Politik ist gar nicht möglich", sagt Andy Dietrich, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Strategiekollegen. In Meetings oder bei Branchentreffen kommen Geschäftsleute ja über alles Mögliche ins Gespräch. Dass die deutschlandweiten Demos in den vergangenen Wochen ein sehr starkes Mitteilungsbedürfnis ausgelöst haben, war aber auch für ihn auffällig. Eine ähnliche "Welle" habe er zuletzt rund um die Impfkampagnen während der Corona-Pandemie beobachtet.

"Meine Kunden fragen zum Teil gezielt um Rat, wenn sie sich nicht sicher sind, ob und wie sie online zu solchen übergeordneten Themen Stellung beziehen sollten", berichtet er. Auf Unternehmensaccounts müsse gut überlegt sein, was gepostet wird. Wenn ein Beitrag zu PR-lastig wirkt, etwa weil er mit vielen Logos daherkommt, werde er schnell als unglaubwürdig wahrgenommen. "Auch wer im Namen seiner tausend Mitarbeiter spricht, kann den Eindruck erwecken, nur die Größe des Unternehmens in den Vordergrund stellen zu wollen."

Anders bewertet Dietrich Äußerungen von Unternehmen, die selbst Rassismus und Intoleranz zu spüren bekommen haben. "Hier Haltung zu zeigen, zeigt auf, dass man selbst betroffen ist. Das ist eine wichtige Message in der Branche", sagt der Kommunikationsexperte. Denn nicht zuletzt zeigen die Posts zu politischen Themen auch immer, welche Menschen hinter den Firmennamen stecken. "Durch so einen Post präsentiert man die Unternehmenswerte der Branche, also auch den Mitarbeitern von Firmen, mit denen man in Zukunft zusammenarbeiten oder Geschäfte machen will."

Janina Stadel

"Ich bin Gründerin, weil ich Probleme lösen wollte"

Christina Mauer.

Christina Mauer.

Quelle: Einwert GmbH, Urheber: Florian Beier

Karriere 29.02.2024
Christina Mauer ist CEO und Co-Founderin von Einwert, einem Unternehmen mit 22 Mitarbeitern an zwei Standorten, das digital Immobilienbewertungen bereitstellt. ... 

Christina Mauer ist CEO und Co-Founderin von Einwert, einem Unternehmen mit 22 Mitarbeitern an zwei Standorten, das digital Immobilienbewertungen bereitstellt.

Im Studium habe ich mich noch nicht wirklich mit dem Gründen befasst. Das fing an während meiner Promotion zum Thema Immobilienbewertung", sagt Christina Mauer. Erste Informationen über das Unternehmertum hat sie sich neben ihrer Doktorarbeit an der TU München beim dortigen Gründerzentrum eingeholt. "Dort werden Seminare und Coachings angeboten und man bekommt viele Informationen, ohne finanziell investieren zu müssen", beschreibt sie das Angebot. 2022 war es dann so weit und mit ihr als CEO ging das Unternehmen Einwert an den Start. Die Idee von Mauer und ihrem Mitgründer Maximilian Schlachter war es, eine digitale Plattform bereitzustellen, über die zentralisiert auf Gutachten, aktuelle Marktdaten sowie eigene Immobiliendaten zurückgegriffen werden kann, welche über Schnittstellen nahtlos integriert und bereitgestellt werden.

Während Schlachter für das Produkt und die Technologie zuständig ist, verantwortet Mauer das Investorenkapital und die Umsätze im Unternehmen, kümmert sich um die Strategie und die Einstellung von Mitarbeitern. Davon gibt es inzwischen 22, den größten Teil von ihnen macht ein deutschlandweites Bewerterteam aus. Dass ihre Angestellten echte Experten sind, ist Mauer besonders wichtig, weil sie mit Einwert in den kommenden Jahren weiter wachsen und international arbeiten will. "Schließlich haben auch unsere jetzigen Kunden Immobilien im Ausland in ihren Portfolios."

Ihre Festanstellung als Portfoliomanagerin bei Wealthcap hat sie vor der Gründung gekündigt, als die Finanzierung des Unternehmens über das Exist-Stipendium der Bundesregierung gesichert war. Direkt nach dem Abschluss hätte sie aber nicht in die Selbstständigkeit gehen wollen. Stattdessen wollte sie sich für einige Jahre in der Praxis vergewissern, dass ihre Geschäftsidee tatsächlich Probleme im Arbeitsalltag der Branche lösen und die Kommunikation zwischen Beteiligten an einem Bewertungsprozess vereinfachen kann.

"Eine gute Technologie zu entwickeln reicht nicht. Man braucht auch einen guten Draht zur Wirtschaft, um ein für den Markt passendes Produkt zu entwickeln", sagt sie. Zudem schätzen ihre gesammelten Einblicke in die Praxis jetzt auch die Kunden von Einwert. "Erfahrung ist extrem wichtig in einer Branche, in der es um viel Geld geht. Denn für eine Zusammenarbeit braucht man viel Vertrauen", sagt sie und zieht den Schluss: "Wer sich als Unternehmen behaupten will, muss Expertise mitbringen und sie von Anfang an auch zeigen."

Die Wirtschaft braucht mehr Gründerinnen
Die Wirtschaft braucht innovative Geschäftsideen, die Impulse und Lösungsansätze liefern, um ihr Fortbestehen und Wachstum zu sichern. Und Menschen, die sich zutrauen, sie umzusetzen: Gründer:innen. In der Immobilienbranche sind Frauen als Unternehmensgründer unterrepräsentiert – und damit auch ihre Perspektiven.

Janina Stadel

"Wenn ein Team funktioniert, spielt der Arbeitsort keine Rolle"

Für sein Unternehmen Conpur hat Richard Liehmann kein einziges Büro gemietet.

Für sein Unternehmen Conpur hat Richard Liehmann kein einziges Büro gemietet.

Quelle: Conpur

Karriere 15.02.2024
Als zum Jahresbeginn die Gesellschaft Conpur aus den beiden Unternehmen Robeo und Inpera entstanden ist, ist CEO Richard Liehmann einen radikalen Schritt gegangen. Er und seine Mitarbeiter ... 

Als zum Jahresbeginn die Gesellschaft Conpur aus den beiden Unternehmen Robeo und Inpera entstanden ist, ist CEO Richard Liehmann einen radikalen Schritt gegangen. Er und seine Mitarbeiter in dem Digitalunternehmen, das Einkaufslösungen für die Bauwirtschaft anbietet, arbeiten komplett remote. Damit das gelingt, braucht es laut dem Unternehmensgründer passende Führungsstrategien.

Immobilien Zeitung: Herr Liehmann, Sie haben kein festes Büro. Von wo aus arbeiten Sie heute?

Richard Liehmann: Ich bin heute in meinem Homeoffice in Berlin. Aber es gibt auch Tage, an denen arbeite ich von Salzburg aus oder von irgendeiner anderen Stadt, genauso wie unser gesamtes Team.

IZ: Wenn alle jeden Tag remote arbeiten, hat Conpur dann überhaupt noch eine Firmenadresse, an die zum Beispiel die Post geliefert werden kann?

Liehmann: Rein rechtlich braucht in Deutschland jede Firma eine Meldeadresse. Und die haben wir auch. Die Post, die dort ankommt, wird regelmäßig abgeholt und an die Mitarbeiter weitergeleitet, die sie brauchen. Das geht meistens sehr schnell, denn die Briefe werden eingescannt und per E-Mail versandt. Aber Büros mit Arbeitsplätzen betreibe ich keinen einzigen Quadratmeter. Es würde für uns einfach keinen Sinn machen.

IZ: Warum machen Büros keinen Sinn für Ihr Unternehmen?

Liehmann: Wir sind mit derzeit sieben Mitarbeitern noch eine kleine Firma. Wenn ein neues Unternehmen in Deutschland in den Markt eintritt, kommen keine Kunden dorthin. Stattdessen sind wir es, die zu unseren Kunden und Auftraggebern fahren. Unsere Mitarbeiter verteilen sich in ganz Deutschland, dadurch kann immer derjenige zu einem Termin, der die kürzeste Anreise hat. Das spart den Angestellten Reisezeit und macht uns als Unternehmen gleichzeitig flexibel gegenüber Kunden, wenn es zum Beispiel um kurzfristige Termine geht. Stattdessen wäre es unwirtschaftlich, Bürostandorte in ganz Deutschland zu eröffnen.

IZ: Wie investieren Sie das Geld, das Sie für Büromieten einsparen, stattdessen?

Liehmann: Vor allem in Forschung, Produktentwicklung und in Personal – etwa in Form von Weiterbildungen.

IZ: Wie funktioniert die Gewinnung von Mitarbeitern in einem Unternehmen, das keine Büros hat, in denen für gewöhnlich ja auch Bewerbungsgespräche geführt werden?

Liehmann: Recruiting und Hiring funktionieren auch ohne Büro sehr gut. Sowohl die Bauwirtschaft als auch die Softwarebranche tun sich im Moment schwer mit der Gewinnung von Fachkräften. Wir sind bei der Suche nach Mitarbeitern nicht auf einen Standort oder eine Region festgelegt und haben so eine größere Auswahl an Bewerbern, die fachlich zu uns passen. Bewerbungsgespräche sind aber tatsächlich etwas umständlicher, wenn sie rein remote geführt werden.

IZ: Inwiefern? Was müssen Sie dabei besonders beachten?

Liehmann: Die Kennenlerngespräche erfordern ein hohes Maß an Vorbereitung. Ich muss mir genau überlegen, welche Fragen ich einem Bewerber stelle und was er von mir vielleicht wissen will. Dafür muss ich alle Unterlagen, wie zum Beispiel Informationen über unser Unternehmen, vorher zurechtlegen, um sie im Gespräch digital verfügbar zu haben. Auch kann ich nicht spontan einen Kollegen hinzuziehen oder dem Bewerber vorstellen. Ein Teamlead muss daher von Anfang an in die Terminabsprache mit eingebunden werden, damit er ebenfalls am Gespräch teilnehmen kann.

IZ: Fachliche Kompetenzen und Vorerfahrungen lassen sich in einem Videocall sicher gut abfragen, doch wie lernen Sie einen Bewerber auch menschlich kennen, um zu sehen, ob er ins Team passt?

Liehmann: Auch dafür gibt es einige Tricks, um jemanden aus der Reserve zu locken. Ich achte zum Beispiel immer auf den Hintergrund im Videocall, den sich jemand ausgesucht hat. Ich spreche an, was ich im Hintergrund sehen kann, sei es ein Gegenstand, oder ein Bild an der Wand. Solche Dinge können gute Ausgangspunkte für kurze Gespräche über Privates sein. Zudem versuche ich eine Atmosphäre zu schaffen, wie sie auch wäre, wenn man im gleichen Raum sitzen würde, indem ich etwa zwischendurch aufstehe und das Fenster mal öffnet. Im Prinzip lerne ich die Leute so besser kennen als in einem sterilen Raum, der nicht ihr gewohntes Umfeld ist. Und wem diese Einblicke ins eigene Zuhause schon bei der Bewerbung zu privat sind, der passt nicht zu unserer Arbeitsweise.

IZ: Ein passendes Arbeitszimmer zuhause zu haben, ist aber dadurch irgendwie Voraussetzung, um bei Ihnen anfangen zu können, oder?

Liehmann: Wir arbeiten viel mit jungen Leuten zusammen. Die haben meistens ohnehin einen geeigneten Arbeitsplatz bei sich zuhause. Wenn ihnen Ausstattung fehlt, sei es ein Monitor oder ein geeigneter Schreibtisch, dann versorgen wir sie damit. Ob wir Arbeitsmittel anschaffen, um sie in ein zentrales Büro zu stellen, oder um sie an mehreren Orten zu verteilen, das macht doch keinen Unterschied. Und sollte jemand wirklich mal keine Möglichkeit zu Hause haben, finden wir eine Lösung. Ich denke zum Beispiel an Coworkingspaces oder ähnliche Angebote, die es inzwischen in fast jeder Stadt gibt.

IZ: Wenn schon die Einstellung von neuen Kollegen remote geschieht, kennen sich Ihre Mitarbeiter dann untereinander überhaupt persönlich?

Liehmann: Wir versuchen alle vier bis sechs Wochen Treffen zu ermöglichen. Nur eben nicht im gemeinsamen Büro. Stattdessen kann das zum Beispiel eine Zusammenkunft nach einem gemeinsamen Kundentermin in der dortigen Stadt sein. Zudem gibt es bei uns wie bei jedem anderen Unternehmen auch Workshops und Weihnachtsfeiern, bei denen alle zusammenkommen.

IZ: Und im Alltag?

Liehmann: Das zufällige Treffen oder der Plausch an der Kaffeemaschine fallen bei uns weg. Wir müssen diese Begegnungen remote abbilden und das bedeutet vor allem, Raum dafür schaffen.

IZ: Wie geht das konkret?

Liehmann: Es bedeutet vor allem, dass regelmäßige Meetings oder Wochengespräche anders geführt werden müssen, als es viele aus der Branche kennen. Es bedeutet, dass Führungskräfte in einem Meeting nicht nur die Themen-Agenda abarbeiten dürfen. Stattdessen muss vor und nach jeder Sitzung Zeit sein, um auch Themen aus der Vorwoche aufzugreifen, zu fragen, wie das Wochenende war, oder andere private Themen zuzulassen. Dafür muss das Mindset bei den Führungskräften stimmen, denn wenn sie sich nur eine halbe Stunde Zeit nehmen, um fünf Entscheidungen zu treffen, dann trauen sich ihre Mitarbeiter gar nicht, in diesem Rahmen auch auf die persönliche Ebene zu wechseln. Für uns bei Conpur heißt das, wir müssen klar machen, dass das erwünscht ist. Und inzwischen haben auch die Mitarbeiter diese Meetingkultur für sich angenommen.

IZ: Welche Besonderheiten gibt es zudem noch für Ihre Mitarbeiter?

Liehmann: Sie müssen gut kommunizieren und sich selbst organisieren können. Mit kommunizieren meine ich, dass sie es schaffen trotz Distanz in Kontakt zu bleiben, und zwar auch eigeninitiativ zum Beispiel über Videocalls. Selbstorganisation ist wichtig im Alltag, wenn es darum geht, Arbeitsmaterial zu beschaffen. Bei uns bestellen die Mitarbeiter selbst, was sie brauchen. Das erspart uns übrigens viel Kapazitäten in der Buchhaltung. Aber auch das Zeitmanagement ist wichtig, damit man sich im Homeoffice nicht verliert.

IZ: Wie sehen bei Ihnen die Arbeitszeiten aus?

Liehmann: Es gibt eine frei definierte Kernarbeitszeit von etwa zehn bis 15 Uhr. In dieser Zeit sollte jeder erreichbar sein – für Kunden, aber auch für Kollegen. Ansonsten kann sich das jeder frei einteilen. Wer ein klares Ziel vor Augen hat, etwa bei der Umsetzung eines Projekts, der wird sich selbst so organisieren, dass er auch ohne Anweisung durch eine Führungskraft mit Kollegen in den Austausch geht, wo es nötig und sinnvoll ist.

IZ: Sie haben diese Arbeitsweisen von Beginn an im Unternehmen umgesetzt und ausgeführt. Das Team ist kurz nach der Firmengründung noch recht klein. Aber wäre ein solcher Schritt in einem großen Unternehmen überhaupt denkbar?

Liehmann: Dass unsere Arbeitsweisen auch in größeren Teams funktionieren, haben wir bereits während Corona-Zeit in den Vorgängergesellschaften bewiesen. Ich bin der festen Überzeugung, sie lassen sich überall umsetzen, wo es um Forschung, Projektarbeit und Produktentwicklung geht. Sicher aber nicht im produzierenden Gewerbe, wo Mitarbeiter Geräte und Maschinen gemeinsam nutzen müssen. Aber gerade in unserer Branche schaffen es ja auch schon viele Firmen, über Standorte hinweg zu arbeiten. Da existieren schon funktionierende Verbindungen von Büro zu Büro – bei uns eben von Homeoffice zu Homeoffice. Eine wichtige Voraussetzung ist jedoch, dass eine Führungskraft die Arbeitsweisen vorlebt, sich an Absprachen hält und die Mitarbeiter stets motivieren kann. Denn wenn ein Team an einem gemeinsamen Ziel arbeitet und richtig funktioniert, dann spielt der Arbeitsort keine Rolle für das Endergebnis.

IZ: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janina Stadel.



Janina Stadel