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Freitags sind sie nie da

Die Viertagewoche soll Arbeitgeber interessanter für neue Mitarbeiter  machen und die Belegschaft zufriedener.

Die Viertagewoche soll Arbeitgeber interessanter für neue Mitarbeiter machen und die Belegschaft zufriedener.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber Kalenderblätter: Brad Pict; Urheber Icons: Icons-Studio

Karriere 24.11.2022
Ein neues Arbeitsmodell hält Einzug in deutschen Unternehmen. Immer mehr Firmen gönnen ihren Angestellten eine Viertagewoche. In der Immobilienwirtschaft überwiegt die Skepsis. Lange ... 

Ein neues Arbeitsmodell hält Einzug in deutschen Unternehmen. Immer mehr Firmen gönnen ihren Angestellten eine Viertagewoche. In der Immobilienwirtschaft überwiegt die Skepsis. Lange werden die Arbeitgeber ihre Zurückhaltung aber nicht aufrechterhalten können, wenn sich das Modell in anderen Branchen durchsetzt.

Wer freitags bei Unternehmen anruft, hört zukünftig wohl häufiger die Bandansage "Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Diese sind montags bis donnerstags ...". Denn freitags ist frei. Nachdem der Trend zu einer verkürzten Arbeitswoche in diesem Jahr schon in den USA und einigen europäischen Ländern Einzug gehalten hat, experimentieren inzwischen immer mehr deutsche Unternehmen mit der Viertagewoche. Sie verspricht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weniger Stress und mehr Zeit für Familie und Hobbys. Die Arbeitgeber bekommen im Gegenzug zufriedenere Angestellte und müssen gleichzeitig keine Einbußen bei der Produktivität hinnehmen. Das legen zumindest die Ergebnisse einiger Testläufe und erste Studien aus anderen Ländern nahe.

Seit Mai 2022 haben 38 Unternehmen in den USA für sechs Monate die 4-Day-Week eingeführt. Gearbeitet wird an vier Arbeitstagen zusammengerechnet 32 statt 40 Stunden bei gleichem Gehalt. Die ersten Erfahrungen sind so positiv, dass die Bundesstaaten Kalifornien und New York nun überlegen, Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zur Viertagewoche zu verpflichten.

Weniger Arbeitszeit bei gleicher Bezahlung und gleicher Produktivität

Der größte Feldversuch läuft derzeit in Großbritannien. Etwas mehr als 70 Unternehmen und Organisationen mit 3.300 Beschäftigten probieren dort seit Anfang Juni die Arbeitszeitverkürzung aus. Grundlage ist das "100:80:100-Modell". Das bedeutet, die Mitarbeitenden bekommen 100% Lohn und reduzieren ihre Arbeitszeit auf 80%. Die Bedingung dabei ist, dass die Produktivität bei 100% bleibt. Die ersten Zwischenergebnisse zeigen, dass beide Seiten zufrieden sind. So meldeten fast 90% der Unternehmen, dass die Arbeitszeitverkürzung gut funktioniere. Knapp die Hälfte der Firmen gab an, die Produktivität sei ungefähr gleich geblieben. Die andere Hälfte beobachtet sogar eine leichte (34%) oder erhebliche Verbesserung (15%) der Produktivität. Mehr als 80% der teilnehmenden Unternehmen überlegen, das Arbeitszeitmodell nach der Testphase beizubehalten.

In Deutschland ist die Viertagewoche ebenfalls keine Fiktion mehr. Quer durch alle Branchen und Unternehmensgrößen bieten Firmen ihren Beschäftigten an, freitags frei zu haben. So lässt der deutsche Bekleidungshersteller Gerry Weber künftig seine Mitarbeiter entscheiden, ob sie ihre Wochenarbeitszeit auf vier oder fünf Tage verteilen wollen. Einzige Bedingung: Die Abteilungen müssen weiter durchgehend erreichbar sein. Selbst in der Immobilienbranche trauen sich erste Unternehmen an diese Art des New Work heran. Allen voran im Handwerk und bei Bauzulieferern versuchen Unternehmen so Arbeitskräfte anzulocken. Der Fassadenbauer Boetker Metall und Glas aus Stuhr bei Bremen oder Remotex Gebäudetechnik aus Wetzlar sind zwei Beispiele.

In München schickt der Projektentwickler Michael Schwaiger seine zwölf Angestellten seit Anfang des Jahres regelmäßig am Donnerstagabend ins Wochenende – bei vollem Lohnausgleich. Nach einer zweimonatigen Probezeit gilt die Regelung unbefristet. "Ich wollte meinen Angestellten etwas zurückgeben, weil sie hier keinen Nine-to-five-Job machen", erklärt Schwaiger seine Motivation. Homeoffice und flexible Modelle, bei denen jeder selber entscheiden kann, wann er arbeitet, haben ihn nicht überzeugt. "Wir tun den Mitarbeitern keinen Gefallen, wenn wir sie ins Homeoffice auslagern. Die meisten wollten wieder zurück ins Büro", beschreibt Schwaiger seine Erfahrungen mit den Modellen, die seit der Pandemie in vielen Büros Einzug gehalten haben.

Schwaiger zieht ein positives Fazit aus seinen ersten Monaten mit der Viertagewoche. Weder die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden noch die des Unternehmens habe sich durch die Verkürzung verringert. "Ich finde, dass die Produktivität sogar zugenommen hat", freut er sich. Im Büro werde konzentrierter gearbeitet, weil jeder wisse, dass der Freitag nicht mehr zur Verfügung steht. Einen strafferen Ablauf des Büroalltags belegen die bisherigen Studien. So werden etwa Meetings kürzer und konzentrierter abgehalten. Auf der Kostenseite machen sich geringere Strom- und Heizkosten bemerkbar.

Schwaiger kommt mit seiner Experimentierfreude offenbar einem Wunsch vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland entgegen. Nach einer Umfrage von Yougov für die Berufe-Studie des Versicherers HDI von September können sich drei Viertel aller Berufstätigen in Deutschland die Viertagewoche vorstellen, wenn sie dafür keine Einbußen beim Gehalt hinnehmen müssen. Eine Forsa-Umfrage für RTL und NTV kommt zu dem gleichen Ergebnis.

"Arbeitszeit spielt grundsätzlich eine immer größere Rolle. Hier machen die Beschäftigten in der Immobilienbranche keine Ausnahme", bestätigt Norbert Reuter, Leiter der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die Umsetzung flexibler Zeitmodelle könne "die Attraktivität in der Immobilienbranche erhöhen und so dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken", vermutet er. Daher werde sich die Immobilienbranche der Debatte um flexiblere Arbeitszeiten nicht entziehen können. Allerdings müssten die Unternehmen gleichzeitig die Stundenlöhne erhöhen, damit die Beschäftigten keine Lohneinbußen hinnehmen müssen. "Ansonsten wäre es nur ein schlichtes Teilzeitmodell", sagt Reuter.

Holger Schäfer, Experte für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW), sieht in dem starren Wegfall eines Tages hingegen nicht nur Vorteile für Arbeitnehmer. Angestellte und Betriebe hätten bei der Viertagewoche kaum noch Spielraum, die tägliche Arbeitszeit bedarfsgerecht und flexibel zu handhaben, warnt Schäfer. Das sieht auch Gewerkschaftler Reuter so. "Da heute Vollzeitbeschäftigte auch in der Immobilienbranche länger als 32 Stunden pro Woche arbeiten, würde eine Viertagewoche auch eine Verkürzung der Arbeitszeit nach sich ziehen müssen." Beide plädieren daher für mehr Flexibilität statt starren Regelungen.

In der Praxis ist die Umsetzung ohnehin nicht so einfach. Das bestätigt Maximilian Seil vom Frankfurter Immobilienmanager Seil Real Estate. Er hat für seine Mitarbeiter eingeführt, dass jeweils der letzte Freitag im Monat frei ist. Diese zwölf freien Tage im Jahr mehr in die Arbeitsverträge so zu integrieren, dass sie nicht als Urlaub gelten und damit beliebig genommen werden können und auch keinen anderen rechtlichen Vorteil darstellen, sind eine Herausforderung für Juristen.

Praktische Probleme wie die Erreichbarkeit, wenn am Freitag bei einem Projekt mal eine Frage auftaucht, sieht Seil hingegen nur wenige. "Die Branche arbeitet mittlerweile so mobil und remote, dass das lösbar ist." Nach seiner Erfahrung suchen die Mitarbeiter im gegenseitigen Austausch selbst Lösungen für solche Schwierigkeiten. "Allein das führt zu mehr Produktivität", sagt Seil. Gleichzeitig stiegen die Motivation und die Zufriedenheit. "Wir müssen uns als Arbeitgeber viel mehr die Frage stellen, was wir für unsere Arbeitnehmer machen können. Wir wollen zufriedene Menschen, keine Roboter", fordert Seil zum Umdenken auf.

Viele Vertreter aus der Immobilienbranche beobachten die Diskussion allerdings skeptisch. "Eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich erscheint momentan unrealistisch", sagt Martin Kaßler, Geschäftsführer des Verbands der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV). Gerade kleinere Unternehmen dürfte eine solche Flexibilisierung vor große Herausforderungen stellen. "Immer sollte dabei bedacht werden, dass zunächst Umsatz und Gewinn erwirtschaftet werden müssen. Bei einem Wegfall eines kompletten Arbeitstags kann sich jeder selbst ausrechnen, ob das aufgehen kann."

Realistisches Modell oder Arbeitnehmer-Fantasie?

"Eine generelle Viertagewoche erscheint mir eher fantasievoll als realistisch", sagt ebenfalls Ralf Büschl, Geschäftsführer des Münchner Projektentwicklers Büschl-Gruppe. Gerade jetzt, wo sich "das Wohlfühlklima unserer Immobilienwirtschaft" weiter abkühle, müssten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer anstrengen, um die Herausforderungen zu meistern. "Mit weniger Arbeit wird das wohl nicht klappen", glaubt Büschl.

Auch für Michael Schneider, Geschäftsführer der Immobilien-Service-KVG Intreal, ist die Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich schwer vorstellbar. "Wir bräuchten für die gleiche Arbeit mehr Mitarbeiter. Die können wir derzeit und künftig nicht finden, außerdem können wir die Mehrkosten in einem wettbewerbsintensiven Umfeld nicht oder nicht vollständig weiterreichen", gibt er zu bedenken. Daher sei das lange Wochenende "keine realistische Arbeitgeberoption".

Andere Unternehmen probieren das Modell jedoch gerade aus oder entwickeln eigene Ansätze. So gibt der Projektentwickler UBM Development seinen Mitarbeitenden seit Juli 26 Freitage im Jahr frei (siehe "UBM verlängert jedes zweite Wochenende"). Seit dem Sommer testet auch die in Deutschland tätige österreichische United Benefits Holding bei ihren Tochtergesellschaften, dem Projektentwickler Invester und dem Asset-Manager Ekazent, die Viertagewoche bei gleichbleibendem Lohn (siehe "Die Mitarbeiter sind kreativer und produktiver").

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) rät dazu, sich mit der kurzen Arbeitswoche zu befassen. "Wenn das Modell in vielen Branchen zur Umsetzung kommt, wird sich auch die Immobilienbranche damit auseinandersetzen müssen", ist sich der Verband sicher. Dieser Meinung ist schließt sich Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Lehrstuhl für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Regensburg an: "Die Viertagewoche ist aus der aktuellen arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Diskussion nicht wegzudenken." Falsch sei aber die Aussage, die jüngere Generation wolle schlicht weniger arbeiten. Vielmehr gehe es um ein Mehr an Flexibilität. "Beschäftigte sind mit ihrer Arbeitssituation vor allem dann zufrieden, wenn sie ihre Arbeitszeit selbst beeinflussen können", sagt Weber. Er plädiert für die Viertagewoche – "für diejenigen, die sie wollen. Wer fünf Tage möchte, soll fünf bekommen, wer drei will, drei."

Alexander Heintze

Adler verlässt das Ministerium

Köpfe 31.01.2019
Gunther Adler (55), Baustaatssekretär im Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU), gibt wohl seine Tätigkeit auf und wird Arbeitsdirektor der Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und ... 

Gunther Adler (55), Baustaatssekretär im Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU), gibt wohl seine Tätigkeit auf und wird Arbeitsdirektor der Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen (IGA). Die Gewerkschaft ver.di und der Beamtenbund haben sich auf die Bestellung eines solchen Arbeitsdirektors für die neue Gesellschaft verständigt und dies auf verdi.de verkündet. Wunschkandidat ist Gunther Adler. Zuständig ist das Bundesverkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU). Eine Bestätigung des Innenministeriums für den Weggang Adlers lag der Immobilien Zeitung bis Redaktionsschluss noch nicht vor. Dass Adler, der der SPD angehört, das Ministerium wohl verlassen wird, überrascht angesichts der Vorkommnisse in der Vergangenheit nicht. Kurz vor dem Wohnungsgipfel im September 2018, den Adler federführend organisiert hatte, war er von Seehofer in den Ruhestand geschickt worden, weil er Platz für den nicht mehr tragbaren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen machen sollte. Nach drei Tagen und viel Aufregung um die Maaßen-Affäre und den Rauswurf des in der Branche sehr geschätzten Staatssekretärs durfte Adler wieder auf seinen Posten zurückkehren.

Jutta Ochs

Gunther Adlers vielleicht letzte Amtshandlung

Köpfe 30.01.2019
Baustaatssekretär Gunther Adler (SPD) hat gestern einen neuen Leiter des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ins Amt eingeführt. Der heißt Markus Eltges, ist 56 Jahre ... 

Baustaatssekretär Gunther Adler (SPD) hat gestern einen neuen Leiter des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ins Amt eingeführt. Der heißt Markus Eltges, ist 56 Jahre alt, hat einen Doktor in Volkswirtschaft und führte im BBSR bisher - seit 2012 - die Abteilung Raumordnung und Städtebau. Vorher leitete Eltges dort die Referate Regionale Strukturpolitik und Städtebauförderung sowie Raum- und Stadtbeobachtung. Das Bundesinstitut mit rund 160 Mitarbeitern in Bonn und Berlin gehört zum Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Seine Aufgabe ist es, das Bundesbauministerium zu beraten, aktuell z.B. in Sachen bezahlbares Wohnen.

Die Ernennung Eltges' durch Adler könnte eine der letzten Amtshandlungen des Baustaatssekretärs gewesen sein: Der 55-Jährige wird seinen Job im Ministerium von Horst Seehofer (CSU) nach dem Hickhack um Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen wahrscheinlich nun doch aufgeben. Adler soll Arbeitsdirektor der im September 2018 gegründeten und noch im Aufbau befindlichen Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen (IGA) werden. Das haben die Gewerkschaft verdi.de und der Beamtenbund Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorgeschlagen. "Der Vorstand muss nun schnell um den Posten des Arbeitsdirektors ergänzt werden. Die zukünftig gut 12.000 Beschäftigten sind die wichtigste Ressource der IGA", so ver.di-Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Pieper. Die privatrechtliche Gesellschaft des Bundes übernimmt künftig den Bau und Unterhalt der Autobahnen von den Ländern.

Harald Thomeczek

Flüchtlinge brauchen nicht nur Wohnraum

Moussa Sheikh Akriem, Mazen Ibo und Mohammad Bashar Al Ali haben nach ihrer Flucht aus Syrien bei der Gewobag eine neue berufliche Heimat gefunden.

Moussa Sheikh Akriem, Mazen Ibo und Mohammad Bashar Al Ali haben nach ihrer Flucht aus Syrien bei der Gewobag eine neue berufliche Heimat gefunden.

Urheber: Tina Merkau

Karriere 29.06.2017
Die Berliner Wohnungsgesellschaft Gewobag tut viel dafür, dass Flüchtlinge auch auf dem Arbeitsmarkt ankommen. Der Weg ist lang, die Schritte klein: Doch jeder Einzelne, der dafür fit ... 

Die Berliner Wohnungsgesellschaft Gewobag tut viel dafür, dass Flüchtlinge auch auf dem Arbeitsmarkt ankommen. Der Weg ist lang, die Schritte klein: Doch jeder Einzelne, der dafür fit gemacht werden kann, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, ist es wert. Findet die Frau, die das Programm mit Unterstützung ihrer Chefs und vieler Mitarbeiter ins Leben gerufen hat.

Nein, ein Gutmensch ist Martina Heger nicht. Und Lob für das Flüchtlingsprojekt, das sie als Personalleiterin des Berliner Wohnungsunternehmens Gewobag federführend aufgesetzt hat, hört sie auch nicht gern. So ein Lob könnte ja suggerieren, die Gewobag engagiere sich nur deshalb für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen, um sich einen sozialen Anstrich zu geben.

Was voll an der Sache vorbeigehen würde: "Das ist hier kein karitatives Projekt, wir wollen auch etwas davon haben", sagt Heger streng, als der Autor dieser Zeilen im Gespräch lobende Worte einstreut. "Deshalb nehmen wir nur Menschen mit Bleibeperspektive, in der Praxis also meistens Syrer."

Außerdem - und diese Feststellung liegt Heger sehr am Herzen - ist das Flüchtlingsprojekt, das sie vor zwei Jahren angestoßen hat und für das eine neue Stelle in der Personalabteilung geschaffen wurde, nur ein Mosaiksteinchen in einem großen Gesamtbild: "Als kommunales Unternehmen haben wir eine Verantwortung für unsere Stadt. Dass wir diese wahrnehmen, erwartet auch unser Gesellschafter: Nicht umsonst haben 30% unserer Azubis einen Migrationshintergrund." Weil ja auch viele Mieter in den rund 60.000 Gewobag-Wohnungen mindestens ein nicht-deutsches Elternteil haben, sucht das Wohnungsunternehmen bei der Besetzung seiner Ausbildungsstellen ganz gezielt nach Nachwuchskräften mit fremdländischen Wurzeln.

Befeuert hat das Engagement der Gewobag die tägliche Konfrontation mit der Flüchtlingskrise: Das Unternehmen sitzt in Moabit - praktisch in Sichtweite zum Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), das 2015 unter dem Flüchtlingsansturm regelrecht zusammenbrach und bundesweit für Schlagzeilen sorgte.

Andererseits will die Gewobag - siehe oben - auch einen gewissen Return on Investment ernten. "Bestimmte Sachbearbeiterstellen sind immer schwieriger zu besetzen", weiß die Personalchefin. Eben deshalb sucht man gezielt nach Kräften für kaufmännische Jobs. Leute also, die das Potenzial für eine Tätigkeit als bzw. Ausbildung zum/zur Immobilienkaufmann/-frau mitbringen. Gesucht sind auch Architekten oder Bauingenieure - aber, daraus macht Martina Heger keinen Hehl, die sind unter den Geflüchteten eher dünn gesät.

Doch selbst wenn jemand eine gewisse fachliche Eignung mitbringt: Ehe er oder sie für einen deutschen Arbeitgeber ein echter Gewinn ist, braucht es viel Zeit und Spucke. Und trotzdem ist das kein Grund, es nicht wenigstens zu versuchen, findet Heger: "Wenn jedes Unternehmen nur einen einzigen Flüchtling einstellen würde, wäre schon viel getan." Heger spricht diesen Satz mit einiger Verwunderung, ja Überraschung aus.

Als ob es nicht wahr sein könne, dass die meisten Unternehmen nicht mal diese Latte überspringen: einen einzigen Flüchtling in Arbeit bringen. Oder wenn doch, dann nur als Hilfsarbeiter: "Geflüchtete Menschen werden oft nur verhausmeistert oder als Putzkräfte angestellt", kritisiert Heger. "Und selbst Konzerne, die Qualifizierungsmaßnahmen durchführen, tun das nicht immer sehr arbeitsmarktorientiert. Nur ein kleiner Teil der Teilnehmer bekommt hinterher auch ein Jobangebot." Womit der Anspruch, den die Gewobag an ihr eigenes Qualifizierungsprogramm erhebt, ex negativo skizziert wäre.

Dabei weiß die Personalchefin der Gewobag natürlich allzu gut, wie mühselig es ist, auch nur einen einzigen Flüchtling - Heger selbst spricht übrigens konsequent von "geflüchteten Menschen", weil das nicht so abschätzig klinge - auch nur einen einzigen Geflüchteten also fit für den deutschen Arbeitsmarkt zu machen.

Darum findet sie auch die Frage, um wie viele Menschen es bei dem Pilotprojekt der Gewobag überhaupt geht, irgendwie ziemlich daneben. Ringt sich dann aber doch dazu durch, eine Zahl zu nennen: "Unser Ziel ist, dass wir auf allen Stufen unserer Ausbildungspyramide zusammen immer bis zu zehn Geflüchtete haben." Zurzeit sind es vier: ein Festangestellter, ein Trainee, jemand, der ausbildungsreif gemacht werden soll, und ein Praktikant.

Besagte Ausbildungspyramide hat die Personalabteilung der Gewobag eigens für ihr Integrationsprojekt erdacht. Diese beginnt mit einem Infotag zu Berufsbildern - "Unter einem Immobilienkaufmann verstehen viele Geflüchtete einen Makler." - und zur deutschen Besonderheit der dualen Ausbildung. Auf der zweiten Stufe folgt ein ein- bis vierwöchiges Schnupperpraktikum.

Ernst wird es mit dem nächsten Schritt: einer sogenannten Einstiegsqualifizierung (EQ), die sich über sechs bis zwölf Monate erstreckt. Dabei passen die Instrumente, die der Staat vorsieht, oft nur mehr schlecht als recht für die Arbeitsmarktintegration speziell von Flüchtlingen. Das Einstiegsqualifizierungsprogramm, mit dem Flüchtlinge die Ausbildungsreife erlangen sollen, "ist eigentlich für Schulabbrecher und Lernentwöhnte gedacht - eben für Menschen mit einer gebrochenen Berufsbiografie".

Als EQ-Praktikanten verdienen, so wie es ver.di empfiehlt, Flüchtlinge 500 Euro im Monat bei der Gewobag. "Das ist weniger als im ersten Lehrjahr. Da verdienen Azubis 870 Euro. Wir mussten schließlich die Verhältnismäßigkeit wahren", erklärt Heger. Wer sich im EQ-Programm als lernfähig beweist, kann am Auswahlverfahren für eine Ausbildung zum/zur Immokaufmann/-frau bzw. zum/zur Kaufmann/-frau für Büromanagement teilnehmen.

Ganz wichtig bei alledem: beständig an den Sprachkenntnissen, dem A und O einer gelingenden Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt, zu feilen. Sodann: den Geflüchteten die - langfristigen! - Vorzüge des dualen Ausbildungssystems beizubringen. "Mit Schwarzarbeit ist anfangs mehr zu verdienen. Unser Ausbildungssystem gibt es ja nirgendwo sonst auf der Welt, und von Schleppern und in sozialen Medien werden den Geflüchteten andere Dinge versprochen. Es kam schon vor, dass einer im Vorstellungsgespräch nach einem Dienstwagen fragte."

Azubis mit Einwanderungsgeschichte begleiten die Flüchtlinge durch das Schnupperstudium. Paten und Mentoren - mit und ohne Migrationshintergrund - stehen ihnen im EQ-Praktikum und später in einer möglichen Ausbildung zur Seite. Über 40 Mitarbeiter haben nach einem Aufruf ihre unentgeltliche Unterstützung angeboten. Im Moment wird das Programm gerade evaluiert: "Rund 35% unserer 600 Mitarbeiter sagen, sie würden sich künftig gern einbringen."

Dass die Mitarbeiter Verantwortung übernehmen, ist auch deshalb wichtig, weil nicht jeder, der sinnvollerweise ein EQ-Jahr durchlaufen sollte, das auch darf: Wer nämlich bereits in seinem Heimatland ein Studium oder eine Ausbildung absolviert hat, kann - wenn der Studien- oder Berufsabschluss auch anerkannt worden ist - an so einem Programm nicht mehr teilnehmen. Selbst wenn er aus Syrien kommt, in einem ganz anderen Schulsystem groß geworden ist und nur gebrochen Deutsch spricht.

So kommt es, dass die Gewobag beispielsweise einem syrischen Bauingenieur keine Einstiegsqualifizierung angedeihen lassen konnte, sondern ihn als Trainee einstellen musste, obwohl der junge Mann diese Rolle eigentlich nicht ausfüllen kann: "Das syrische Schulsystem ist nur auf Auswendiglernen und Repetieren ausgerichtet. Man lernt dort nicht zu lernen. Das müssen wir den jungen Leuten erst beibringen." Dem Bauingenieur aus Syrien hat Heger darum ein Berichtsheft in die Hand gedrückt, wie sie das sonst mit Azubis macht. In puncto Bezahlung wurde der Trainee im Tarifvertrag für die Wohnungswirtschaft eingruppiert.

Für das EQ-Programm ebenfalls vermeintlich überqualifiziert war ein junger Syrer, der einen "Bachelor"-Abschluss in "Accounting and Finance" vorweisen kann - was jedoch nicht mit dem gleichnamigen Abschluss hierzulande zu verwechseln ist: "Der junge Mann hat kein Studium absolviert, sondern nur eine zweijährige Ausbildung." Heger hat ihm ein Praktikum in der Abteilung Rechnungswesen verschafft. Später arbeitete er halbtags als Aushilfe im Rechnungswesen und besuchte einen weiteren Sprachkurs. Heute macht Moussa Sheikh Akriem, wie der junge Mann heißt, in einem Tochterunternehmen der Gewobag die Abrechnungen.

Der Kontakt zu dem Buchhalter kam über die Sprachschule zustande. Ein guter Integrationskurs beinhaltet nämlich - was jedoch gesetzlich nicht vorgeschrieben ist - auch ein vierwöchiges Praktikum. Berliner Sprachschulen schlagen dem Unternehmen mittlerweile öfter Kandidaten vor: "Das ist inzwischen unsere beste Quelle." Einer der größten Hemmschuhe war nämlich zu Anfang, überhaupt an geeignete Kandidaten zu kommen.

Die einzige Quelle sind Sprachschulen nicht: Die Gewobag streckte auf der Berliner Jobmesse für Flüchtlinge selbst die Fühler nach Fachkräften aus - "und das hat auch was gebracht. Wir waren übrigens eins von nur zwei kommunalen Wohnungsunternehmen - und das einzige, bei dem das Messeteam auch die Sprache der Besucher sprach."

Die Gewobag möchte die Erfahrungen, die sie in den letzten zwei Jahren gesammelt hat, weiterreichen: "Ich gehe mit unserem Projekt hausieren", sagt Heger und verweist auf ihren vollen Terminkalender. Ein solches Konzept zu entwerfen, sei schwierig; nicht zuletzt, weil der Teufel oft im asyl- und arbeitsrechlichen Detail steckt. So ein Konzept jedoch in Grundzügen zu übernehmen, sei deutlich einfacher. Die kommunalen Schwestergesellschaften, bedauert Heger, wollten etwas Vergleichbares trotzdem lieber in Eigenregie aufsetzen.

Harald Thomeczek

4,6% mehr Geld für Beschäftigte der Wohnungswirtschaft

Die Löhne und Gehälter der 64.000 Beschäftigten in der Wohnungswirtschaft steigen zum 1. Juli 2017.

Die Löhne und Gehälter der 64.000 Beschäftigten in der Wohnungswirtschaft steigen zum 1. Juli 2017.

Quelle: Fotolia.com, Urheber: Andrey Popow

Karriere 06.06.2017
Es ist nicht ganz das, was sich ver.di und die IG Bau vorgestellt hatten, aber immerhin: Die 64.000 Beschäftigten der Wohnungswirtschaft erhalten 4,6% mehr Geld. Darauf hat sich der ... 

Es ist nicht ganz das, was sich ver.di und die IG Bau vorgestellt hatten, aber immerhin: Die 64.000 Beschäftigten der Wohnungswirtschaft erhalten 4,6% mehr Geld. Darauf hat sich der Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft in der dritten Verhandlungsrunde mit den Gewerkschaften ver.di und IG Bau geeinigt.

Ursprünglich hatten die Gewerkschaften 6,5% mehr Geld gefordert. Anscheinend sind sie aber mit dem Ergebnis, dass sie "nach zähen Tarifverhandlungen" errungen haben wollen, ganz zufrieden: "Der Wohnungswirtschaft geht es gut. Deswegen ist es richtig, dass die Beschäftigten durch höhere Entgelte an den guten Ergebnissen der Branche beteiligt werden. Zumal die Beschäftigten mit Arbeitsverdichtung zu kämpfen haben", so ver.di-Bundesvorstandsmitglied Ute Kittel.

Die Tariferhöhung greift zum 1. Juli 2017. Die Löhne und Gehälter werden in zwei Schritten erhöht, in den unteren Entgeltgruppen und für Auszubildende gibt es laut ver.di überproportional mehr Geld. Konkret klettern die Löhne und Gehälter kommenden Monat um 2,4%, mindestens jedoch um 65 Euro. Zum 1. Juli 2018 folgt die zweite Stufe der Tariferhöhung mit 2,2%. Azubis erhalten ab dem 1. Juli 2017 40 Euro mehr und zum 1. Juli 2018 weitere 30 Euro obendrauf. Der Tarifvertrag gilt für die nächsten zwei Jahre, also bis zum 30. Juni 2019.

Harald Thomeczek

6,5% mehr für Beschäftigte von Wohnungsfirmen!

Karriere 13.04.2017
6,5% mehr Lohn und Gehalt - das fordert die Gewerkschaft verdi für die 40.000 Beschäftigten in der Wohnungswirtschaft, die unter die Tarifbindung der Flächentarifverträge fallen. Für die ... 

6,5% mehr Lohn und Gehalt - das fordert die Gewerkschaft verdi für die 40.000 Beschäftigten in der Wohnungswirtschaft, die unter die Tarifbindung der Flächentarifverträge fallen. Für die unteren Entgeltgruppen sollen es mindestens 150 Euro mehr sein. Azubis sollen 100 Euro mehr bekommen und außerdem unbefristet übernommen werden. Die erste Verhandlungsrunde ist ohne Einigung, ja "ohne ein konkretes Angebot der Arbeitgeber" zu Ende gegangen, wie verdi berichtet.

"Der Branche geht es wirtschaftlich sehr gut, aber die Beschäftigten leiden unter Arbeitsverdichtung und Personalknappheit. Sie erwarten deswegen eine deutliche materielle Anerkennung ihrer Leistung", begründet Ute Kittel, Mitglied im verdi-Bundesvorstand, die 6,5%-Forderung. verdi verhandelt zusammen mit der IG Bau.

Die zweite Verhandlungsrunde ist auf den 16. Mai 2017 terminiert. Der aktuelle, im Juli 2015 geschlossene Tarifvertrag, der eine Laufzeit bis zum 30. Juni 2017 hat, sah eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 2,4% ab dem 1. Juli 2015 vor. In einer zweiten Stufe, zum 1. Juli 2016, wurden diese um weitere 2,2% angehoben. Diese Erhöhungen hatten die Gewerkschaften für damals rund 64.000 Beschäftigte ausgehandelt, über ein Drittel mehr als heute.

Harald Thomeczek

ver.di: 6,5% mehr für Beschäftigte der Wohnungswirtschaft!

Mitarbeiter von Wohnungsunternehmen, die unter die Tarifbindung der Flächentarifverträge fallen, haben 6,5% mehr Lohn und Gehalt verdient - finden die Gewerkschaften.

Mitarbeiter von Wohnungsunternehmen, die unter die Tarifbindung der Flächentarifverträge fallen, haben 6,5% mehr Lohn und Gehalt verdient - finden die Gewerkschaften.

Quelle: Fotolia.com, Urheber: ah_fotobox

Karriere 05.04.2017
6,5% mehr Lohn und Gehalt - das fordert die Gewerkschaft ver.di für die 64.000 Beschäftigten in der Wohnungswirtschaft, die unter die Tarifbindung der Flächentarifverträge fallen. ... 

6,5% mehr Lohn und Gehalt - das fordert die Gewerkschaft ver.di für die 64.000 Beschäftigten in der Wohnungswirtschaft, die unter die Tarifbindung der Flächentarifverträge fallen.

Für die unteren Entgeltgruppen sollen es mindestens 150 Euro mehr sein. Azubis sollen 100 Euro mehr bekommen und außerdem unbefristet übernommen werden. Die erste Verhandlungsrunde in Düsseldorf ist gestern ohne Einigung, ja "ohne ein konkretes Angebot der Arbeitgeber" zu Ende gegangen, wie ver.di berichtet.

Beschäftigte "leiden unter Arbeitsverdichtung und Personalknappheit"

"Der Branche geht es wirtschaftlich sehr gut, aber die Beschäftigten leiden unter Arbeitsverdichtung und Personalknappheit. Sie erwarten deswegen eine deutliche materielle Anerkennung ihrer Leistung", erklärt Ute Kittel, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, die 6,5%-Forderung. Ver.di verhandelt zusammen mit der IG Bau.

Die zweite Verhandlungsrunde ist auf den 16. Mai 2017 terminiert. In diesem Jahr geht es den Gewerkschaften übrigens nicht nur um mehr Geld: Nach den Entgeltverhandlungen wollen sie auch den Manteltarifvertrag, in dem alle Arbeitsbedingungen geregelt sind, "modernisieren".

Der aktuell gültige Tarifvertrag, auf den sich die Verhandlungsparteien im Juli 2015 geeinigt hatten und der eine Laufzeit bis zum 30. Juni 2017 hat, sah u.a. eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 2,4% ab dem 1.Juli 2015 vor. In einer zweiten Stufe, zum 1. Juli 2016, wurden die Löhne und Gehälter um weitere 2,2% angehoben.

Harald Thomeczek

Lütke Daldrup ist neuer BER-Flughafenchef

Vom Staatssekretär zum Flughafenchef: Engelbert Lütke Daldrup.

Vom Staatssekretär zum Flughafenchef: Engelbert Lütke Daldrup.

Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Martina Vetter

Köpfe 07.03.2017
Nun ist es offiziell: Engelbert Lütke Daldrup, bislang Staatssekretär in der Berliner Senatskanzlei, Flughafenkoordinator und Mitglied im Aufsichtsrat der Gesellschaft Flughafen ... 

Nun ist es offiziell: Engelbert Lütke Daldrup, bislang Staatssekretär in der Berliner Senatskanzlei, Flughafenkoordinator und Mitglied im Aufsichtsrat der Gesellschaft Flughafen Berlin-Brandenburg (FBB), ist zum Vorsitzenden der FBB-Geschäftsführung ernannt worden. Er löst damit mit sofortiger Wirkung Karsten Mühlenfeld ab, der einen Auflösungsvertrag unterzeichnet hat.

Mühlenfeld war der dritte Flughafenchef seit dem Beginn der Bauarbeiten für den Großflughafen BER im Jahr 2006. Weil der Airport auch Jahre nach der geplanten Eröffnung noch immer nicht fertig ist und immer neue Pannen auf der Baustelle auftreten, rollten in der Vergangenheit schon öfter Köpfe. So hatte Mühlenfeld erst vor kurzem den bisherigen Leiter des Gesamtprojekts BER, Jörg Marks, entlassen und es sich dabei wohl mit Teilen des Aufsichtsrats verscherzt, dem Vertreter von Bund, Berlin und Brandenburg angehören, die wiederum Gesellschafter der FBB sind.

Regierende Bürgermeister gibt Posten als FBB-Aufsichtsratschef ab

Unter Lütke Daldrup nimmt auch Marks umgehend seine Arbeit wieder auf. Gleichzeitig wird der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) aus Compliancegründen seinen Posten als Vorsitzender des FBB-Aufsichtsrats abgeben. Der Grund: Lütke Daldrup gilt als enger Vertrauter von Müller. Für Müller werden wiederum die stellvertretenden Vorsitzenden Rainer Bretschneider, Staatssekretär Flughafenkoordination in der Staatskanzlei Brandenburg, und Holger Rößler, Gewerkschaftssekretär von ver.di Bezirk Berlin, die Leitung des Aufsichtsrats übernehmen. In seiner nächsten ordentlichen Sitzung am 17. März 2017 wird sich der Aufsichtsrat dann neu konstituieren.

Unberührt von dem Personalkarussell gehört die bisherige Geschäftsführerin Finanzen, Heike Fölster, weiterhin der Geschäftsführung an. Komplettiert werden soll die Geschäftsführung durch einen neuen Arbeitsdirektor, der auf Vorschlag der Arbeitnehmer ebenfalls auf der nächsten regulären Aufsichtsratssitzung zur Wahl stehen wird.

Wie viel verdient ein Mitarbeiter im Kundenservice?

Vor einem Jahr wurde die Deutsche Annington in Vonovia umgeflaggt. Vor dem Duisburger Kundencenter von Vonovia zeigte nun die Gewerkschaft ver.di Flagge.

Vor einem Jahr wurde die Deutsche Annington in Vonovia umgeflaggt. Vor dem Duisburger Kundencenter von Vonovia zeigte nun die Gewerkschaft ver.di Flagge.

Bild: Vonovia

Karriere 01.12.2016
ver.di fordert den Wohnungsvermieter Vonovia zum Abschluss eines Tarifvertrags auf. Die Gewerkschaft verleiht ihrer Forderung mit Warnstreiks Nachdruck. Ihre Sorge gilt jedoch nicht nur ... 

ver.di fordert den Wohnungsvermieter Vonovia zum Abschluss eines Tarifvertrags auf. Die Gewerkschaft verleiht ihrer Forderung mit Warnstreiks Nachdruck. Ihre Sorge gilt jedoch nicht nur Beschäftigten von Vonovia. Die im Dax notierte Wohnungs-AG lehnt Gespräche mit ver.di ab.

Derzeit werden laut ver.di rund 20% aller Vonovia-Mitarbeiter im gesamten Konzern nach dem Tarifvertrag der Wohnungswirtschaft bezahlt - weil sie schon so lange bei Vonovia sind und ihre Arbeitsverträge aus der Zeit vor dem von ver.di gegeißelten schleichenden Ausstieg aus der Tarifbindung datieren. Auch die rund 630 Köpfe große Belegschaft des bestreikten Duisburger Kundenservice-Center von Vonovia Property Management ist in diesem Punkt zweigeteilt.

In puncto Gehalt bedeutet das für die Beschäftigen im Kundenservice ein "Delta von bis zu 500 Euro", so Andrea Becker, die zuständige Fachbereichsleiterin von ver.di. Während die nach Tarif bezahlten Kollegen demnach 2.500 Euro brutto bekommen, erhielten diejenigen ohne Tarifvertrag "um die 2.000 Euro - für die gleiche Tätigkeit!" Außerdem moniert Becker u.a., dass die tariflos im Kundenservice von Vonovia Beschäftigten weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld erhalten und 40 statt 37 Stunden in der Woche arbeiten müssen.

Ver.di will zunächst für Vonovia Property Management einen Tarifvertrag aushandeln. "Das mittel- bis langfristige Ziel ist es, die Tarifbindung im Konzern und in allen Betrieben der Wohnungswirtschaft wieder zu erhöhen", sagt Becker.

"Wir zahlen doch gute Gehälter", erwidert Vonovia-Sprecherin Nina Henckel. Damit hat sie jedoch nicht den Flächentarifvertrag für die Wohnungswirtschaft oder die Haustarifverträge einzelner Wohnungsgesellschaften im Auge, sondern das, was üblicherweise in Callcentern gezahlt wird: "Unsere Einstiegsgehälter liegen zwischen 2.000 Euro und 2.400 Euro" - "externe Dienstleister" dagegen zahlten "teilweise nur den Mindestlohn von rund 1.600 Euro". Soll wohl heißen: Vonovia könnte sich die gleiche Dienstleistung auch deutlich billiger einkaufen.

Das hat die Bochumer Wohnungsgesellschaft bereits - notgedrungen - getan: Die Arbeitsniederlegung von 70 Beschäftigten in Duisburg "haben wir durch unseren Kundenservice in Dresden und den Einsatz eines externen Dienstleisters abgefedert", so die Vonovia-Sprecherin. Sie versichert: "Wir konnten alle Kundenanliegen wie gewohnt bearbeiten." In Dresden arbeiten rund 300 Leute im Kundenservice. Insgesamt kümmern sich bei Vonovia also gut 900 Leute um die Belange von Mietern und Mietinteressenten der 340.000 über ganz Deutschland verstreuten Wohnungen.

Warum der Tarifvertrag für die Wohnungswirtschaft auf die Tätigkeiten im Kundenservice von Vonovia nicht passen soll, erklärt Sprecherin Henckel mit dem gewachsenen Grad der Arbeitsteilung: Die Mitarbeiter im Kundenservice erfüllten zwar viele Aufgaben, für die es immobilienwirtschaftliches Know-how brauche. Durch die Standardisierung von Arbeitsprozessen, die man bereits seit mehr als fünf Jahren umsetze, "ändern sich Servicelevel und Qualität jedoch nicht, wenn wir auch Mitarbeiter ohne reinen immobilienwirtschaftlichen Hintergrund einstellen".

Beim Aufbau des internen Kundenservices habe Vonovia neue Mitarbeiter eingestellt, so die Sprecherin. Zudem seien Mitarbeiter, die zuvor in wohnungswirtschaftlichen Kernbereichen gearbeitet hätten, ohne Vertragsänderung in diesen Bereich gewechselt. "Aber wir müssen wettbewerbsfähig bleiben und die Leistungen zu Kosten und Qualität erbringen, die mit denen eines externen Dienstleisters vergleichbar sind."

Stichwort Arbeitsteilung: Auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattforum Kununu, auf der Vonovia bei 83 Bewertungen im Durchschnitt 2,9 von möglichen fünf Sternen erhält, finden sich neben allerlei anderem auch Klagen bestehender und ehemaliger Mitarbeiter über eine zunehmende Standardisierung und Ausdifferenzierung der Tätigkeiten. Etwa diese: "Frei nach Henry Ford: Jeder Mitarbeiter nur ein Handgriff und fast keine Verantwortung mehr."

ver.di sorgt sich indes nicht nur um die unter Tarif bezahlten Vonovia-Mitarbeiter in Duisburg: "Wenn wir zulassen, dass sich Deutschlands größter Wohnungskonzern zur tariffreien Zone erklärt, ist das die Einladung an alle Wettbewerber, das nachzuahmen", unkt Fachbereichsleiterin Becker.

Zu den Wohnungsvermietern, die eine solche Einladung möglichst nicht erhalten sollen, zählt die Düsseldorfer LEG Immobilien mit rund 130.000 Einheiten in Nordrhein-Westfalen.Die LEG ist zwar auch nicht an den Flächentarifvertrag der Wohnungswirtschaft angeschlossen, hat aber eigene Tarifwerke mit der Gewerkschaft ver.di verhandelt und als Haustarifverträge abgeschlossen. Diese umfassen u.a. auch einen Vergütungstarifvertrag, nach dem alle im operativen Geschäft tätigen Mitarbeiter bezahlt werden. Dieser gilt auch für die 65 Mitarbeiter im neuen zentralen Kundenservice der LEG, den diese im Oktober 2016 an den Start geschickt hat. Diese Mitarbeiter waren vor der Neuorganisation z.B. als Kundenbetreuer oder Vermieter in den früheren Kundencentern tätig.

Die LEG-Mitarbeiter stünden mit dem hauseigenen Tarifvertrag besser da als Mitarbeiter anderer Wohnungsunternehmen, die nach dem Vergütungstarifvertrag der Wohnungswirtschaft entlohnt würden, betont Britta Maria Schell, Bereichsleiterin Unternehmenskommunikation der LEG. Bei Neueinstellungen ohne Berufserfahrung werden LEG-Mitarbeiter im Kundenservice "in Vergütungsgruppe 3 unseres Vergütungstarifvertrags eingestellt", so Schell. Das Gehalt liege bei 2.755 Euro monatlich bzw. 39.730 Euro jährlich, was 14 Monatsgehältern plus variabler Vergütung entspricht. Bei Mitarbeitern mit Berufserfahrung werde "eine Eingruppierung mindestens in Gruppe 3a vorgenommen": 2.900 Euro im Monat, 41.820 Euro im Jahr (also ebenfalls 14 Monatsgehälter plus variable Vergütung).

Der Mantel- und der Vergütungstarifvertrag der LEG unterliegen der Sozialcharta, die 2008 beim Verkauf der LEG durch das Land NRW an Finanzinvestoren vereinbart wurde. Die Sozialcharta gilt allerdings nur bis August 2018. Daher rührt die Sorge der Gewerkschafter, die LEG könne sich perspektivisch aus den hauseigenen Tarifwerken verabschieden, womöglich angestachelt von Branchenführer Vonovia. LEG-Sprecherin Schell versichert, dass "es derzeit keine Überlegungen bei der LEG gibt, aus den hauseigenen Tarifverträgen auszusteigen".

Die LEG schließt schon seit Jahrzehnten eigene Tarifverträge ab. Auch die Vorgängerin der Vonovia, die Deutsche Annington Immobilien (DAIG), war zu Beginn der 1990er Jahre noch fast zu 100% in der Tarifbindung. "Dann gab es viele Umstrukturierungen in der Form, dass nicht zufällig, sondern ganz bewusst neue Gesellschaften gegründet wurden", erinnert sich Gewerkschafterin Becker.

"Diese Gesellschaften", so Becker weiter, "wurden nicht Mitglied im Arbeitgeberverband. Dadurch wurden Beschäftigte zu niedrigen Löhnen eingestellt. In den letzten 26 Jahren hat genau diese Vorgehensweise sowohl bei der Gagfah (die von der Vonovia 2015 übernommen wurde; Anm. d. Red.) als auch bei der DAIG dazu geführt, dass nur noch 20% unter den Tarif fallen."

Wie viel Mitarbeiter im Kundenservice der Deutsche Wohnen, des zweitgrößten deutschen Wohnungsvermieters, verdienen, ist nicht zu ermitteln. Klar ist: Die Mitarbeiter werden weder an den Flächentarifvertrag für die Wohnungswirtschaft angelehnt bezahlt noch gibt es einen hauseigenen Tarifvertrag. Aber: "Anfang 2015 wurde ein für alle einsehbares internes Vergütungssystem eingeführt", so Marko Rosteck aus der Unternehmenskommunikation. Dafür habe die Personalberatung Kienbaum im Abgleich mit Wettbewerbern und unter Berücksichtigung von Tarifverträgen Gehaltsspannen für verschiedene Tätigkeitsbereiche ermittelt. So solle eine "marktgerechte" und gleichzeitig an der Leistung orientierte Vergütung sichergestellt werden.

ver.di will bei Vonovia nicht locker lassen, bis Vonovia ihre Weigerung, sich mit der Gewerkschaft an einen Tisch zu setzen, aufgibt. Danach sieht es derzeit jedoch nicht aus: In Fragen der Lohn- und Arbeitsplatzgestaltung bleibe der Betriebsrat für Vonovia der erste Ansprechpartner, lässt man wissen.

Harald Thomeczek