"Frauen am Bau sind doppelt unsichtbar"

Nicole Parlow.

Nicole Parlow.

Quelle: Lothar M.Peter

Karriere 22.12.2022
Erst Profifußballerin, dann Bauingenieurin: Nicole Parlow schafft für Frauen Vorbilder, wo sich sonst vor allem Männer tummeln. Beruflich hat sich die Potsdamerin dem Bestandsumbau ... 

Erst Profifußballerin, dann Bauingenieurin: Nicole Parlow schafft für Frauen Vorbilder, wo sich sonst vor allem Männer tummeln. Beruflich hat sich die Potsdamerin dem Bestandsumbau verschrieben – die alten Pläne und Gemäuer in ihrer Einfachheit sind für sie der Inbegriff nachhaltigen Bauens.

Immobilien Zeitung: Frau Parlow, Sie haben gemeinsam mit einer Kollegin die Ausstellung Queens of structure entworfen, die Bauingenieurinnen hinter bekannten Bauwerken vorstellt. Wie kam es dazu?

Nicole Parlow: Eine Kollegin und ich waren in einer Ingenieursausstellung in Salzburg, in der 95% Männer und ihre Werke gezeigt wurden und ungefähr zwei Frauen. Das geht nicht. Frauen sind im Ingenieurwesen doppelt unsichtbar, denn der Beruf steht in der Öffentlichkeit ohnehin immer hinter den Architektinnen und Architekten. Mies van der Rohe und Hans Scharoun kennt jeder, aber im Ingenieurwesen sieht es mit prominenten Namen mau aus. Das führt unter anderem dazu, dass weniger Leute Bauingenieurwesen studieren wollen als Architektur.

IZ: Wie erklären Sie einer Studieninteressentin kurz und einfach, was eine Bauingenieurin macht?

Parlow: Eine Bauingenieurin sorgt dafür, dass ein Gebäude stehen bleibt und dass es funktioniert. Wir setzen theoretische Gedanken in die Praxis um: Nur dank der Ingenieurtechnik kann die schöne Optik eines Gebäudes wirken.

IZ: Wie kam es dann zu der Ausstellung?

Parlow: Als ich in Vereine wie den Architekten- und Ingenieurverein (AIV) zu Berlin-Brandenburg eingetreten bin, bin ich fast nur auf Männer gestoßen. Ich fand das irgendwie komisch. Um etwas ändern zu können, bin ich in den Vorstand gegangen und war dort die jüngste Frau. Dabei respektiere ich die erfahrenen Herren absolut, ich kann viel von ihnen lernen. Andersherum muss man an die denken, die nachkommen: Wie kann eine junge Frau zum Beispiel dazu gebracht werden, in eine Vorstandssituation reinzugehen, um ihre Themen zu besprechen, wenn es dort keine jungen Frauen gibt? Dann kam die Möglichkeit, die Queens of structure als Beitrag zum WIA Festival in Berlin zu zeigen (siehe "Bauingenieurin mit Ball-Erfahrung" auf dieser Seite). Noch während dieses Zeitraums trudelten Anfragen ein – und jetzt touren wir seit mehr als einem Jahr durch Deutschland und die Schweiz.

IZ: Hat sich eigentlich etwas verändert seit Ihrem Eintritt in den AIV?

"Frauen haben keine Vorbilder im Bauwesen"

Parlow: Wahrscheinlich nicht. Aber ich habe schon den Eindruck, dass es die jungen Mitglieder gut finden, eine Vertretung im Vorstand zu haben. Und wir haben definitiv ein Nachwuchsproblem. Mit der Ausstellung war es ähnlich: Wir wollten Vorbilder schaffen. Angehende Bauingenieurinnen haben in der Regel keine Professorinnen, die sie als Vorbild nehmen können. Sie wissen gar nicht, dass man auch als Frau in dem Beruf erfolgreich sein kann.

IZ: Wie sind Sie Bauingenieurin geworden?

Parlow: Das war Zufall. Ich war als Profifußballerin im Kader, mein Betreuer fragte nach meinen Interessen außerhalb vom Sport und ich sagte, Mathe finde ich gut. Da sagte er, da weiß ich was, ich schreibe dich ein. Und da ich Sachen gern durchziehe, bin ich dabei geblieben. Wobei ich erst mit meiner Diplomarbeit den Spaß am Bauingenieurwesen entdeckt habe, als ich eine alte Halle auf ihre Materialien hin untersuchte und den Umbau zu einer Reithalle konzipierte. Zum Ende des Studiums waren bei uns noch 20% Frauen, worüber ich mir damals gar nicht so viele Gedanken gemacht habe.

IZ: Um den Frauenanteil in der Branche zu heben, müsste man weit vor dem Studium ansetzen. Welche Möglichkeiten sehen Sie?

Parlow: Das fängt für mich damit an, wie wir unsere Kinder großziehen. Nach wie vor ist es so, dass es bei Jungs in Ordnung ist, wenn sie laut, wild und dreckig sind. Bei Mädchen wird das nicht so gern gesehen. Unsere Rollenvorstellung ist immer noch sehr beengt, da müssten wir ansetzen – und Mädchen mitgeben: Ihr dürft alles tun.

IZ: Mit wem arbeiten Sie lieber zusammen, Frauen oder Männern?

Parlow: Ich freue mich, wenn es halbe-halbe ist. Männer haben oftmals etwas sehr Gelassenes, manchmal ist das angenehm. Frauen sind sehr ehrgeizig und sehr bedacht und dabei sehr effektiv, das finde ich gut.

IZ: Zurück zu den Inhalten des Bauingenieurwesens. Sie arbeiten als Tragwerksplanerinan hochkomplexen Projekten, bei denen sich von Architektur bis zu Haustechnik alle koordinieren müssen. Inwiefern trägt Building Information Modeling (BIM) dazu bei, dass diese Koordination gelingt?

Parlow:Ich bin keine so große Freundin der Digitalisierung. Wir arbeiten nur noch mit 3D-Modellen, ein einfaches Tragwerk kann in der Regel gar nicht mehr verstanden werden, weil es so kompliziert ist. Dabei würde es oft reichen, auf die Grundrisse zu schauen und vielleicht per Hand Notizen und Verbesserungen hineinzuschreiben – während man bei 3D oft etwas übersieht. Das gleichzeitige Arbeiten ist ein Wunsch, um Zeit zu sparen, in Wirklichkeit kann es ein K.-o.-Kriterium sein. Wenn wir zum Beispiel unser Tragwerk in das Modell hineinlegen und der Haustechniker drei Tage später seine Durchbruchstechnik einträgt, bemerken wir das vielleicht gar nicht und dann haben wir in Stützen Durchbrüche. Ich denke, mehr mit 2D und Methoden der vergangenen zehn Jahre zu arbeiten und dafür besser miteinander zu sprechen, hilft einem Projekt mehr.

IZ: Man könnte ja auch BIM nutzen und miteinander sprechen.

Parlow: BIM bedeutet, an einem Modell zu arbeiten. Aber ein Haustechniker braucht ein anderes Modell als das, das wir brauchen. Ein Architekt benötigt wieder etwas anderes, man arbeitet also nur verschiedene Modelle ineinander ein und alles wird unübersichtlich. Das kostet Nerven und Geld, und beides findet sich nicht in den Honoraren.

IZ: Geht es denn wenigstens schneller?

Parlow: Früher dauerte es bei unseren Projekten zwei Jahre, bis der Rohbau stand, jetzt sind wir bei vier bis fünf Jahren. Das liegt natürlich nicht nur an BIM, sondern an der allgemein stark gewachsenen Komplexität von Bauvorhaben. Wirtschaftlich ist das ein großes Problem.

IZ: Welche Ideen haben Sie, um dem entgegenzuwirken?

Parlow: Das ist schwierig. Die Baubranche ist ja recht gut durch Corona gekommen, was zur Folge hat, dass die Unternehmen allesamt überlastet sind. Man macht das Nötigste, aber oft sehr schnell, dann ist der Bauherr nicht zufrieden und wechselt die Baufirma. Das zieht wiederum Änderungen nach sich, weil andere Fachplaner neue Vorstellungen haben. Bauherren sind leider auch nicht mehr so entscheidungsfreudig wie früher. Für Architekten wird es schwieriger, Projekte in der Gänze zu überblicken – die Problemlage ist vielschichtig.

IZ: Dazu kommen regelmäßige Gesetzesänderungen …

Parlow: … die das Ganze weiter verkomplizieren. Allein die Energieeinsparverordnung verändert sich gefühlt alle zwei Jahre, da kann man kaum auf dem Stand bleiben. Wir wandeln uns so sehr, nicht unbedingt immer zum Guten. Wenn ich das mit dem Altbau vergleiche, in dem wir hier sitzen: So etwas könnten wir gar nicht mehr bauen heute.

IZ: Warum?

Parlow: Wir haben heute strenge Anforderungen an den Schallschutz, was mit Holzbalkendeckenkonstruktionen fast nicht zu leisten ist, außer man packt dann oben noch einmal eine Betonschicht drauf. Das nächste Thema ist der Brandschutz: Fangen wir an, diesen Holzbau aufwändig zu verkleiden, weil die Normung noch gar nicht so weit ist, solche Gebäudeklassen zuzulassen? Die Politik spricht viel über Nachhaltigkeit, aber es fehlt schon an den ersten Stellen von Genehmigungsverfahren.

"Einfacher bauen würde es viel günstiger machen"

IZ: Noch mal gefragt: Wo sehen Sie eine Lösung, um diese Spirale zu durchbrechen?

Parlow: Einfach bauen! Der Altbau, in dem wir sitzen, ist ein gutes Beispiel: Es gab immer Wände, die übereinanderstehen, Holzbalkendecken, mit einem Blick verstehe ich die ganze Konstruktion. Damit wir dahin kommen könnten, müssten Normen vereinfacht und Verordnungen zurückgeschraubt werden. Dadurch würden wir das Bauen so viel günstiger machen. Wir versuchen das immer, unseren Bauherren mitzugeben: Wenn wir es schaffen, in einem Raster zu arbeiten, dann schaffen wir es vielleicht auch, flexibel zu sein. Das heißt, wenn das Gebäude in 20 Jahren umgenutzt werden soll, kann vielleicht der Trockenbau herausgenommen werden und die Konstruktion als solche bleibt bestehen. So baut man ressourcenschonend. In 20 Jahren sind die Gebäude, die wir heute bauen, Bestand. Wenn die so kompliziert sind, dass sie keiner mehr versteht, bringt es nichts – und dann ist es auch unerheblich, ob sie mit 3D geplant werden. Die Computerprogramme von heute kann man in 20 Jahren ohnehin nicht mehr verwenden.

IZ: Wie viel versprechen Sie sich von den vom Bund forcierten Materialkatastern?

Parlow: Ich glaube, die sind nicht durchsetzbar, wenn wir nicht so bauen wie zu DDR-Zeiten – bei WBS 70 gab es einen Materialkatalog für jede Wand und jede Decke, das kann ich heute noch nachschlagen. Das würde bedeuten, dass alle dasselbe machen müssten, und das wird nicht passieren.

IZ: Aber genau das serielle Bauen will die Bauministerin doch stärken.

Parlow: Was ist seriell bauen? Allein wenn ich seriell mit Holz baue, gibt es verschiedene Hersteller und Plattenträgersysteme mit Materialkennwerten. Für den Moment kann das das Bauen beschleunigen, aber langfristig gedacht finde ich das nicht. Vielleicht gibt es in ein paar Jahrzehnten diese Plattenträgerhersteller gar nicht mehr, und ich komme nicht mehr an Ersatzteile.

IZ: Sie arbeiten seit 15 Jahren als Bauingenieurin. Wie versuchen Sie, trotz der Komplexität ihrem Plädoyer für Einfachheit zu folgen?

Parlow: Ich fokussiere mich auf den Bestand. Gerade bearbeite ich die alte Geschützgießerei in Berlin-Spandau. Dort wurden im Krieg Geschütze hergestellt. Da finden sich hochwertige gusseiserne Stützen und einfache Deckenkonstruktionen, die man wunderbar umnutzen kann. Da geht mir das Herz auf – wenn man durch einfache Strukturen ein schönes Gebäude konstruiert hat, dessen Basis wir in die Zukunft weitertragen können.

IZ: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Kristina Pezzei.

Bauingenieurin mit Ball-Erfahrung

Nicole Parlow leitet gemeinsam mit Christian Müller ein Büro für Tragwerksplanung in Berlin. Das Unternehmen sitzt in einem Gründerzeitaltbau im Westen Berlins – ein Gebäude, das Parlow gern als Musterbeispiel für einfaches Bauen nutzt: Ihre Spezialität und ihre Leidenschaft gelten Bestandsumbauten. Die 38-Jährige studierte Bauingenieurwesen in Potsdam, nachdem sie wegen einer Knieverletzung die Karriere als Profifußballerin aufgeben musste. Zuvor stand sie für Turbine Potsdam im Mittelfeld. Parlow ist verheiratet und hat eine Tochter.

Die Ausstellung Queens of structure porträtiert die Ingenieurinnen hinter prominenten Bauwerken. Sie war zunächst als einmaliger Beitrag zum Festival Women in Architecture (WIA) in Berlin gedacht. Als sich Anfragen aus dem deutschsprachigen Raum häuften, beschlossen Parlow und ihre Mit-Initiatorinnen, die Schau wandern zu lassen. Die nächsten Stationen sind Rapperswil (März/April 2023), München, Vatersdorf, Landshut und Nürnberg (Juni – August 2023), Stuttgart (vermutlich Ende 2023/Anfang 2024) und Weimar (voraussichtlich April – Juli 2024).

Kristina Pezzei

Kristina Pezzei

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Arbeiten mit Urlaubsgefühl

Arbeiten unter Palmen kann durch Workation möglich werden.

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Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Hernandez & Sorokina/Stocksy

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Über das Konzept Workation ermöglichen es Arbeitgeber ihren Mitarbeitern, für eine begrenzte Zeit aus dem Ausland zu arbeiten. Doch ein solcher Arbeitstrip erfordert einiges an ... 

Über das Konzept Workation ermöglichen es Arbeitgeber ihren Mitarbeitern, für eine begrenzte Zeit aus dem Ausland zu arbeiten. Doch ein solcher Arbeitstrip erfordert einiges an Vorbereitung. Je nach Zielland müssen unterschiedliche Regelungen eingehalten werden.

Weder im Büro noch im Homeoffice, sondern von einem Urlaubsort aus arbeiten – das Konzept "Workation", also "work" und "vacation" in einem, ist in der Immobilienbranche längst angekommen. In einer Onlineumfrage der Immobilien Zeitung (IZ) gab mehr als jeder zweite (54%) von knapp 300 Teilnehmern an, gerne einmal mit dem Arbeitslaptop wegfahren und an Meetings in dieser Zeit via Online-Schalte teilnehmen zu wollen.

Zwei Mitarbeiter, die das schon in die Tat umgesetzt haben, sind Alina Schöne und Tobias Brunner von Cobalt. Als Headhunter besetzen sie Stellen für Unternehmen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft, und das zeitweise von Barcelona oder Lissabon aus. "Ich fand es schön, dass man in einem anderen Land sein und arbeiten kann, aber tatsächlich auch mal weg von Zuhause ist", sagt Schöne. Im Gegensatz zu einer normalen Urlaubsreise habe sie es geschätzt, dass sie durch einen längeren Aufenthalt im Ausland richtig in die Kultur eintauchen konnte. "Ich war teilweise produktiver als im Büro. Weil ich einfach diesen Drive hatte und weil ich wusste, ich starte früh, bin ich effektiv durch den Tag gegangen." Die neue Umgebung habe ihre Motivation befeuert.

Gesteigerte Produktivität in neuer Umgebung

Dabei entstand das Konzept im Unternehmen aus einem Scherz heraus, wie HR-Director Susanne Franke berichtet. Zum ersten Mal sei die Idee während eines Leaderevents auf Mallorca aufgekommen. Schnell hätten sie gemerkt, dass das Arbeiten in der Sonne gar nicht so abwegig ist. Bis zur vollständigen Umsetzung des Angebots musste Franke zusammen mit einer Inhouse-Juristin jedoch viele organisatorische Punkte beachten und regeln. "Wir haben uns ein gutes halbes Jahr mit dem Thema beschäftigt, weil es doch komplexer ist, als wir eingangs dachten", erinnert sie sich. Als Beispiele zählt sie sozialversicherungs-, steuer- und arbeitsrechtliche Aspekte auf, die beim Arbeiten vom Ausland aus zu berücksichtigen sind. Dabei holten sie auch Rat bei einer Steuerkanzlei und einem Juristen ein.

Denn den Überblick zu behalten, ist herausfordernd. Beispielsweise gelten für Zielländer außerhalb der EU andere Rahmenbedingungen als innerhalb. Dies schränkte die möglichen Workation-Ziele für die Cobalt-Mitarbeiter beim Start des Angebots im Juni 2022 ein. Dadurch sind die Mitarbeiter von Cobalt aber auf der sicheren Seite, wenn es um das Thema Datenschutz geht. Die Verordnung, nach der sie in Deutschland mit Kontakten von Kunden oder Kandidaten umgehen, gilt in ihrer Form EU-weit, sodass keine Arbeitsprozesse umgestellt werden müssen.

Als eine der größten rechtlichen Hürden sieht Franke aus unternehmerischer Sicht das Betriebsstättenrisiko. Wenn im Ausland ein Büro oder eine Wohnung von einem Unternehmen gemietet wird, können je nach Land dafür Steuern fällig werden. Die Cobalt-Mitarbeiter kümmern sich um ihre Unterkünfte deshalb selbst.

Organisatorischer Aufwand auf allen Seiten

Mehr als 20 Tage dürfen sie aber nicht verreisen. Durch die strenge Grenze können sie sich bei den EU-Zielen sicher sein, im Gastland keine Steuern abführen zu müssen. Einige Besonderheiten im Arbeitsalltag, das weiß Brunner, hängen aber nicht nur mit der Reisedauer zusammen. So etwa eine Zeitverschiebung, die es bei der Organisation von Arbeitszeiten und Kundenterminen zu beachten gilt.

Aber nicht nur das müssen Mitarbeiter wie Schöne und Brunner vor Reiseantritt berücksichtigen. "Man sollte darauf achten, neben seinem Arbeitsequipment auch eine sogenannte A1-Bescheinigung mitzuführen", erklärt Franke. Nur so seien die Mitarbeiter im Ausland abgesichert, wenn es zu einem Arbeitsunfall kommt.

Aus Gesprächen mit Kandidaten wissen Franke und ihre Kollegen, dass nicht nur ihre, sondern auch Mitarbeiter anderer Unternehmen Flexibilität vom Arbeitgeber in der Frage nach dem Arbeitsort verlangen. Workation anzubieten, könnte je nach Aufgabenprofil also auch Bewerber anlocken. Noch werde in solchen Segmenten wie etwa dem Property- und Asset-Management oder in der kaufmännischen Projektentwicklung eher der Wunsch nach Homeoffice als nach Workation geäußert. "Das sind auch Berufe, bei denen man teilweise einfach vor Ort sein muss", erklärt Schöne. In der Buchhaltung sähe das vielleicht anders aus. Ein Bauleiter sei viel auf Baustellen und müsse sich auch Urlaub nehmen, ergänzt Brunner.

In der Onlineumfrage der IZ gaben 15% der Teilnehmenden an, für ein Workation-Angebot sogar den Arbeitgeber wechseln zu wollen. Alina Schöne ist froh, dass sie das Workation ausprobieren konnte. "Ich bin mit neuen Eindrücken nach Hause gekommen, war erholt und das Business hat in der Zeit dennoch nicht gelitten. Für uns als Unternehmen war Workation deshalb auf jeden Fall ein absolutes Win-win."

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Wie und wo wohnen Sie zurzeit?

Ich wohne mit meiner Familie in einer Doppelhaushälfte in einem sehr schönen Neubaugebiet südlich von Berlin. Nach der Geburt unserer Tochter wollten wir etwas ländlicher und nicht mehr in einer Wohnung leben. Unser Wohnort liegt in der Nähe der A 10, sodass wir eine sehr gute Verkehrsanbindung haben. Momentan wohnen wir noch zur Miete, aber das soll nur eine Übergangslösung sein. Wir haben auf beiden Seiten Fensterfronten. Dadurch fällt viel Licht in die Wohnräume, was ich sehr schätze.

Was muss das perfekte Haus unbedingt haben?

Ein perfektes Haus wäre für mich eine schöne sanierte Altbauvilla in Wasserlage. Das wäre eine Immobilie, in der ich mir vorstellen könnte, alt zu werden.

Haben Sie bei einer Immobilien schon einmal selbst Hand angelegt?

Ja, erstmals als meine Eltern ihr Haus gebaut haben, da habe ich viel mitgeholfen. Im letzten Jahr sollte eine große Anzahl an Wohnungen in einem unserer Objekte umgebaut und vermietet werden. Ich bin zu Beginn des Projekts einen ganzen Tag mit unserem Monteur vor Ort gewesen und habe zusammen mit ihm angepackt. Anfangs wollte er nicht glauben, dass ich es ernst meine. Dass der Chef mit anpackt, hat bei den Mitarbeitern eine große Motivation ausgelöst und wird sehr respektiert. Handwerklich zu arbeiten, bereitet mir großen Spaß, und ich mache zu Hause viel selbst, wenn es die Zeit erlaubt.

Wie haben Sie Ihr erstes Geld verdient?

Mit 14 habe ich schon viele Sachen auf Ebay verkauft. Als ich dann 18 wurde und noch zur Schule ging, habe ich gebrauchte Autos gekauft, sie hergerichtet und wieder verkauft.

Wie haben Sie den Weg in die Immobilienwirtschaft gefunden?

Das war eher Zufall. Ich habe immer in Bereichen mit technischem Bezug gearbeitet. Für mich war klar, dass ich nach meinem MBA in Hongkong im Management arbeiten möchte. Durch Zufall wurde ich auf eine Stelle als Geschäftsführer eines Projektentwicklers in Berlin aufmerksam. Ich habe mich direkt beworben, denn die Stelle passte einfach zu meinem Profil, gefragt waren technische, kaufmännische und juristische Kenntnisse. Mit dem Gesellschafter habe ich mich auf Anhieb sehr gut verstanden, so dass ich bereits von Hongkong aus meinen Arbeitsvertrag unterschreiben und mit der Arbeit beginnen konnte.

Was braucht man Ihrer Einschätzung nach, um es in Ihrem Job zu etwas zu bringen?

Man darf sich von schlechten Nachrichten nicht verunsichern lassen. Ich glaube, dass es wichtig ist, an der eigenen Strategie festzuhalten – unabhängig davon, was die Masse sagt. Man sollte das tun, was man kann und womit man erfolgreich ist. Und wenn man glaubt, dass die Zeit reif ist für einen Schritt, dann sollte man ihn auch gehen, unabhängig davon, wie der Markt gerade tickt. Meiner Erfahrung nach sind schlechte Prognosen oft Übertreibungen. Man malt den Markt für die nächsten zehn Jahre schwarz und später stellt sich heraus, dass es zwar schwierig war, aber nicht so schlimm wie vorhergesagt.

Wie feiern Sie Ihre Erfolge?

Wir feiern eher im kleinen Kreis oder veranstalten kleinere Events im Unternehmen. Außerdem laden wir unsere Mitarbeiter und Geschäftsfreunde regelmäßig zu den von uns gesponserten Sportevents ein.

Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?

Misserfolge gehören genauso zum Geschäft wie Erfolge. Ich lasse mich davon nicht unterkriegen, mache einfach weiter und versuche es so lange, bis es klappt – das ist meine Strategie. Zudem versuche ich aus meinen Fehlern zu lernen, um es beim nächsten Anlauf besser zu machen.

Was wären Sie heute gerne, wenn nicht Immobilienprofi?

Ich war schon früh unternehmerisch tätig und mir macht es Spaß, Unternehmen aufzubauen und weiterzuentwickeln. Ich würde in einem anderen Unternehmen die gleiche Position besetzen.

Was finden Sie an der Immobilienbranche besonders gut?

Die Vielseitigkeit! In der Projektentwicklung und im Bestandsmanagement arbeitet man mit ganz unterschiedlichen Partnern zusammen, zum Beispiel aus dem kaufmännischen und dem technischen Bereich. Mir macht es Spaß, mit unterschiedlichen Menschen in Kontakt zu kommen, vom Mieter über den Architekten bis hin zum Ingenieur. Das macht meinen Arbeitsalltag sehr abwechslungsreich.

Und was stört Sie an der Branche?

Was mich etwas stört, ist, dass in den Boomjahren einige unprofessionelle Akteure auf den Markt gekommen sind, was dem Ruf der Branche geschadet hat. Aufgrund der niedrigen Zinsen dachten viele, dass sich damit leicht Geld verdienen ließe. Jetzt sehen wir aber das Gegenteil, der Markt konsolidiert sich wieder.

Baulöwe, Miethai, Heuschrecke: Leute, die mit Immobilien Geld verdienen (wollen), haben nicht immer den besten Ruf. Zurecht?

Wenn ich im privaten Umfeld erzähle, dass ich in der Immobilienbranche tätig bin, bekomme ich manchmal die scherzhafte Antwort „Bis vor Kurzem warst du mir noch sympathisch“ oder „Ach, ein Immobilienhai“. Das ist nicht ernst gemeint, aber es spiegelt doch wider, was die Leute oft über Vertreter der Branche denken. Und ja, ich glaube, die Immobilienbranche hat einen zu schlechten Ruf. Das Problem ist, dass dies von einzelnen schwarzen Schafen herrührt, über die jedoch sehr medienwirksam berichtet wird. Die meisten Branchenvertreter bieten gute Immobilien zu fairen Preisen an und bemühen sich um ein gutes Verhältnis zu allen Beteiligten. So ist auch unser Selbstbild.

Sie würden jungen Leuten raten, den Weg in die Immobilienwirtschaft einzuschlagen, weil…

… weil man in dieser Branche vorankommt, wenn man ehrgeizig ist und zeigt, was in einem steckt. Wichtig ist, dass man seine Leistungsbereitschaft zeigt. Man sagt den jungen Leuten heute nach, dass sie mehr auf ihre Work-Life-Balance achten und nicht mehr so leistungsfähig sind. Dieser Ruf haftet ihnen vielleicht zu Unrecht an, aber ich würde ihnen empfehlen, sich davon abzuheben, indem sie zeigen, was in ihnen steckt.

Haben Sie eine Lieblingsimmobilie?

Ich mag schöne alte Häuser. In Potsdam gibt es viele schöne Altbauten, die mir sehr gut gefallen. Wenn ich mir dort eine Immobilie aussuchen müsste, würde es mir nicht schwerfallen.

Und welches Gebäude in Deutschland würden Sie gerne abreißen und warum?

Was in den 70er Jahren gebaut wurde, finde ich nicht besonders schön. Aber es gibt kein Gebäude, das ich abreißen möchte. Ich finde, alles gehört irgendwie dazu, schließlich können beispielsweise auch DDR-Bauten ihren Reiz haben. Es kommt auf den Kontext an.

Was bringt Sie privat auf die Palme? Und was beruflich?

Ich weiß, dass es nichts bringt sich aufzuregen, also versuche ich, privat und beruflich in jeder Situation ruhig zu bleiben. Wenn Leute ignorant sind, kann ich mich schon mal aufregen, aber das kommt wirklich selten vor.

Wo oder wie können Sie sich besonders gut entspannen oder abschalten?

Daheim in meinem Garten oder im Urlaub in der Sonne.

Wenn Sie an Ihren letzten Urlaub denken, denken Sie an was …?

… an eine schöne Bucht in Ägypten mit sehr warmen Badetemperaturen im Dezember. Es war herrlich, wir hatten strahlenden Sonnenschein und konnten einfach nur entspannen.

Homeoffice, Büro oder mobil in der Bahn? Wo arbeiten Sie am häufigsten, wo am liebsten und warum?

Ich finde, dass sowohl das Büro als auch das Homeoffice Vorteile haben. Zuhause kann ich in Ruhe Dinge abarbeiten, im Büro bekommt man aber auch Dinge mit, die einem daheim entgehen würden. Deshalb finde ich beides wichtig und nutze auch beides. Wenn ich Termine habe, fahre ich lieber mit dem Auto als mit dem Zug.

Und für welches rein private Vergnügen haben Sie zu wenig Zeit?

Für den Sport. Ich versuche, ihn regelmäßig in meinen Alltag zu integrieren, aber zwischen Beruf und Familie kommt er oft zu kurz. Wenn man sich wie ich in einer Kampfsportart verbessern will, muss man sehr regelmäßig trainieren.

Wie und wo gehen Sie gerne aus?

Ich gehe gerne in Potsdam oder in Charlottenburg gut essen oder besuche kulturelle Veranstaltungen, aus dem Club-Alter bin ich mittlerweile raus.

Mit welcher berühmten Persönlichkeit würden Sie gerne mal einen Abend verbringen?

Ich würde Richard Branson gerne einmal treffen, weil ich finde, dass er ein interessanter Unternehmer ist. Ich finde es spannend, wie er seine Unternehmen aufgebaut hat, und denke, dass er mir spannende Anregungen für meine Arbeit geben könnte. Mit ihm würde ich auch gerne einmal für einen Tag tauschen, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte.

Verraten Sie uns auch noch Ihr Lieblingsgericht?

Ich mag die mediterrane Küche sehr. Da ich schwedische Wurzeln habe, mag ich auch die schwedische Küche sehr gern – da gibt es sehr viel Spannendes mehr als nur Köttbullar. Außerdem habe ich durch meine Frau die osteuropäische Küche für mich entdeckt.

Gibt es etwas im Ausland, was Sie in Deutschland vermissen?

Mit Blick auf Hongkong vermisse ich in Deutschland die Effizienz. Wenn ich die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin mit denen in Hongkong vergleiche, ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht. Als ich von Hongkong nach Berlin kam und in die U-Bahn gestiegen bin, fiel mir auf, dass wir keinen Internetempfang in der U-Bahn und immer noch Fenster zum Aufklappen haben. Das war ein Gefühl, als sei ich 30 Jahre in die Vergangenheit gereist. In Hongkong ist jede U-Bahn klimatisiert und man hat überall in der U-Bahn einen top Empfang, man kann sich von dort aus problemlos Filme auf dem Handy anschauen.

Sie haben 100.000 Euro zur freien Verfügung und müssen das Geld komplett ausgeben – welchen Traum erfüllen Sie sich?

Ich würde das Geld lieber spenden, weil es Menschen gibt, die es dringender brauchen als ich.

Die Fragen stellte Janina Stadel.

Janina Stadel

Reuter soll C&W in Deutschland führen

Tina Reuter ist schon jetzt Mitglied des EMEA Strategic Leadership Teams von C&W.

Tina Reuter ist schon jetzt Mitglied des EMEA Strategic Leadership Teams von C&W.

Quelle: Cushman & Wakefield

Karriere 18.04.2024
Tina Reuter soll Insidern zufolge Deutschlandchefin von Cushman & Wakefield (C&W) werden. Damit würde sie Yvo Postleb nachfolgen, der im Winter sang- und klanglos das Maklerhaus ... 

Tina Reuter soll Insidern zufolge Deutschlandchefin von Cushman & Wakefield (C&W) werden. Damit würde sie Yvo Postleb nachfolgen, der im Winter sang- und klanglos das Maklerhaus verlassen hat.

Seit Anfang Dezember lässt C&W offen, wer die deutsche Tochter künftig führen wird. Im Winter hieß es auf Anfrage lediglich, Postleb werde "für einen längeren Zeitraum abwesend sein"; Tina Reuter, Head of Asset Services für Europa, solle "in seiner Abwesenheit vorübergehend die Verantwortung für Deutschland übernehmen".

Wie lange Postleb abwesend sein soll und ob er überhaupt wiederkommen wird bzw. wer ihm folgen soll – das sind Fragen, die C&W seit mehr als vier Monaten offen lässt. Ein Vakuum an der Spitze des Unternehmens mit 350 Beschäftigten. Noch wird Postleb auf der Internetseite von C&W als Managing Director Germany und Head of Germany geführt.

Jetzt aber ist aus gut unterrichteten Kreisen zu hören: Reuter wird den Chefposten übernehmen. Noch im April soll der Vertrag mit ihr unterschrieben werden. C&W bleibt dabei wortkarg. "Ich kann dies aktuell nicht kommentieren", sagte eine Sprecherin auf Anfrage der Immobilien Zeitung (IZ). Auch Reuter selbst wollte gegenüber der IZ keinen Kommentar abgeben.

Reuter ist derzeit als Executive Partner verantwortlich für die Leitung und Entwicklung des Asset-Services-Geschäfts in Europa, über das rund 32 Mio. qm Gewerbefläche verwaltet wird, das 14 Länder abdeckt und mehr als 1.350 Mitarbeiter beschäftigt. Als Mitglied des EMEA Strategic Leadership Teams von C&W ist sie zudem mitverantwortlich für die strategische Ausrichtung des Gesamtunternehmens in Europa. Reuter verfügt über mehr als 20 Jahre internationale, bereichsübergreifende Führungserfahrung in der Immobilienbranche. Seit 2013 ist sie für C&W tätig.

Im Februar hatte Reuter der IZ erklärt, sie wolle die Dienste bei C&W bündeln sowie das Angebot breiter und diverser aufstellen. "Neben unserem bisherigen Office-Fokus stärken wir auch die Bereiche Residential, Healthcare und Logistik", sagte sie. "Unser Fokus liegt – als Teil unserer globalen Strategie – auf drei Prioritäten: Stärkung des Kerngeschäfts, effiziente Arbeit und Beratung sowie nachhaltiges, organisches Wachstum." C&W sehe den mittel- und langfristigen Erfolg nicht in der Konzentration auf wenige Bereiche, sondern "in gesamtheitlichen Lösungen".

Mit Alexander von Erdély bei CBRE und Matthias Leube bei Colliers hatten neben Postleb im vergangenen Winter auch zwei andere Topmanager von großen Gewerbemaklern ihre Posten abgegeben.

Peter Dietz