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Frisches Wissen statt neuer Mitarbeiter

Fortbildungen können auch zum  Netzwerken genutzt werden.

Fortbildungen können auch zum Netzwerken genutzt werden.

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Karriere 21.07.2022
ESG und Nachhaltigkeit setzen in der Immobilienwirtschaft neue Fachkenntnisse voraus. Weil das Recruiting von entsprechenden Experten schwierig ist, setzen Unternehmen auf Fortbildungen ... 

ESG und Nachhaltigkeit setzen in der Immobilienwirtschaft neue Fachkenntnisse voraus. Weil das Recruiting von entsprechenden Experten schwierig ist, setzen Unternehmen auf Fortbildungen für die eigenen Mitarbeiter. Dabei gewinnt der Austausch zwischen verschiedenen Tätigkeitsfeldern und Unternehmen zunehmend an Bedeutung.

Der Herausforderungskomplex rund um Klimawende, Nachhaltigkeit und Digitalisierung erschwert Unternehmen in der Immobilienwirtschaft die Suche nach Fachpersonal mit Expertenwissen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen beklagen, dass die fortlaufende Professionalisierung der Branche immer mehr Spezialwissen von den Akteuren voraussetzt und das notwendige Zusatzwissen der Mitarbeiter noch stärker fordert. Das zeigen die Ergebnisse der Studie Human Resources Monitor 2022, für die die EBZ Business School 318 Wohnungs- und Immobilienunternehmen befragt hat. Dass sie Unterstützung brauchen, um Klimaschutzziele zu erreichen, gaben 94% der Befragten an. Etwa die Hälfte von ihnen will bestehende Fach- und Führungskräfte über Weiterbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen für diese Themen fit machen. "Die Branche befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess", fasst EBZ- Vorstand Klaus Leuchtmann die Ergebnisse der Studie zusammen und betont, dass neben der Komplexität der Aufgaben auch die Geschwindigkeit der Veränderungen immer weiter fortschreitet. 82% der befragten Unternehmen sind deshalb schon jetzt der Meinung, dass der Weiterbildungsbedarf noch mehr zunehmen wird.

Fach- und Führungskräfte brauchen Zusatzwissen

Mathias Düsterdick, CEO des Projektentwicklers Gerchgroup und Dozent mit Schwerpunkt Projektentwicklung an der Akademie der Immobilienwirtschaft (ADI), bestätigt diesen Trend, sowohl aus Lehrenden- als auch aus Unternehmersicht. Er unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Formen der Fortbildung. "Es geht zum einen um die Spezialisierung, zum anderen um Updates." Gerade Letzteres gewinne in der Immobilienwirtschaft immer stärker an Bedeutung. Als Grund dafür sieht Düsterdick die Entwicklungen bei den Ausbildungen. "Die immobilienwirtschaftliche Ausbildung als solche gibt es erst seit den 1990er Jahren. Deshalb sind viele Regularien und die Berufsethik erst in den letzten 20 Jahren entstanden." Um das erreichte Niveau der Professionalisierung dauerhaft halten zu können, müssten Unternehmen ihre Mitarbeiter bei hinzukommenden Themen und Fragen etwa durch ESG, kurz für Environmental Social Governance, auf dem neusten Stand halten.

Die HR-Abteilung der Gerchgroup erfrage deshalb in jährlichen Personalgesprächen, was sich Mitarbeiter an Input wünschen. "Manche Mitarbeiter kennen sich selbst gut und sind informiert, sodass sie eigene Wünsche äußern." Für die anderen halte das Unternehmen Angebote bereit, zum Beispiel Fortbildungen, die in der Vergangenheit gut aufgenommen wurden. Zudem sei es wichtig, dass Mitarbeiter motiviert werden, über ihre eigenen Fähigkeiten zu reflektieren, um zu erkennen, bei welchen Themen ihnen Input weiterhelfen könnte.

Zwar sei auch der regelmäßige fachliche Austausch unter den Kollegen inhouse wichtig. Doch durch externe Fortbildungen können Inspirationen von außen gewonnen werden, sieht Düsterdick hier ein Vorteil. Gerade unter den Projektentwicklern erkennt der CEO eines 50 Kollegen starken Unternehmens seit einigen Jahren eine wachsende Offenheit für den Austausch mit Mitarbeitern in ähnlichen Positionen von anderen Unternehmen. Sie nutzen Weiterbildungen also auch zum Netzwerken, während Workshops, bei denen ein Team unter sich bleibt, als Teambildung funktionieren können.

Nachhaltigkeit wird interdisziplinär gelehrt

Wegen der gestiegenen Nachfrage nach Weiterbildungen hat das TUM Institute for Life Long Learning der Technischen Universität München ein Angebot geschaffen, das im September startet. Ursprünglich als Master-Studiengang gedacht, wurde das Zertifizierungsprogramm "Sustainable Real Estate" in drei Blöcke gegliedert. Sie dauern je ein halbes Jahr und finden zum Teil in Eigenarbeit durch eine Lern-App und zum Teil in Präsenz auf dem Campus statt. Wie Mediator und wissenschaftliche Hilfskraft Matthieu Wellner erklärt, soll dadurch die berufsbegleitende Teilnahme erleichtert werden.

Die Hauptinteressenten seien Mittdreißiger, die nach sechs bis acht Jahren im Beruf den nächsten Schritt auf der Karriereleiter planen. "Und sie suchen sich das Thema Nachhaltigkeit bewusst aus, denn es ist so gefragt, dass es die Chancen innerhalb der Firma aufzusteigen enorm erhöht." Durch einen interdisziplinären Ansatz setzen sich die Teilnehmer aus unterschiedlichen Bereichen zusammen – ebenso wie die Lehrenden, die aus der Projektentwicklung, der Architektur, dem Ingenieurwesen und der Raumplanung kommen. "Den interdisziplinären Austausch gibt es schon lange", sagt Wellner und spricht von einer "Alumni-Mentalität". "Wer sich vom Studium kennt, tauscht sich aus. Meist über private Wege, gerade wenn man bei konkurrierenden Unternehmen arbeitet", so Wellners Beobachtungen. "Dieser Austausch muss den Sprung in den professionellen Rahmen schaffen, sodass alle voneinander profitieren und Klimaziele trotz Fachkräftemangel in den kommenden drei Jahre erreicht werden können."

Janina Stadel

Plötzlich ist der ganze Campus im Netz

Hochschulen müssen ihr Onlineangebot massiv ausbauen, um den Studenten zu ermöglichen, auch in Corona-Zeiten ihren Abschluss zu schaffen.

Hochschulen müssen ihr Onlineangebot massiv ausbauen, um den Studenten zu ermöglichen, auch in Corona-Zeiten ihren Abschluss zu schaffen.

Quelle: imago images, Urheber: Cavan Images

Karriere 02.04.2020
Früher eher stiefmütterlich behandelt, nimmt die Digitalisierung an Hochschulen in Corona-Zeiten ungeahnt schnelle Fahrt auf. Studenten und Dozenten treffen sich im Chat- statt im ... 

Früher eher stiefmütterlich behandelt, nimmt die Digitalisierung an Hochschulen in Corona-Zeiten ungeahnt schnelle Fahrt auf. Studenten und Dozenten treffen sich im Chat- statt im Seminarraum - vorausgesetzt, das Netz macht mit. Fraglich bleibt allerdings, wie Prüfungen stattfinden sollen.

Eigentlich hatte Larissa Lapschies, Geschäftsführerin der ADI Akademie Stuttgart, in diesem Jahr gar nicht vor, das Thema digitale Bildungsformate zu forcieren. Schließlich habe eine Umfrage unter den Studierenden ergeben, dass 90% von ihnen es ablehnten, Veranstaltungen online abzubilden. Doch dann kam Corona.

Jetzt verkündet Lapschies: "Der 19. Hamburger Jahrgang ist der erste, der komplett von zu Hause aus gestartet ist." Der Weg dorthin sei ein Kraftakt für alle Beteiligten gewesen, berichtet die Geschäftsführerin. Vorher waren ihre Gedanken zur Bildung der Zukunft eher abstrakt, jetzt brauchte sie plötzlich möglichst einfache Lösungen für die praktische Umsetzung. Dabei ging es nicht nur um pädagogische, sondern auch um technische Fragen - nicht nur zur Praxis an der Hochschule, sondern auch bis zu den Endgeräten der Studenten.

Die ADI sitzt angesichts der aktuellen Herausforderungen mit vielen anderen Hochschulen, die Immobilienstudiengänge anbieten, in einem Boot. Sei es die EBS, die Irebs, das EBZ oder die HfWU Nürtingen-Geislingen. Schon früher haben sie mit digitalen Formaten experimentiert, jetzt müssen sie im großen Stil den Praxistest bestehen.

Die EBS verwendet für ihre Formate ein Tool, das mehr ermöglicht als einen Videochat zwischen Dozent und Studentenschar. Es lassen sich darüber hinaus z.B. Dokumente hochladen, die somit allen zugänglich sind, und Professoren können im eingeblendeten Skript herummalen. "90 Minuten Vorlesung bekommt man auf diese Weise sehr gut hin", erzählt Kerstin Hennig, Leiterin des EBS Real Estate Management Institutes. Danach werde es allerdings schwieriger, die Aufmerksamkeit der Studenten zu binden. "Wir versuchen daher, die längeren Veranstaltungen interaktiv zu gestalten, z.B. mit Gruppenarbeiten." Dazu können sich die Teams jeweils in einen kleineren virtuellen Raum zurückziehen.

Was noch spannend werde, sagt Hennig, sei die digitale Umsetzung solcher Themen wie Design Thinking oder der Einsatz von Gästen aus der Immobilienwirtschaft. Tobias Just, Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter der Irebs Immobilienakademie, fürchtet, dass die Lehrstunden mit Praktikern unter der Veränderung leiden. "Es würde mich wundern, wenn die Leichtigkeit bliebe", sagt er. Denn gerade bei solchen Lehrformaten werden auch Inhalte vermittelt, "die lieber in einem Klassenzimmer bleiben sollen". Dabei lässt sich kein Dozent gerne filmen und aufzeichnen.

Die digitalen Lehrformen stellen zudem die Dozenten vor vielfältige Herausforderungen. Was tun, wenn z.B. auf einer Seite die Bandbreite nicht ausreicht? Und braucht es mehr Entertainer-Qualitäten, wenn der Dozent am Monitor lehrt? Was ist mit den kleinen Gesten, die im persönlichen Dialog den Studenten anzeigen, wenn ein Inhalt prüfungsrelevant ist. Diese gingen am Monitor schnell unter, glaubt Just.

Was ihm aber noch mehr Kopfzerbrechen bereitet, ist die Frage, wie Prüfungen online abgenommen werden sollen. Kerstin Hennig von der EBS berichtet, dass sie bereits per Videochat erfolgreich mündlich geprüft habe. Und Klaus Leuchtmann, Vorstandsvorsitzender des EBZ, überlegt, Prüfungen vor dem heimischen Rechner der Studenten aufzeichnen zu lassen. Just ist gar kein Freund von solchen Ideen. "Dabei können wir keine Gleichstellung garantieren", sagt er. Beispielsweise könnten quengelnde Kinder im Hintergrund oder mangelhafte technische Voraussetzungen die Prüfsituation beeinflussen. Er setzt lieber auf weniger Klausuren und dafür mehr Seminararbeiten, bei denen von Zuhause aus Fallstudien bearbeitet werden müssen. Ähnlich verfährt auch die EBS Business School ab Mai.

Dass die Technik tatsächlich ein nicht zu vernachlässigender Knackpunkt ist, erfahren die Dozenten gerade häufiger. Die Dozenten müssten öfter die virtuellen Klassenräume wechseln, berichtet Leuchtmann aus dem EBZ-Alltag. Und auch HfWU-Rektor Andreas Frey weiß nun: "Tools, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, funktionieren heutzutage oft nicht mehr gut."

Die besten Lösungen für die aktuellen und künftigen Studenten zu finden, ist nun oberstes Ziel jeder Hochschule. Und eine Chance für jede einzelne, sich im Wettbewerb zu beweisen. Denn durch die Digitalisierung werden Inhalte unabhängig vom Lernort vermittelt und somit eine größere Zielgruppe angesprochen. Dass sich die Hochschule allerdings auf lange Sicht komplett ins Netz verlegen lässt, das sieht Hennig noch nicht. Denn auch die Gruppendynamik, die nur beim echten Zusammentreffen entsteht, das persönliche Kennenlernen und der Aufbau von Freundschaften und Kontakten gehörten zum Hochschulalltag. Hennig glaubt: Ein Mix aus digitalen und Präsenzformaten wäre genau das Richtige.

Anke Pipke