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Vertreibung aus dem Zuckerwatteland

Berufseinsteiger machen gerade die Erfahrung, dass der Immobilienmarkt zyklisch ist: Es geht rauf - und irgendwann auch wieder runter.

Berufseinsteiger machen gerade die Erfahrung, dass der Immobilienmarkt zyklisch ist: Es geht rauf - und irgendwann auch wieder runter.

Quelle: iStock.com, Urheber: martin-dm

Karriere 18.06.2020
Studierenden von immobilienwirtschaftlichen Fachrichtungen lachte in der Branche jahrelang die Sonne. Mit dem Corona-Lockdown dieses Jahr machen die Jungen ihre erste Krisenerfahrung. Um ... 

Studierenden von immobilienwirtschaftlichen Fachrichtungen lachte in der Branche jahrelang die Sonne. Mit dem Corona-Lockdown dieses Jahr machen die Jungen ihre erste Krisenerfahrung. Um den Sturm abzuwettern, wird der eine oder die andere Abstriche machen müssen. Das zeigt die Arbeitsmarktumfrage 2020 der Immobilien Zeitung (IZ).

Die kamen mit fünf Verträgen zu mir und wollten, dass ich ihnen sage, welcher der beste ist", erzählt ein Professor, der Immobilienstudenten unterrichtet. Denn es ist noch nicht lange her, da rollten Immobilienunternehmen dem Nachwuchs sozusagen den roten Teppich aus. Die Branche im Endlos-Boom, die Auftragsbücher voll, die Firmen auf Wachstumskurs und Köpfejagd. Wer sein Studium abschloss, konnte aus einem ganzen Katalog von Jobangeboten wählen.

Wie gut es in der Immobilienwirtschaft lange lief, erfuhr der Nachwuchs besonders einprägsam auf dem wichtigsten Branchentreff hierzulande. "Die Expo Real 2019 war für uns alle wie ein Zuckerwatteland", erzählt Lisa Miosga, 28 Jahre, die Anfang des Jahres ihr Masterstudium an der Universität Regensburg abgeschlossen hat. "Der Immobilienmarkt ist zyklisch. Es gibt Hochphasen, die geprägt sind von hoher Liquidität, viel Enthusiasmus und einer entsprechenden Risikobereitschaft. Genau das war letztes Jahr auf der Expo Real zu spüren."

Jobaussichten sind nicht mehr ganz so rosig

Die Arbeitsmarktumfrage 2020 der IZ zeugt von dieser Hochphase. Die Befragung begann allerdings lange vor dem Lockdown Mitte März. Gut drei Viertel der 419 Studenten füllten den Fragenkatalog aus, bevor große Teile des Wirtschaftslebens in den coronabedingten Dornröschenschlaf fielen. Von diesen Vor-Corona-Teilnehmern beurteilten 82% ihre Chancen auf einen direkten Berufseinstieg auf einer Skala von eins (schlecht) bis sechs (sehr gut) mit einer Fünf oder Sechs (siehe dazu die Grafik "Corona-Krise trübt die Jobaussichten"). In der Nach-Corona-Gruppe bewerten nur noch 69% ihre Einstiegschancen als sehr gut oder gut.

Miosga könnte entspannt in die Zukunft schauen: "Mein Arbeitsverhältnis ist unbefristet und ich werde überdurchschnittlich gut bezahlt." Die Masterabsolventin wurde vom Essener Projektentwickler Greyfield, bei dem sie als Werkstudentin jobbte, in eine Festanstellung übernommen. Auch unter ihren (Ex-)Kommilitonen fällt ihr kein einziger ein, "der nicht etwas bekommen oder wo das Unternehmen einen Rückzieher gemacht hätte". Doch die junge Frau ist sich sicher: "Ein geringer Abschwung ist definitiv nicht aufzuhalten."

Maklerhäuser und Berater hat es schwer getroffen

In Teilen der Branche ist der Abschwung schon da - und bei den Nachwuchskräften angekommen. Mit kolportierten Umsatzeinbrüchen von bis zu 60% sollen vor allem Maklerhäuser und Beratungsgesellschaften schwer getroffen sein. Young Professionals mit ein, zwei Jahren Berufserfahrung in einem Beratungshaus berichten von Bonuskürzungen und verschobenen Gehaltserhöhungen. Urlaubsbestände und Überstunden müssen auf Geheiß von oben abgebaut werden.

Andere hat es schlimmer erwischt: "Bei mehreren bekannten Unternehmen wurden aufgrund der Corona-Krise Kündigungen von Absolventen während der Probezeit oder von Young Professionals vorgenommen", berichtet Stefanie Saß. Saß kennt viele Nachwuchskräfte für die Bau- und Immobilienwirtschaft: Sie ist Geschäftsführerin der Personalberatung engagingtalents, die sich auf Talente für genau diese Branchen spezialisiert hat.

Erste Einschläge - und die Verunsicherung nimmt zu

Thomas Beyerle kennt ebenfalls den einen oder anderen Leidtragenden persönlich. "Aktuell lassen sich bei meinen Absolventen aus dem letzten Jahrgang in der Tat die ersten Einschläge dokumentieren: in der Probezeit gekündigt oder in Kurzarbeit", berichtet der Geschäftsführer von Catella Property Valuation, der an der Hochschule Biberach Immobilienresearch lehrt. "Nach Lehman war die Lage am Anfang entspannter; es dauerte länger, bis Einschläge sichtbar wurden. Die Verunsicherung nimmt zu."

Nicht, dass bereits die ganze Branche im Krisenmodus steckt. Aber vor ein paar Monaten hätte wohl niemand geglaubt, dass Immobilienberatungsunternehmen oder Investmentmanager ihre Belegschaft plötzlich nach Sparpotenzialen durchforsten. Dass Neueinstellungen komplett gestoppt oder auf ein Minimum reduziert werden und dass befristete Verträge plötzlich ein Thema werden. Und dass Werkstudenten nach Hause geschickt oder gleich ganz gekündigt werden.

Letzteres ist gerade deshalb bitter, weil der Weg zu einer Festanstellung nach dem Studium nicht selten über einen Werkstudentenjob führt. Eine Absolventin fragt sich, ob das mündliche Jobangebot, das sie als Werkstudentin bei einer der großen vier Beratungsgesellschaften im Januar bekommen hat, jetzt noch steht. Doch in der Krise stellt der Mann, der ihr dieses Angebot unterbreitet hat, sich tot. "Selbst nach mehrmaliger Kontaktaufnahme in neutralem Ton meinerseits wurde darauf verzichtet, mir zu antworten. Ich hätte vollstes Verständnis gehabt für ein: Bitte abwarten - wir wissen es selbst nicht."

Die bittere Erkenntnis, die die junge Frau mitnimmt: "Auch nach der Krise möchte ich nicht für ein Unternehmen arbeiten, das in solch einer Situation sein Gesicht verliert." Ihre Enttäuschung ist deshalb so groß, weil sie den Herrn bzw. das Unternehmen und ihre alten Kollegen schon "so lange kennt und an verschiedenen Projekten erfolgreich mit ihnen zusammengearbeitet hat, stundenlang bis in die Nacht".

Jetzt zeigt sich, auf wen man sich verlassen kann

Auf seinen Arbeitgeber verlassen kann sich dagegen anscheinend Carl Christof Korb. Der angehende Bauingenieur musste seine Tätigkeit als Werkstudent im Property-Management bei BNP Paribas Real Estate in Leipzig im März unfreiwillig einstellen. Und er hat dafür Verständnis: "Es ist eine schwierige wirtschaftliche Situation, wo Entscheidungen zum Besten des Unternehmens getroffen werden müssen. Mein Fall ist nicht einzigartig, alle Werkstudenten meiner Firma in Deutschland durften nicht mehr zur Arbeit kommen." Naturgemäß hat sich Korb in den vergangenen Wochen deshalb die Frage gestellt, ob er für das Unternehmen nach diesem Erlebnis noch arbeiten möchte. Die Antwort gab die Firma: "Mein Arbeitsvertrag ist bis Mitte Juni datiert, wird jedoch aufgrund meiner Anfrage nach einer Verlängerung bis zum Ende meines Studiums im September verlängert. Das wurde vereinbart, und nach mündlicher Absprache rechne ich dann mit einem Angebot zur Festanstellung."

Laut IZ-Arbeitsmarktumfrage haben fast zwei Drittel (62%) aller 419 Teilnehmer noch keinen Job in der Tasche. Selbst von denjenigen, die dieses Jahr auf den Arbeitsmarkt kommen (237 Studierende), waren 54% zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht vergeben. Manch einem der Absolventinnen und Absolventen dürfte die Corona-Krise einen Strich durch die Karriereplanung gemacht haben.

Selbst wer sich seiner Sache sicher zu sein glaubte, kann dieser Tage plötzlich mit leeren Händen dastehen: "Bei einem Kommilitonen von mir wurde der Arbeitsvertrag noch vor Antritt aufgehoben", erzählt Yannik Huschka, der dieses Jahr seinen Abschluss macht, aber "keine gute Ausgangssituation" mehr vorfindet. "Kurzfristig haben viele Unternehmen Stellenanzeigen zurückgenommen und Assessment-Center abgesagt. Führungskräfte sind vorsichtig mit Neueinstellungen geworden." Huschka, der BWL in Mannheim studiert, hat sich deshalb dafür entschieden, seine unternehmerische Ader auszuleben.

"In einer Krisenphase steigt die Bildungsnachfrage"

Eine andere Alternative: einfach weiterstudieren. Nur eine verschwindend geringe Minderheit der Befragten gab in der IZ-Umfrage zu Protokoll, nach dem laufenden Studium genau das vorzuhaben. Der eine oder andere hat sich inzwischen offenbar umentschieden. Hanspeter Gondring, wissenschaftlicher Leiter der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft, weiß: "In einer Krisenphase steigt die Bildungsnachfrage." Verena Rock, Immobilienprofessorin an der Hochschule Aschaffenburg, pflichtet bei: "Wir beobachten deutlich steigende Bewerberzahlen für unseren Master Immobilienmanagement und auch eine sehr gute Erstnachfrage für den Bachelor Digitales Immobilienmanagement." Rocks Analyse: Viele setzen in der Krise auf gute Aus- und Weiterbildung, zum Teil zur Überbrückung, aber vor allem für einen besseren Karrierestart danach.

Sicher, es gibt viele Firmen, die einstellen, manche gerade wegen der Krise mehr als zuvor. Die Assetklassen Wohnen und Logistik gelten als ziemlich krisenresistent, und lebensmittelgeankerte Handelsimmobilien ebenso. Bewerter sind in der Krise besonders gefragt, und bestehende Gebäude müssen auch in Corona-Zeiten noch verwaltet und instand gehalten werden - von Facility- und Property-Managern. Auch die Projektentwicklung gilt als sicherer Hafen.

"Wir können nur auf Sicht fahren"

Doch eine Prognose trauen sich die wenigsten Arbeitgeber zu. "Unsere Produkte und Investments entwickeln sich stabil; trotzdem können auch wir nur auf Sicht fahren und schauen, wie sich der Markt entwickelt", sagt Sandra Scholz, im Vorstand der Commerz Real u.a. für Personalthemen verantwortlich. Alle Programme runterfahren und komplett am Nachwuchs sparen - "das wäre wirklich nur die Ultima Ratio". Die Zusagen für ihre Trainees, die am 1. April anfingen, hielt die Commerz Real daher ein. Ebenso wie die Commerzbank-Tochter bei Nachwuchskräften, die zu Beginn des Lockdowns zur unbefristeten Übernahme anstanden, Wort hielt. Die Gretchenfrage ist, wie es weitergeht: Die zweite Trainee-Tranche startet bei dem Asset- und Fondsmanager normalerweise Anfang Oktober: "Wir haben noch nicht abschließend entschieden, wie wir damit umgehen", sagt Scholz ehrlich.

Jobs gibt es noch genug - nur nicht mehr überall

Es kommt also nicht von ungefähr, dass sich die Erwartungshaltung der Studenten durch die Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus spürbar verändert hat. Sicherheit steht auf einmal hoch im Kurs (siehe dazu die Grafik "Covid-19 verändert die Ansprüche"). Ein Mitzwanziger, der gerade berufsbegleitend seinen Master macht und danach eigentlich den Arbeitgeber wechseln wollte, verrät: "Bedingt durch den wirtschaftlichen Abschwung werde ich vorsichtiger bei einem Wechsel sein." Wie gut, dass der junge Mann schon einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat.

Mag das Zuckerwatteland auch geschlossen haben, Immobilienspezialisten haben immer noch gute Jobkarten. "Alle können in diesem Land morgen einen Job in der Immobilienwirtschaft bekommen - vielleicht nicht mehr um die Ecke, aber in Frankfurt, München oder London allemal", macht Beyerle Mut. Beim Traumjob, konstatiert Headhunterin Saß, wird ein Teil der Absolventen allerdings Abstriche machen müssen. Professorin Rock rät: "Steckt nicht den Kopf in den Sand, sondern bewerbt euch aktiv - auch wenn offiziell Einstellungsstopp an der Tür steht. Sucht eher einen Nischenplayer. Ihr müsst nicht unbedingt als erstes einen großen Namen auf dem CV stehen haben."

Praktika sind eine gute Alternative

Vielleicht braucht, wer seine hohen Ansprüche verwirklichen will, nur etwas mehr Geduld als früher. Die frischgebackene Bachelorabsolventin Vanessa Hummer will noch einen berufsbegleitenden MBA an der Irebs draufsatteln. Den richtigen Arbeitgeber, der ihr den MBA möglichst finanziert, sucht die ehrgeizige und anspruchsvolle 24-Jährige noch. Dass der Zeitpunkt nicht gerade günstig ist, ist ihr bewusst. Sie lässt die Partnersuche darum lieber langsam angehen: "In der derzeitigen Situation ist ein Praktikum eine sehr gute Alternative - für beide Seiten -, um sich unverbindlich kennenzulernen und den Sturm auszusitzen."

Harald Thomeczek

Image-Umfrage: Projektentwickler Top, Makler Flop

Karriere 29.06.2016
Der übel beleumundete Immobilienmakler prägt das Bild der Immobilienwirtschaft unter Studierenden aus nicht-immobilienwirtschaftlichen Studiengängen. Das ist ein Ergebnis einer gemeinsamen ... 

Der übel beleumundete Immobilienmakler prägt das Bild der Immobilienwirtschaft unter Studierenden aus nicht-immobilienwirtschaftlichen Studiengängen. Das ist ein Ergebnis einer gemeinsamen Umfrage der Irebs International Real Estate Business School der Universität Regensburg, der ICG Initiative Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft und von Catella Property Valuation.

An der von Ende März bis Anfang Mai 2016 durchgeführten, nicht-repräsentativen Befragung haben sich 163 Studierende, zu etwa gleichen Teilen Bachelor- und Masterstudenten, aus nicht-immobilienwirtschaftlichen Fächern beteiligt. Zu knapp 40% waren das angehende Geografen, zu je gut 15% BWLer und Architekten. Der Rest verteilt sich vor allem auf die Studiengänge VWL, Wirtschaftswissenschaften und Bauingenieurwesen. Wo sie studieren, ist nicht bekannt: Die Teilnehmer mussten ihre Ausbildungsstätte nicht angeben. Für die Umfrage waren rund 20 Lehrstuhlinhaber um Verbreitung gebeten worden.

Der Hälfte fällt gar kein Berufsbild ein

Auf die Frage nach Berufen in der Immobilienwirtschaft fielen nur 77 aller 163 Umfrageteilnehmer, also nicht einmal der Hälfte, überhaupt welche ein. Mehrfachnennungen waren erlaubt, und so kamen insgesamt 190 Nennungen von Berufsbildern aus der Immobilienbranche zusammen. Diejenigen, die eine Antwort parat hatten, nannten zu 38% (73 Nennungen) den Immobilienmakler. Auf den Plätzen zwei und drei folgten der Projektentwickler (10%) und der Immobilien-Researcher (7%). Viele andere Berufsbilder, z.B. der Immobilien-Asset-Manager (3%), sind in den Köpfen der Befragten offenbar nicht präsent.

Nach dem Image bestimmter vorgegebener Arbeitsbereiche in der Immobilienwirtschaft gefragt, fiel das Votum der 95 Studierenden, die diese Frage beantworteten, eindeutig aus: Makler und Berater bekamen die schlechteste Note. Auf einer Skala von 0 ("schlechtes Image") bis 4 ("sehr gutes Image") landete diese Gruppe bei rund 1,2 Punkten. Das beste Image haben Projektentwickler und Bauträger: Sie erhielten mit über 2,5 Zählern den mit Abstand höchsten Wert. Die vier anderen zur Wahl gestellten Gruppen - Bestandshalter und Investoren, Immobilienfinanzierer, Portfolio-, Asset- und Fondsmanager sowie Verwalter und Facility-Manager - erhielten in auffälliger Übereinstimmung die Mittelmaßnote 2.

Das Image bzw. die Attraktivität von Arbeitsplätzen in der Immobilienwirtschaft allgemein beurteilten knapp 40% von 136 Antwortenden mit "ausgezeichnet" oder "sehr gut". Weitere rund 40% beschrieben es als "mittelmäßig", der Rest als "eher schlecht" bis "ungenügend". Wer der Branche ein gutes Image attestiert, tut das meist wegen der aus seiner Sicht bzw. in seiner Erwartung guten Verdienstmöglichkeiten. Wer ihr ein schlechtes Image attestiert, tut das u.a. aufgrund einer vermeintlich übersteigerten Gewinnorientierung.

Harald Thomeczek