Karriere-News

Ihre gewählten Filter:

Digitales Netzwerken nutzt dem eigenen Business

Kontakte über Social Media zu knüpfen wirkt auf den ersten Blick oft einfach, doch nicht jede Anfrage wird auch beantwortet.

Kontakte über Social Media zu knüpfen wirkt auf den ersten Blick oft einfach, doch nicht jede Anfrage wird auch beantwortet.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Rymden

Karriere 17.06.2021
Da Veranstaltungen und Messen bedingt durch die Corona-Pandemie fast nur noch digital stattfinden, werden immer mehr Kontakte online geschlossen. Wer ein Netzwerk über Social Media ... 

Da Veranstaltungen und Messen bedingt durch die Corona-Pandemie fast nur noch digital stattfinden, werden immer mehr Kontakte online geschlossen. Wer ein Netzwerk über Social Media aufbauen will, sollte jedoch einige Spielregeln kennen.

Als Enrico Kürtös seine Firma Inreal Technologies gründete, musste er sich in der Immobilienbranche erst einmal bekannt machen. Bei Fachveranstaltungen und Messen sprach er immer wieder Leute an, bat um Tipps oder ein Telefonat am Folgetag. Über die Jahre baute sich der heutige CEO so ein Netzwerk auf - und damit auch sein Business. "Ich habe über solche Netzwerke schon mit 26 mit Grundstücken gedealt", erzählte der Geschäftsmann beim Auftakt der diesjährigen IZ-Karrierewoche und bestätigte damit eine These von Thomas Beyerle, Managing Director bei Catella Property Valuation und Professor an der Hochschule Biberach. Die besagt: "Netzwerken ist die effizienteste Form, ein Ziel zu erreichen". Damit meint Beyerle, dass sich viel Zeit sparen lässt, wenn man für ein Anliegen den richtigen Ansprechpartner hat.

Dass ein gutes Netzwerk zum Business dazugehört, berichtete auch Thomas Glatte in der Fachdiskussion. Der heutige Director Group Real Estate Management bei BASF erzählte, dass er seinen ersten Job über Kontakte bekam, heute sieht er das als den Grundstein seiner Karriere.

Doch wegfallende Messen und Fachveranstaltungen haben seit Ausbruch der Corona-Pandemie dazu geführt, dass sich das Netzwerken innerhalb der Branche immer mehr auf Social Media verlagert. Dabei führt nicht jede Anfrage bei Xing, LinkedIn und Co. tatsächlich zu einer Antwort oder gar zu einem nachhaltigen Kontakt. Gerade wer einen CEO anschreibt, sollte zudem Geduld haben oder gar mehrere Anläufe wagen, weiß Enrico Kürtös. Er habe schon etliche Anfragen per Chat verschickt und oft erst nach Monaten oder Jahren eine Rückmeldung bekommen.

Für Glatte ist klar, wer online auf eine Antwort hofft, muss sofort Interesse wecken und in seinen Chatnachrichten zeigen, dass er ein konkretes Anliegen mit einem klaren Ziel hat. "Man kann gerne nach einer digitalen Veranstaltung jemanden bei Social Media ansprechen und Nachfragen zum Thema stellen", nennt er ein Beispiel. In solchen Fällen sieht er in Social Media durchaus Potenzial, auch mit der Chefetage in Kontakt zu kommen.

Profil im Netzwerk sollte gepflegt werden

Doch nicht alles ist für Glatte durch die ständige Erreichbarkeit via Social-Media-Netzwerke einfacher geworden. "Die Zahl der Kanäle ist vielfältiger geworden. Dadurch werden aber nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Menschen immer transparenter." Er und viele seiner Kollegen nutzen Social Media oft, um sich über Bewerber oder geschäftliche Kontakte schlau zu machen, Profile sieht er als "digitale Lebensläufe" und erwartet, dass sie ohne Tippfehler und vollständig daherkommen. Zudem achte er immer auf die Fotos.

Auch bei Beyerle fällt der Blick oft zuerst auf das Profilbild - nicht nur online. "Auch wenn der Mainstream sagt, Bilder gehören nicht mehr in einen Lebenslauf, bin ich dadurch völlig beeinflussbar." Ihm falle es leichter, sich ein Bild von einer Person zu machen, wenn er ein Gesicht zu den Unterlagen hat. Dafür gebe es eine ganze Reihe anderer Themen, die weder in eine Bewerbung noch in ein soziales Netzwerk gehören. Die absoluten No-gos sind für ihn Posts, die verletzend sein könnten, und Beiträge zu Fragen aus Politik und Religion. "Diese Themen mit dem Business zu vermischen, ist gefährlich", betont er.

Um irgendwann vom Vitamin B zu profitieren, sollte das Netzwerken schon vor dem Berufseinstieg beginnen, "denn die Kommilitonen von heute sind vielleicht die Auftraggeber von morgen", sagt Beyerle. Deshalb sollten vor allem Berufseinsteiger auch Kontakt zu Gleichaltrigen suchen. Eine weitere wichtige Gruppe für ein erfolgreiches Netzwerk sieht Glatte in allen, die schon zwei bis drei Jahre länger in der gleichen Position tätig sind.

Karrierewoche bietet 280 Jobchancen

Der Terminkalender manch eines Studenten mit immobilienwirtschaftlichem Hintergrund dürfte diese Woche ungewöhnlich voll gewesen sein. Denn in diesen Tagen findet die IZ-Karrierewoche statt. Etwa 270 Teilnehmer haben sich dazu angemeldet, das Gros sind Studenten, aber auch etliche Berufstätige sind dabei. Die meisten wollen einen Direkteinstieg finden, die Lust auf ein Trainee-Programm ist dagegen deutlich verhaltener. Mehr als jeder Zweite hatte zu Beginn der digitalen Jobmesse ein Profil ausgefüllt, um sich mit seinen Leistungen den 28 Unternehmen zu präsentieren, die mit gut 280 exklusiven Jobs und mehr als 160 Ansprechpartnern aufwarteten. Darüber hinaus wurden hunderte Termine für Gespräche zwischen Bewerbern und den Unternehmen aus der Branche vereinbart. Dabei haben nicht nur die Kandidaten den Kontakt gesucht, auch die Firmen haben nach möglichen Mitarbeitern Ausschau gehalten. Im Veranstaltungsprogramm nutzten Arbeitgeber und weitere Branchenvertreter die Möglichkeit, den jungen Leuten ihr Unternehmen sowie neue Berufsfelder vorzustellen und ihnen Tipps etwa zu Einstiegsgehältern und Bewerbungsgesprächen zu geben. Anke Pipke

Janina Stadel

Die MAT-Jury - Sieben bekannte Immobilienköpfe

Thomas Beyerle.

Thomas Beyerle.

Quelle: Catella Property Valuation GmbH

Karriere 27.05.2021
Vergeben werden die MAT-Awards vom Förderverein der Deutschen Immobilienwirtschaft. Wer sie bekommt und damit dem Netzwerk angehört, darüber entscheidet allerdings allein die Jury. In dem ... 

Vergeben werden die MAT-Awards vom Förderverein der Deutschen Immobilienwirtschaft. Wer sie bekommt und damit dem Netzwerk angehört, darüber entscheidet allerdings allein die Jury. In dem Auswahlverfahren, das über mehrere Monate und mehrere Stufen lief, lernten die sieben Vertreter des Gremiums die insgesamt 80 Bewerber kennen - zumindest auf dem Papier. Hier gibt es einen kleinen Blick auf die Jurymitglieder selbst - ein paar bislang "geheime" Informationen inklusive. Sie verraten etwas über ihren Berufswunsch als Kind, was sie antreibt oder wie sie in den Tag starten.

Thomas Beyerle, Catella

"Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Dinge sich immer verbessern lassen. Oder plakativer formuliert: Status quo ist doof. Das war schon bei meinem ersten Schülerjob im Supermarkt so: Ende der ersten Woche wurde ich vom Getränkewart zum Head of Obsttheke."

Susanne Eickermann-Riepe, Rics Deutschland

"Politisch gesehen, finde ich Angela Merkel bewundernswert: Wie hält sie das nur aus? Historisch gesehen, inspirieren mich viele Frauen, die Erfindungen gemacht oder sich für Rechte eingesetzt haben."

Larissa Lapschies, ADI Akademie der Immobilienwirtschaft, Immobilienjunioren

"Der Traumjob meiner Kindheit war Immobilienmaklerin - kein Scherz! Jetzt treibt es mich an zu erleben, dass sich aus meiner Arbeit tolle Karrieren, berufliche Erfolge oder gar Freundschaften ergeben."

Thomas Porten, Immobilien Zeitung

"Ich wollte als Kind Unternehmer werden, das hat ja dann auch geklappt. Bei mir geht nichts ohne Morgenroutine: Frühstücken mit Kaffee. Vorher verlasse ich nirgendwo auf der Welt das Haus. Und das ist auch besser so für alle."

Sandra Scholz, 1&1 Drillisch, zuvor Commerz Real

"Ich möchte den MATs mit auf den Weg geben: Macht jeden Tag den Unterschied! Und versucht, von anderen Menschen zu lernen, es gibt so unglaublich viele mit besonderen Begabungen."

Andreas Schulten, Bulwiengesa

"Meine erste Mark habe ich ziemlich gewöhnlich verdient: als Zeitungsausträger - morgens um 5 Uhr. Erst in der Jugend machte sich irgendwann das Architekten-Gen breit."

Alexander Ubach-Utermöhl, Blackprint Booster

"Wenn wir wollen, können wir fast alles erreichen! Auf die Immobilienwirtschaft bezogen heißt das, dass es möglich sein wird, unsere Industrie in eine kundenorientierte, prozesseffiziente und CO2-neutrale Zukunft zu bringen."

Brigitte Mallmann-Bansa

Most Aspiring Talents starten Netzwerkarbeit

Dominik Talhof, Frederik Walbaum und Michael Urmann (von links) sind die Initiatoren des MAT-Netzwerks.

Dominik Talhof, Frederik Walbaum und Michael Urmann (von links) sind die Initiatoren des MAT-Netzwerks.

Quelle: Heuer Dialog, Urheber: Johannes Haas

Karriere 29.04.2021
Junge Talente sollen neue Ideen in die Immobilienwirtschaft bringen. Das ist das Ziel des MAT-Netzwerks, das jetzt seine Arbeit aufnimmt. Zum Start mit dabei sind 30 Nachwuchskräfte aus ... 

Junge Talente sollen neue Ideen in die Immobilienwirtschaft bringen. Das ist das Ziel des MAT-Netzwerks, das jetzt seine Arbeit aufnimmt. Zum Start mit dabei sind 30 Nachwuchskräfte aus ganz Deutschland.

Mit 30 Auszeichnungen für junge Menschen ist der Startschuss für das Netzwerk Most Aspiring Talents (MAT) gefallen. Die maximal 30-Jährigen möchten einen Umbruch in der Immobilienbranche vorantreiben und sich auf Themen wie die Nachhaltigkeit von Gebäuden konzentrieren, aber auch digitale Lösungen für verschiedene Tätigkeitsfelder schaffen. Lust auf diese Aufgaben hatten im Vorfeld rund 80 Nachwuchskräfte aus der Branche. Sie haben Bewerbungen mit Videobeiträgen, Empfehlungsschreiben und Fragebögen eingereicht und wollten sich so einen Platz im Netzwerk erkämpfen. Gefragt waren dabei Einsendungen von "Personen, die über den Tellerrand der Branche hinausgucken", erklärt Michael Urmann, der zusammen mit Dominik Talhof und Frederik Walbaum den Förderverein der Deutschen Immobilienwirtschaft gegründet und das MAT-Netzwerk initiiert hat. Sie wollen einen "interdisziplinären Think -Tank" schaffen und nehmen nur Kandidaten auf, die neben ihrer Karriere auch gesellschaftliche Ziele vor Augen haben. "Innovationskraft und soziales Engagement sind uns wichtiger als verkaufte Immobilien", sagt Talhof und erklärt, dass viele Anwärter auf einen Platz im Netzwerk noch näher am Studium als am Beruf stehen.

Wer künftig den Titel Most Aspiring Talent tragen darf, hat eine siebenköpfige Jury entschieden. Im Premierenjahr landeten die Bewerbungen auf den Schreibtischen von Susanne Eickermann-Riepe (Rics Deutschland), Sandra Scholz (ehemals Commerz Real), Larissa Lapschies (ADI Akademie der Immobilienwirtschaft und Immobilienjunioren), Thomas Beyerle, (Catella Property Valuation), Alexander Ubach-Utermöhl (Blackprint Booster), Andreas Schulten (Bulwiengesa) und Thomas Porten (Immobilien Zeitung).

Damit das Netzwerk nach der Preisverleihung richtig durchstarten kann, haben die Initiatoren einige Immobilienhochschulen, Verbände und Unternehmen als Partner für ihr Projekt gewinnen können. Für die ersten 30 MATs soll die Netzwerkarbeit sofort beginnen. Sie können dann von Austauschtreffen und Einladungen zu Veranstaltungen profitieren, um sich und ihre Ideen in der Branche zu positionieren. Mit einer zweiten Award-Runde soll die Liste der Most Aspiring Talents dann im kommenden Jahr weiter wachsen.

Janina Stadel

Dominik Brunner ist Mitgründer der Real Estate Academy

Köpfe 06.01.2021

Sie wollen ein Netzwerk für MAT

Wollen viel bewegen und brauchen dafür Mitstreiter: Michael Urmann, Dominik Talhof und Frederik Walbaum (v.l.).

Wollen viel bewegen und brauchen dafür Mitstreiter: Michael Urmann, Dominik Talhof und Frederik Walbaum (v.l.).

Urheber: Sven Brauers

Karriere 29.10.2020
Sie sind jung, haben tolle Jobs bei tollen Unternehmen - aber das reicht ihnen nicht: Frederik Walbaum, Dominik Talhof und Michael Urmann wollen mehr. Die Welt verändern. Oder doch ... 

Sie sind jung, haben tolle Jobs bei tollen Unternehmen - aber das reicht ihnen nicht: Frederik Walbaum, Dominik Talhof und Michael Urmann wollen mehr. Die Welt verändern. Oder doch zumindest die Immobilienbranche, denn die hat einen nicht ganz unwesentlichen Einfluss auf das restliche Weltgeschehen.

Gedacht, getan: Die Youngster, die alle erst Ende 20 sind, sind mit den Vorbereitungen für ein Netzwerk der "Most Aspiring Talents" (MAT) der Branche fertig. Ihre Ziele: Der bei den herkömmlichen Netzwerkveranstaltungen oft unterrepräsentierten Next Generation eine starke Stimme geben. Gegebenheiten nicht einfach hinzunehmen, sondern zu hinterfragen und weiterdenken - und so neue Impulse in den Markt und die bestimmenden Unternehmen zu tragen.

"Die Immobilienbranche hängt gegenüber anderen Branchen bei Gesellschaftsfragen zurück", sagt Walbaum. "Das S und G in ESG wird gern vergessen." Hier hat seine Generation etwas beizusteuern - und will auch gehört werden.

Urmann sieht in der hiesigen Proptechlandschaft Luft nach oben: "Die ist gut, aber recht dünn besetzt." Wer, wenn nicht die Digital Natives, "die das richtige Mindset mitbringen", wie Walbaum findet, könnte dabei helfen, dieses zarte Pflänzchen zu düngen? Den jungen Männern schwebt ein "hochmotivierter, interdisziplinärer Thinkthank" vor, der über Unternehmensgrenzen und Geschäftsfelder hinausreicht.

Damit das Netzwerk stetig wächst, kürt eine unabhängige Jury - frei nach der Forbes-Liste 30 Under 30 - jedes Jahr 30 Immobilientalente unter 30. Der Startschuss für die Bewerbungsphase ist diesen Montag auf der IZ-Karrierewoche gefallen, der ersten digitalen Jobmesse für die Immobilienwirtschaft. "Es gibt viele Awards, wo Leute für ihr Lebenswerk ausgezeichnet werden oder weil sie ein großartiges Projekt auf die Beine gestellt haben. Wir rücken junge Professionals aus der zweiten Reihe in den Fokus, die die Branche noch bestimmen werden."

Bewerben können sich die Hoffnungsträger in spe seit dieser Woche. Dort füllen alle Kandidaten ein einheitliches Template aus. "Wir suchen Personen, die über den Tellerrand der Branche hinausgucken", stellt Urmann klar. Kandidaten sollten sich tunlichst die Frage gestellt haben: "Wie soll die Immobilienwirtschaft und die Welt im Ganzen aussehen und was kann ich dazu beitragen?" Und auch eine Antwort darauf gefunden haben. Nur einen guten Job zu machen, reicht nicht. Ein wichtiges Element ist: Gesellschaftliches Engagement. Das könnte z.B. die Unterstützung von Schülern oder Studierenden aus finanziell schwachen Familien sein.

Walbaum sähe gern auch ein paar Kandidaten aus anderen Bereichen als dem Investment-, dem Asset-Management oder der Immobilienberatung, "die schon vom Naturell her mehr outgoing sind". Explizit angesprochen fühlen sollen sich u.a. zum Beispiels auch Finanzierer oder Bauingenieurinnen, die in den einschlägigen Netzwerken tendenziell unterrepräsentiert sind.

Letztlich hat aber die siebenköpfige Jury das entscheidende Wort. Für diese haben die Väter des MAT-Awards das eine oder andere prominente Gesicht aus der Branche rekrutiert. In dem Gremium sitzen: Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende RICS Deutschland; Sandra Scholz, Vorstandsmitglied von Commerz Real; Larissa Lapschies, Geschäftsführerin der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft und Gründerin des Nachwuchsnetzwerks Immobilienjunioren; Thomas Beyerle, Managing Director von Catella Property Valuation; Alexander Ubach-Utermöhl, Geschäftsführer von blackprint Booster: Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter bulwiengesa, und Thomas Porten, Herausgeber der Immobilien Zeitung (IZ).

Die IZ ist exklusiver und eng begleitender Medienpartner des Projekts. Der Veranstalter Heuer Dialog, eine Tochter der IZ, wird die Preisverleihung am 23. April 2021 in Berlin organisieren. Diese soll, der Altersklasse entsprechend, nicht so steif wie manches andere Branchenevent, sondern in lockerer Partyatmosphäre über die Bühne gehen.

Die Initiatoren kommen übrigens aus der Welt der Berater, alle mit JLL-Vergangenheit bzw. -Gegenwart. Frederik Walbaum gehörte seinerzeit zum damals mit elf ausgewählten Köpfen bestückten Talentprogramm von JLL. Heute ist er Senior Associate bei PwC Real Estate. Dominik Talhof leitet das Bürovermietungsteam von JLL in Hannover, Michael Urmann ist in der Hannoveraner Niederlassung des Maklerhauses Senior Consultant Investment.

Unterstützung erhalten die drei von ihrem Freund Henry Alves, der sich ums Marketing kümmert. Offiziell treibt der eigens für diesen Zweck gegründete Förderverein der Deutschen Immobilienwirtschaft (FDI) das Projekt voran.

Harald Thomeczek

Vertreibung aus dem Zuckerwatteland

Berufseinsteiger machen gerade die Erfahrung, dass der Immobilienmarkt zyklisch ist: Es geht rauf - und irgendwann auch wieder runter.

Berufseinsteiger machen gerade die Erfahrung, dass der Immobilienmarkt zyklisch ist: Es geht rauf - und irgendwann auch wieder runter.

Quelle: iStock.com, Urheber: martin-dm

Karriere 18.06.2020
Studierenden von immobilienwirtschaftlichen Fachrichtungen lachte in der Branche jahrelang die Sonne. Mit dem Corona-Lockdown dieses Jahr machen die Jungen ihre erste Krisenerfahrung. Um ... 

Studierenden von immobilienwirtschaftlichen Fachrichtungen lachte in der Branche jahrelang die Sonne. Mit dem Corona-Lockdown dieses Jahr machen die Jungen ihre erste Krisenerfahrung. Um den Sturm abzuwettern, wird der eine oder die andere Abstriche machen müssen. Das zeigt die Arbeitsmarktumfrage 2020 der Immobilien Zeitung (IZ).

Die kamen mit fünf Verträgen zu mir und wollten, dass ich ihnen sage, welcher der beste ist", erzählt ein Professor, der Immobilienstudenten unterrichtet. Denn es ist noch nicht lange her, da rollten Immobilienunternehmen dem Nachwuchs sozusagen den roten Teppich aus. Die Branche im Endlos-Boom, die Auftragsbücher voll, die Firmen auf Wachstumskurs und Köpfejagd. Wer sein Studium abschloss, konnte aus einem ganzen Katalog von Jobangeboten wählen.

Wie gut es in der Immobilienwirtschaft lange lief, erfuhr der Nachwuchs besonders einprägsam auf dem wichtigsten Branchentreff hierzulande. "Die Expo Real 2019 war für uns alle wie ein Zuckerwatteland", erzählt Lisa Miosga, 28 Jahre, die Anfang des Jahres ihr Masterstudium an der Universität Regensburg abgeschlossen hat. "Der Immobilienmarkt ist zyklisch. Es gibt Hochphasen, die geprägt sind von hoher Liquidität, viel Enthusiasmus und einer entsprechenden Risikobereitschaft. Genau das war letztes Jahr auf der Expo Real zu spüren."

Jobaussichten sind nicht mehr ganz so rosig

Die Arbeitsmarktumfrage 2020 der IZ zeugt von dieser Hochphase. Die Befragung begann allerdings lange vor dem Lockdown Mitte März. Gut drei Viertel der 419 Studenten füllten den Fragenkatalog aus, bevor große Teile des Wirtschaftslebens in den coronabedingten Dornröschenschlaf fielen. Von diesen Vor-Corona-Teilnehmern beurteilten 82% ihre Chancen auf einen direkten Berufseinstieg auf einer Skala von eins (schlecht) bis sechs (sehr gut) mit einer Fünf oder Sechs (siehe dazu die Grafik "Corona-Krise trübt die Jobaussichten"). In der Nach-Corona-Gruppe bewerten nur noch 69% ihre Einstiegschancen als sehr gut oder gut.

Miosga könnte entspannt in die Zukunft schauen: "Mein Arbeitsverhältnis ist unbefristet und ich werde überdurchschnittlich gut bezahlt." Die Masterabsolventin wurde vom Essener Projektentwickler Greyfield, bei dem sie als Werkstudentin jobbte, in eine Festanstellung übernommen. Auch unter ihren (Ex-)Kommilitonen fällt ihr kein einziger ein, "der nicht etwas bekommen oder wo das Unternehmen einen Rückzieher gemacht hätte". Doch die junge Frau ist sich sicher: "Ein geringer Abschwung ist definitiv nicht aufzuhalten."

Maklerhäuser und Berater hat es schwer getroffen

In Teilen der Branche ist der Abschwung schon da - und bei den Nachwuchskräften angekommen. Mit kolportierten Umsatzeinbrüchen von bis zu 60% sollen vor allem Maklerhäuser und Beratungsgesellschaften schwer getroffen sein. Young Professionals mit ein, zwei Jahren Berufserfahrung in einem Beratungshaus berichten von Bonuskürzungen und verschobenen Gehaltserhöhungen. Urlaubsbestände und Überstunden müssen auf Geheiß von oben abgebaut werden.

Andere hat es schlimmer erwischt: "Bei mehreren bekannten Unternehmen wurden aufgrund der Corona-Krise Kündigungen von Absolventen während der Probezeit oder von Young Professionals vorgenommen", berichtet Stefanie Saß. Saß kennt viele Nachwuchskräfte für die Bau- und Immobilienwirtschaft: Sie ist Geschäftsführerin der Personalberatung engagingtalents, die sich auf Talente für genau diese Branchen spezialisiert hat.

Erste Einschläge - und die Verunsicherung nimmt zu

Thomas Beyerle kennt ebenfalls den einen oder anderen Leidtragenden persönlich. "Aktuell lassen sich bei meinen Absolventen aus dem letzten Jahrgang in der Tat die ersten Einschläge dokumentieren: in der Probezeit gekündigt oder in Kurzarbeit", berichtet der Geschäftsführer von Catella Property Valuation, der an der Hochschule Biberach Immobilienresearch lehrt. "Nach Lehman war die Lage am Anfang entspannter; es dauerte länger, bis Einschläge sichtbar wurden. Die Verunsicherung nimmt zu."

Nicht, dass bereits die ganze Branche im Krisenmodus steckt. Aber vor ein paar Monaten hätte wohl niemand geglaubt, dass Immobilienberatungsunternehmen oder Investmentmanager ihre Belegschaft plötzlich nach Sparpotenzialen durchforsten. Dass Neueinstellungen komplett gestoppt oder auf ein Minimum reduziert werden und dass befristete Verträge plötzlich ein Thema werden. Und dass Werkstudenten nach Hause geschickt oder gleich ganz gekündigt werden.

Letzteres ist gerade deshalb bitter, weil der Weg zu einer Festanstellung nach dem Studium nicht selten über einen Werkstudentenjob führt. Eine Absolventin fragt sich, ob das mündliche Jobangebot, das sie als Werkstudentin bei einer der großen vier Beratungsgesellschaften im Januar bekommen hat, jetzt noch steht. Doch in der Krise stellt der Mann, der ihr dieses Angebot unterbreitet hat, sich tot. "Selbst nach mehrmaliger Kontaktaufnahme in neutralem Ton meinerseits wurde darauf verzichtet, mir zu antworten. Ich hätte vollstes Verständnis gehabt für ein: Bitte abwarten - wir wissen es selbst nicht."

Die bittere Erkenntnis, die die junge Frau mitnimmt: "Auch nach der Krise möchte ich nicht für ein Unternehmen arbeiten, das in solch einer Situation sein Gesicht verliert." Ihre Enttäuschung ist deshalb so groß, weil sie den Herrn bzw. das Unternehmen und ihre alten Kollegen schon "so lange kennt und an verschiedenen Projekten erfolgreich mit ihnen zusammengearbeitet hat, stundenlang bis in die Nacht".

Jetzt zeigt sich, auf wen man sich verlassen kann

Auf seinen Arbeitgeber verlassen kann sich dagegen anscheinend Carl Christof Korb. Der angehende Bauingenieur musste seine Tätigkeit als Werkstudent im Property-Management bei BNP Paribas Real Estate in Leipzig im März unfreiwillig einstellen. Und er hat dafür Verständnis: "Es ist eine schwierige wirtschaftliche Situation, wo Entscheidungen zum Besten des Unternehmens getroffen werden müssen. Mein Fall ist nicht einzigartig, alle Werkstudenten meiner Firma in Deutschland durften nicht mehr zur Arbeit kommen." Naturgemäß hat sich Korb in den vergangenen Wochen deshalb die Frage gestellt, ob er für das Unternehmen nach diesem Erlebnis noch arbeiten möchte. Die Antwort gab die Firma: "Mein Arbeitsvertrag ist bis Mitte Juni datiert, wird jedoch aufgrund meiner Anfrage nach einer Verlängerung bis zum Ende meines Studiums im September verlängert. Das wurde vereinbart, und nach mündlicher Absprache rechne ich dann mit einem Angebot zur Festanstellung."

Laut IZ-Arbeitsmarktumfrage haben fast zwei Drittel (62%) aller 419 Teilnehmer noch keinen Job in der Tasche. Selbst von denjenigen, die dieses Jahr auf den Arbeitsmarkt kommen (237 Studierende), waren 54% zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht vergeben. Manch einem der Absolventinnen und Absolventen dürfte die Corona-Krise einen Strich durch die Karriereplanung gemacht haben.

Selbst wer sich seiner Sache sicher zu sein glaubte, kann dieser Tage plötzlich mit leeren Händen dastehen: "Bei einem Kommilitonen von mir wurde der Arbeitsvertrag noch vor Antritt aufgehoben", erzählt Yannik Huschka, der dieses Jahr seinen Abschluss macht, aber "keine gute Ausgangssituation" mehr vorfindet. "Kurzfristig haben viele Unternehmen Stellenanzeigen zurückgenommen und Assessment-Center abgesagt. Führungskräfte sind vorsichtig mit Neueinstellungen geworden." Huschka, der BWL in Mannheim studiert, hat sich deshalb dafür entschieden, seine unternehmerische Ader auszuleben.

"In einer Krisenphase steigt die Bildungsnachfrage"

Eine andere Alternative: einfach weiterstudieren. Nur eine verschwindend geringe Minderheit der Befragten gab in der IZ-Umfrage zu Protokoll, nach dem laufenden Studium genau das vorzuhaben. Der eine oder andere hat sich inzwischen offenbar umentschieden. Hanspeter Gondring, wissenschaftlicher Leiter der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft, weiß: "In einer Krisenphase steigt die Bildungsnachfrage." Verena Rock, Immobilienprofessorin an der Hochschule Aschaffenburg, pflichtet bei: "Wir beobachten deutlich steigende Bewerberzahlen für unseren Master Immobilienmanagement und auch eine sehr gute Erstnachfrage für den Bachelor Digitales Immobilienmanagement." Rocks Analyse: Viele setzen in der Krise auf gute Aus- und Weiterbildung, zum Teil zur Überbrückung, aber vor allem für einen besseren Karrierestart danach.

Sicher, es gibt viele Firmen, die einstellen, manche gerade wegen der Krise mehr als zuvor. Die Assetklassen Wohnen und Logistik gelten als ziemlich krisenresistent, und lebensmittelgeankerte Handelsimmobilien ebenso. Bewerter sind in der Krise besonders gefragt, und bestehende Gebäude müssen auch in Corona-Zeiten noch verwaltet und instand gehalten werden - von Facility- und Property-Managern. Auch die Projektentwicklung gilt als sicherer Hafen.

"Wir können nur auf Sicht fahren"

Doch eine Prognose trauen sich die wenigsten Arbeitgeber zu. "Unsere Produkte und Investments entwickeln sich stabil; trotzdem können auch wir nur auf Sicht fahren und schauen, wie sich der Markt entwickelt", sagt Sandra Scholz, im Vorstand der Commerz Real u.a. für Personalthemen verantwortlich. Alle Programme runterfahren und komplett am Nachwuchs sparen - "das wäre wirklich nur die Ultima Ratio". Die Zusagen für ihre Trainees, die am 1. April anfingen, hielt die Commerz Real daher ein. Ebenso wie die Commerzbank-Tochter bei Nachwuchskräften, die zu Beginn des Lockdowns zur unbefristeten Übernahme anstanden, Wort hielt. Die Gretchenfrage ist, wie es weitergeht: Die zweite Trainee-Tranche startet bei dem Asset- und Fondsmanager normalerweise Anfang Oktober: "Wir haben noch nicht abschließend entschieden, wie wir damit umgehen", sagt Scholz ehrlich.

Jobs gibt es noch genug - nur nicht mehr überall

Es kommt also nicht von ungefähr, dass sich die Erwartungshaltung der Studenten durch die Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus spürbar verändert hat. Sicherheit steht auf einmal hoch im Kurs (siehe dazu die Grafik "Covid-19 verändert die Ansprüche"). Ein Mitzwanziger, der gerade berufsbegleitend seinen Master macht und danach eigentlich den Arbeitgeber wechseln wollte, verrät: "Bedingt durch den wirtschaftlichen Abschwung werde ich vorsichtiger bei einem Wechsel sein." Wie gut, dass der junge Mann schon einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat.

Mag das Zuckerwatteland auch geschlossen haben, Immobilienspezialisten haben immer noch gute Jobkarten. "Alle können in diesem Land morgen einen Job in der Immobilienwirtschaft bekommen - vielleicht nicht mehr um die Ecke, aber in Frankfurt, München oder London allemal", macht Beyerle Mut. Beim Traumjob, konstatiert Headhunterin Saß, wird ein Teil der Absolventen allerdings Abstriche machen müssen. Professorin Rock rät: "Steckt nicht den Kopf in den Sand, sondern bewerbt euch aktiv - auch wenn offiziell Einstellungsstopp an der Tür steht. Sucht eher einen Nischenplayer. Ihr müsst nicht unbedingt als erstes einen großen Namen auf dem CV stehen haben."

Praktika sind eine gute Alternative

Vielleicht braucht, wer seine hohen Ansprüche verwirklichen will, nur etwas mehr Geduld als früher. Die frischgebackene Bachelorabsolventin Vanessa Hummer will noch einen berufsbegleitenden MBA an der Irebs draufsatteln. Den richtigen Arbeitgeber, der ihr den MBA möglichst finanziert, sucht die ehrgeizige und anspruchsvolle 24-Jährige noch. Dass der Zeitpunkt nicht gerade günstig ist, ist ihr bewusst. Sie lässt die Partnersuche darum lieber langsam angehen: "In der derzeitigen Situation ist ein Praktikum eine sehr gute Alternative - für beide Seiten -, um sich unverbindlich kennenzulernen und den Sturm auszusitzen."

Harald Thomeczek

Boomer statt Millennials!

Thomas Beyerle.

Thomas Beyerle.

Quelle: Catella

Karriere 16.04.2020
Thomas Beyerle kümmert sich als Professor an der Hochschule Biberach um die Ausbildung des Fachkräfte-Nachwuchses. Bei allem Jugendkult sollte man die Generation 55 plus nicht unterschätzen, ... 

Thomas Beyerle kümmert sich als Professor an der Hochschule Biberach um die Ausbildung des Fachkräfte-Nachwuchses. Bei allem Jugendkult sollte man die Generation 55 plus nicht unterschätzen, sagt er.

Kevin Kühnerts Auftritt auf dem diesjährigen Branchenkongress Quo Vadis war fast schon symptomatisch für den "clash of generations", die Kluft von Alt gegen Jung in der Frage, wie die Zukunft gestaltet werden soll. Die Kluft verlief im Falle des Juso-Chefs und der anwesenden Immobilienbranche zwischen Marktwissen und Erfahrung auf der einen und "nicht mal zu Ende studiert, aber rhetorisch brillant" auf der anderen Seite. "Okay Boomer" war denn auch Kühnerts Antwort auf die zugegebenermaßen etwas überhebliche Abmoderation seines bemerkenswertem Auftritts. Okay Boomer, das bedeutet in der Sprache der Millennials in etwa: Ihr seid nicht deswegen schlauer als wir Jüngere, nur weil ihr älter seid. Leider verpuffte Kühnerts Seitenhieb weitgehend. 80% der anwesenden Führungskräfte kannten den Ok-Boomer-Spruch wahrscheinlich nicht einmal.

Eines ist klar: Die Jugend hat wichtige Impulse für unsere Branche. Und wir sollten sie ernst nehmen. Immer öfter sitzt ein Manager aber wie das Kaninchen vor der Schlange, wenn er das Problem der Personalabteilung lösen soll: "Wir finden immer schwerer junge Talente". Höhere Gehaltsangebote erhalten hier nämlich nur noch mittelprächtige Resonanz, wie mir meine Absolventen immer wieder bestätigen. 2,6 Jobangebote pro Masterabsolvent sprechen eine deutliche Sprache. Und genau hier stellt sich die Frage: Warum nicht in Alternativen denken? Wer stellt denn zum Beispiel Arbeitskräfte 55 plus noch ein? Die mit Erfahrung, mit Routinen, mit Krisenbeständigkeit, von denen es rein quantitativ eindeutig mehr gibt? Und ja, auch die mit den Gehaltsvorstellungen, welche - in der relativen Betrachtung - genauso ambitioniert sind wie die der Einsteiger?

Weitere Argumente gefällig? Fachwissen: muss eh jeder in immer schnelleren Abständen auffrischen. Für den neuen Job werden alte (sic!) Kontakte mitgebracht. Die Prozess- und Verfahrenskenntnisse passen in den Markt. Die klassischen Methoden können neben vertrauten auch auf neue Aufgaben übertragen werden. Das spart Einarbeitungszeit und Personalkosten. Körperliche Unzulänglichkeiten oder vermeintliche Fremdsprachendefizite bei Älteren gibt es sowieso kaum noch. Wer, wenn nicht die Erfahrenen soll also den ganzen "Value-add"-Objekten zu neuer Blüte helfen? Absolventen mit Advanced-Excel-Kenntnissen? Auch in diesem Fall ist Alter kein Charakterfehler. Die immer kurzfristigeren Planungszyklen der Unternehmen lassen nur diesen Weg zu. In einem Satz könnte man das Fazit so fassen: Boomer - okay!

Thomas Beyerle

"Stechuhr-Urteil" ist umstritten

Karriere 13.06.2019
Viele Praktiker aus der Branche sehen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das Arbeitgeber zur umfassenden Arbeitszeiterfassung ihrer Mitarbeiter verpflichten will, kritisch. Dafür ... 

Viele Praktiker aus der Branche sehen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das Arbeitgeber zur umfassenden Arbeitszeiterfassung ihrer Mitarbeiter verpflichten will, kritisch. Dafür sei die Trennung zwischen Privat- und Arbeitszeit zu unscharf.

Wohnungsmaklerin Susanne hat gerade eingeparkt. Auf dem Weg zurück ins Büro macht sie Halt am Supermarkt, um schnell ein paar Sachen fürs Abendessen zu besorgen. Flott aus dem Auto rausspringen und in den Markt huschen war gestern. Jetzt bleibt Susanne noch sitzen und greift zum Dienst-Smartphone. Wisch, wisch, tipp, warten, tipp - fertig. In der App zur Arbeitszeiterfassung hat sie von Arbeits- auf Privatzeit umgeschaltet.

An den Obstregalen schaut sich Susanne gerade die Bananen an, da schallt es in ihr Ohr: "Frau Schmitt! Huhu! Gut, dass ich Sie treffe!" Eine Kundin, für die sie gerade ein Haus verkauft. "Ach, Frau Hübner", antwortet Susanne. "Einen Moment bitte!" Und wieder der Griff zum Smartphone: Wisch, wisch, tipp, warten, tipp - fertig. Privatzeit aus, Arbeitszeit an. Zehn Minuten später, Frau Hübner hat jetzt alle offenen Fragen geklärt, greift Susanne wieder zum Handy: Wisch, wisch, tipp, warten, tipp - fertig. Zurück zu den Bananen ... In der Warteschlange an der Supermarktkasse klingelt Susannes Telefon - ein Kollege. Sie soll ihm bei einem technischen Problem helfen. "Moment", sagt Susanne. Wisch, wisch, tipp, warten, tipp - fertig. 15 Minuten später, Problem gelöst. Wisch, wisch, tipp, warten, tipp - fertig. Jetzt kann Susanne zahlen, kauft noch etwas in der Bäckerei, setzt sich anschließend mit ihren Einkäufen ins Auto. Und: Wisch, wisch, tipp, warten, tipp - fertig. Ab ins Büro.

Das Beispiel mit Maklerin Susanne ist fiktiv. Doch ist es wirklich so unrealistisch? Der Europäische Gerichtshof hat im Mai in einem Urteil gefordert, dass die Mitgliedsstaaten Arbeitgeber dazu verpflichten sollen, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Objektiv, verlässlich und für alle Arbeitnehmer zugänglich soll das geschehen. Das kann z.B. handschriftlich sein oder per App erfolgen, wobei immer auch der Datenschutz berücksichtigt werden muss.

Die Frage nach der passenden Technik ist allerdings das kleinere Übel, über das sich die Immobilienbranche Gedanken macht. Praktiker fragen sich vielmehr, wie die Erfassung und damit einhergehend die strikte Trennung zwischen Arbeits- und Privatzeit grundsätzlich umgesetzt werden soll. Der Kölner Wohnimmobilienmakler Roland Kampmeyer sieht darin ein Problem - gerade bei mobil arbeitenden Dienstleistern, deren Arbeitstag durchsetzt ist mit privaten Aktivitäten. "Flexibilität ist die einzige Chance, die wir haben, um uns als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren", sagt er. Und das gerade für eine junge Generation, für die die Arbeit nicht mehr wie selbstverständlich an erster Stelle steht. Stichwort Work-Life-Balance. Er wünscht sich eine je nach Branche individualisierte Lösung.

Auch Thomas Beyerle, Head of Research der Catella Group, sieht die Vorgabe aus Luxemburg kritisch. Er selbst hat mit Catella Vertrauensarbeitszeit vereinbart, die Erfassung der geleisteten Arbeitsstunden ist dabei schwierig. "Die App-Welt sorgt dafür, dass eine funktionale Trennung nicht mehr möglich ist."

Als "realitätsfern" bezeichnet Richard-Emanuel Goldhahn, Deutschlandchef von Cobalt Recruitment, das Urteil. "Ich sehe noch nicht, dass das Urteil mit Leben gefüllt wird." Vielmehr sollte auf die Verantwortung der Arbeitgeber gesetzt werden, ihre Mitarbeiter vor zu viel Arbeit zu schützen.

Mit diesem Urteil spiele das Gericht Arbeitnehmerschutzrechte gegen Vertrauensarbeitszeit aus, sagt Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. "Wir erwarten heute immer größere Flexibilität, Mobilität und Erreichbarkeit", führt er weiter aus. "Unsere Unternehmen arbeiten mit komplexen Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten, die heute schon an der Zumutbarkeitsgrenze liegen." Babiel warnt davor, jetzt auch flexibel tätige, gut bezahlte und führende Angestellte so wie Mindestlöhner unter Kontrolle zu stellen. Er spricht von möglichen "atmosphärischen Störungen". Vielmehr brauche die Bauindustrie mehr Flexibilität in den Arbeitszeitmodellen. Der Acht-Stunden-Tag des Arbeitszeitgesetzes stamme aus einem anderen Jahrtausend.

Die IG Bau reagiert derweil positiv auf das EuGH-Urteil. Es sei "ein Meilenstein für die Stärkung fairer Arbeit. In allen unseren Branchen - Bau, Gebäudereinigung und Agrar - prangern wir seit Jahren Lohndumping durch nichtbezahlte Arbeit an. Überstunden fallen einfach unter den Tisch", sagt IG-Bau-Bundesvorsitzender Robert Feiger. Er erhofft sich vom Staat Vorgaben einer engmaschigen Arbeitszeitkontrolle, "sodass dadurch eine effiziente Abschreckung für schwarze Schafe erzeugt wird". Das Argument der zunehmenden Bürokratie lässt Feiger nicht zu. Das sei auch schon bei der Einführung des Mindestlohns ins Feld geführt worden. "Kein einziger Betrieb ist durch die Erfassung der Arbeitszeiten in den Bankrott getrieben worden."

Anke Pipke