"Leute zu halten ist die größere Kunst"

"Geld spielt eine Riesenrolle, es herrscht ein Verdrängungswettbewerb." Bernd Hautz

Quelle: Wolff & Müller

Karriere 18.04.2019
Bernd Hautz, Personalleiter beim Mittelständler Wolff & Müller, ist seit fünf Jahren in der Baubranche. Er kennt praktisch nur den Ausnahmezustand. Schlaflose Nächte bereitet ihm das ... 

Bernd Hautz, Personalleiter beim Mittelständler Wolff & Müller, ist seit fünf Jahren in der Baubranche. Er kennt praktisch nur den Ausnahmezustand. Schlaflose Nächte bereitet ihm das nicht.

Immobilien Zeitung: Herr Hautz, wie lange braucht Wolff & Müller (W&M) im Schnitt, um eine Stelle zu besetzen?

Bernd Hautz: Wir messen die Time-to-Hire nicht. Wir könnten das tun, aber es wäre vergeblich.

IZ: Warum?

Hautz: Es kommt immer öfter vor, dass wir uns mit einem Kandidaten einig geworden zu sein glauben und diesem einen Arbeitsvertrag zuschicken - und der legt den Vertrag dann seinem Vorgesetzten vor. Dann fangen wir wieder bei null an.

IZ: Muss W&M Aufträge ablehnen, weil Sie nicht das nötige Personal zusammenbekommen?

Hautz: Wir selektieren genau, welche Aufträge wir annehmen. Das richtet sich nach den Segmenten, auf die wir spezialisiert sind - zum Beispiel Hotels und Bürogebäude -, und danach, wo die Risiken am geringsten sind und welche Projekte am besten zu unseren Projektteams passen. Jede unserer Baugesellschaften hat einen bestimmten Zielmarkt in ihrer Region. Das alles hat nichts mit dem Fachkräftemangel zu tun, sondern mit unserer Projektstrategie.

IZ: Das überrascht mich ein wenig.

Hautz: Wir schauen, dass unsere 2.000 Leute in Lohn und Brot sind. Um jeden Preis wollen wir nicht wachsen. Der Fachkräftemangel macht es natürlich nicht einfacher, gute Projektteams zusammenzustellen. Im Grunde schaffen wir es aber immer, einen sehr gut qualifizierten Mitarbeiter für eine offene Position zu bekommen. Es dauert nur länger als früher, und der Aufwand ist deutlich größer.

IZ: Der Fachkräftemangel ist also nicht der Grund dafür, dass W&M seinen Personalbestand nicht ausbaut?

Hautz: Wir wachsen nicht, weil wir als mittelständisches Familienunternehmen nicht den Druck haben, wachsen zu müssen.

IZ: Wie genau gehen Sie vor, wenn Sie Ingenieure, Architekten oder Kaufleute für Jobs als Kalkulatoren, (Ober-)Bauleiter, Abrechner oder Einkäufer suchen?

Hautz: Als ich vor 20 Jahren als Personaler außerhalb der Baubranche anfing, schalteten wir eine Stellenanzeige und bekamen säckeweise Bewerbungen. Heute muss man die Gewinnung von Mitarbeitern wie den Verkauf eines Produkts angehen. W&M hat als einer der ersten in der Branche erkannt, dass ein Bauunternehmen seine Stärken vermarkten und als attraktiver Arbeitgeber auffallen muss.

IZ: Was unternehmen Sie konkret?

Hautz: Im Dezember 2018 haben wir mit einer externen Agentur eine digitale Zielgruppenkampagne gestartet, die ein Dreivierteljahr läuft. Mit einer Stellenannonce sprechen wir nur die 25% an, die sowieso wechseln wollen. Die Kampagne, mit der wir u.a. bei Facebook und Instagram, Xing und Linkedin präsent sind, soll auch bei den anderen 75% die Lust wecken, für uns zu arbeiten.

IZ: Und, funktioniert das?

Hautz: Seit dem Start der Kampagne hat die Zahl der Bewerbungen um 75% zugelegt.

IZ: Dann ist ja alles bestens.

Hautz: Nicht ganz. Die eigentliche Herausforderung besteht weniger in der Gewinnung neuer Kollegen. Leute zu halten ist die größere Kunst. Ein Personalberater kontaktiert den Polier - und der nimmt gleich die ganze Truppe mit. Oder eine Führungskraft wird abgeworben - und die ganze Abteilung geht mit. Geld spielt da eine Riesenrolle, es herrscht ein Verdrängungswettbewerb.

IZ: Wo ist da die Schmerzgrenze für W&M?

Hautz: Wir können nicht unser ganzes Gehaltsgefüge durcheinanderbringen. Wenn einer kommt und 30% mehr will: Geben Sie den fünf anderen in seiner Abteilung dann auch 30% mehr?

IZ: Die Bundesregierung hat den Personalengpass am Bau als Hemmschuh für den Wohnungsbau entdeckt. Sie will ihn mit mehr Fachkräften aus dem Ausland bekämpfen.

Hautz: Wir haben auch schon gewerbliche Fachkräfte aus dem Ausland angeheuert und eigene Qualifizierungsprogramme für Flüchtlinge entwickelt. Jetzt erarbeiten wir auch eine Rekrutierungsstrategie für ausländische Ingenieure.

IZ: Wie sieht die aus?

Hautz: Die Strategie hat einen langfristigen Charakter. In den nächsten zehn, 15 Jahren werden mehr Ingenieure in Rente gehen, als von den Universitäten kommen. Vor wenigen Wochen haben wir z.B. eine Kooperation mit der Akademie der Ingenieure begonnen.

IZ: Herr Hautz, besten Dank für das offene Gespräch!

Die Fragen stellte Harald Thomeczek.

Harald Thomeczek

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