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Vorläufiges Ende im Regensburger Spendenskandal

Bis zur zumindest teilweisen Aufarbeitung der Regensburger Immobilienaffäre war es ein weiter Weg.

Bis zur zumindest teilweisen Aufarbeitung der Regensburger Immobilienaffäre war es ein weiter Weg.

Quelle: Pixabay, Urheber: Leonhard Niederwimmer

Köpfe 03.02.2023
Der Regensburger Bauunternehmer Volker Tretzel ist im Bestechungsprozess um den ehemaligen Oberbürgermeister Joachim Wolbergs zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ... 

Der Regensburger Bauunternehmer Volker Tretzel ist im Bestechungsprozess um den ehemaligen Oberbürgermeister Joachim Wolbergs zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Damit ist aus Sicht der Immobilienbranche der wesentliche Teil der Regensburger Bestechungsaffäre aufgearbeitet.

Die Strafkammer am Münchner Landgericht verurteilte den Gründer des Regensburger Immobilienunternehmens Bauteam Tretzel (BTT) außerdem zu einer Geldstrafe in Höhe von 1,5 Mio. Tretzel habe sich der Vorteilsgewährung schuldig gemacht und gegen das Parteiengesetz verstoßen.

Tretzel hatte, wie andere Regensburger Bauträger auch, dem damaligen Oberbürgermeister-Kandidaten der Stadt, Joachim Wolbergs (damals SPD), im Wahlkampf und danach über Strohmänner erhebliche Spenden und andere Vergünstigungen zukommen lassen. Ein früherer Geschäftsführer der BTT, der das Regensburger Spendensystem mitorganisiert hatte, erhielt ein Jahr und drei Monate auf Bewährung sowie eine Geldstrafe.

Um sich „Wohlwollen“ zu sichern

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Allerdings hatten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zuvor verständigt, sodass eine Berufung unwahrscheinlich ist. Nachdem der 80-jährige Tretzel jahrelang eine Bestechungsabsicht verneint hatte, legte er zu Prozessbeginn ein Geständnis ab. Darin gab er zu, Spenden an Wolbergs Ortsverein gestückelt zu haben, um sie nicht öffentlich machen zu müssen. Mit dem Geld habe er sich „das Wohlwollen“ des späteren Oberbürgermeisters sichern wollen. Da gelang offenbar auch. In Regensburg gab es in der Folgezeit immer wieder Irritationen über Zuschläge von städtischen Grundstücken und die Genehmigung von Baurecht für Regensburger Immobilienunternehmen.

Damit ist – was die Seite der Immobilienwirtschaft angeht – der wesentliche Teil der Regensburger Bestechungsaffäre aufgearbeitet. Anfang 2017 ließ die Staatsanwaltschaft Regensburg unter anderem Wolbergs und Tretzel wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Bestechung verhaften.Im Verlauf der Ermittlungen stellte sich heraus, dass auch andere Regensburger Immobilienunternehmen großzügige Spender waren. Später gab es immer wieder auffällig Vergaben von städtischen Grundstücken an die Unternehmen. Mehrere Personen, darunter die Immobilienunternehmer Thomas D. und Ferdinand S. wurden mittlerweile verurteilt oder akzeptierten Strafbefehle.

Joachim Wolbergs Prozess steht noch aus

Tretzel und Wolbergs wurden 2019 in Regensburg zwar schuldig gesprochen. Die Strafen fielen allerdings sehr milde aus. Tretzel bekam zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und 500.000 Euro Geldstrafe. Wolbergs ging sogar straffrei aus. Der Bundesgerichtshof hob die Urteile später auf. Nun bekam Tretzel eine härtere Strafe. Der Fall Wolbergs muss noch neu verhandelt werden. Dann dürfte relevant sein, dass Tretzel jetzt zugegeben hat, die Spendenpraxis mit Wolbergs besprochen zu haben. Wolbergs und seine Anwälte haben allerdings eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, die noch nicht entschieden ist.

Alexander Heintze

Funke, der Antipath

Ex-HRE-Chef Georg Funke

Ex-HRE-Chef Georg Funke

Bild: HRE

Köpfe 01.07.2010
Sich Freunde machen war noch nie eine große Leidenschaft von Georg Funke. Wozu auch? Was für den ehemaligen Vorstandschef der Hypo Real Estate (HRE) zählte, war allein das Geschäft, ... 

Sich Freunde machen war noch nie eine große Leidenschaft von Georg Funke. Wozu auch? Was für den ehemaligen Vorstandschef der Hypo Real Estate (HRE) zählte, war allein das Geschäft, der Deal. Dafür arbeitete er hart. Das Menschliche? Unwichtig. Networking? Zweitrangig. Wenn Anfang Mai Funkes Klage auf Wiedereinstellung vor dem Münchner Landgericht verhandelt wird, werden die Gefühle wieder hochkochen. Es wird Beschimpfungen und Demütigungen geben. Vielleicht wird ihm sogar Hass entgegenschlagen. Das ist Funke aber egal. Was zählt, ist der Deal - dafür hat er immer gekämpft.

Ende April wird Georg Funke 55 Jahre alt. Etwas früh, um sich zur Ruhe zu setzen. Gerade für einen wie Funke. Der gebürtige Gelsenkirchener ist ein echtes Arbeitstier. Einer, der weiß, was er will und sich dafür mächtig ins Zeug legt.

Hochgearbeitet hat er sich. Vom Verwalter Essener Sozialwohnungen bei der Westdeutschen Wohnhäuser AG bis zum Chef eines weltweit aktiven DAX-Unternehmens. Als geradlinig, unprätentiös und pragmatisch beschreiben ihn Weggefährten von damals. Klingt positiv. Skrupellos, arrogant, größenwahnsinnig hingegen nicht. Auch das wird Funke nachgesagt.


Kein Abitur, keine Banklehre. Der 29-jährige Georg Funke bringt nicht gerade die klassischen Voraussetzungen für eine steile Bankerkarriere mit, als er 1984 bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank anheuert. Dafür jede Menge Immobilien-Knowhow.Funke ist ein Kind des Ruhrpotts. Am 29. April 1955 kommt er in Gelsenkirchen zur Welt. Nur wenige Kilometer entfernt, in Mülheim, drückt er die Schulbank, macht dort die Mittlere Reife. Einen Ort weiter, in Essen, lässt er sich 1972 bei der Westdeutschen Wohnhäuser AG zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft ausbilden. Wenig später wird er zur Thyssen Wohnstätten versetzt, spezialisiert sich auf die Bereiche Finanzen und Rechnungsprüfung und studiert an der Fachschule für Wohnungswirtschaft in Hösel.Dann Schluss mit Verwaltung von Sozialwohnungen, raus aus dem Ruhrpott. Funke geht 1984 nach München, wird Banker. Es dauert fünf Jahre, bis er eine führende Position bei der Hypo-Bank einnimmt: 1989 wird er Co-Leiter der Niederlassung London. Die angelsächsische Kultur prägt ihn, Funke liebt das Investmentbanking. Nach der Fusion mit der Bayerischen Vereinsbank zur HypoVereinsbank (HVB) steigt Funke 2000 in den Bereichsvorstand auf. Dann naht die Abspaltung des gewerblichen Immobiliengeschäfts aus dem HVB-Konzern. Funke packt die Gelegenheit beim Schopfe, sticht seinen Konkurrenten im Vorstand, Egbert Eisele, aus und wird 2003 Chef der Hypo Real Estate (HRE).

Leise repariert er die Bank, verkauft massenweise Problemkredite und verbrieft, was das Zeug hält. Erfolg auf ganzer Linie. Funkes HRE schreibt früher und höher als erwartet Gewinne. An der Börse wird gejubelt, die HRE schafft am 19. Dezember 2005 den Sprung in den DAX. Funke wird gefeiert.

Er selbst feiert nicht. Lieber schuftet er. Er weiß, dass er mit seiner HRE das Maximum erreicht hat. Wachsen geht nur noch über Zukäufe. Im Juli 2007 hat er den Depfa-Kauf unter Dach und Fach. Ein halbes Jahr später gerät die HRE in den Strudel der Finanzkrise. Im Oktober 2008 muss Funke seine HRE verlassen.


Nach Überzeugung eines ehemaligen Bankkollegen hatte er gar autistische Züge. Einmal sagte Funke zu ihm: "Sie brauchen keine Weihnachtskarten zu schreiben. Der Kunde kommt schon, wenn er was will." Die Beziehungen zu den Kunden hätten für Funke nie eine Rolle gespielt. "Ihn interessierte nur der Deal."

Seinen Geschäftspartnern blieb diese Einstellung offenbar nicht verborgen. Sympathien hat Funke in seinem Umfeld jedenfalls nicht geweckt. "Da war ein Rupert Hackl von der Eurohypo öfter in aller Munde, als es Funke jemals hätte sein können", so ein Kenner des Münchner Finanz- und Immobilienmarkts.
Selfmademan Funke

Genau der Richtige

Aber: Der Erfolg gab ihm Recht. Aus einem dürftig kapitalisierten und ertragsschwachen Unternehmen formte er innerhalb weniger Jahre eine hochprofitable Bank. Niemand in dem einstigen HRE-Mutterkonzern HypoVereinsbank (HVB) hatte das für möglich gehalten. "Funke war genau der richtige Mann für diesen Job", glaubt ein ehemaliger HVB-Manager.

Im Gegensatz zu seinen Kollegen war der Ruhrpottler kein traditioneller deutscher Hypothekenbanker. Das Finanzierungsgeschäft lernte er bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, einem der beiden Vorgängerinstitute der HVB, in London kennen. Kredite vergeben, bündeln, in Wertpapiere umwandeln und an Dritte weiterverkaufen - das war Funkes Verständnis vom Immobilienbanking, und das übertrug er eins zu eins auf die HRE. "Die HRE war gierig, forsch und mutig, aber nicht dilettantisch", stellt ein anderer hochrangiger Ex-HVB-Banker klar. "Die haben es verstanden, gute Leute von Mitbewerbern wegzukaufen", lobt ein Finanzexperte Funkes Geschick. Viel, aber durchaus gutes Geschäft habe seine Truppe gemacht. Sein persönliches Auftreten hat er als gutsherrenartig in Erinnerung. "Großen Widerspruch hat er jedenfalls nicht geduldet."

Zum Wachsen verdammt

Immer weiter, immer schneller - das Motto Funkes, wie es ein HRE-Angestellter beschreibt. "Sehr präsent" sei er gewesen, "immer ziemlich aufgebraust. Da war Dampf unter dem Kessel", sagt er. Starallüren habe er aber trotz des steilen Aufstiegs nicht gehabt. "Die dollsten Klamotten hat er nicht getragen, und sein Münchner Büro war so klein, dass man da nicht zu dritt sitzen konnte." Funke blieb bodenständig.

Trotz des atemberaubenden Erfolgs wusste Funke, dass er in einem Dilemma steckte. "Ich bin zum Wachsen verdammt", sagte er lange vor dem Depfa-Deal zu einem ihm bekannten Vorstand einer anderen Bank. Als dieser Kauf eingefädelt wurde, muss es nach Meinung des Bankers passiert sein: "Funke wurde größenwahnsinnig." Jeder in der Finanzbranche wusste, dass die Depfa "ein großes Rad dreht". Doch Funke hatte sich bereits entschieden. Er brauchte eine neue Story, nachdem die Übernahme der größeren Eurohypo zwei Jahre zuvor gescheitert war. "Funke war ein Gefangener seiner Wachtumsphilosophie. Die Depfa war eine Verzweiflungstat", ist er sich sicher.

Am 6. Mai starten die Verhandlungen vor dem Münchner Landgericht. Funke und zwei seiner ehemaligen Vorstandskollegen klagen gegen ihre fristlosen Kündigungen. Funke will seinen bis September 2013 laufenden Anstellungsvertrag wieder aufleben lassen und pro Jahr 800.000 Euro einstreichen. Außerdem klagt er auf Zahlung eines Ruhegelds von 560.000 Euro - jährlich.

Der letzte Kampf

Die HRE wirft Funke eine zu laxe Prüfung des Geschäftsmodells der Depfa-Gruppe angesichts der fortschreitenden Finanzkrise sowie mangelndes Liquiditäts-Risikomanagement vor. Der Bank liegen nach Auskunft des Aufsichtsrats deutliche Hinweise auf Pflichtverletzungen vor. Zu einem öffentlichen Tête-à-tête der Kontrahenten vor Gericht kommt es dabei nicht. Geführt werden die Verhandlungen als Urkundenprozess, bei dem die Parteien ihre Argumente schriftlich vortragen. Bis ein Urteil gesprochen wird, dürfte es dauern. "Da wird die ganze Bankenkrise aufgearbeitet", heißt es aus dem Umfeld der HRE.

Es dürfte der letzte große Kampf Funkes werden, zumindest in Deutschland. "Der wird hier seines Lebens nicht mehr glücklich", ist sich ein ehemaliger Mitarbeiter Funkes sicher. Seine zwei Kinder seien gemobbt worden. Angeblich weilt Funke mit seiner Familie bereits im Ausland. Seine beiden Münchner Villen werden derzeit jedenfalls nicht mehr von ihm bewohnt.

Nachtrauern wird ihm außer den engsten Bekannten vermutlich niemand. Auch nicht bei seinem alten Arbeitgeber: "Der hat hier viele Lebensläufe zerstört", klagt ein Angestellter der HRE.

3 Fragen an Lutz von Rosenstiel

Herr von Rosenstiel, wie konnte aus dem bodenständigen Georg Funke ein größenwahnsinniger Banker werden?

Herr Funke ist aus meiner Sicht nicht größenwahnsinnig. Man muss beachten, in welcher Welt er lebt, und die dort geltenden Normen und Werte erkennen. Er besitzt ein anderes Wertesystem als die Mehrheit der Bevölkerung. Die Selbstwahrnehmung und die Normen haben sich verschoben. Aus seiner Sicht hat er keinen Fehler begangen. Er fühlt sich vielmehr als Sündenbock für alle anderen. Ihm fehlt die Sensibilität und das Fingerspitzengefühl, um zu registrieren, dass er mit seinem Handeln anderen Menschen geschadet hat. Ein schlechtes Gewissen wird er deswegen aber nicht haben.

Wenn es nicht um Größenwahn geht, dann vielleicht um Schizophrenie oder Autismus?

Das kann ich nicht beurteilen, weil ich ihn nicht persönlich kenne. Wenn ich von dem ausgehe, was in den Medien zu lesen ist, hat Herr Funke aber vermutlich alles, was nicht in seine Wirklichkeit passt, ausgeblendet. Er lebt in einer Welt, in der alles stimmig und konsistent ist. Die Fehler machen dort andere.

Gibt es Chancen, Herrn Funke aus seiner Wirklichkeit herauszuholen, damit er etwas Einsicht zeigt?

Ich glaube, das ist möglich. Man müsste ihm die Chance geben, sich mit einem ruhigen Moderator die konkreten Folgen seines Handelns anzuschauen, daraus zu lernen und die eigenen Werte zu überprüfen. Das funktioniert natürlich nicht in einem aggressiven Umfeld der Konfrontation. Dabei fühlt er sich überrannt.

Prof. Lutz von Rosenstiel lehrte an den Universitäten Augsburg und München Wirtschaftspsychologie und ist Autor und Mitherausgeber von zahlreichen Fachbüchern und -beiträgen zum Thema Organisations- und Marktpsychologie sowie psychologischer Diagnostik.

Nicolas Katzung