Der Nachwuchs will mehr vom Kuchen

Studenten mit Immobilienbezug wollen ein immer größeres Stück vom Kuchen abhaben.

Studenten mit Immobilienbezug wollen ein immer größeres Stück vom Kuchen abhaben.

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Karriere 23.05.2019
Für die Immobilienbranche läuft es seit Jahren super. Doch Personal ist nur begrenzt verfügbar. Die Firmen reißen sich um Hochschulabsolventen. Das spielt den Frischlingen in die ... 

Für die Immobilienbranche läuft es seit Jahren super. Doch Personal ist nur begrenzt verfügbar. Die Firmen reißen sich um Hochschulabsolventen. Das spielt den Frischlingen in die Karten: Die Gehaltswünsche des akademischen Immobiliennachwuchses waren nie größer, zeigt die IZ-Arbeitsmarktumfrage.

70.000 Euro - mit diesem Einstiegsgehalt liebäugelt ein Student, der seinen Master in Real Estate an der EBS in Wiesbaden macht. Der junge Mann arbeitet parallel zum Studium als Werkstudent bei einem namhaften Immobiliendienstleister. Dort will er später auch einsteigen. Das Jobangebot eines anderen Dienstleisters, das ihm vorliegt, wird er deshalb ausschlagen. Und das, obwohl der Wettbewerber ihm mit einem Bachelor "genau die gleiche Position anbietet, inklusive gleiches Gehalt, wie mit dem Master". Die Offerte sieht 45.000 Euro fix plus einen Bonus bis zu 50% des Grundgehalts vor.

Eine mündliche Zusage von seinem jetzigen Arbeitgeber liegt dem EBS-Studenten auch schon vor, nur noch kein Vertrag. Auf dem Recruitingportal Glassdoor hat er die Info gefunden, dass er zum Einstieg besagte 70.000 Euro verdienen dürfte. Er selbst findet diesen Wert allerdings "schon sehr hoch" und hat seine Zweifel, ob diese Zahl "wirklich realitätsnah" ist. Sein Wunschgehalt beziffert der Master in spe auf ca. 60.000 Euro, "weil das die Beitragsbemessungsgrenze für die private Krankenversicherung ist. Aber ich gebe mich natürlich auch mit weniger zufrieden - ca. 50.000 bis 55.000 Euro -, da der Job und das Team sehr gut passen."

Praktisch jeder mit einem Abschluss im Immobilienbereich findet schnell einen Job

Den Äußerungen des jungen Mannes ist ein gewisses Selbstbewusstsein zu entnehmen. Ob sie durch Jobportale surfen, sich in Unternehmen umhören, in denen sie jobben, oder mit ihren Professoren sprechen: Ständig bekommen Studenten mit Immobilienbezug zu hören, wie gut es in der Branche läuft, dass praktisch jeder mit einem Abschluss im Immobilienbereich schnell einen Job findet und welche Gehälter ehemalige Kommilitonen beim Einstieg heraushandeln konnten. Auf Jobmessen verfestigt sich der Eindruck: Nicht ich muss mich bewerben, sondern die Unternehmen bewerben sich bei mir. "Die Branche reißt sich aktuell um Nachwuchskräfte, das ist natürlich kein Geheimnis", sagt Mike Schrottke, Head Human Resources beim Immobiliendienstleister CBRE in Deutschland. Kein Wunder also, dass rund 90% der 358 Teilnehmer der diesjährigen Arbeitsmarktumfrage der Immobilien Zeitung (IZ) sich gute oder sogar sehr gute Chancen zum Berufseinstieg nach dem Studium ausrechnen.

Tatsächlich ist es kein Einzelfall, wenn ein Bachelorabsolvent konkrete Angebote bekommt. Mitunter nimmt das offensive Werben Ausmaße an, die selbst für die Objekte der Begierde zu viel des Guten sind: "Ich habe bereits zwei Jobangebote vorliegen, dabei habe ich mich noch nicht mal wirklich irgendwo beworben. Mein LinkedIn-Postfach wird auch schon wöchentlich mit ein bis zwei Anfragen geflutet", berichtet der Masterstudent von der EBS. Solche Offerten sind schöne Gelegenheiten, den eigenen Marktwert zu testen. Eine gute Quelle ist zudem der Buschfunk unter Kommilitonen und Werkstudenten.

Auch von ihren Professoren bekommen die jungen Leute Zahlen zugerufen, die diese bei ehemaligen Studenten oder Geschäftsführern in Erfahrung gebracht haben. "Daran orientiert man sich später natürlich selbst und versucht, im Laufe der Zeit aufgrund der steigenden bzw. gut verlaufenden Wirtschaft etwas auf die eigene Gehaltsvorstellung aufzuschlagen", verrät Johnny Salg (24), der Immobilienmanagement im Master an der TH Aschaffenburg studiert.

Gehaltswünsche ziehen kräftig an

Was am Ende bei diesem Vorgehen herauskommt - das zeigt die Arbeitsmarktumfrage 2019, die die Immobilien Zeitung (IZ) dieses Frühjahr zusammen mit Immo Media Consult durchführte. Als die IZ vor sechs Jahren erstmals die Frage stellte: "Welches Gehalt wollt ihr nach dem Abschluss eures derzeitigen Studiums von eurem künftigen Arbeitgeber fordern?", lautete die Antwort: durchschnittlich knapp 43.600 Euro. Im vergangenen Jahr waren es gut 46.800 Euro. Zwischen 2013 und 2018 stiegen die Gehaltsvorstellungen zum Berufseinstieg insgesamt um moderate 7,4%. Aktuell peilen die studierenden Köpfe durchschnittlich rund 50.000 Euro an. Allein von 2018 auf 2019 haben die Gehaltswünsche also um satte 6,6% zugelegt (siehe "Gehaltswünsche machen 2019 einen Sprung").

Der Tenor lautet: Der Markt gibt es her, also wollen wir ein größeres Stück vom Kuchen. Dies zeigt sich auch beim Wunschgehalt zwei bis drei Jahre nach dem Berufseinstieg. Dann möchten die Befragten im Schnitt gut 60.000 Euro verdienen. Gemessen am Einstiegsgehalt würde das einer Gehaltserhöhung von 20% binnen 24 bis 36 Monaten gleichkommen. Verglichen mit dem Young-Professional-Gehalt, das den Studenten bei der Befragung 2018 vorschwebte - durchschnittlich 56.500 Euro - bedeutet der aktuelle Wunschwert ein üppiges Plus von 6,2%.

Viele Bachelor-Studenten wollen keinen Master dranhängen - warum auch

Bei der Frage, ob es einen Master braucht, scheiden sich die Geister: Nur 53% planen, nach dem Bachelor direkt ein Masterstudium dranzuhängen. "Für geschätzt 90% aller Arbeitsstellen in der Immobilienbranche bedarf es meines Erachtens keines Masterabschlusses - unabhängig davon, wie sich die Immobilienwirtschaft entwickelt", sagt eine junge Frau, die nach einer Ausbildung zur Immobilienkauffrau und einer Weiterbildung zur Immobilienfachwirtin zurzeit nebenberuflich ein Kontaktstudium Immobilienökonomie an der Irebs absolviert. Der Master werde erst dann interessant, wenn es darum gehe, Karrierechancen zu erhöhen. "Aber auch hier ist es mehr ein Nice-to-have als ein absolutes Muss. Am Ende zählt die Praxis und was für Deals man verhandelt."

Für Fiona Krahn, die an der TU Dortmund Raumplanung studiert, kam ein direkter Berufseinstieg nach dem Bachelorstudium nicht infrage. In ihrem Studiengang sei der Master sinnvoll, "weil eine echte Vertiefung in Richtung Immobilienwirtschaft erst dann möglich ist und der Master in Raumplanung an der TU Dortmund nur zwei Semester dauert". Mehrere Kommilitonen von Krahn haben den Absprung dennoch schon nach dem Bachelor gewagt - offenbar mit Erfolg: Von den Ex-Kommilitonen wisse sie, dass "ein schneller Berufseinstieg, wenn man das will, möglich ist".

Wer den Master macht, auch das zeigt die Umfrage, will diese Mühen hinterher auch vergolten sehen. Während Bachelorstudenten direkt nach dem Abschluss 45.000 Euro verdienen möchten, beziffern Masterstudenten ihr Wunschgehalt nach dem Studium auf 52.500 Euro. Nach zwei bis drei Jahren sehen sich die Bachelorstudenten schon bei 55.500 Euro, den Masterleuten schweben 62.700 Euro vor.

"Das reine Studium ist für uns lediglich eine Grundvoraussetzung"

Doch bei der Vergütung spielt nicht nur die Art des Studienabschlusses eine Rolle. "Ob Hochschulabsolventen einen Bachelor- oder einen Masterabschluss mitbringen, ist oft nicht das entscheidende Kriterium", betont Claudia Theisel, Director Human Resources (HR) bei ECE. Auch Birgit Munsberg belohnt den Studienabschluss für sich genommen nicht. "Das reine Studium ist für uns lediglich eine Grundvoraussetzung", sagt die Geschäftsführerin von Domicil Investment Management, die für Personalthemen der gesamten Domicil-Gruppe zuständig ist.

Ins Gewicht fallen auch Praktika und Werkstudentenjobs, Auslandssemester oder ein vor dem Studium erlernter Ausbildungsberuf. "Viel ‚wert‘ auf dem Arbeitsmarkt sind Kandidaten, die praktische Erfahrungen gesammelt haben", resümiert Stefanie Greve, Gründerin der Personalberatung engagingtalents. Auch die Art des Berufseinstiegs - Direkteinstieg oder Traineeprogramm - ist nicht unwesentlich.

Von Bedeutung ist zudem, ob der Masterabschluss für die Position überhaupt nötig ist. Munsberg präzisiert: "Bei Domicil ist der Master z.B. im Property-Management oder im Vertrieb keine zwingende Voraussetzung. Dort ist eher eine praxisorientierte Ausbildung wie der Immobilienkaufmann bzw. der Immobilienfachwirt gefragt. Im Asset- und Investmentmanagement oder im Bereich Corporate Finance ist er wünschenswert." Wünschenswert, mehr nicht.

Alles in allem scheinen die Gehaltsvorstellungen der Studenten den Markt angemessen abzubilden. "Die Zahlen sind realistisch und entsprechen in etwa dem was Einsteiger bei der Commerz Real erhalten. Auch wir differenzieren zwischen einem Bachelor- und Masterabschluss", sagt Sandra Scholz, HR-Vorstand von Commerz Real. Sie honoriert damit die "intensivere Profilbildung".

Für Real I.S. sind die Erwartungen an die Einstiegsgehälter, Boni eingerechnet, ebenfalls "so in Ordnung" und "nicht überraschend". Die im Schnitt angepeilte Gehaltsentwicklung - 20% plus binnen zwei bis drei Jahren - findet Jana Reck, Leiterin Human Resources bei Real I.S., "jedoch überdimensioniert". Die Unterschiede zwischen Bachelor und Master erschienen auf den ersten Blick vielleicht recht groß, würden aber in der Branche "durchaus so gelebt".

Abschwung ist nur ein Wort

Der Optimismus der künftigen Immobilienprofis rührt daher, dass "so gut wie alle derzeitigen Studenten persönlich keine andere Wirtschaftslage kennen, da es seit der letzten Weltwirtschaftskrise - vor allem im Immobilienbereich - stets steil bergauf ging", weiß Masterstudent Salg. Eine mögliche Baisse nach der langen Hausse haben die Umfrageteilnehmer nicht im Blick - alle werden ihr Studium spätestens in zwei Jahren abschließen. Mindestens so lange wird der gute Lauf der Immobilienwirtschaft doch wohl weitergehen: "Liest man beispielsweise regelmäßig die IZ, erkennt man, dass die Branche fast einschlägig der Meinung ist, dass der Zyklus in den nächsten ein bis zwei Jahren noch anhalten wird", sagt Moritz Stang, der einen Master in Immobilienwirtschaft an der Irebs in Regensburg macht.

Selbst das Ende des Zyklus macht nicht bange: "Immobilien wird es immer geben. Auch die Nachfrage danach wird sich nur in der Intensität, Lage und Ausstattung ändern, egal ob Wohnen, Logistik, Einzelhandel oder Büro. In der Immobilienwirtschaft gibt es immer zwei Seiten: Mieter/Vermieter, Investor/Projektentwickler etc.", sagt die Studentin des Irebs-Kontaktstudiums.

Und wenn der Wind sich dreht, "dann wird man vielleicht nicht mehr für den Käufer nach Investitionen suchen, sondern für den Verkäufer neue Portfoliostrategien entwickeln und verkäuferseitig Transaktionen prüfen."

Harald Thomeczek

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Teilnahme online möglich

Teilnehmen können Studierende, die in den kommenden vier Semestern ein Studium in einem Fach mit immobilienwirtschaftlichem Bezug an einer Hochschule beenden. Dazu gehören z.B. angehende Architekten und BWLer, Studenten der Fächer Facility-Management und Gebäudetechnik genauso wie die, die Geografie oder auch Immobilienwirtschaft/-management und Bau-/Projektmanagement, Stadtplanung/Raumplanung und Ingenieurwesen belegt haben. 

Wer eine gültige Studienbescheinigung hochlädt, kann den Fragebogen online ausfüllen. Die Teilnahme dauert etwa 15 bis 20 Minuten. Damit sich die Mühe lohnt, werden unter allen Teilnehmern Preise verlost. Es winken Abos der Immobilien Zeitung, Tickets für das IZ-Karriereforum, das am 8. Juni in Frankfurt Arbeitgeber und den Nachwuchs zusammenbringt, Eintrittskarten für den Europa Park, Rucksäcke von Got Bag, ein Apple iPad der 10. Generation und Airpods der 3. Generation. 

Als Partner unterstützen in diesem Jahr BNP Paribas Real Estate Deutschland, CBRE, Drees & Sommer, die ECE Group, Swiss Life Asset Managers Deutschland, Patrizia, Kaufland Immobilien, die LBBW Immobilien-Gruppe, Art-Invest Real Estate, Commerz Real, HIH Real Estate, Europa Park und die Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (Gif) die Arbeitsmarktumfrage der Immobilien Zeitung. 

Janina Stadel

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Co-Funder & CEO von Proper Bird. Geboren 1996.

Werdegang

Studium (Maschinenbau und Management) an der TUM, in den USA und in China. Unterstützt durch Manage & More und die Unternehmer TUM konnte ich schon während meines Studiums einige unternehmerische, internationale Projekterfahrungen sammeln. Vor knapp zwei Jahren kam es zur ersten richtigen Gründung mit Proper Bird.

Top-Projekte

Mitgründer Speech: der erste Time-Shift-Call für spontane Drop-in-Konversationen. Gründer Access the World: internationale Studenteninitiative zum Kennenlernen des chinesischen Innovationsökosystems. Flüchtlingshilfe DRK: 2015 habe ich für eine kurze Zeit Flüchtlingen bei Hausaufgaben und Deutschunterricht assistiert – das rückt das Leben in Perspektive.

Ziele

Ich bin überzeugt, dass Wirtschaften nicht nur auf Rendite zielen darf. Insbesondere die Immobilienwirtschaft hat viel Verantwortung und noch mehr Aufholbedarf. Es geht um viel mehr als Geld: Immobilien beeinflussen das Klima massiv. Es geht um globale Verantwortung. Daher leiste ich mit Proper Bird meinen Beitrag zur Umsetzung der ökologischen Transformation von Immobilien.

Motivation als MAT

Ich habe große Ziele: We unfuck real estate – wir machen die ökologische Aufwertung monetär messbar. Seit Jahren beschäftige ich mich nur mit Digital-Start-ups und weiß, was für den Erfolg wichtig ist. Gemeinsam mit den MATs setze ich mich dafür ein, dass die Branche nicht mehr Sündenbock und Beispiel für Gier ist, und will stattdessen aufzeigen, wie durch verantwortungsbewusstes, nachhaltiges Handeln ein Mehrwert für alle erzeugt werden kann: Wirtschaft, Umwelt, Gemeinschaft.

Ethische Grundsätze

Profitgier und Egozentrismus bringen unsere Welt an Belastungsgrenzen. Deshalb setze ich mich für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit ein. Kein Mensch ist mehr wert als ein anderer.

Netzwerke und Engagements

Gif, Immobilienjunioren, Flüchtlingshilfe.

Kontakt:

Immobilien Zeitung

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Wenn Nachwuchskräfte vor der Wahl ihrer Ausbildung stehen, kennen viele die Möglichkeiten in der Immobilienwirtschaft nicht. Um sie für die Branche zu gewinnen, müssen die Berufsbilder transparenter werden und die Generationen sich austauschen.

Rund 30% der deutschen Arbeitnehmer gehen laut Hochrechnungen des Statistischen Bundesamts im Laufe der nächsten 15 Jahre in den Ruhestand. Sie gehören den geburtenstarken Jahrgängen 1946 bis 1964 an und werden bei ihrem Renteneintritt auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft weitere Lücken in der Personaldecke hinterlassen. Dabei werden geeignete Experten für viele Positionen in der Branche schon jetzt händeringend gesucht.

"Wir müssen uns dem Thema jetzt wirklich annehmen", sagt Sunniva Stüven. Die Investmentmanagerin hat für ihre Masterarbeit an der EBS Universität mit fast 300 Young Professionals und mit Führungskräften aus der Immobilienwirtschaft über Bedürfnisse und Herausforderungen am Arbeitsmarkt gesprochen. Ein Problem sind dabei kleiner werdende Jahrgänge, wodurch weniger junge Leute nachrücken könnnen. 

Um den Personalmangel zu reduzieren, steht für sie deshalb fest: "Wir müssen zusehen, dass die Digitalisierung voranschreitet", denn mithilfe von Innovationen aus Proptechs können langfristig Arbeitsschritte, etwa aus der Sachbearbeitung, an digitale Tools übergehen. "Diese müssen aber erst entwickelt werden und den Bedürfnissen der Endnutzer auch entsprechen. Dafür ist ein enger Austausch zwischen den Immobilienunternehmen und den Proptechs nötig."

Durch den verstärkten Einsatz von digitalen Tools erweitere sich langfristig das Spektrum an Fachgebieten, die in der Branche mitwirken. Es werden mehr ITler nötig sein. Diese bilden einen ganz neuen Pool an Nachwuchskräften, die die Branche für sich gewinnen kann.

Berufsbilder sind oft große Unbekannte

Nach ihren Beobachtungen ist vielen Schulabgängern während der Phase ihrer Berufsorientierung nicht klar, welche Aufgabengebiete die Immobilienwirtschaft abdeckt. "Viele denken als erstes an den Makler oder an den Hausverwalter", berichtet sie. "Dass die Tätigkeitsfelder viel vielfältiger sind, ist gerade jungen Menschen bei der Wahl ihrer Ausbildung gar nicht klar." Vor allem die gestalterischen Möglichkeiten, durch die Branche Wirkung entfalten kann, müssen aus ihrer Sicht besser kommuniziert werden – außerhalb der üblichen Immobilienkreise.

"So könnten Interessierte schon wesentlich früher, und zwar in einem passenden Alter, abgeholt und für die Branche gewonnen werden." Dass das möglich ist, zeigt das Planspiel Urban Plan, das der Verband Urban Land Institute (ULI) seit 2017 an mehr als 40 deutschen Schulen durchgeführt hat. Schüler schlüpfen dabei in die Rolle von Stadtplanern, spielen deren Aufgaben in Workshops durch, um ganze Quartiere und deren Infrastruktur zu entwickeln. Solche Wege könnten auch Unternehmen gehen, um Interessierte für Ausbildungen in der Immobilienwirtschaft – und nicht zuletzt auch für den Bau zu gewinnen.

Stüven setzt auch auf Zuwanderung. "Neben qualifizierten Kräften aus dem Ausland müssen wir auch solche mit Potenzial gewinnen und entsprechend qualifizieren, beziehungsweise ausbilden."

Teambuilding ist eine Führungsaufgabe

Die jetzigen Immobilienprofis sieht Stüven ebenfalls in der Pflicht. "Die Generationen müssen sich austauschen. Und zwar nicht nur auf Bühnen und in Panels bei Veranstaltungen, sondern auch im Berufsalltag", appelliert sie. Experteninterviews, die Stüven für ihre wissenschaftliche Arbeit mit Führungskräften aus unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern geführt hat, haben ihr gezeigt, dass viele Mitarbeiter die Meinungen und Ideen der Next Gen berücksichtigen. Das funktioniere im Alltag besonders gut, wenn sich Teams aus diversen Mitgliedern  zusammensetzen. Dazu zählen u.a. verschiedene Altersgruppen. "Eine wichtige Führungsaufgabe ist, zu entscheiden, wie diese gemischten Teams sinnvoll zusammengesetzt werden."

Wenn das mit Blick auf die Berufserfahrung nicht gelingt, weiß Sebastian Wirbals, können Berufseinsteiger früh in ihrer Karriere den Spaß am Job verlieren. Wirbals ist seit zehn Jahren bei der List-Gruppe für Personal und Teams zuständig. Das Generalunternehmen, das im Sommer seinen elften Standort eröffnet, ist über die Jahre auf rund 650 Mitarbeiter gewachsen und stolz drauf, dass die meisten viele Jahre lang bleiben.

Verantwortung von Anfang an gewünscht

Nachwuchstalente als Bauingenieure oder Projekteiter spricht das Unternehmen vor allem auf Karrieremessen an. Doch die Talente können nicht von Anfang an in allen Bereichen eingesetzt werden. "Gerade komplexere Projekte wie Logistikhallen bringen ein großes Stück Verantwortung mit sich. Um das leisten zu können, braucht es oft viele Jahre Berufserfahrung", sagt Wirbals, obwohl er weiß, dass viele Berufseinsteiger am liebsten von Anfang an volle Verantwortung übernehmen würden. "Im Job geht es nicht darum, was man sich selbst zutraut, sondern darum, was man wirklich leisten kann", schränkt er ein. "Man wird beim Berufseinstieg ins kalte Wasser geworfen, doch unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass niemand friert. Denn wenn der Spaß verloren geht, springt der Nachwuchs schnell wieder ab."

Der Berater und Makler CBRE nimmt Nachwuchskräfte schon als Praktikanten oder Werkstudenten bei allen Projekten und Besprechungen dazu. Führungskräfte werden auf den richtigen Umgang mit ihnen geschult, erzählt Head of People Mike Schrottke. Durch die frühe Einbindung funktioniere eine anschließende Übernahme fließend und das Team verjünge sich automatisch. "Bei uns sind 48% der Kollegen 35 Jahre oder jünger", stellt Schrottke fest.

Einer von ihnen ist Lukas Schultz. Der 26-Jährige ist technischer Berater im An- und Verkauf. Dass er nach seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur in der Immobilienbranche Fuß gefasst hat, bezeichnet er selbst als "Zufall". Die Entscheidung, nach dem Studentenjob bei CBRE zu bleiben, habe er gefällt, weil ihm das Gefühl eines "begleitenden Berufseinstiegs" vermittelt wurde und er schon früh mit großen Kunden arbeiten durfte.

Sein Beispiel zeigt, dass die Immobilienunternehmen beim Recruiting nicht nur vor der Aufgabe stehen, die einzelnen Berufsbilder und Karrierechancen bekannter zu machen. Um Nachwuchskräfte nach der Einstellung auch langfristig in der Branche halten zu können, müssen Führungskräfte bereit sein, die Next Gen von Anfang an wirklich einzubeziehen.

Janina Stadel