Zwischen Quotenfrau und Superwoman

Frauen, die in der Immobilienbranche reüssieren wollen, müssen schon - so will es manchmal scheinen - über Superkräfte verfügen.

Frauen, die in der Immobilienbranche reüssieren wollen, müssen schon - so will es manchmal scheinen - über Superkräfte verfügen.

Quelle: Fotolia.com, Urheber: lassedesignen

Karriere 19.10.2017
Ohne Mithilfe der Arbeitgeber wird flächendeckende Chancengleichheit für Frauen in der männlich geprägten Immobilienbranche eine schöne Idee bleiben. Dass Frauen, die Karriere machen, ... 

Ohne Mithilfe der Arbeitgeber wird flächendeckende Chancengleichheit für Frauen in der männlich geprägten Immobilienbranche eine schöne Idee bleiben. Dass Frauen, die Karriere machen, mitunter als Quotenfrauen verschrien sind, gehört zu den unvermeidlichen Kollateralschäden des Wandels. Unternehmen, die diesen aktiv gestalten, tun sich selbst einen Gefallen.

Pinkelpause bei einem global operierenden Immobilien-Investment-Manager. Die Herren, die der Natur gemeinsam freien Lauf lassen, sind in schlechter Stimmung: Wieso denn die Wahl nicht auf einen von ihnen, sondern ausgerechnet auf Frau x gefallen sei? Kann ja wohl nur daran liegen, dass hier - ganz dem Zeitgeist entsprechend - jetzt auch mal eine Frau an der Spitze stehen soll. Der neuen Chefin haftete nun das Stigma an, dass sie den Posten nur bekommen hat, weil sie eine Frau ist.

Das Unternehmen, um das es in obiger Anekdote, die der IZ aus zuverlässiger Quelle zugetragen wurde, gibt Frauen zunehmend Zugang zu Entwicklungsprogrammen und damit auch zu Talent-Pools für eine langfristige Nachfolgeplanung. So gesehen ist Frauenförderung ein zweischneidiges Schwert: Frauen in Spitzenpositionen gelten schnell als Quotenfrau - und meinen womöglich, Superwoman sein zu müssen, um jeden Zweifel über die Berechtigung ihrer Berufung zu ersticken.

"Solange das Frausein ein Thema ist, so lange werden Frauen denken, dass sie eine Extrameile gehen müssen. Und es reicht ja schon, dass sie das denken", sagt Tobias Just, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der Irebs-Akademie, der von Berufs wegen viel mit karrierebewussten Frauen zu tun hat. Doch so zu tun, als würde sich das mit der Gleichstellung von alleine regeln, weil Unternehmen es sich angesichts von demografischem Wandel und - von vielen Arbeitgebern beklagtem - Fachkräftemangel heute eh nicht mehr leisten könnten, sich Potenzialträger gleich welchen Geschlechts entgehen zu lassen, geht an der Realität vorbei. "Wir sind mit Sicherheit noch nicht da, wo wir sein sollten: dass diskriminierungsfrei allein auf Erfolgsbeiträge, Qualifikation und Kompetenz geachtet wird", ist sich Just sicher.

Vor allem Führungsposten werden oft auf informellem Wege vergeben. Da sei im Vorteil, "wer Zugang zu den Old Boys' Networks hat. Deshalb bekommen Sie von mir ein klares Ja für die Frauenquote. Erst dann wird sich was in den Vorstandsetagen ändern", sagt Jovita Galster-Döring, Vorstandsmitglied des Vereins Frauen in der Immobilienwirtschaft.

Erika Werres, Leiterin Planen und Entwicklung bei der WvM Immobilien und Projektentwicklung in Köln, hält nichts von einer Frauenquote. Sie sieht den Knackpunkt woanders: "Das ist in meinen Augen nicht der richtige Ansatz. Viel wichtiger ist, dass die Bezahlung in gleichen Positionen angeglichen wird." Nur so würden, sobald die Familienplanung ansteht, nicht mehr wie bisher oft automatisch die Frauen zuhause bleiben, "sondern sicher auch ein paar mehr Männer die Erzieherrolle übernehmen bzw. in Teilzeit arbeiten".

22% - so viel verdienen Frauen laut dem "Women in Work Index" von PwC weniger als Männer. Geht es mit der bisherigen Geschwindigkeit weiter, dauert es bis zum Jahr 2297, bis sich die Lohnlücke schließt. In Zahlen wie diesen kommt auch zum Ausdruck, dass sich Frauen tendenziell für schlechter bezahlte Branchen bzw. Berufe entscheiden, länger in Elternzeiten gehen und seltener in Führungspositionen anzutreffen sind etc. Bereinigt liegt die sogenannte Gender Pay Gap in Deutschland zwischen ca. 2% und 7%, je nachdem, wer es berechnet und wie er das macht.

Headhunter, die Positionen in der Immobilienbranche besetzen und mit denen die IZ gesprochen hat, bejahen, dass es natürlich auch in der Immobilienwirtschaft eine Gender Pay Gap gibt. Sie beziffern das Delta auf durchschnittlich 5% bis 15%. Wohlgemerkt: auf vergleichbaren Positionen. "Das Gehalt für eine vakante Position ist ja nicht von Anfang an in Stein gemeißelt. Es gibt eine Bandbreite, innerhalb der sich der Arbeitgeber und die Kandidaten bewegen", sagt Kathrin von Hardenberg, Gründerin und Geschäftsführerin von Indigo Headhunters aus Frankfurt. Und diesen Spielraum nutzen männliche Bewerber eben entschlossener aus als weibliche.

"Kein Kunde von uns stellt sich hin und sagt, wir zahlen der Frau maximal nur das und das, einem Mann würden wir aber grundsätzlich mehr zahlen", ergänzt Richard-Emanuel Goldhahn, Deutschland-Geschäftsführer von Cobalt Recruitment. Dass Frauen weniger verdienen, führt auch Goldhahn darauf zurück, dass "sie meist auch weniger fordern, schon beim Berufseinstieg". Und dieser Rückstand potenziere sich natürlich mit der Zeit.

Ein weiteres, zugegeben ziemlich vages, Indiz dafür, dass die Chancengleichheit der Geschlechter trotzdem auch und insbesondere in der Immobilienwirtschaft noch nicht flächendeckend Realität ist, ist die ungleiche Gewichtung der Frauen- und Männeranteile auf einschlägigen Branchenveranstaltungen. Auf dem IZ-Karriereforum, einer Jobbörse vor allem für Nachwuchskräfte, sieht man nicht weniger junge Damen als Herren. Doch auf der großen Expo Real und noch mehr auf der Mipim in Cannes, wohin vor allem Führungskräfte reisen dürfen, ist das männliche Übergewicht schier erdrückend.

Selbst in Unternehmen, die ein mehr oder weniger ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in der Gesamtbelegschaft haben, neigt sich die Waage immer mehr Richtung Mann, je höher hinauf es geht. Warum ist das so? Und wann wird es sich ändern? "Das wird sich erst dann ändern, wenn wirklich alle Unternehmen aktiv Frauenförderprogramme anbieten", sagt Galster-Döring. Denn Frauen seien in ihrer Karriere "strukturell benachteiligt, häufig unbeabsichtigt und unbewusst". Sie würden bei gleicher Leistung schlechter beurteilt und seltener für Führungspositionen vorgeschlagen. Ihnen werde, auch aufgrund mangelnder Vorbilder, weniger zugetraut - ein Teufelskreis.

Ein Vergleich der Frauenanteile der Weiterbildungsstudiengänge an Justs IrebsAkademie einerseits und im universitären Erststudium andererseits legt den Verdacht nahe, dass Frauen tatsächlich nicht ähnlich stetig unterstützt werden wie Männer. So liegt z.B. der Frauenanteil im Kontaktstudium Immobilienökonomie im Schnitt der letzten Jahre bei nicht einmal einem Drittel, während der entsprechende Wert im Studiengang Master of Real Estate am Irebs Institut für Immobilienwirtschaft an der Uni Regensburg im Mittel der letzten Jahre rund 50% beträgt.

Strategien zur Karriereentwicklung von Frauen haben bislang nur verschwindend wenige Arbeitgeber ausgearbeitet, wie unlängst eine Umfrage von Kenneweg Property Personalberatung bestätigte. "Ich kann nicht erkennen, dass es einer besonderen Frauenförderung bedarf", sagt Anita Bellmann, Leiterin Konzernpersonalabteilung der Immobiliengruppe Rhein-Neckar mit ca. 1.000 Mitarbeitern, zu der auch der Mannheimer Property- und Facility-Manager Treureal gehört. "Und Frauen machen bei uns auch genauso Karriere wie Männer. Wer die entsprechenden Kompetenzen mitbringt, bekommt auch seine Chance", versichert Bellmann. Für einen wichtigen Aspekt der Mitarbeiterbindung hält Bellmann Vertrauensarbeitszeit: die Freiheit, sich seine Zeit selbst einzuteilen. Dies umfasse auch die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten - ohne dadurch Nachteile zu erleiden.

Geschlechterspezifischen Programme, die auf eine Führungslaufbahn vorbereiten, sucht man auch beim Facility-Manager Piepenbrock vergebens. Und "dafür sehen wir auch in der Zukunft keinen Bedarf", sagt Claudia Schopf, Leiterin Personalentwicklung und Recruiting. Dafür bietet der Osnabrücker Gebäudedienstleister angehenden Führungskräften aller Art Seminare mit Modulen zu Selbstführung, Mitarbeiterkommunikation oder zur Weiterentwicklung vom Kollegen zum Vorgesetzten an.

Auch Deutschlands größter Immobilienentwickler, die Zech-Gruppe, hat kein Programm zur Frauenförderung aufgelegt. Allerdings besteht das Immobilienimperium von Zech aus vielen unternehmerisch selbstständigen Einheiten, die zwar kapitalseitig mit der Management-Holding verbandelt sind, aber sonst weitgehend ihr eigenes Ding machen. Der Projektentwickler und Asset-Manager Art-Invest Real Estate Management ist mit aktuell 136 Mitarbeitern schon eines der großen Häuser unter dem Zech-Dach. Für ein regelrechtes Frauenförderprogramm ist Art-Invest aber offenbar immer noch zu klein. Rüdiger von Stengel, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter, hält dergleichen jedenfalls für entbehrlich, weil "wir sowieso nur auf die Leistung gucken".

Dass Frauen es in einer technik- und baulastigen sowie angeblich netzwerkbedürftigen Profession wie der Projektentwicklung schwerer haben könnten als Männer, mag der Art-Invest-Chef nicht recht glauben: "Wir haben bislang nur gute Erfahrungen mit Frauen gemacht, auch in der Projektleitung!" Und die Sache mit der Vereinbarkeit? "Die technische Leiterin arbeitet auf Vier-Tage-Basis." Termine könne man planen - zumal, wenn man wie Art-Invest als Bauherr am längeren Hebel sitze. "Ist doch alles machbar. Niemand muss Meetings nach 17 Uhr abhalten. Und mit der ganzen Elektronik kann man auch mal abends seine Mails abarbeiten." Die mangelnde Präsenz von Frauen insbesondere auf höheren Etagen führt von Stengel nicht zuletzt darauf zurück, dass "Frauen oft der entscheidende Wille zum Führen fehlt".

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ein männlicher Wettbewerber in der Regel keine Angst vor einer Doppelbelastung haben muss, weil er - wenn er denn Kinder hat - diese in aller Regel an seine Frau delegiert. "Wir stellen fest, dass die Väter in der Regel zwei Monate Elternzeit nehmen und der Löwenanteil immer noch von Frauen getragen wird. Zusätzlich sind es in den allermeisten Fällen die Frauen, die in Teilzeit zurückkehren", sagt Sandra Scholz, Vorstandsmitglied der Commerz Real.

Der Fondsmanager fördert Betriebskitas und vermittelt Betreuungsplätze, und auch in Notfällen springe man den Eltern bei. "Wir kommen unseren Mitarbeitern auch bei der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsort entgegen. Mit den neuen Medien ist das heute sehr viel einfacher." Bestimmte Tage für Home-office zu reservieren, erlaube eine Vielzahl der Tätigkeiten: "Für Kundentermine und Meetings müssen feste Tage im Büro definiert werden", so Scholz.

Katrin Eming schafft es offenbar ganz gut, in der Immobilienwirtschaft auch mit Kind Karriere zu machen. Eming ist SeniorProjektentwicklerin und Geschäftsführerin einer Projektgesellschaft der Wohnkompanie NRW, die auch zur Zech-Gruppe gehört. Die 38-Jährige hat einen 36-Stunden-Vertrag - und einen "durchgeplanten Tagesablauf". Dass es mit Kind und Karriere klappt, liegt nicht zuletzt daran, "dass ich in der Funktion als Geschäftsführerin und Bauherrin einen größeren Spielraum habe, dass ein funktionierendes Team hinter mir steht und mein Job nicht nur vom Schreibtisch aus erledigt werden kann."

Nicht jede Immobilienfrau, die Kinder bekommt, bleibt in der Branche treu. So entpuppt sich die 35-jährige Personalberaterin Dorothee de la Camp im Gespräch selbst als studierte Immobilienspezialistin. Ihre alte Tätigkeit im Asset-Management konnte die zweifache Mutter nur schwer in Teilzeit fortführen. Sie wandte sich daher an die Personalberatung Kollmannsperger Executive Search, die sie schon in der Vergangenheit besetzt hatte. Managing Partner Jutta Heusel fand zwar keine passende (Teilzeit-!) Stelle in der Immobilienbranche für de la Camp, stellte die ihr bereits gut bekannte Kandidatin dafür aber selbst ein.

Iris Dilger hat keine Kinder: "Ich hatte immer die Möglichkeit, mich voll auf den Job zu konzentrieren. Dies war sicherlich auch ein Grund, warum ich es zu meiner Position bringen konnte." Dilger gründete mit der Zech-Gruppe die Wohnkompanie Rhein-Main. Vorher baute sie beim ehemaligen Hochtief-Wohnentwickler formart die Frankfurter Niederlassung auf. Sie fühle sich manchmal schon als Quotenfrau, bekennt sie scherzhaft.

Sie kenne viele Frauen, so Dilger, die Karriere machen wollten, aber scheiterten: "Erfolgreiche Frauen mit Kindern - ob in der Immobilien- oder einer anderen Branche - zerreißen sich! Und haben am Ende doch nur das Gefühl, dass sie beiden Aufgaben nicht gerecht werden ..." Über sich selbst sagt Dilger ehrlich: "Ich hätte nicht mit Kindern meine Karriere machen können oder auch wollen." Ein(e) Projektentwickler(in) lebe vom Netzwerk: "Als Projektentwicklerin muss man Grundstücke finden. Der Makler muss als erstes an mich denken - und damit er das tut, muss ich bekannt sein." Ein-, zweimal die Woche abends auf Networking-Veranstaltungen zu gehen, helfe.

"Das Thema Vereinbarkeit stellt sich für viele Frauen gar nicht, weil sie keine Kinder haben", stellt Heusel, die vor allem erfahrene Spezialisten und Führungsfiguren zu ihren Mandaten lotst, fest. Denn nur ca. jede fünfte Frau, die sie vermittelt, hat Kinder. "In der Immobilienwirtschaft geht es um viel Geld, da sind lange Arbeitszeiten eine Selbstverständlichkeit." Wer Nine to Five arbeiten will bzw. muss und keine (oder nicht allzu viele) Überstunden schieben will bzw. kann, wird nicht bedacht, wenn höhere Weihen verliehen werden. Die Männer, die die Branche dominieren, sind lange Arbeitszeiten gewohnt, und erwarten das auch von anderen.

"Die Bereitschaft, Teilzeitstellen zu schaffen, ist in der Branche insgesamt immer noch relativ schwach ausgeprägt und sehr ungleich verteilt", konstatiert Thomas Beyerle, Group Head of Research von Catella, der 2012 die erste Studie zu Frauen in der deutschen Immobilienbranche vorlegte. Immobilienfrauen mit Kindern wechseln deshalb gerne in den öffentlichen Dienst. Bedarf hat etwa der Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen (BLB NRW), der dem Landesgleichstellungsgesetz verpflichtet ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich der Anteil weiblicher Beschäftigter auf allen Ebenen mit strammen Schritten der 50%-Marke nähert.

Die Frauenförderpläne des Landesunternehmens sehen u.a. vor, dass Laptops für Heimarbeit bereitgestellt, "höherwertige Tätigkeiten" gezielt auch an teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen übertragen oder mindestens 50% Frauen zu "Potenzialanalyseverfahren" zugelassen werden. "Bei weiblichen Potenzialträgerinnen machen wir aber nix anderes als bei den männlichen auch", versichert Geschäftsführerin Gabriele Willems. "Wir achten nur darauf, dass es pari pari ist. Denn von selbst bewerben sich viel zu wenige Frauen aus den eigenen Reihen auf Führungspositionen."

Natürlich sind längst auch in privaten Unternehmen jede Menge Frauen zu finden: Von Stengels Art-Invest weist einen Frauenanteil von 45% auf, und bei der börsennotierten CA Immo mit 370 Mitarbeitern arbeiten mehr Frauen als Männer. Doch unter den Führungskräften ist bei Art-Invest nur noch jeder vierte Kopf ein weiblicher, und auch bei der CA Immo lag der entsprechende Wert Ende 2016 auch nicht viel höher (30%).

Dabei gibt sich der Gewerbeimmobilienentwickler laut Personalchefin Katharina Wild-Pelikan Mühe, Menschen mit Kindern über flexible Arbeitszeiten, Home-office oder Teilzeitbeschäftigung auch in leitenden Positionen entgegenzukommen. Bei der Nachbesetzung von Führungspositionen werden Mitarbeiterinnen aus den eigenen Reihen aktiv angesprochen, denn "Frauen tendieren dazu, etwas zurückhaltender zu sein, gerade wenn Nachwuchs da ist", so Wild-Pelikan. Im Recruiting-Prozess suche man ebenfalls gezielt nach Frauen: "Männer sind oft besser vernetzt." Und werden Kandidaten als gleich gut bewertet, wird bewusst weiblichen Bewerbern der Vorzug gegeben.

Headhunterin von Hardenberg kann bestätigen, dass manche Kunden sich für bestimmte Positionen mittlerweile explizit Frauen wünschen. Dennoch kommt auch sie um die Feststellung nicht herum: "Natürlich gehen viele Frauen auf der Karriereleiter verloren." Ein Grund für den Schwund: "Der nächste Karriereschritt ist in Teilzeit oft nicht machbar." Damit das nicht so bleibt, müsse sich in den Köpfen der Führungskräfte etwas ändern.

"Große Fortschritte hat es seit meinen eigenen Mutterschaftsurlauben vor über 30 Jahren nicht gegeben: Längere Auszeiten nehmen immer noch die Mütter. Und diese sind es auch, die oft in der Teilzeitfalle landen", sagt Bärbel Schomberg, die einzige Frau im achtköpfigen Vorstand des Verbands Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA). Viele Unternehmen nähmen sich zwar vor, mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen - "aber die wachsen ja nicht auf den Bäumen". Der ZIA plant daher, seinen Mitgliedern einen Werkzeugkasten fürs Diversity Management zusammenzustellen. Um zunächst eine fundierte Datengrundlage zu schaffen, hat er sich Unterstützung beim Fraunhofer-Institut geholt.

Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil der Führungsebene wirtschaften profitabler, besagen Studien. "Wenn wir von dieser Prämisse ausgehen, dann ist das gezielte Recruiting von Frauen die logische Konsequenz", sagt Sabine Wieduwilt, Partnerin bei der Kanzlei Dentons in Frankfurt. Aber stimmt die Prämisse überhaupt? Liesa Schrand ist dieser Frage in ihrer Doktorarbeit am Irebs Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg nachgegangen. Ja, Frauen in Spitzenpositionen von börsennotierten Immobiliengesellschaften haben einen positiven Einfluss - aber nicht etwa, wie die einschlägigen Studien besagen, auf bilanzielle Kennzahlen wie das operative Ergebnis. Doch an marktbasierten Kennzahlen sei dies sehr wohl abzulesen: "Investoren unterstellen, dass Frauen gut für die Corporate Governance sind - und honorieren einen erhöhten Frauenanteil darum mit einer höheren Bewertung der Aktie."

Männer bilden ja angeblich gezielter Netzwerke als Frauen. Wer sich vom Gegenteil überzeugen möchte, besuche den "3. Jahreskongress Immobilien-Frauen" von Heuer Dialog am 4. und 5. Dezember in Berlin. Denn merke: ohne Kontakte keine Karriere.

Harald Thomeczek

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Cobalt Recruitment spaltet Geschäft mit Top-Besetzungen ab

Richard-Emanuel Goldhahn ist seit vielen Jahren das Gesicht von Cobalt Deutschland.

Richard-Emanuel Goldhahn ist seit vielen Jahren das Gesicht von Cobalt Deutschland.

Quelle: Cobalt Recruitment

Karriere 18.02.2021
Mit Valdivia hat sich innerhalb weniger Monate eine zweite Agentur gegründet, die aus ehemaligen Führungskräften der auf die Immobilienbranche spezialisierten Personalberatung Cobalt ... 

Mit Valdivia hat sich innerhalb weniger Monate eine zweite Agentur gegründet, die aus ehemaligen Führungskräften der auf die Immobilienbranche spezialisierten Personalberatung Cobalt Deutschland besteht. Das lässt aufhorchen. Doch Geschäftsführer Richard-Emanuel Goldhahn erklärt die Strategie dahinter.

Immobilien Zeitung: Herr Goldhahn, das vergangene Jahr war für viele Unternehmen ein herausforderndes. Wie laufen derzeit die Geschäfte von Cobalt Deutschland?

Richard-Emanuel Goldhahn: Ich kann sagen, dass wir positiv überrascht sind. Wir mussten zwar im vergangenen Jahr aufgrund der Pandemie den ersten Umsatz- und Gewinnrückgang in unserer 13-jährigen deutschen Unternehmensgeschichte hinnehmen. Dieser fiel aber deutlich geringer aus, als wir zunächst befürchtet hatten. Wir haben die vergangenen zwölf Monate vor allem dazu genutzt, unsere Führungsmannschaft komplett umzubauen. Vor genau einem Jahr haben wir mit Doreen von Bodecker und Nicole Schwan zwei neue Geschäftsführerinnen ernannt. Beide sind langjährige und erfahrene Führungskräfte unseres Unternehmens und stehen für den kulturellen Wandel, den Cobalt derzeit vollzieht. Außerdem setzen wir in den Büros in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München auf neue Führungskräfte.

IZ: Worin besteht dieser kulturelle Wandel?

Goldhahn: Wir haben die Pandemiezeit vor allem dazu genutzt, uns auf unsere Unternehmenswerte und unsere Kernkompetenzen zu besinnen. Hierzu gehört neben einer klarer gelebten Führungskultur, die auf gegenseitigem Vertrauen, Wertschätzung, Transparenz und Leistungsorientierung beruht, unter anderem, dass wir vor allem Kandidaten zwischen etwa 40.000 und 200.000 Euro Jahresgehalt in den Bereichen Festanstellung, Interimmanagement und Arbeitnehmerüberlassung besetzen.

IZ: Nach der Gründung von Artes Recruitment ist Valdivia nun die zweite Agentur, mit der ehemalige Cobalt-Mitarbeiter eigene Wege gehen. Da frage ich mich: Was geht denn da bei Cobalt vor sich?

Goldhahn: Zunächst möchte ich betonen, dass Cobalt maßgeblich an der Gründung von Valdivia beteiligt war. Die Cobalt-Gruppe ist Hauptgesellschafter des Unternehmens. Die Umsetzung unserer eben beschriebenen Strategie macht es aber erforderlich, den Executive-Search-Bereich, d.h. Mandate im Gehaltssegment von deutlich über 200.000 Euro, vom Kerngeschäft zu trennen. Dieses Marktsegment gehört nicht zu unserem originären Schwerpunkt und lässt sich auch nur bedingt mit unserem Brot- und Buttergeschäft vereinbaren.

IZ: Also war es ein friedlicher Abschied von Ihrem früheren Berater und aktuellen Valdivia-Chef Daniel Bauer?

Goldhahn: Daniel Bauer ist einer der erfolgreichsten Cobalt-Berater aller Zeiten und war über die vergangenen Jahre nahezu ausschließlich mit Mandaten beauftragt worden, die in das Executive-Search-Segment fallen. Er hatte bereits seit einiger Zeit sein Interesse geäußert, sich im Bereich Executive Search weiterzuentwickeln. Er kennt dieses Marktsegment wie kaum ein anderer und es macht daher Sinn, dass er sich als Managing Partner um das neue Unternehmen kümmert. Wir freuen uns deshalb, dass wir ihn bei der Gründung der Valdivia Consulting unterstützen konnten.

"Wir haben bewusst Chinese Walls installiert"

IZ: Warum erfolgt die Trennung der einzelnen Geschäftsfelder nun so strikt?

Goldhahn: Wir wollten, dass Daniel Bauer und sein Team freie Hand bei der Strukturierung der Systeme und Prozesse sowie beim Außenauftritt des Unternehmens haben. Wir haben bewusst sogenannte Chinese Walls installiert; wir trennen also klar die Datenbank, das Marketing, den Vertrieb. Es gibt keinerlei Überschneidungen bei den Ressourcen. Wir wollten einfach das neue Geschäftsfeld von null aufbauen. Dies ist der Garant dafür, dass später jeder Kunde gemäß seinen Bedürfnissen bedient werden kann.

IZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Anke Pipke.

Anke Pipke

Nur auf Pause gedrückt, nicht auf Löschen

Richard-Emanuel Goldhahn 2016 auf der Expo Real in München. Ob und wie die Messe dieses Jahr stattfindet, steht wegen der Corona-Krise in den Sternen.

Richard-Emanuel Goldhahn 2016 auf der Expo Real in München. Ob und wie die Messe dieses Jahr stattfindet, steht wegen der Corona-Krise in den Sternen.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Frank Boxler

Karriere 02.04.2020
Richard-Emanuel Goldhahn, Deutschlandgeschäftsführer der internationalen Personalberatung Cobalt, blickt gelassen in eine ungewisse Zukunft. So mancher seiner Kunden hat zwar in der ... 

Richard-Emanuel Goldhahn, Deutschlandgeschäftsführer der internationalen Personalberatung Cobalt, blickt gelassen in eine ungewisse Zukunft. So mancher seiner Kunden hat zwar in der Corona-Krise in den Vorsorgemodus umgeschaltet und Neueinstellungen nolens volens auf die lange Bank geschoben. Aber sobald sich ein Ende des Ausnahmezustands abzeichne und Recruiting-Interviews wieder von Angesicht zu Angesicht geführt werden könnten, stehe einer Fortsetzung der Besetzungen nichts im Wege, ist sich Goldhahn sicher.

Immobilien Zeitung: Herr Goldhahn, viele Firmen legen die Rekrutierung neuer Leute zurzeit bis auf weiteres - was immer das am Ende heißen mag - auf Eis. Stimmt‘s?

Richard-Emanuel Goldhahn: Ganz falsch ist das nicht. Selbst die Kunden, die zuerst gesagt haben, wir brauchen die Leute trotzdem, rudern langsam zurück. Natürlich gibt es einzelne Beauftragungen, aber im Moment ist jeder weitgehend mit sich selbst beschäftigt. In den Geschäftsführungen dreht sich viel um Liquiditätssicherung oder Kurzarbeit - nur zur Vorsorge, aber die Unternehmen haben jetzt eben mit anderen Dingen genug zu tun. Das Gros unserer Kunden ist jedoch besonnen unterwegs und verfällt nicht in Panik.

Projektentwicklungen z.B. sind nicht auf ein paar Wochen, sondern auf mehrere Jahre angelegt - da stoppen sie das Projekt nicht einfach so. Und Investments sind vielleicht größtenteils zum Erliegen gekommen, weil man ja kaum noch reisen und Beurkundungen durchführen kann. Aber wenn die Portfolios nicht jetzt gekauft oder verkauft werden, dann passiert das eben in drei Monaten. Es ist ja immer noch mehr als genug Kapital da, das Immobilien sucht.

"Im Moment ist jeder mit sich selbst beschäftigt"

IZ: Sind geplante und budgetierte Neueinstellungen nur aufgeschoben oder aufgehoben?

Goldhahn: Die Positionen, die wir besetzen, werden nicht komplett gestrichen. Das sind meistens strategisch wichtige Funktionen. Wir haben erst diese Woche eine E-Mail von einem Kunden bekommen, der einen Geschäftsführer für Hamburg sucht. Von einer anderen großen Firma kam die Tage auch eine große Beauftragung rein: Sie sucht einen Head of Accounting in Frankfurt. Das sind Positionen mit Jahresgehältern von mindestens 100.000 Euro fix. Solche Leute brauchen die Unternehmen immer noch, trotz aller Unsicherheit, für die Zeit danach. Es gibt einfach Positionen, die besetzt werden müssen.

IZ: Werden laufende Besetzungsverfahren jetzt noch abgeschlossen?

Goldhahn: Die Möglichkeit, neue Vorstellungsgespräche zu führen, ist zurzeit eingeschränkt. Viel läuft jetzt über Video-Meetings. Klar könnte sich der Personalleiter allein mit einem Kandidaten zum Gespräch treffen, aber wenn der Fachabteilungsleiter auch noch dabei sein will, wird es schon schwierig. Doch einige Kunden haben Kandidaten bereits in den ersten Vorstellungsrunden vor einigen Wochen persönlich kennengelernt und nehmen sie jetzt trotzdem unter Vertrag. Aktuell platzieren wir noch.

IZ: Wie steht es um die Wechselwilligkeit von Kandidaten? Ist die schlagartig rapide gesunken, weil alle im Nebel stochern?

Goldhahn: Mag sein, dass manche Kandidaten jetzt nicht den Kopf haben, sich einen anderen Arbeitgeber zu suchen. Andererseits haben die Leute jetzt mehr Zeit, um Gespräche zu führen. Die Kandidatenseite ist derzeit jedenfalls nicht unser Problem. Es geht vielmehr um die Frage, ob und wie jetzt noch Interviews mit Bewerbern stattfinden können und ob die Unternehmen dann auch Kandidaten einstellen, die sie nie persönlich gesehen haben.

"Aber ein Großteil unserer Mandate ist fest beauftragt"

IZ: Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf das Geschäft von Cobalt?

Goldhahn: Diesen Monat werden wir umsatzseitig vielleicht 10% schwächer beenden, als wir erwartet hätten. Die nächsten vier Wochen wird es sicher so bleiben, dass Interviews nur unter erschwerten Bedingungen geführt werden können. Einen Dip werden wir daher vor allem im April spüren. Aber um es noch mal zu sagen: Der Personalbedarf bleibt bestehen. Wenn Unternehmen auf die Pausetaste gedrückt haben, dann vor allem wegen der aktuellen Schwierigkeiten bei Rekrutierungsinterviews. Wir sollten uns darum nicht in eine Krise reden oder - in Ihrem Fall - schreiben. Ein großer Teil unserer Mandate ist fest beauftragt. Wann es zur Besetzung kommt, hängt von der Dauer des Ausnahmezustands ab. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass unsere Kunden vielleicht in drei Wochen, wenn sich ein Ende der Krise abzeichnen sollte, viele Projekte fortsetzen werden.

IZ: Ein Krisengewinner ist das Homeoffice.

Goldhahn: Unternehmen erkennen gerade gezwungenermaßen, dass das Homeoffice eine gangbare Option ist. Es wird spannend sein zu sehen, ob das die Nachfrage nach neuen Büroflächen bremsen wird. Und auch, wie sich die nun erzwungene Nutzung moderner Technologien auf Geschäftsreisen und damit auf den Hotelmarkt auswirkt. Sicherlich werden Unternehmen auch immer stärker die internationale Lieferkette und die Just-in-time-Produktion hinterfragen. Gegebenenfalls wirkt sich das dann mittelbar auf die Nachfrage nach Produktionsstandorten und Lagerkapazitäten in Deutschland aus. Derzeit ist noch sehr viel Unsicherheit in den Prognosen.

IZ: Wie sollen Firmen neue Leute einarbeiten, wenn die meisten Kollegen im Homeoffice sind?

Goldhahn: Das ist naheliegenderweise schwierig. Bei uns hätte am 1. April ein neuer Kollege anfangen sollen. Der startet jetzt erst am 1. Mai, weil wir derzeit die Einarbeitung nicht umsetzen können. Aber auch darauf kann man sich einstellen: Webinars, Videokonferenzen, kleinere Gruppen in den Büros. Es wird schon weitergehen!

IZ: Herr Goldhahn, vielen Dank für das Gespräch - und bleiben Sie gesund!

Die Fragen stellte Harald Thomeczek.

Harald Thomeczek

"Der nächste Kollege braucht IT-Wissen, kein Immobilien-Know-how"

Die digitale Welt der Immobilie wächst. Das bekommen Akteure der Branche unterschiedlich stark zu spüren.

Die digitale Welt der Immobilie wächst. Das bekommen Akteure der Branche unterschiedlich stark zu spüren.

Urheber: sahiltrikha786, Quelle: pixabay.com

Karriere 04.10.2019
Die Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft und ihre Auswirkungen auf die Berufsbilder ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Für Objektverwalter wie Markus Reinert von IC Immobilien ... 

Die Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft und ihre Auswirkungen auf die Berufsbilder ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Für Objektverwalter wie Markus Reinert von IC Immobilien ist es noch "viel zu früh", über veränderte Anforderungen zu sprechen. Analyseexperte Jens R. Rautenberg von Conversio hingegen spürt den "Atem der Technik" im Nacken.

Jens R. Rautenberg zögert. Der Gründer des Kölner Analysehauses Conversio Wahre Werte denkt lange über seine Antwort auf die Frage nach, ob er denn seinem Nachwuchs empfehlen würde, auch ein solcher Analyseexperte zu werden, wie er es ist. Das Problem ist, dass Rautenberg schon jetzt die Digitalisierung im Berufsalltag spürt. Der Bedarf an seinem Berufsstand werde zurückgehen, darin sei er sich "ganz, ganz sicher".

Gerade die Felder Standort- und Objektanalyse seien im Wandel. "Es ist noch gar nicht lange her, da stand die Objektanalyse im Mittelpunkt", sagt Rautenberg. Fakten wie Neu- oder Altbau, Projekt oder Bestand, Baujahr und Größe waren die ersten, die abgefragt wurden. Dann sei der Dienstleister rausgefahren und habe sich das Objekt der Begierde angeschaut und dabei die Lage in Augenschein genommen. "Innerhalb der vergangenen drei bis vier Jahre hat sich das gewandelt", sagt Rautenberg. Jetzt liegt der Fokus seiner Arbeit zunächst auf der Analyse des Standorts. Mit der Anschrift könnten vom Schreibtisch aus Daten wie Art und Zahl der Transaktionen vor Ort, Quadratmeterpreise, Faktoren, Mieten im Bestand und bei Neuverträgen abgerufen werden. "Vor drei Jahren noch haben wir einen Mietspiegel bei der Stadt angefordert und mussten einen frankierten Rückumschlag beilegen", erinnert er sich. Darüber könne er nur noch schmunzeln. Heutzutage erwarten Auftraggeber oft innerhalb von Stunden eine Einschätzung zu Objekt und Lage. Wer sich der Digitalisierung entzieht, werde Aufträge verlieren.

Rautenberg sieht diese Entwicklung allerdings kritisch. "Das Objekt rückt dabei ein Stück weit nach hinten", bemerkt der Berater. "Wenn es von der Datenlage her passt, dann sind 75% bis 80% des Weges zur Transaktion schon erledigt." Das Urteil des Gutachters, der sich das Objekt vor Ort anschaut, mache dann nur noch den Rest aus. Das gehe so lange gut, wie die momentane Hochphase anhalte. Steigende Verkaufs- und Mietpreise machten manch eine Fehlentscheidung wett. Spätestens jedoch mit einer Seitwärtsbewegung des Markts werde sich das ändern und professionelle sowie detailliertere Einschätzungen zu Objekt und Lage wieder mehr wertgeschätzt. Dem Berufsstand komme es zudem zupass, wenn der Gesetzgeber wieder neue Regeln für den Wohnungsmarkt einführt. Denn örtlich unterschiedlich gehandhabte oder mancherorts gar erst geplante Instrumente wie Mietpreisbremsen, Mietdeckel, Milieuschutzsatzungen seien aktuell nur sehr aufwendig digital abzubilden, belastbare Mietpreisprognosen also kaum mit einem Klick darstellbar. Dazu brauche es einen Profi mit Sachverstand und Weitblick.

Doch die Konkurrenz aus dem Netz wächst, das fängt schon bei den Onlineimmobilienportalen für den Laien an. Nach nur wenigen Klicks soll er seine Immobilie bewerten können, und das zu einem Spottpreis im Vergleich zu Forderungen eines Profis. Die Folge: Bewerter müssen auf diese Herausforderungen reagieren. Rautenberg rät, mehr ins eigene Marketing zu investieren und sich auf eine Assetklasse zu spezialisieren. Conversio selbst fokussiert sich seit Gründung auf Wohnimmobilien in unterschiedlicher Ausprägung. "Das wird auch so bleiben", betont der Inhaber.

Was sich allerdings bei den Kölnern verändern wird, ist die Zusammensetzung des Teams. In einer seiner nächsten Stellenanzeigen wird Rautenberg wohl einen ITler suchen müssen - nicht zur Pflege der Firmenrechner, sondern als Teil des Analyseteams. Immobilien-Know-how muss er oder sie nicht unbedingt mitbringen, das der Kollegen reicht, es geht viel mehr darum, Daten zu sammeln, zu strukturieren und sie wieder anders aufbereitet auszugeben. Ob es da um Häuser oder andere Produkte geht, ist im Grunde zweitrangig.

Um Immobilienexperten wie Rautenberg auch weiterhin bei der Personalsuche zu unterstützen, hat sich jüngst Richard-Emanuel Goldhahn, Geschäftsführer der Personalberatung Cobalt Recruitment Deutschland, Gedanken darüber gemacht, ein eigenes Geschäftsfeld mit digitalen Berufsbildern mit Immobilienbezug zu eröffnen. Doch das Vorhaben hat er ad acta gelegt. Es habe sich vor allem herausgestellt, dass ähnlich wie Conversio viele andere Firmen bereit sind, bei den gesuchten ITlern auf das Immobilienwissen zu verzichten. Reine Informatiker, Spezialisten in Datenbanken, Blockchain und Software-Programmierung zu vermitteln, ist für Goldhahn allerdings zu fachfremd.

Im Lichte der Digitalisierung betrachtet, bemerkt der Personalberater kaum veränderte Anforderungen an die jungen Immobilienfachkräfte. "Dieser Hype ist mindestens verfrüht, wenn nicht sogar übertrieben", sagt Goldhahn. Damit stößt er ins gleiche Horn wie Markus Reinert. "Die Immobilienwirtschaft befindet sich da noch in der Steinzeit", sagt der Vorstandsvorsitzende von IC Immobilien. Bei vielen Unternehmen fehle noch die Grundlage, um überhaupt von Digitalisierung sprechen zu können. Sie scheiterten schon daran, alle Objektunterlagen, z.B. kaufmännische Dokumente, technische Planunterlagen und Grundbuchauszüge, im digitalen System abzulegen. Auch von einer papierlosen Mieterakte sei die Branche noch weit entfernt, das aber auch, weil die Technik dafür noch nicht ausgereift genug sei, z.B. beim Einlesen von Mietverträgen. Etliche unterschiedliche Sprachen, verschiedene Gesetzgebungen und individuelle Besonderheiten gilt es dabei zu berücksichtigen. Reinert weiß aus Gesprächen mit Proptech-Fachleuten, dass die Fehlerquote beim maschinellen Einlesen zurzeit bei 5% bis 7% liegt. "Selbst wenn sie nur bei 1% liegen würde, hieße das für mich, dass ich den Fehler finden muss", sagt Reinert. Denn dieser eine Fehler könnte unter Umständen große und kostspielige Folgen haben. Die Konsequenz: Die digitalisierten Mietverträge müssten erneut von einem Mitarbeiter kontrolliert werden. Ein Anreiz, viel Geld in diese Art von Digitalisierung zu investieren, ist das nicht gerade. "Bei aller künstlicher Intelligenz, man wird nie eine 100%ige Sicherheit erreichen", weiß auch Reinert. "Auch bei Menschen nicht." Aber für ihn sei derzeit das von IC-Mitarbeitern praktizierte Vier- bis Sechs-Augen-Prinzip in Verbindung mit weiteren Prüfmechanismen beim An- und Ablegen eines Mietvertrags sicherer als lediglich ein Klick am Rechner.

Abgesehen davon ersetzt im Berufsalltag der Umgang mit digitalen Daten nicht den Einsatz eines Objektverwalters vor Ort. "Mieterbetreuung und -management sind ein hohes Gut", sagt Reinert. Das sei der Schlüssel dafür , eine Immobilie stabil zu halten und aufzuwerten. Die Digitalisierung könne dabei unterstützen, die Arbeit eines Verwalters effizienter und professioneller zu machen. Aber so weit, Mitarbeiter zu ersetzen, sei die Technik noch lange nicht.

Anke Pipke